Frage an die Vintage-Orgler - was spielt Ihr so?

ja, werden die Sachen auch live gespielt, oder steht da nur ein DJ hinterm Tresen? In meiner Gegend zumindest sind Gruppen wie die, in der ich spiele dünn gesät, sprich, ich kenn keine einzige andere mit ähnlichem Programm, wie gesagt: nix Aktuelles, nix Rock, nix NDW nix Sonstiges, nur Schlager und Disco aus 1970-1979, aber immerhin deutsch und international, in etwa gleich gewichtet.

Beispiele: ....

OK, das ist jetzt zwar nicht so wirklich meine Richtung, aber wenn es Dir Spaß macht, ist es vollkommen in Ordnung. Spielst Du denn richtig "klassische" Vintage-Orgel, also nur Zugriegel und sonst nix?

Mein Wunsch wäre, es irgendwann mal so weit zu schaffen, dass ich Jazz nach Leadsheets improvisieren und spontan mit anderen Musikern zusammenspielen kann.

Gruss, Senseo
 
nur bei Bedarf. Schwerpunkt ist das aber nicht. Bei diesen Liedern stehen die Bläser und Streicher im Vordergrund, gleich neben Klavier, Epiano und Orgel. Einen Schwerpunkt gibt es eigentlich nicht. Einzig ist zu sagen, dass im Gegensatz zu anderen Richtungen die Gitarren eine weit geringere Bedeutung haben. Wenn das Keyboard ausfällt, geht hier gar nix mehr, wenn eine unserer 2 Gitarren ausfällt, ist das zwar unschön, fällt aber kaum auf, wenn beide Gitarristen auch die Soli spielen können. Ich habe derzeit nur ein einziges Lied in der Setlist, bei dem ich Pause hab. Könnte da zwar auch mitmischen, aber ich lass da den Gitarreros mal ihren Spaß.

Wie schon gesagt, ich spiele hier nicht nur Orgel, sondern alles. Es ging mir hier nur um meine Erfahrung mit Improvisieren bzw. das Lernen, von den Noten unabhängiger zu werden. Jazz ist noch eine ganz andere Nummer, will ich auch noch mal spielen, aber erst, wenn ich hier komplett notenunabhängig spielen kann. Dann wage ich mich daran. Meine Situation ist sozusagen ein Zwischenschritt, den ich gemacht habe, der aber nicht zwingend notwendig ist.

Wichtig für mich ist aber: es macht mir eine riesige Menge Spaß ! :great: Hoffentlich wird das das Publikum genauso sehen.
 
Leider wurden die meisten Möglichkeiten des Instrument auch nie genutzt. So wurde niemals die Benutzung der Begleitautomatik gezeigt. Hätte man mehr draus machen können...schade...
Ja, das ist meistens so. Gut, klar, die Orgelschüler sollten "richtig" spielen lernen, also ohne die Hilfsmittel, die es zu Zeiten von Klaus Wunderlich noch nicht gab (bzw. die dieser, als es sie dann gab, ablehnte, ganz im Gegensatz zu fast allen großen Unterhaltungsorglern). Das schloß meistens sogar das Rhythmusgerät ein. Ungeachtet der Tatsache übrigens, daß es nicht unbedingt einfacher ist, mit Rhythmus zu spielen, denn der Klopfgeist ist unbestechlich und läuft beständig weiter, ob man mitkommt oder nicht. Ich glaub, es gibt sogar Orgelschulen, in denen andere Register als die Sinuschöre pfui-bah sind. Ist ja nicht mehr Orgel im klassischen Sinne, außerdem wurden die damals benutzt von diesen langhaarigen Hippie-Bombenlegern für ihre pop-Musik.

Bei mir war's genau umgekehrt. Ich hab (ab Ende 1983, also in den späten Jahren des Orgelbooms) selbst noch an der Orgel gelernt, aber die Spieltechnik, die wir lernten, war 100% Keyboard. Mit Rhythmusgerät, mit Begleitautomatik, mit Akkorde mit links liegen lassen und ohne Fußbaß. Damals wurde suggeriert, daß mit der fortschreitenden Entwicklung der Orgeln und somit auch der Begleitautomatiken es gar keinen Grund mehr gab, Baß und Begleitung händisch zu spielen. Abgesehen davon konnte in der kleinen Orgelschule AFAIK eh niemand das Baßpedal spielen.

Musikalisch ging es, man könnte sagen, bunt zu. Wir eiferten nicht so sehr (und vor allem nicht so streng) den orgelnden Vorbildern nach, spielten nicht nur immer dieselben abgeleierten Easy-Listening-Evergreens. Um junge Orgelspieleranwärter überhaupt bei der Stange halten zu können, mußte alsbald auch was Modernes her, und seien es die Schlager, die besonders die Eltern so gern hörten (zumal gerade Grundschüler noch keinen so ausgeprägten eigenen Musikgeschmack hatten und meine Heimat immer sehr Welle-Nord-geprägt war). Jazz war für uns nicht Orgeljazz à la Jimmy Smith, sondern Swing im Sinne der, äh, "Emulation" einer kompletten Big Band à la Glenn Miller. Die Gleichung "Orgel = Ein-Mann-Orchester" galt damals ja noch, wenn nicht mehr als je zuvor, in der Zeit, als Orgeln das konnten, Tischhupen aber noch nicht. Na ja, und wer schon etwas weiter fortgeschritten war, flüssig Noten lesen und auch Akkorde selbst bilden und eventuell sogar die Orgel selbst registrieren konnte, durfte sich sogar Lieder wünschen und bekam sie dann in einer der nächsten Stunden als Fotokopie. Bei uns wurden keine Old-School-Orgler herangezüchtet, sondern potentielle zukünftige Alleinunterhalter. Vor allem aber war die Orgelschule nicht Drill, sondern Spaß. Das Instrument ist ja schon teuer und platzraubend genug, da muß man den Schülern nicht auch noch die Lust am Spiel vergraulen, oder?

Natürlich machte damals auch die Pop-E-Orgel-Reihe die Runde, die genau diese Spielweise auf genau diesen Instrumenten förderte. Zum einen wandte sie sich explizit an Orgelspieler, zum anderen aber gab es nur ein Notensystem + Akkorde, zumal die Popmusik der 80er nicht unbedingt oldschoolorgelgeeignet war und von den großen Orgelkoryphäen auch nicht "eingeorgelt" wurde (und wenn doch, dann wurden sie auf Zigtausend-Märker-Monsterorgeln deutscher Machart arrangiert und waren auf bezahlbarem italienischem oder japanischem Gear nicht emulierbar).

Somit kamen bei uns auch die Sinuschöre kaum mehr zum Einsatz. Wozu auch? Orgeln an sich spielten in der Popmusik der 80er kaum eine Rolle, und wenn wir alte Sachen aus den frühen 60ern oder älter spielten, dann ganz bestimmt keine Bearbeitung für Hammondorgel, sondern eher angelehnt an das opulenter orchestrierte Original.

Das hatte dann ein paar Jahre später den Vorteil, daß wir praktisch nahtlos zum Arranger-Keyboard migrieren konnten - und bei Bedarf zurück zur Orgel. Das war dann aber weitgehend vorbei, zumindest für mich, als die ersten japanischen Großarranger mit Workstation-Ambitionen ankamen.
 
Was hätt ich drumm gegeben, wenn ich in Deiner Schule gewesen wäre...Swing gab es bei uns nicht...nur Walzer, Polka, rhythmische Geläufigkeitsübungen, und sowas... :-(
 
Mein Wunsch wäre, es irgendwann mal so weit zu schaffen, dass ich Jazz nach Leadsheets improvisieren und spontan mit anderen Musikern zusammenspielen kann.

Gruss, Senseo

Hallo Senseo

Ich finde, Du hast schon einen wichtigen Vorteil: Du spielst Harmonika. Damit kennst Du das Timing der Orgel, das ja ganz anders ist in der Praxis, als das Auslösen eines Tons am Klavier.
Dann kannst Du schon spielen und Notenlesen, also kannst Du Leadsheets interpretieren.
Nach meiner Erfahrung - ich habe jahrelang Klavier in der Sparte Pop gespielt und vor ein paar Jahren, erst den Jazz und jetzt die Hammond entdeckt - ist es wesentlich, einen Sound zu hören der Dich geil macht. Das hat bei mir die A-100 mit 122er Leslie gebracht. Neulich auch noch die C1 von Nord. Es ist schon anstrengend genug, hundertmal dasselbe Stück zu spielen, bis es swingt, da sollte man etwas dabei hören, das immer wieder gut tönt, um nicht abzuschlaffen.
Ich habe versucht, die einfacheren Stücke von Jimmy Smith nachzuspielen. Zuerst das Thema. Verdammt schwer, denn sein Timing und Gebrauch vom Schweller sind genial. Aber ER ist das Ziel für mich. Die Soli versuche ich nicht erst nachzuspielen, denn ich finde es fad, Soli Ton-für-Ton nachzuspielen. Aber ich übe die Scales, die er braucht und die Licks und versuche, mit der linken Hand einen ökonomischen, graden Bass zu spielen.
So habe ich selber schon mal viel Spass im Umgang mit meiner Leidenschaft und bereite mich vor, mit anderen zu spielen.
An der lokalen Jazzschule (Zürich) habe ich Theoriekurse besucht und im Basic Band Workshop Erfahrungen mit anderen Musikern gemacht unter Anleitung eines Profis.
Im Moment spiele ich mit einem Gitarristen, der vom Jazz ebenso angefressen ist wie ich und früher nur Klassik gespielt hat. Für Gigs mieten wir einen Berufsmusiker am Schlagzeug. Zum Proben bastele ich Rhythmus-Spuren mit Swing-Samples von Big Fish Audio auf dem Logic.

Gruss von Etienne
 

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