Frage zu Crescendo / Decrescendo

  • Ersteller Christian_Hofmann
  • Erstellt am
C
Christian_Hofmann
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
27.10.24
Registriert
16.02.20
Beiträge
1.497
Kekse
5.457
Hallo zusammen,

ich habe einmal eine Frage zum korrekten Ausführen vom Crescendo / Decrescendo. Ich habe einmal ein Beispiel aus vier Takten. Das Stück steht an dieser Stelle als Mezzoforte.

1707778440794.png


Ich komme also zum Takt 1 mit Mezzoforte. Beginne ich diesen Takt nun leiser als Mezzoforte und steigere mich wieder bis zu Mezzoforte, oder beginne ich bei Mezzoforte und steigere mich im Verlauf des Takt 1 zu einer höheren Lautstärke? Bleibt bei Eintritt in Takt 2 die Lautstärke wie am Ende von Takt 1, oder fällt sie wieder sofort zurück auf Mezzoforte? Alternativ kann die Lautstärke in diesem Beispiel auch bis Ende Takt 3 beibehalten werden um dort wieder verringert zu werden? Wenn nicht, dann würde bei Takt 3 bei der letzten Viertel die Lautstärke wieder ruckartig erhöht werden?

In welchen Grenzen sollte man sich bewegen, gibt es da eine Art Norm? Bei dem Beispiel ist ja zwischen Mezzoforte und im Zweifel bis zu forte fortissimo eine Menge Spielraum.

Plausibel klingt in diesem Fall vieles, jedoch bin ich mir da nicht so ganz sicher. Leider habe ich auch nirgends etwas zur genauen Ausführung gefunden. Weder in diversen Harmonielehren noch im Internet. Wenn mir da jemand einen Tipp geben kann, dann würde mich das freuen. Das Beispiel stammt aus dem Zeitraum 1880-1910, sofern es nach Epochen Unterschiede gibt. Die meisten scheinen das auch nicht wirklich zu wissen und eher nach Gefühl zu machen, zumindest frage ich fünf Personen und habe danach fünf Antworten :)
 
Hm, was kann man an einem Crescendo mißverstehen ? "lauter werden": allmählich lauter werden als vorher.
Und das solange, bis eine neue Information kommt. Wie Geschwindigkeitsschilder im Straßenverkehr ...
 
@Christian_Hofmann, ich finde, du gehst da viel zu bürokratisch heran. Sieh es einfach von der musikalischen Seite.
Was bedeuten Crescendi und Decrescendi musikalisch? Ein Crescendo bringt eine Steigerung, ein Decrescendo eine Entspannung, ganz pauschal und vereinfacht formuliert.

Im besten Fall sind Crescendi und Decrescendi alleine durch die Musik selber und der ihr innewohnende Dramatik in melodischer und harmonischer Hinsicht motiviert. So sind die logischsten Crescendi und Decrescendi eigentlich die, die gar nicht unbedingt explizit notiert sind, sondern die der Interpret ganz von alleine macht, weil sie der melodischen und/oder harmonischen Entwicklung schon innewohnen und die der Ausführende oft rein intuitiv schon erspürt.
Es hat sich aber in der Notation vor allem seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts eine immer genauer werdende Gründlichkeit etabliert, möglichste alle Details in der Notation zu erfassen. Schon alleine, weil die Musik in melodischer und harmonischer Hinsicht komplexer wurde, aber auch, weil die ausführenden MusikerInnen mehr und mehr gefordert waren, einen immer umfangreicheren Ausschnitt über immer mehr Epochen der Musikgeschichte zu reproduzieren. Auf das intuitive Verständnis war daher sicher nicht immer mehr Verlass, und auch nicht auf die Kenntnis allgemeiner, sozusagen stereotyper Ausführungsregeln, wie es etwa etwa mehr oder weniger in der Barock-Epoche gegolten haben mag (z.B. "Affektenlehre" - alles aber auch damals mit vielen regionalen Eigenheiten).

In der fraglichen Epoche des vorliegenden Notenbeispiels sehe ich so ein gründliches "doppelt gemoppeltes" Notieren, was ich an der harmonischen Fortschreitung kurz skizzieren möchte:
Im ersten Takt wandelt sich auf Zählzeit 3 das A-Moll zum A-Dur Septakkord mit C# im Bass (Terz - also Quintsextakkord) als Zwischendominante zur Subdominante D-Moll im 2. Takt = leichte dramatische Steigerung. Im dritten Takt findet eine sukzessive Entspannung über die Dominante statt, hier in der Folge des Vorhaltsquartsexakkords (6-4 -5-3), auf der 3 klanglich angereichert mit der Septe, also E7, mit der endgültigen Entspannung auf der Tonika A-Moll in Takt 4.
Hier sehe ich also eine Steigerung im 1. Takt, Höhepunkt in Takt 2 bis in den 3. Takt, dort Entspannung und Auflösung mit Ziel in Takt 4. Intuitiv also eine Stelle, in der ich sehr wahrscheinlich genau so crescendieren und decrescenedieren würde wie es gründlicherweise auch notiert wurde.

Ansonsten sehe ich es aber auch ganz schlicht so, wie es @omnimusicus schon formuliert hat: Der Notation folgen, also im 1. takt aus der Ausganslautstärke (von dir mit mf angegeben) wahrnehmbar lauter werden, auf dieser Lautstärkenstufe verbleiben bis zur 3 des 3. Takts, dann Decrescendo zurück mutmaßlich zum mf.

Wenn sich das Ganze aber organisch aus der Musik selber nachvollziehen und spüren lässt, ist das natürlich viel schöner und wird so erst zur bewussten Gestaltung statt auf der Ebene des bürokratischen Erfüllens einer vorgegebenen Notation zu folgen.

Nachtrag:
Meine Ausführungen beziehen sich auf dein Notenbeispiel in Post #1.
Um auf das neue Notenbeispiel in Post #4 einzugehen ist es mir jetzt zu spät. Aber vielleicht helfen dir, @Christian_Hofmann, meine Ausführungen beim Nachdenken ja etwas weiter. Wie gesagt, nicht "bürokratisch" denken, organisch muss es sein und musikalisch plausibel. Denke in "Spannung" und "Entspannung", erneuten Ausholen, dem Ziel einer Phrase, den Zwischenzielen bis zum Abschluss der Phrase usw.
Oft gibt es mehrere Möglichkeiten, die alle organisch und plausibel sind. In diesem Sinne wären die dann auch alle "richtig". Musik ist eher selten mit den Attributen "richtig" und "falsch" bei zu kommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Wie gesagt, nicht "bürokratisch" denken, organisch muss es sein und musikalisch plausibel.
Danke für den Ratschlag. Du hast vollkommen Recht. Ich verstricke mich manchmal zu sehr in Regeln und Vorgaben, obwohl es eigentlich nicht notwendig ist.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
*edit*

s. LoboMix
 
Zuletzt bearbeitet:
Jedoch gibt es bei diesem Vorgehen ein Problem, wenn so etwas kommt:
1707784290360.png
LoboMix hat das sehr schön geschrieben.

Vielleicht noch als Ergänzung, weil das viermalige Decresc schon etwas verwirrend sein kann:
Versuch es mal grob zu singen, oder zu sprechen. Was könnte der Komponistin uns hier mitteilen wollen (ich hoffe, die Decresc sind vom Komponisten ;) )

Es wird erst lauter, dann in vier Stufen leiser bis zu einem Schluss. Der Schluss ist dann wahrscheinlich p oder pp.

Wäre es ein durchgängiges Decresc, hätte man das notieren können.
So aber scheint es jedesmal wie einen neuen kleinen "Aufschwung" zu geben, dann wird es leiser. Also immer neu mit dem Auftakt ansetzen und jedesmal etwas leiser enden als zuvor.

So würde ich es als plausibel und auch musikalisch sinnvoll sehen.

Man kann sich aber durchaus auch anders entscheiden, und zB eine der kurzen Phrasen nochmal neu etwas lauter ansetzen. zB dort, wo es beim Zeilenwechsel nochmal nach G-Dur geht, um dann wieder
nach E-Moll zurückzugehen.
 
Danke @opa_albin , so würde ich das auch interpretieren und spiele es so. Ich muss dazu sagen, dass es sich um Literatur für Harmonium handelt. Das Harmonium ist ja ohnehin ein sehr lebendiges Instrument was atmen muss. Dadurch hat man immer schon eine gewissen natürlichen Stimmverlauf. Und ich habe bisher die Anweisungen auch eher als Idee gesehen. Ich selbst spiele eigentlich immer so, dass ich einige Stellen automatisch von der Lautstärke variiere, da es einfach musikalisch eine Wirkung erzielt. Man kann z.B bei einem Vorhalt etwas lauter werden und leiser auflösen, oder umgekehrt. Da verlasse ich mich immer auf mein Gefühl und man hört ja auch im Kontext, ob es passend ist. Nur kommt dann immer mal wieder die Frage, ob das technisch gesehen so richtig ist und dann landet die Frage eben hier, wenn ich nichts dazu finde :)

Akkordeonspieler werden es vermutlich ähnlich handhaben oder?

Ein kleines Beispiel betreffend den ständigen Wechsel:

View: https://www.youtube.com/watch?v=j_s40wVuqbM
 
Ich muss dazu sagen, dass es sich um Literatur für Harmonium handelt.
Das hatte ich mir schon gedacht ;)

Akkordeonspieler werden es vermutlich ähnlich handhaben oder?
Na klar.
Da verlasse ich mich immer auf mein Gefühl und man hört ja auch im Kontext, ob es passend ist.
Ich denke, das ist der richtige Weg.

Wenn Du willst, stell doch mal eine Aufnahme der Stelle rein. Muss nicht perfekt sein, aber wäre mal interessant, wie es auf dem Harmonium klingt.
Machst Du die Lautstärke mit Luftpedalen, oder hat Deins einen Schweller?
 
Wenn Du willst, stell doch mal eine Aufnahme der Stelle rein.
Ich bin nächste Woche wieder an einem schönen Instrument, dann nehme ich gerna mal auf.

Machst Du die Lautstärke mit Luftpedalen, oder hat Deins einen Schweller?
Eigentlich beides. Einige meiner Instrumente haben Forteklappen Bass/Diskant aufgeteilt auf beide Kniehebel, andere haben Links Crescendo und rechts Forte. Davon abgesehen wenn man sehr leise/zart spielen will, dann eher über den Winddruck. Aber an den großen Instrumenten ist es meist eine Kombination aus allem. Meine Reise/Feldharmonien haben z.B nur eine Regulation über den Wind. Dafür kann man dort ohne Balg wirklich expressiv spielen. Natürlich eine Herausforderung die Lautstärke einigermaßen stabil zu halten. Aber meine bevorzugte Variante.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Das Notenbeispiel in Post #4 scheint erst mal meiner Begründung in Post #5 zu widersprechen, die sich aber auf das Beispiel in Post #1 bezieht.
Dort habe ich ja wegen der Zwischendominante A7 zu Dm von einer leichten dramatischen Steigerung gesprochen und damit das Crescendo begründet als organisch dazu passend.

Im Beispiel aus Post #4 geht es aber allmählich und immer zielstrebiger auf den Schluss zu. Hier kadenziert er mehrfach zur Tonika E-Moll, ganz zum Schluss über die Doppeldominante/Dominante nach E-Moll. Daraus ließe sich ein kontinuierliches Decrescendo ableiten ab dem 5. Takt des Beispiels bis zum Schluss.
Das sind insgesamt 10 Takte, was je nach Instrument ziemlich schwierig zu realisieren sein kann. Je nach Ausgangsdynamik ab dem 5. Takt kann es sein, dass man schon 6/7 Takte später im dal niente landet, will man wirklich kontinuierlich decrescendiern.

Allerdings erlaubt sich das Stück bis dahin noch einige harmonische Umwege und Spezialitäten: In Takt 7 zu 8 kadenziert er zur Tonikaparallele G-Dur, auf der 1 des 9. Takts erklingt ein recht dissonanter Vorhaltsklang zur Dominante mit der großen Septe C-H. Das wiederum macht es für mich ganz logisch, wenn die neu gesetzten Decrescendozeichen auftauchen in den Takten 7 und 9 nochmal etwas auszuholen und etwas lauter einzusteigen wie ich es schon ausgangs in Post #5 angedeutet hatte.
Also mehr eine wellenförmige Dynamik und kein kontinuierliches Decrescendo.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben