Hersteller haben Amps zu bauen, die bei sachgerechter Benutzung nicht kaputt gehen. Musiker haben ihr Equipment aber auch sachgerecht (nach Anleitung und den Naturgesetzen) zu benutzen
Andreas, du magst mit deinen Motorradbeispielen (die haben inzwischen übrigens meist einen Begrenzer, sogar ein 10 Jahre alter VW Golf hat einen...) und dem mit dem Sandkasten absolut Recht haben - ich habe auch auf diese Weise gelernt, dass Feuer heiß ist und 2m zum Runterspringen in jungem Alter sehr hoch sein könnten - und daher stimme ich dir da auch voll zu.
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Aber dein Vergleich passt dennoch nicht so wirklich.
Nehmen wir mal einen
Röhrenamp. Der ist nicht leerlauffest und dazu noch so konstruiert, dass er bei fehlender Last zum Oszillator wird und sich selber abfackelt, auch ohne Eingangssignal (alles schon gesehen). Lassen wir mal das mit dem Oszillator weg und beschränken wir uns auf die Leerlauffestigkeit. Es widerstrebt schon der sinngemäßen Anwendung eines Verstärkers, diesen ohne Last zu betreiben, weil dann hört man ja nix.
Okay, soweit ist das eine sinnvolle Argumentationskette.
Aber wenn mal ein Stecker rausfliegt oder keinen Kontakt macht (Korrosion), weil diese Stecker faktisch veraltet und für die Anwendung verglichen mit modereren Steckverbindernormen einfach ungeeignet sind und es mal Zeit wird was neues einzuführen, was sich sonst schon bewährt hat? Dann liegt der Fehler klar beim Hersteller, der sich gegen das neue System sträubt.
Außerdem handelt es sich beim Musikerequipment im Gegensatz zu Home-HIFI-Systemen in Röhrentechnik um Geräte, die im Live-Einsatz ständig auf-und abgebaut werden. Somit muss mit eingeplant werden, dass Verkabelungsfehler auftreten können oder aufgrund von defekten Leitungen (Aderbruch z.B.) unvermeidbar sind und es ist eben ein Zeichen von Qualität und "Entwicklung mit Hirn", dass der Verstärker in so einem Fall nicht kaputtgeht. Der Hersteller sollte das Interesse haben, dass die Benutzer mit dem Gerät zufrieden sind und nicht permanent 3 Backups mitnehmen müssen, falls mal was abbrennt.:screwy:
Und dann gilt es noch die Frage zu beantworten, warum denn sogar Marshall inzwischen draufgekommen ist, die Verstärker leerlauffest zu machen? Der JVM irgendwas (ich kenn mich mit dem neueren Marshall-Zeug nicht aus) ist leerlauffest. Die ENGLs sinds auch, die neueren Peaveys auch meistens.
Mit Sicherheit nicht, weil das "ein paar hundert Euro mehr" kostet, das sind in der Realität nämlich nur zwei Bauteile mit einem Einkaufspreis von zusammen vielleicht 2-5 Cent. Also
zwei Bauteile für zusammen 5 Cent verhindern, dass ein Röhrenamp beim Abklemmen der Last abbrennt. Erkläre mir mal jemand, warum man das nicht serienmäßig macht, wenn nicht um Defekte herbeizuführen, damit die Werkstatt Arbeit hat. Klanglich hat das nebenbei absolut keine Auswirkungen, weil die Schaltung wirklich nur dann zulangt, wenns für die Röhren(fassungen) und/oder den AÜ gefährlich wird.
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Anderes Beispiel:
Halbleiterverstärker. Warum bauen die Hersteller nicht einfach zwei Emitterwiderstände, zwei Strombegrenzungstransistoren incl. zweier Basiswiderstände für eben jene ein? Kostenpunkt zusammen wenns hochkommt 20-50 Cent im Einkauf. Aufwand zum Einbau: Absolut Null, weil das eh eine Bestückungsmaschine macht.
Und warum sind praktisch alle PA-Endstufen und inzwischen sogar schon viele Heim-HIFI-Verstärker kurzschlussfest? Mit Sicherheit nicht, weils zuviel kostet.
Auch hier gilt: Es geht nicht darum, absichtlich falsche Benutzung wie Überdrehen eines Motors zu verhindern, es geht vielmehr darum bei defekten Kabeln oder einfach Einstecken bei eingeschaltetem Amp (Klinken machen da meistens einen Kurzschluss!) einen Schaden am Gerät zu verhindern. Wer profitiert vom Schaden, wenn nicht die Werkstatt und der Hersteller, weil er was neues verkaufen kann?
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Um den Vergleich von dir nochmal anzuführen: Wenn ich beim
Motorradfahren einen Motor in den unteren Gängen bis 13000 hochjage - am besten noch, wenn der Motor kalt ist - und ich dann den/die Kolben oder die Ventile aus meinem Knie oder Tank oder Helm ziehen darf, dann ist das persönliche Dummheit und man kann dem Hersteller absolut keinen Vorwurf machen. Aber wenn ich mich einmal verschalte und mit Gas einkupple, dann ist ein Begrenzer sehr sinnvoll...alternativ dann, wenn der Gang nicht sitzt - das kommt beim Motorrad auch mal vor.
Das kostet den Hersteller genau garnichts, so ein Begrenzer. Das ist eine Zeile Code, die man in die ECU schreibt. Entweder bei einer EFI - da stellt man eben einfach die Einspritzung bei zu hoher Drehzahl ab, dann geht der Motor vom Last- in den Schiebebetrieb über und spielt einfach nur Kompressor - oder bei einem Vergasermotor mit elektronischer CDI-Zündung da schaltet man eben die Zündung ab. Der Effekt ist der gleiche. Das kostet den Hersteller nichts außer dass einer die Zeile da reintippt, aber es erhöht die Fahrsicherheit und die Standfestigkeit des Fahrzeugs um Welten.
Sieh das jetzt nicht als persönlichen Angriff auf dich selbst, so ist der Post nicht gedacht. Aber vielleicht regt er den einen oder anderen mal zum Nachdenken an...
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Edit:
Wir sind zwar in einigen Dingen unterschiedlicher Meinung, aber bestimmt nicht so weit auseinander wie einige vermuten mögen. Auch in unseren beiden Posts vertreten wir verschiedene Blickwinkel, können aber wahrscheinlich trotzdem den Blickwinkel des anderen verstehen und auch gutheißen.
Ich bin primär Techniker, du bist primär Musiker. Die Prioritäten sind somit per Definition anders und auch das Fachwissen liegt woanders. Aber ein Forum ist dazu da um sich zu ergänzen und nicht um sich die Hirnkastl einzukloppen. Und ich denk das funktioniert bei uns beiden eigentlich recht gut
Ich würde Dich nicht als "arrogant", sondern als "an der Wirklichkeit verzweifelnd" beschreiben.
Ich bin ja einige Jährchen (Jahrzehnte) älter als Du. Da habe ich gelernt mit Unabwendbarem umzugehen. Spätestens in 20 Jahren wirst Du verstehen was ich meine.
Das Dumme ist eben, dass ich Sachen mitbekomme, die einige Ecken über dem Gitarrenzeug hier stehen. Und seit ich weiß, was möglich ist, habe ich zu dieser Technik hier ein etwas...anderes Verhältnis. Mir geht es auch nicht darum, irgendwelche Hersteller als Deppen hinzustellen, das ist nicht mein Ziel. Mein Ziel ist es, die Leute selbst dafür zu sensibilisieren, was man machen KANN (verdammt viel), und welchen Aufwand das bedeutet (praktisch gar keinen) und dass sie vielleicht auf die Hersteller durch ihr Kaufverhalten oder sonstwie einwirken, dass diese eben ihre Geräte so bauen, wie man es eigentlich erwarten könnte. Mir kann das alles egal sein, denn ich habe da meinen eigenen Weg: Ich baue mein Zeug selber. Andere können das nicht und eben DESHALB würde ichs begrüßen, wenn die Hersteller ihren Murks mal einsehen würden...
Wenn ich nun mal die Hersteller nicht ändern kann, muss ich von den Benutzern verlangen die Handbücher zu lesen, FAQ-Beiträge zu lesen oder sich Tipps von erfahrenen Musikern zu holen. Dabei sollte man aber nicht jeder Parole trauen, die jemand auf die Wand der Herrentoilette geschmiert hat.
Das sehe ich genauso, siehe den Text da über dem Zitat. Nur wenn keiner sagt, dass es auch anders geht, dann akzeptieren die Leute immer das, was sie haben und streben NIE nach höherem, wenn sie selbst nicht das Fachwissen haben, das Höhere auch durch eigenes Nachdenken als möglich zu erachten.
Klingt hochgestochen und irgendwie beknackt aber ich denke ihr versteht was ich meine...
Wenn wir am Jüngsten Tag vor dem Richter erscheinen werden, werden eine ganze Menge Amps ihre Stimme erheben und bezeugen, dass wir ihr Leben gerettet haben.
Ich tue mein Bestes...
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Mit freundlichen Grüßen
Stephan alias OneStone
PS: Nebenbei sollte ich dazusagen: Hier bei mir stehen nicht nur leerlauf-und kurzschlussfeste Röhren- und Halbleiterverstärker sondern eben auch zwei VW Golf und zwei Suzuki SV650S mit Drehzahlbegrenzer
und diverse Honda Dax/Monkey
great
und eine alte Kawasaki Z1
great:
) ohne Drehzahlbegrenzer. Und alle leben noch...letztere ohne elektronische Schutzschaltungen durch Hirn des Fahrers und mechanische Überdimensionierung....