Vielleicht noch ein paar Gedanken zu dem Thema:
Wie ich im Radio auf BR-Klassik gehört habe, nehmen sogar Berufsmusiker vor wichtigen Konzerten Beta-Blocker ein, um ihre Angst zu bekämpfen. Das ist also kein Anfängerproblem.
Eine weitere Erklärung für vieles, was hier geschrieben wurde findet sich auch im Buch "Die obere Hälfte des Motorrads" von Bernt Spiegel. (Das Buch behandelt übrigens zum Großteil Werkzeuge, Instrumente und Apparate ganz allgemein und ist deshalb für Akkordeonspieler genauso geeignet wie für Motorradfahrer.):
Zum Lernen (und Kontrollieren, optimieren und Probleme lösen) haben wir ein Großhirn (resp. Bewusstsein), mit dem wir uns auf einzelne Stellen konzentrieren können, was aber anstrengend und fehlerbehaftet ist. Das Großhirn ist auch für die Integration des Instruments oder Werkzeugs in den menschlichen Körper verantwortlich. Die Benutzung des Instruments ist dann aber Sache von Kleinhirn und Rückenmark (resp. Unterbewusstsein).
Beispiel: Wenn wir den Balg schließen sollen, dann schließen wir ohne Nachzudenken den Balg und wir denken nicht nach, wie wir das anstellen müssen, kommen dann darauf, dass wir wahrscheinlich den Bizeps im Arm anspannen müssen und probieren es aus, ohne sicher zu sein, dass es auch funktioniert, denn das Großhirn hat das Akkordeon bereits zu einem Teil des menschlichen Körpers gemacht, bzw. das Signal "Balg schließen" mit den nötigen Nerven in Kleinhirn und Rückenmark kombiniert.
Eine schwierige Stelle X zu lernen heißt also, mit Hilfe des Großhirns in Kleinhirn und Rückenmark die nötigen Stellen zu verknüpfen und diese mit dem Signal "Stelle X" zu kombinieren. (Entschuldigt meine unfachmännische Schreibweise - ich bin weder Arzt noch Chemiker noch Physiker).
D.h. insbesondere, wenn ich meine ganze Aufmerksamkeit, d.h. mein Großhirn für eine schwierige Stelle brauche, bin ich dabei, sie zu lernen, aber mit dem Lernen noch nicht fertig.
Ein Instrument lernen heißt, diese Verknüfungen im Gehirn anzulegen, insbesondere im Kleinhirn und im Rückenmark, so dass diese dann, wenn wir ein neues Stück Y lernen, möglichst schon vorhanden sind und nur noch mit die Verbindungen mit dieser oder jener Stelle in Stück Y hergestellt werden müssen.
Deshalb kann jemand, der bereits viele Stücke gelernt hat, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit ein neues Stück spielen, als jemand der noch nicht viele Stücke gelernt hat - der eine hat schon viele Verknüpfungen in Kleinhirn und Rückenmark, der andere nicht.
Das setzt jedoch voraus, dass dieser jemand in Übung bleibt, damit diese Verknüpfungen erhalten bleiben.
Ich persönlich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, Läufe und Sprünge im aktuellen Stück zu erleichtern, in dem ich ohne Rücksicht auf Verluste (d.h. Fehler) mehrere verschiedene Oberkrainer-Polkas spiele (beidhändig und nicht viel langsamer als im Original). Danach bin ich auf schnelle Läufe und Sprünge deutlich besser vorbereitet und die Chance, dass der Lauf oder der Sprung da schon vorgekommen ist, ist gar nicht so gering.
Ein schönes neues Jahr.