bin gerade am verzweifeln
Verzweifeln brauchst du schon mal nicht. Wichtig ist wahrscheinlich, dass du deiner Familie einen Plan und eine überzeugte Entscheidung zeigen kannst. Ich vermute mal, deine Familie wünscht sich, dass du was "richtiges" lernst, was dir später Sicherheit bietet? Das ist durchaus verständlich, denn man kommt tatsächlich nicht so einfach an Orchesterstellen und co. Aber du schreibst:
in einem Orchester spielen und Leuten Musik beibringen
wenn das wirklich dein Wunsch ist und du dir auch vorstellen kannst, Trompete zu unterrichten, sieht es schon etwas besser auch (und nein, man verdient nicht die Welt, ist oft auch nur auf Honorarbasis "angestellt", aber Musikschullehrer werden noch eher gesucht).
Jetzt aber zur wichtigen Frage: Wie schafft man die Aufnahmeprüfung? Ja, bei den Aufnahmeprüfungen wird schon ein sehr hohes Niveau erwartet. Aber es ist nicht unschaffbar. Auf Gehörbildung und Theorie kann man sich tatsächlich am besten mit einem Kurs und ergänzenden Büchern vorbereiten. Oder wenn du in einer Unistadt bist, findest du vielleicht einen Musiktheorie- oder Kompositionsstudenten, der dir für kleines Geld unregelmäßig "Nachhilfe" gibt, falls du zeitlich die Kurse an nahegelegenen Musikschulen nicht besuchen kannst. Solltest du wirklich nur aus Büchern lernen wollen (habe ich bei Theorie gemacht, Gehörbildung war ich in nem Kurs), dann solltest du viel Zeit einplanen und bei Fragen dich an Kirchenmusiker/Schulmusiker/wen du so kennst, wenden und vor allem immer mal gelöste Aufgaben abgeben und kontrollieren lassen. Wenn du dich da aber reinhängst, reichen zwei Jahre definitiv.
Ich kann verstehen, warum man Trompete als Hauptfach macht, wenn man Klavier viel länger spielt. Spiele selbst wesentlich länger Klavier als Flöte und studiere nun Flöte als Erstinstrument (Hauptfach bei mir Pädagogik) und Klavier als Begleitinstrument. Warum? Flöte gefiel mir besser, ich fand die Auseinandersetzung mit dem eigenen Atem viel spannender als Klavierspielen und soll schließlich mindestens vier Jahre lang das Üben genießen können. Und viel wichtiger: An einigen Unis gibt es zu Klavier kein Nebenfach (zumindest bei Pädagogik). Es gibt also nur die Kombi Flöte Hauptfach + Klavier oder Klavier ohne Nebenfach. Und ich wollte die Flöte auf keinen Fall aufgeben. Also habe ich mich mit mega viel üben auf einen Flötenstand gepuscht, dass ich gerade so angenommen wurde (habe da wohl echt Glück gehabt). Und dann bei der Aufnahmeprüfung im Begleitfach so gespielt, dass ich gefragt wurde, warum ich nicht Klavier als Erstinstrument gewählt hätte. Ich bin schon ganz stolz darauf, dass ich jetzt Klavier und Flöte auf einem ähnlichen Stand spiele.
Allerdings: Überlege dir (und frage auch alle professionellen Musiker, die dich trompetespielend kennen), ob du mit Trompete realistische Chancen hast. Drei Jahre Posaunenchor ist wirklich nicht viel. Frage auch deine Lehrer (Kirchenmusiker etc.), was sie von deinem Klavierlevel halten. Wichtig: Suche dir einen Trompeten- und einen Klavierlehrer (falls du nicht schon hast) und erzähle ihnen von deinen Plänen. Die Instrumentallehrer können dein Können einschätzen und dich gut auf die Aufnahmeprüfung vorbereiten. Es geht nicht darum, wo oder wie lange jemand gelernt hat, sondern um das Können. Und das ist über ein Forum nicht einzuschätzen.
Ich weis nicht was ich machen soll.
Ich würde sagen: Schlachtplan entwerfen und anfangen.
- Zeitplan machen. Was muss ich bis zur Aufnahmeprüfung können, welche Angebote kann ich in Anspruch nehmen (Infotage, Vorbereitungskurse, Vorspielen bei einem Hochschuldozenten, Bücher, Vorspielmöglichkeiten von Solostücken in der Kirchengemeinde, etc.)?
- Auf welchem Stand bin ich, wo will ich noch hin?
- Wie stelle ich mir später mein Berufsleben vor? Warum will ich eigentlich studieren? Lies dich mal im Internet schlau, wie die Berufsbedingungen für freischaffende Musiker/Musikpädagogen so sind - stachelt das deinen Kampfgeist an oder macht dich das ängstlich?
- Rede mit allen Musikern, die du kennst (deine Instrumentallehrer, Kirche, Schule, etc.) über deine Pläne. Nutze jede Gelegenheit, etwas vorzuspielen und vorzuzeigen (Theoriekenntnisse, etc.) und sitze nicht in deinem stillen Kämmerlein und denk dir: Die Aufgaben werden schon richtig gelöst sein, ich spiele bestimmt schon gut genug, das braucht doch jetzt keiner zu kontrollieren. DOCH!!! Und du wirst oft genug zu hören bekommen, was du noch alles falsch machst, und was dir noch alles an Wissen fehlt. Das ist manchmal niederschmetternd, aber du musst alle diese Momente nutzen, um zu lernen, um Ratschläge und Hilfe zu bekommen.
- Plane finanzielle Mittel ein. Unterricht, Kurse und Bücher sind teuer. Vieles kann man heutzutage im Internet finden und lernen, aber nicht alles. Ich sage nicht, dass du viel ausgeben sollst, aber ganz ohne Geld wird es sehr schwer gehen. Allerdings solltest du auch auf keinen Fall Massen an Büchern kaufen. Lieber eins und das ordentlich durcharbeiten.
- Überlege dir auch, wann du bereit bist, diesen Traum aufzugeben. Das ist vor allem wichtig, einer skeptischen Familie zu kommunizieren. Wenn dir deine Lehrer, musikalischen Mentoren sagen, dass das nichts wird, suchst du dir dann was anderes? Oder erst wenn du durch die Aufnahmeprüfung fällst? Oder willst du dir nach einer verpatzten Aufnahmeprüfung noch ein Jahr Zeit nehmen zum üben und es dann noch mal versuchen? Wie siehst du dieses Jahr finanziert? Hast du einen Plan B berufswahltechnisch oder willst du alles auf eine Karte setzen? - Das sind kritische Fragen, die deine Familie hundert Prozent interessieren. Keine der hier aufgeführten Varianten ist besser oder schlechter als eine andere. Es kommt immer auf den Typ Mensch an, der man ist und auf die Lebenssituation. Denke auch daran: Auch wenn Musik ein Hobby bleibt, kannst du mit kleinen Auftritten (Hochzeiten, etc.) ein wenig verdienen und viel Spaß haben.
Ich hatte damals (Aufnahmeprüfung ist bei mir auch gerade mal erst ein Jahr her) ein großes Notizbuch, in dem vorne drin stand: "Weil ich Musikerin werden will...". Darin habe ich geplant und kontrolliert, was ich wann übe. Das war eine Qual, weil ich eigentlich eher der Typ zum drauflos üben ohne planen bin. Aber damit wäre ich nie so weit gekommen. Außerdem ein anderes Buch, in dem ich Infos gesammelt habe. Über Musikpädagogik, über die Aufnahmeprüfungen, über Ideen, Übetechniken, Berufsaussichten, Tipps & Tricks, motivierende Sprüche, Vorbilder... einfach alles kunterbunt. Während der akuten Phase vor und während den Aufnahmeprüfungen habe ich dann meine komplette Wand zugeklebt. Ich hatte einen riesigen Zeitplan, auf dem jeder Tag detailliert geplant war mit den Übezielen und -zeiten und auf den habe ich dann immer kleine Bilder gemalt, Smylies, Strukturen fürs Üben, Begriffe oder geschichtliche Daten, die ich mir merken wollte drauf geklebt... Möglichst bunt sollte es sein. Das war meine Art, mich in einer nicht immer ganz einfachen Lebensphase zu motivieren. Bei mir hat es glücklicherweise geklappt, ich bin im Musikstudium sehr glücklich und kann nur empfehlen, dafür zu kämpfen.
Es grüßt sehr herzlich,
Annino
