Leider wurden die meisten Möglichkeiten des Instrument auch nie genutzt. So wurde niemals die Benutzung der Begleitautomatik gezeigt. Hätte man mehr draus machen können...schade...
Ja, das ist meistens so. Gut, klar, die Orgelschüler sollten "richtig" spielen lernen, also ohne die Hilfsmittel, die es zu Zeiten von Klaus Wunderlich noch nicht gab (bzw. die dieser, als es sie dann gab, ablehnte, ganz im Gegensatz zu fast allen großen Unterhaltungsorglern). Das schloß meistens sogar das Rhythmusgerät ein. Ungeachtet der Tatsache übrigens, daß es nicht unbedingt einfacher ist, mit Rhythmus zu spielen, denn der Klopfgeist ist unbestechlich und läuft beständig weiter, ob man mitkommt oder nicht. Ich glaub, es gibt sogar Orgelschulen, in denen andere Register als die Sinuschöre pfui-bah sind. Ist ja nicht mehr Orgel im klassischen Sinne, außerdem wurden die damals benutzt von diesen langhaarigen Hippie-Bombenlegern für ihre pop-Musik.
Bei mir war's genau umgekehrt. Ich hab (ab Ende 1983, also in den späten Jahren des Orgelbooms) selbst noch an der Orgel gelernt, aber die Spieltechnik, die wir lernten, war 100% Keyboard. Mit Rhythmusgerät, mit Begleitautomatik, mit Akkorde mit links liegen lassen und ohne Fußbaß. Damals wurde suggeriert, daß mit der fortschreitenden Entwicklung der Orgeln und somit auch der Begleitautomatiken es gar keinen Grund mehr gab, Baß und Begleitung händisch zu spielen. Abgesehen davon konnte in der kleinen Orgelschule AFAIK eh niemand das Baßpedal spielen.
Musikalisch ging es, man könnte sagen, bunt zu. Wir eiferten nicht so sehr (und vor allem nicht so streng) den orgelnden Vorbildern nach, spielten nicht nur immer dieselben abgeleierten Easy-Listening-Evergreens. Um junge Orgelspieleranwärter überhaupt bei der Stange halten zu können, mußte alsbald auch was Modernes her, und seien es die Schlager, die besonders die Eltern so gern hörten (zumal gerade Grundschüler noch keinen so ausgeprägten eigenen Musikgeschmack hatten und meine Heimat immer sehr Welle-Nord-geprägt war). Jazz war für uns nicht Orgeljazz à la Jimmy Smith, sondern Swing im Sinne der, äh, "Emulation" einer kompletten Big Band à la Glenn Miller. Die Gleichung "Orgel = Ein-Mann-Orchester" galt damals ja noch, wenn nicht mehr als je zuvor, in der Zeit, als Orgeln das konnten, Tischhupen aber noch nicht. Na ja, und wer schon etwas weiter fortgeschritten war, flüssig Noten lesen und auch Akkorde selbst bilden und eventuell sogar die Orgel selbst registrieren konnte, durfte sich sogar Lieder wünschen und bekam sie dann in einer der nächsten Stunden als Fotokopie. Bei uns wurden keine Old-School-Orgler herangezüchtet, sondern potentielle zukünftige Alleinunterhalter. Vor allem aber war die Orgelschule nicht Drill, sondern Spaß. Das Instrument ist ja schon teuer und platzraubend genug, da muß man den Schülern nicht auch noch die Lust am Spiel vergraulen, oder?
Natürlich machte damals auch die Pop-E-Orgel-Reihe die Runde, die genau diese Spielweise auf genau diesen Instrumenten förderte. Zum einen wandte sie sich explizit an Orgelspieler, zum anderen aber gab es nur ein Notensystem + Akkorde, zumal die Popmusik der 80er nicht unbedingt oldschoolorgelgeeignet war und von den großen Orgelkoryphäen auch nicht "eingeorgelt" wurde (und wenn doch, dann wurden sie auf Zigtausend-Märker-Monsterorgeln deutscher Machart arrangiert und waren auf bezahlbarem italienischem oder japanischem Gear nicht emulierbar).
Somit kamen bei uns auch die Sinuschöre kaum mehr zum Einsatz. Wozu auch? Orgeln an sich spielten in der Popmusik der 80er kaum eine Rolle, und wenn wir alte Sachen aus den frühen 60ern oder älter spielten, dann ganz bestimmt keine Bearbeitung für Hammondorgel, sondern eher angelehnt an das opulenter orchestrierte Original.
Das hatte dann ein paar Jahre später den Vorteil, daß wir praktisch nahtlos zum Arranger-Keyboard migrieren konnten - und bei Bedarf zurück zur Orgel. Das war dann aber weitgehend vorbei, zumindest für mich, als die ersten japanischen Großarranger mit Workstation-Ambitionen ankamen.