Etikettenschwindel

  • Ersteller WeepingElf
  • Erstellt am
Es gibt in der letzten Zeit leider kaum noch neue Progressive-Rock-Bands, ich kenne jedenfalls trotz langen Suchens keine, die in den letzten 10 Jahren gegründet wurde. Es gibt aber noch viele ältere, die heute noch aktiv sind und nach wie vor auch Progressive Rock machen - Dream Theater, IQ, Pendragon, Flower Kings und einige mehr. Die jüngeren Bands, die unter dem Etikett "Progressive Rock" operieren, sind allesamt so anders, dass es mir sehr schwer fällt, sie als Progressive Rock anzusehen. Statt komplexer, ausgefeilter Kompositionen gibt es nur noch scheinbar schwer bekifftes Gedudel; die Texte und die musikalische Atmosphäre spiegeln keine progressive, sondern eine zynisch-depressive Geisteshaltung wieder; das Ganze wurzelt ganz offensichtlich nicht in dem, was ich als Progressive Rock kenne, sondern in irgendwelchen merkwürdigen Post-Punk-Experimenten. Es kommt mir so vor, als hätten da Leute, die nichts mit Progressive Rock zu tun haben, eine vermeintlich brachliegende Begriffsmarke usurpiert.
Holla die Waldfee :D
Ich hatte ja die ursprüngliche Diskussion mit losgetreten, aber dein Rundumschlag, huiuiui. Abgesehen davon, dass du das machst, was du den von dir kritisierten Bands vorwirfst (nämlich Label wie Post-Punk und Post-Rock abseits der gängigen Genre-Definition zu benutzen), ist das doch die ganz alte Leier: "früher war alles besser".

Dem stimme ich in Bezug auf die Musik aber überhaupt nicht zu. Es gibt heutzutage so viele kreative Bands, die neue Wege suchen, wie noch nie. Manche davon tragen das Label Prog, andere nicht. Natürlich gibt es ungleich mehr unkreative Bands. Und auch davon tragen manche das Label Prog. So what, ist doch vollkommen egal. :nix: Ich will jedenfalls nicht dahin zurück, dass es in jedem Genre überhaupt nur eine handvoll Bands gibt, die man entdecken kann.

Wenn du nichts passendes findest, dann liegt das nicht daran, dass keine dem Wortsinn nach progressive Musik mehr produziert wird, sondern dass du eben willst, dass Prog-Rock so klingt wie früher. Eigentlich eine zutiefst unprogressive Haltung. ;)
 
dass sich der begriff des "progressive" eventuell einfach nur gewandelt hat kann man nicht einfach akzeptieren?

also ich bezeichne als prog-XYZ (seis rock, metal, deathmetal, humorcore oder hundehütte) musik deren rhythmik und melodic sich außerhalb denen, für das genre gebräuchlichen. grenzen bewegt...

somit ist "prog" eher ein adjektiv als ein genre...

!


So ist es. Wenn man sich mal die Definition des Wortes "Progressiv" durchliest, wird man schnell erkennen, dass 90% aller Bands die sich heute mit dem Wort "Progressive" (ob es nun Rock oder sonstwas ist) schmuecken, genau solchen "Etikettenschwindel" betreiben.

Hoere ich bei Band XY irgendetwas , was das Genre oder die grobe Musikrichtung vorantreibt, etwas Neues bietet? Noe. Und trotzdem bezeichnen sie es als "progressiv".
Leute assoziieren mit dem Wort eigentlich eher bestimmte Klangfarben, Phrasierungen, Metriken, manchen reicht schon ein Lied was nicht Strophe Refrain etc. gegliedert ist als "progressiv". Also ist das eigentlich komplett for the lul etwas so zu benennen und eher peinlich als "progressiv".

Desweiteren, betreffs "Etikettenschwindel": Who Cares? Wozu braucht man denn solche daemlichen Schubladen oder Diskussionen? Damit man wieder nen Grund hat, in Internetforen ellenlange Diskussionen zu fuehren? Damit man sich, wie es heute ja Mode ist wenn man jedem kleinsten Mist nach einem neuen Genre benennen muß total "elite" fuehlen kann weil man Genre XY entdeckt hat? Alles Bullshit imo.
Ich scheiß auf Etiketten und hoere einfach Musik.
 
Holla die Waldfee :D

[snip]

Wenn du nichts passendes findest, dann liegt das nicht daran, dass keine dem Wortsinn nach progressive Musik mehr produziert wird, sondern dass du eben willst, dass Prog-Rock so klingt wie früher. Eigentlich eine zutiefst unprogressive Haltung. ;)

Zweifellos gibt es heute noch gute progressive Musik, sowohl innerhalb des Genres "Progressive Rock" als auch außerhalb. Progressive Rock muss auch meiner Meinung nach nicht so klingen wie früher, er lebt ja gerade davon, dass er sich weiterentwickelt. Zu erwarten, dass er wie früher klingt, ist in der Tat eine unprogressive Haltung, und so sehr ich den klassischen Progressive Rock schätze, so wenig kann ich mit den meisten Retroprogbands anfangen, die das Alte nur aufwärmen.

Aber vieles von dem, was heute unter dem Etikett "Progressive Rock" läuft, gefällt mir einfach nicht, ich stehe nun mal nicht so auf den heute so angesagten Depri-Kram, und manchmal stoße ich auch auf Musik, bei der ich (bezugnehmend auf die Definition, die die Wikipedia gibt) nicht so recht nachvollziehen kann, warum das denn nun Progressive Rock sein soll. Vielleicht sollte ich nicht sagen "Das ist kein Progressive Rock mehr" sondern einfach nur "Ich kann mit dem Zeug nichts anfangen". Jedenfalls sind für mich Riverside und Coheed and Cambria schon fast an der Grenze und Tool schon im roten Bereich, ob das nun Progressive Rock ist oder nicht.
 
Siehe hier.



Ich meine: es ist doch ein Unterschied, ob man daran glaubt, dass so etwas wie humaner Fortschritt (weniger Armut und Ungerechtigkeit, mehr Frieden und Freiheit etc.) möglich und erstrebenswert ist, oder ob man alles für verloren hält, keine Hoffnung sieht und meint, das Leben habe keinen Sinn außer dass man irgendwie für sich selbst einen möglichst großen Profit aus der Misere schneidet. Vielleicht bewerte ich das über, aber ich denke, es macht viel vom Wesen des eigentlichen Progressive Rock aus.



Erwischt! Ja, Riverside ist DEFINITIV Progressive Rock, die hatte ich glatt übersehen. (Habe die neue Scheibe gerade am Laufen.) Coheed and Cambria, auch.



Die kenne ich nicht. EDIT: Ich habe mir inzwischen ein paar Songs auf YouTube angehört: nicht uninteressant, wenn auch eher experimenteller Jazz als Progressive Rock. Trotzdem gut!


lege ich den wikipediaartikel zu grunde, dann sind riverside definitiv prog
tool auch durchaus auch wenn die keys fehlen und ab und an nur durch e-pads ersetzt werden (im übrigen: sehr progressives (im wortsinn) drumming was der macht...)

wenn ich mir songs von genesis oder yes angucke vermisse ich da oftmals auch viele viele der kriterien...

also ist man prog wenn man "mal" oder in einer "nicht unherblichen zahl der songs" die kriterien erfüllt?

also wenn das reicht haben wir immense mengen an progbands und ich sehe dein problem nicht?!

für grodian knot, porcupine tree, Mr. bungle (die ich nicht prog nennen würde) usw usw würde demnach die definition ohne probleme passen?!

wo sind deine "problemfälle"?

btw. ist "prog" nur "progressiver rock"? oder auch "progressiver pop" metal oder sonstwas?

was ist mit "mathcore"? läuft laut wikipedia unter prog, hat aber kaum elemente die da aufgelistet sind?!
usw usw?!
 
also ist man prog wenn man "mal" oder in einer "nicht unherblichen zahl der songs" die kriterien erfüllt?

Man ist es, wenn man genug Fanboys im Internet findet, die das als Prog bezeichnen. ;)
 
Mal ne andere Perspektive: was ist denn eigentlich so schlimm daran, dass sich Bands mit "Progressive-Rock" vermarkten, die "eigentlich" keine sind? Jetzt mal ganz praktisch/pragmatisch: ist das wirklich ein Problem?

Hat sich irgendjemand hier in jüngster Zeit schonmal eine CD nur aufgrund der Genre-Bezeichnung auf nem Sticker gekauft? In Zeiten von LastFM, Myspace-Profilen, Breitbandinternet und unzähligen legalen, halb- und illegalen Downloadangeboten ist es doch ein leichtes vor dem Kauf mal kurz reinzuhören. Das kostet vielleicht 2min. Mal ehrlich, wer sich von solchen Marketing-Massnahmen verarschen lässt ist selber schuld. Wir sind doch aufgeklärte Konsumenten und Möglichkeiten zur Überprüfung, ob nun eine Etikette unserer Meinung nach passt oder nicht sind so zahlreich und kosten kaum Aufwand.


Zum Problem wird dies eigentlich nur, wenn man sich selber zu sehr via den bevorzugten Genres "definiert": "Ich bin ein Prog-Hörer und auch wenn ich es niemals zugeben würde, bilde ich mir doch etwas darauf ein" (sozusagen wenn sich das Subkultur-bildende Potential von Musik manifestiert. Subkulturen versuchen sich per Definition vom "anderen" abzugenzen). Prog kann man hier natürlich durch jedes beliebige Genre ersetzten. Dann, und nur dann, sehe ich ein Problem darin, dass sich Bands sozusagen mit falschen Etiketten schmücken.


Worauf ich hinaus will: Schubladen funktionieren m.e. bei Musik jenseits vom Strophe/Reff/Bridge/Strophe-Schema doch nur als grobe Umschreibung

Völlige Zustimmung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber vieles von dem, was heute unter dem Etikett "Progressive Rock" läuft, gefällt mir einfach nicht, ich stehe nun mal nicht so auf den heute so angesagten Depri-Kram...

Ähm :gruebel:
Genau! Deswegen ist es kein Prog! Geniale Begründung :rolleyes:
 
ich befürchte auch das ist der kern der sache ^^
 
Ähm :gruebel:
Genau! Deswegen ist es kein Prog! Geniale Begründung :rolleyes:

Nein, nicht wirklich. Ich definiere Progressive Rock genau so, wie es die Wikipedia tut, abgesehen davon, dass ich der zugrundeliegenden Geisteshaltung auch eine Bedeutung zumesse. So kann es in meinen Augen auch keinen rechten Progressive Rock geben. Und was im eigentlichen Wortsinn progressiv ist, ist auch nicht das Gleiche als was zum Genre Progressive Rock gehört. Außerdem gibt es keine scharfe Grenze zwischen "Prog" und "Nicht-Prog", sondern eine breite Grauzone, in der sich Bands wie Tool oder Muse oder auch Opeth bewegen. Da sind durchaus einige der in der Wikipedia angegebenen Kriterien erfüllt. Es gibt auch Progressive Rock, der mir nicht so gefällt, und Musik, die mir gefällt aber kein Progressive Rock ist.
 
Irgendwie führt das zu nichts.

In meiner Definition sind Progbands 1) irgendwelche Bands, die in ihrem Genre etwas vorantreiben (dann fallen Dream Theater leider raus, weil die sich doch nur wiederholen, oder?) oder halt diese allgemeine Definition für "schwierig" einzuordnende Bands. Übrigens, wenn ich bei Wiki mal die Eigenschaften durchgehe, trifft alles auch auf Tool oder Opeth, ja sogar auf Postrockbands wie Sigur Ros oder ähnliche zu. Und wenn wir gerade schon beim Wikiartikel sind, da werden genannte Genres als Subgenres geführt, aber hey, who cares?
 
Hm... auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:

Progressive X - wobei das X als Platzhalter für alle Möglichen Richtungen (Rock, Metal, etc.pp.) steht - ist für mich einfach nur ein Genre, welches sich durch bestimmte Eigenschaften definieren lässt, wie etwa besondere Rhythmik, Harmonik, Instrumentierung, pipapo...

Unabhängig davon, KANN jede Band >progressiv< sein, egal in welche Richtung musiziert wird. Progressiv bedeutet dann nicht mehr nur "besondere Rhythmik, Harmonik, Instrumentierung, pipapo..." sondern eben etwas, was so noch nicht oder nicht in der Form gebracht wurde, etwas was im wortwörtlichen Sinne fortschrittlich ist.

Als Beispiel, meine Lieblingsband Dream Theater:
Progressive Rock/Metal -> ja
progressiv -> früher bestimmt mal, weil es früher tatsächlich "neuer" war, heute bis auf ein paar Ausnahmen nein

Meine 50 Pfennig.
 
Hm... auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole:

Progressive X - wobei das X als Platzhalter für alle Möglichen Richtungen (Rock, Metal, etc.pp.) steht - ist für mich einfach nur ein Genre, welches sich durch bestimmte Eigenschaften definieren lässt, wie etwa besondere Rhythmik, Harmonik, Instrumentierung, pipapo...

Unabhängig davon, KANN jede Band >progressiv< sein, egal in welche Richtung musiziert wird. Progressiv bedeutet dann nicht mehr nur "besondere Rhythmik, Harmonik, Instrumentierung, pipapo..." sondern eben etwas, was so noch nicht oder nicht in der Form gebracht wurde, etwas was im wortwörtlichen Sinne fortschrittlich ist.

Als Beispiel, meine Lieblingsband Dream Theater:
Progressive Rock/Metal -> ja
progressiv -> früher bestimmt mal, weil es früher tatsächlich "neuer" war, heute bis auf ein paar Ausnahmen nein

Meine 50 Pfennig.

Na, wenn das kein gutes Schlusswort ist. Das kann man so stehen lassen, dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
 
Tut mir leid, wenn ich das Fass nochmal aufmache, aber es gibt da was, was mich nicht so recht loslässt.

So kann es in meinen Augen auch keinen rechten Progressive Rock geben.
Da stellt sich mir die Frage, ob Progressive Rock überhaupt eine politische Haltung hat. Die Musiker bestimmt, ja, aber mir fiele jetzt auf Anhieb kein politisch motivierter Song aus der Prog-Ecke ein (vllt. 21st Century Schizoid Man, aber das wars auch).

Erübrigt also die (veraltete) Einteilung links<>rechts, zumal rechts nach meinem politischen Verständnis mit Progressiver Musik unvereinbar wäre - "rechts" bedeutet damit für mich etwas Bewahrendes, Konservatives, und das widerspricht ja dem Grundgedanken des Prog.

nur meine 2cent, aber falls jemand zu politischem Prog mehr weiß, immer her ;)
 
Tut mir leid, wenn ich das Fass nochmal aufmache, aber es gibt da was, was mich nicht so recht loslässt.


Da stellt sich mir die Frage, ob Progressive Rock überhaupt eine politische Haltung hat. Die Musiker bestimmt, ja, aber mir fiele jetzt auf Anhieb kein politisch motivierter Song aus der Prog-Ecke ein (vllt. 21st Century Schizoid Man, aber das wars auch).

Erübrigt also die (veraltete) Einteilung links<>rechts, zumal rechts nach meinem politischen Verständnis mit Progressiver Musik unvereinbar wäre - "rechts" bedeutet damit für mich etwas Bewahrendes, Konservatives, und das widerspricht ja dem Grundgedanken des Prog.

nur meine 2cent, aber falls jemand zu politischem Prog mehr weiß, immer her ;)

Es stimmt, dass das "Links-Rechts-Schema" eine Vereinfachung ist, die die Multidimensionalität der politischen Haltungen nicht gut wiedergibt.

Es stimmt, dass der meiste Progressive Rock nicht direkt politisch ist, aber es gibt durchaus im weiteren Sinne politische Statements in Progressive-Rock-Songs, die meinem Eindruck nach zum größten Teil in eine eher "linke" (in etwa "rot-grüne", also nicht linksextreme, sondern gemäßigt-linke) Richtung gehen, und überhaupt spiegelt sich oft auch in nicht offen politischen Themen und Texten die Grundhaltung des Autors wieder. Mir ist jedenfalls noch kein Progressive Rock untergekommen, der eine rechtsextreme Haltung ausspricht, selbst für gemäßigte Rechte fällt mir kein Beispiel ein.
 
Hmm, könntest du da Beispiele nennen für Songs mit politischen Statements (auch welche, die offen für Interpretationen sind)?
 
Hmm, könntest du da Beispiele nennen für Songs mit politischen Statements (auch welche, die offen für Interpretationen sind)?

Klar. Ich kenne keine Progressive-Rock-Band, die in dem Sinne "politisch" wäre, wie es etwa Floh de Cologne oder Ton Steine Scherben waren. Aber hier ein paar Beispiele für Progressive-Rock-Songs mit mehr oder weniger politischen Statements:

Rush - 2112: Gegen Totalitarismus jeglicher Art gerichtet (schildert den Kampf eines Musikers gegen ein totalitäres Regime in der Zukunft). Auch viele andere Songs von Rush enthalten Statements, die in diese Richtung gehen, u.a. auch Kapitalismuskritik in Big Money.

Marillion - Forgotten Sons: Hat den damals noch gewaltsam ausgetragenen Nordirland-Konflikt zum Thema. Keine Parteinahme für die eine oder andere Seite, sondern gegen den Krieg als solchen orientiert.

Pink Floyd - The Final Cut: Konzeptalbum, das sich allgemein mit dem Thema Krieg auseinandersetzt.

Vieles ist auch nicht explizit politisch, sondern eher philosophisch-weltanschaulich, die Grenzen sind da fließend. Ich denke etwa, dass ein Großteil der Songs von Yes um Visionen einer spirituelleren und gerechteren Welt kreist.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben