erste modale Komposition

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Hallo !

Ich suche nach einer Komposition, die vor dem 1958 aufgenommenen ''Milestones'' des gleichnamigen Albums von Miles Davis bereits klar erkennbare modalfunktionale Passagen hat.
Es geht um die Zeit zwischen 1953 und 1958. 1953 hat George Russel die erste Version seines ''lydian chromatic concept of tonal organisation'' kurz LCCOTO, herausgebracht, damit ua. Akkorde und Skalen das erste Mal in direkten Bezug gesetzt, und dem modalen Jazz damit theoretisch den Weg bereitet.
Ich finde es bemerkenswert, dass hier offensichtlich ein musikalischer Entwicklungsweg anders gelaufen ist, als meiner Meinung nach üblich; erst erdacht, und dann gespielt.
Jedenfalls schreibt Miles Davis in seiner Autobiografie ganz lapidar: ''1958 komponierte ich auf Milestones im Titelsong das erste Mal in der modalen Form.
Ist dies tatsächlich die erste modale Komposition? Wer hat in den fünf Jahren davor bereits modal komponiert? bei Russel selber bin ich leider nicht weiter gekommen.

Danke vorab und Grüße!
 
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Hallo,
der Jazz-Kritiker Bill Shoemaker schreibt folgendes:

Yet, of the beboppers, it was with trumpeter Dizzy Gillespie that Russell first gained notoriety, through the 1947 piece, "Cubano Be/Cubano Bop,"; considered to be jazz's first modal composition.
Quelle: Bill Shoemaker in: George Russell: A Lydian Odyssey
Dizzy Gillespie - Cubana Bop

Edit: Auch in der New York Times macht Peter Watrous eine entsprechende Aussage:

Mr. Gillespie quickly produced the sketches for "Cubana Be" and "Cubana Bop," which were finished by the composer and arranger George Russell and included some of the first modalharmonies in jazz.
Quelle: PETER WATROUS: Dizzy Gillespie, Who Sounded Some of Modern Jazz's Earliest Notes, Dies at 75
Viele Grüße

Klaus
 
Bevor Modes im Jazz betrachtet und angewendet wurden, gab es sie bereits in der Klassik, mindestens bei Oliver Messiaen in Paris.

http://en.wikipedia.org/wiki/Olivier_Messiaen
http://en.wikipedia.org/wiki/Modes_of_limited_transposition

Kirchentonleitern, und um die geht es hier, fanden, wie der Name schon sagt, bereits in der sakralen (und weltlichen) Musik des Mittelalters Verwendung. Wahrscheinlich auch schon lange davor; vielen Volksliedern liegen solche Skalen zugrunde (um mal einen Blick auf die Insel zu werfen: "Scarborough Fair" ist streng dorisch, "She Moved Through The Fair" mixolydisch usw.). Da braucht man keinen Messiaen bemühen, der mit seinen Modi übrigens auch keine creatio ex nihili betrieben hat; Gerade die Ganztonleiter verbindet man doch mit einem anderen Franzosen.

Hier geht es aber offensichtlich um Jazz, wo ich mich immer gefragt hab, ab wann eine Komposition als "modal" einzustufen ist. Blues in Moll (sowas wie Footprints, wobei das natürlich für diese Fragestellung zu jung ist) finde ich zum Beispiel sehr modal; Auch sind viele Stücke von Thelonious Monk zwar mit reichlich Akkorden versehen, sowas wie eine harmonische Fortschreitung hört man aber tendenziell nicht (z.B. Well You Needn't).
 
Hallo Klaus!

Danke für die Info! Du hast mir dabei klar gemacht, dass ich meine Frage nicht genau formuliert habe:

Hängt an die Frage noch die Zusatzfrage an: Die erste modale (bezogen auf Jazz und die Zeit vor 1958) Komposition, in der mit der für den Jazz völlig neuen modalen, dh. skalenorientierten Weise auch improvisiert wurde.

Klaus: Über Modalität, oder auch modalfunktionale Harmonik und Melodik im Gegensatz zu grundfunktionaler (funktionsharmonisch) könnte ich hier Seiten füllen und andere auch. Es gab mal einen Thread in diesem Zusammenhang den ich gut fand, und an dem sich auch Frank Sikora beteiligte. ca. 1,5 Jahre her, weiss nicht , ob Du den noch finden kannst.

Grüße!
 
Hallo Mathias,

vor 1,5 Jahren war ich nur selten hier. Aber Cudo, als Jazz- und Harmonielehre-Spezialist, dürfte sich an eine Thread-Beteiligung mit Frank Sikora erinnern und könnte wohl erhellendes beitragen.

Im Moment konnte ich zu Deiner interessanten Frage weitere Infos finden.

"Cubana Be Cubana Bop" wird hier als Improvisation bezeichnet:

His (Gillespie's) association with Cuban conga player Chano Pozo yielded George Russell's Cubana Be Cubana Bop (december 1947), possibly the first modal improvisation on record, and their Manteca (december 1947).
Piero Scaruffi: A history of Jazz Music
Interessant, die spätere Entwicklung, vor der eigentlichen Etablierung des modalen Jazz:
A true precursor to modal jazz was found in the hands of virtuoso jazz pianist, composer and trio innovator Ahmad Jamal whose early use of extended vamps (freezing the advance of the song at some point for repetition or interjecting new song fragments) allowed him to solo for long periods infusing that section of the song with fresh ideas and percussive effects over a repetitive drum and bass figuration. Miles Davis was effusive in his praise for Jamal's influence on him, his playing, and his music: a perfect setup for the modal work that lay in Davis' future.
http://en.wikipedia.org/wiki/Modal_jazz
Miles Davis, Randy Weston, Keith Jarrett, Jack DeJohnette, and Gary Peacock all cite Jamal as a major influence in use of rhythm and space as well as his innovative use of multi-tonal melodic lines and his unique extended 'vamps'. The element of surprise is an important part of Jamal's improvisations to them all. John Coltrane must have also been influenced by Jamal. His composition "Impressions", bears a striking resemblance to a small section of the song "Pavanne" which Ahmad Jamal recorded in 1955 with Israel Crosby and guitarist Ray Crawford. Halfway through the song there is a vamp on the same harmonic progression as "So What" (by Miles Davis) and "Impressions" (John Coltrane). During this vamp Ray Crawford improvises a line which is practically identical to the melody of "Impressions", including the harmonic shift.
http://en.wikipedia.org/wiki/Ahmad_Jamal
Viele Grüße

Klaus
 
@Reeder, dass es Kirchentonleitern gab ist doch völlig klar und steht ausser Frage. Allerdings gehört zu dem Begriff "Modal" ja die Denkweise, aus einer Grundlegenden Skala einen oder mehrere Modes abzuleiten (so viele wie möglich). Diese Denkweise gab es damals bei den Kirchentonleitern oder gar bei den Griechen noch nicht (Quelle). Jedoch bei Messiaen, und später auch im Jazz. :cool:

http://www.compositiontoday.com/forum/44_2521.asp Extended modes, where every note of the chromatic scale is part of some mode of the tonic was used much in the mid 20th century, (e.g. Benjamin Britten, Messiaen). An analysis using extended modes is often the explanation for 'bitonal' passages, rather than 2 keys at once. The pure modes create their own atmosphere but in a long piece extended modes are probably a good way of maintaining contrast, new moods, and musical interest.........

http://en.wikipedia.org/wiki/Quatuor_pour_la_fin_du_temps Quatuor pour la fin du temps, also known by its English title Quartet for the End of Time, is a piece of chamber music by the French composer Olivier Messiaen. It was premiered in 1941. The piece is scored for clarinet (in B-flat), violin, cello, and piano; a typical performance of the complete work lasts about fifty minutes.

http://en.wikipedia.org/wiki/Olivier_Messiaen#Tristan_and_serialism Shortly after his release from Görlitz in May 1941, Messiaen was appointed a professor of harmony at the Paris Conservatoire, where he taught until his retirement in 1978. He compiled his Technique de mon langage musical ("Technique of my musical language") published in 1944, in which he quotes many examples from his music, particularly the Quartet.

http://en.wikipedia.org/wiki/Modes_of_limited_transposition Messiaen's mode 2, or the diminished scale, consists of semitone, tone, semitone, tone, semitone, tone, semitone, tone, which can be arranged only 2 ways, starting with either a tone or a semitone. Therefore mode 2 has two modes. Any scale having the same number of modes as notes is not a mode of limited transposition.

http://en.wikipedia.org/wiki/Iannis_Xenakis Messiaen's modal serialism was an influence on Xenakis's first large-scale work, Anastenaria (1953-54): a triptych for choir and orchestra based on an ancient Dionysian ritual. The third part of the triptych, Metastaseis, is generally regarded as the composer's first mature piece; it was detached from the triptych to mark the beginning of the "official" Xenakis oeuvre.
 
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Hallo Zusammen!

Danke Klaus!

Jamal war natürlich der andere Schlüssel, hätte ich auch mal dazu schreiben können. Miles Davis war ziemlich beeindruckt von Jamal, und seinem ''raumschaffenden Pianostil''. ''Pavanne'' selber kannte ich nicht. Habe ein bischen gebraucht, aber dann die richtige Aufnahme doch bekommen. In der Tat gibt es nach ca 1,5 Minuten folgende Passage: 8 Takte G Dorisch, 8 Takte Bb Dorisch, und die Improvisation, wenn es denn eine war, ist ziemlich genau die Melo von Impressions. Das Coltrane da später seinen eigenen Namen hinter gesetzt hat, kann ich nicht verstehen. (und auch nicht ganz den Vergleich mit ''So What''. Dorisch klaro, shift nach oben auch, aber bei Pavanne eben eine kleine Terz.)

Somit ist also nur noch ein kleiner Zeitraum für eine etwaige noch frühere Aufnahme einer ersten modalfunkionalen Improvisation übrig: zwischen 1955 und Pavanne, und der ersten Ausgabe von Russels LCCOTO von 1953. (Cuban Be Cuban Bop hat für mich zurecht den Zusatz ''possibly'' erhalten.)

Vielen Dank auch Cvinos, aber ich suchte aus bestimmten Gründen nur nach der ersten modalen Impro im Jazz. Spannend ist aber natürlich die Frage nach Russel (der leider vor kurzem verstarb) und seinem Einfluss. Angeblich entwickelte Russel seine Theorie, die die Akkord-Skalen Denke im Jazz begründet hat, aus einem Missverständnis mit Miles Davis, der nach Wegen suchte ''besser in den changes'' spielen zu können. Miles meinte dabei einfach nur seine Bebopskills, Russel deutete Davis' Aussage so, als suche er etwas völlig Neues, einen komplett anderen Approach zur Improvisation. Ich hielt diese Geschichte für eine Wiki Ente, aber so steht es auf den Seiten von Russel selbst.

Hat also Russel mehr oder weniger aus dem Nichts heraus geforscht, oder, war Russel dann zB. von Messian oder anderen beeinflusst? ich gehe sehr stark davon aus. Aus dem Nichts heraus ist meiner Meinung nach noch selten etwas gelungen.

Grüße!
 
Zunächst noch einmal zurück zur Ausgangsfrage:


Ich suche nach einer Komposition, die vor dem 1958 aufgenommenen ''Milestones'' des gleichnamigen Albums von Miles Davis bereits klar erkennbare modalfunktionale Passagen hat.

Hier die kurze Antwort aus http://www.allaboutjazz.com/php/timeline_search.php?keyword=jazz

1947

Dizzy and George Russell's Cubana Be, Cubana Bop contains Modal Jazz elements way before its time.
und aus http://www.jazzstandards.com/compositions-2/milestones.htm

...the first modal jazz record (Gillespie's Cubana-Be/Cubana-Bop, also partly inspired - and - arranged - by Russell, probably deserves that honor)
Ich hatte inzwischen die Gelegenheit "Cubana Be, Cubana Bop" vollständig zu hören. Bei dem ausgedehnten Trompetensolo im Mittelteil hörte ich keine Funktionsharmonik, sondern es hörte sich an nach einer Improvisation im Modus Bb mixolydisch. Die Trompete wird nur von Congas begleitet.

Es wird wohl noch eine Fassung mit einem Saxophon-Solo von Coltrane geben, das ebenfalls modal orientiert ist (s.u. unter 1949).

Angeblich entwickelte Russel seine Theorie, die die Akkord-Skalen Denke im Jazz begründet hat, aus einem Missverständnis mit Miles Davis, der nach Wegen suchte ''besser in den changes'' spielen zu können. Miles meinte dabei einfach nur seine Bebopskills, Russel deutete Davis' Aussage so, als suche er etwas völlig Neues, einen komplett anderen Approach zur Improvisation. Ich hielt diese Geschichte für eine Wiki Ente, aber so steht es auf den Seiten von Russel selbst.

Nach Recherche stellen sich mir die Vorstufen des modalen Jazz bei Russell folgendermaßen dar:

1944: Russell fühlte, daß es an der Zeit war, ein System zu schaffen, das auf der Einheit von Akkorden und Skalen beruhte. Er entwickelte sein "Lydian Chromatic Concept of Tonal Organisation" (LCCOTO).

Warum gerade "lydisch"? Russell beobachtete u.a., daß viele Bebop-Musiker gerne auf der erhöhten vierten Stufe endeten. Dieser Ton schien also gut zu passen. Die entsprechende Skala ist die lydische Kirchentonart, welche besser zum C-Dur-Akkord passt (im Sinne von finaler Stabilität) als die ionische.
Das klingt durchaus plausibel, wie man sich selbst überzeugen kann, indem man z.B. die Akkorde c'-e'-g'-b'-d''-f#''- a'' und c'-e'-g'-b'-d''-f''-a'' miteinander vergleicht. Ersterer stellt die lydische Skala in Terzschichtung dar, zweiter die entsprechende ionische Skala. (Siehe: http://www.lydianchromaticconcept.com/lccoto.html)

Eigene Überlegung: Obiger Eindruck ist möglicherweise mit der Obertonreihe erklärbar, die den Ton f nicht enthält. Erst der 21. Teilton kommt mit der Quint der Naturseptim in die Nähe des f. Das f# ist hingegen bereits als 11.Teilton enthalten, allerdings fast einen Viertelton zu tief (im Vergleich zur gleichstufigen Stimmung). Doch das wird vom Ohr offenbar eher akzeptiert als das f.

1947: Dizzy and George Russell's Cubana Be, Cubana Bop contains Modal Jazz elements way before its time.

1949: Cool Jazz begins in a series of recordings made by Miles Davis, et al.
...
During his tenure with Gillespie, Coltrane plays on George Russell's "Cubana-Be, Cubana-Bop," one of the first modal recordings and also a landmark Latin jazz composition.

1953: George Russell has worked out his Lydian Concept of Tonal Organization, a landmark treatise on modal theory. Modal jazz will become a major movement over the course of the next decade.
...
1958: The new Miles Davis group, featuring Coltrane, records Milestones in April. This recording represents a significant shift toward modal jazz.
...

1959: Miles Davis - Kind of Blue
It was the key recording of what became modal jazz, a music free of the fixed harmonies and forms of pop songs.
...
Quellen:
http://www.allaboutjazz.com/php/timeline_search.php?keyword=jazz
http://www.allaboutjazz.com/jazz1949.htm
http://www.boston.com/bostonglobe/o..._ne_conservatory_teacher_russell_dies/?page=1
Ingrid Monson: Russell, Coltrane, and modal Jazz, S. 151 (Aus: In the Course of Performance, Studies in the World of Improvisation, Ed. Bruno Nettl with Melinda Russell, 1998 University of Chicago Press)
The Cambridge Companion to Jazz (Ed. Mervyn Coole and David Horn, Cambridge University Press 2002, S. 101)

Viele Grüsse

Klaus
 
Hallo Klaus!

Bitte zunächst vielmals um Entschuldigung für die späte Antwort. Außerdem ein Riesendank an Dich für die tollen Links!

Zu Cubana Be, die Aufnahme mit Dizzie G.: Das Solo ab 2,23 Min von Diz würde ich nicht als modale Improvisation bezeichnen. Es ist ein Solobreak (so was hat ja schon L.Armstrong gemacht), und in der Tat ist ein Teil klar Bb Mixolydisch. Allerdings sind da auch lupenreine Beboppassagen drin, zB. ein Approach an die Terz: e - c - es - f - bes. (e, mixo #11?, eb, mixo?). Klingt für mich nach Bebop über Bb7.

Modal ist aber die Komposition von Russel, und zwar ab Takt 17 (0,24 sec) zwei ''16 Takter'', Skala: G GTHT ! (Danach wirds funktionsharmonisch.) Der Eindruck, dass die Takte 17-24 eine Impro von Diz mit G-GHHT darstellen, wird nach hinten raus nicht bestätig; Die Melodie ist Bestandteil der Komposition der modalen Passage.

Für mich bleibt es dabei, dass die erste eindeutig modalfunktionale Impro und zumindest abschnittwesie auch Komposition bei Jahmals Pavanne aus 1955 zu finden ist. (Wobei ich allerdings in Bezug auf die Impro von Ray Crawford gewisse Zweifel habe. Das Thema ist so stark, wenn ihm das spontan eingefallen ist, Glückwunsch.)

Russel selbst wird früher im Zusammenhang mit seinem Studium bei dem deutschen Komponisten Stefan Wolpe mit Skalen wie GTHT intensiv in Berührung gekommen sein.

Das wars soweit von mir, danke nochmals an alle für die Beteiligung!

Grüße!

P.S. Klaus: Übrigens bist Du mit Deiner Überlegung bzgl. der Töne f und fis in Bezug zur Obertonreihe der gleichen Meinung wie Russel. Dort steht es auf Seite drei in der Fußnote.
 
Bitte zunächst vielmals um Entschuldigung für die späte Antwort. Außerdem ein Riesendank an Dich für die tollen Links!

Gern geschehen, mich hat das Thema auch interessiert.

Das Solo ab 2,23 Min von Diz würde ich nicht als modale Improvisation bezeichnen. Es ist ein Solobreak (so was hat ja schon L.Armstrong gemacht)...

Das würde ich bei dieser Aufnahme (youtube) auch so sehen. Meine Aussage bezog sich aber auf eine andere Aufnahme, in der ein ausgedehntes Trompetensolo zu hören ist, begleitet nur von Congas. (Leider gibt es offenbar keinen Link zu dieser Aufnahme.) Da wird so ausführlich improvisiert, daß ich die Fassung auf youtube für eine Kurzfassung hielt und diese andere Improvisation hörte sich für mich modal an (Bb mixolydisch).

P.S. Klaus: Übrigens bist Du mit Deiner Überlegung bzgl. der Töne f und fis in Bezug zur Obertonreihe der gleichen Meinung wie Russel. Dort steht es auf Seite drei in der Fußnote.

Freut mich, daß ich seine Idee offenbar richtig erfasst habe! :)

Viele Grüße

Klaus
 
Hi Klaus!

Kannst Du mir sagen, wie ich an die Aufnahme von cubana be komme, auf die Du Dich beziehst?

Wenn die Aufnahme länger ist als 3 Minuten, muss sie aus der Zeit nach 1951 stammen. Vorher war die Technik für längere Plattenaufnahmen noch nicht da.

Grüße!
Mathias
 
Hi Mathias,

die Aufnahme war auf jeden Fall länger als drei Minuten. Schon die oben erwähnte Version auf youtube übersteigt etwas die drei Minuten und die Aufnahme, die ich hörte, war deutlich länger.

Etwas verwirrend, daß die youtube-Aufnahme "Cubana Bop" genannt wird und nicht "Cubana Be, Cubana Bop". Wenn man im Internet recherchiert, findet man als Titel auch "Cubana Be" als dritte Möglichkeit.

Die Aufnahme, auf die ich mich beziehe, wurde jedenfalls als "Cubana Be, Cubana Bop" bezeichnet. Deshalb handelt es sich bei der youtube-Aufnahme vermutlich um eine Kurzfassung. Live hat man sich damals sicher nicht an die drei Minuten gehalten. Möglicherweise hat man nach 1951 ein Aufnahme gemacht, die der damaligem Live-Fassung entsprach.

Wie kommt man an die Aufnahme? Man könnte sich Versionen in Plattenläden und in Musikbibliotheken anhören und so die gewünschte Aufnahme ermitteln. Vielleicht wird man auch im Internet fündig, allerdings befürchte ich hier Urheberrechtsprobleme, da weder Gillespie noch Russell 70 Jahre tot sind. Insofern wundert mich eigentlich schon die auf youtube veröffentlichte Fassung.

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Klaus!

Ich hatte mir ''cubana be / cubana bop'' gekauft. Zu ''cubana be'' habe ich bereits geschrieben. Auf ''cubana bop'' bin ich erst gar nicht weiter eingegangen. ''cubana bop'' meiner Kauffassung ist 3,19, womit sich die Frage nach dem Aufnahmedatum stellt. Ich weiss leider nicht, wo genau die Grenze um die drei Minuten herum lag, deswegen kann ich hier auch keine valide Aussage zum Zeitpunkt machen. Das Aufnahmedatum meiner Fassung ist in Bezug auf die Fragestellung aber sowieso nicht von Belang, weil es dort keine Impro gibt. Es beginnt mit afrikanischen Gesängen, C#moll Penta und Bmoll Penta, und dem traditionellen ''call and response'', nur von einer Conga begleitet. ab 1,51 setzt die Combo ein. Genaues zum Tonmaterial möchte ich hier nicht äußern, dies würde ein exacte Transkription erfordern, aber GT HT sowie Pentatonik kann ich schon mal sagen. Jedenfalls klingt dieser Abschnitt polytonal für mich. Ab 2,43 wird es wieder funktionsharmonisch; das Hauptthema aus Cubana Be wird erneut und abschliessend aufgegriffen. ''cubana be / cubana Bop'' ist im Grunde eine Komposition, die aus aufnahmetechnischen Gründen zweigeteilt wurde, und deren Teile aufeinander verweisend betitelt wurden.

Es bleibt also bei der Aufnahme, die Du gefunden hast. Ich gehe davon aus, dass das Aufnahmedatum nicht bekannt ist, sonst hättest Du es sicherlich vermerkt. Demzufolge muss die Frage offen bleiben, ob Dizzie G. die erste modale Impro hingelegt hat, bei der, bezogen auf Jazz, ein völlig neues Klangkonzept zum Tragen kommt.

Ausgerechnet Mixolydisch aber ist ein Modus, der meiner Meinung nach aufgrund seiner Nähe zum Blues nicht als Geburtstunde und Wegweiser in eine ganz neue Klangwelt taugt. Aber da werden die Auffassungen wohl auseinander gehen. Ganz sicher aber nicht bei Pavanne.

Grüße!
Mathias
 
Hi Mathias,

''cubana be / cubana Bop'' ist im Grunde eine Komposition, die aus aufnahmetechnischen Gründen zweigeteilt wurde, und deren Teile aufeinander verweisend betitelt wurden.

Diese Erklärung klingt plausibel.
Ich weiß nicht, welche Version Du gekauft hast, aber auf der Version, die hier erhältlich ist, wird die Länge von "Cubana Be, Cubana Bop" mit 5:48 angegeben. Das könnte möglicherweise die Länge sein, von dem Stück, das ich gehört hatte. Die Aufnahme ist leider nicht in meinem Besitz und mir ist auch kein Aufnahmejahr bekannt. Wie gesagt, ungefähr in der Mitte des Stückes war ein Trompetensolo, lediglich mit Congas begleitet. Chano Pozo konnte nach 1948 die Congas nicht mehr gespielt haben, denn er starb schon in diesem Jahr. (Er wurde erschossen.)

Zu Cubana Be, die Aufnahme mit Dizzie G.:

Ich hatte übrigens weiter oben vermutet, daß Du die auf youtube veröffentlichte Version "Cubana Bop" kommentiertest. Tatsächlich handelte es sich aber offenbar um "Cubana Be", das ich noch nie gehört habe.

''cubana bop'' meiner Kauffassung ist 3,19,

Komisch, die Aufnahme auf youtube endet bereits bei 3:05. Wieder eine andere Fassung?

Wie dem auch sei, wenn man die Ausgangsfrage nach der "ersten modalen Komposition" betrachtet, so konnte ich eine Aussage von Russell persönlich finden:

"Diz had written a sketch which was mostly 'Cubana Be'. His sketch was what later turned out to be the section of the piece called 'Cubana Be' except that I wrote a long introduction to that which was at the time modal. I Mean it wasn't based on any chords, which was an innovation in jazz because the modal period didn't really begin to happen until Miles popularized it in 1959. So the piece was written in 1947, and the whole concept of my introduction was modal, and then Dizzy's theme came in and we performed it."
Quelle:
TO BE or not... TO BOP
DIZZY GILLESPIE with AL FRASER
1979, Doubleday Books
First University of Minnesota Press edition, 2009
p. 324

Demnach ist Russell selbst wohl davon überzeugt, 1947 die erste modale Komposition im Jazz geschaffen zu haben.

Falls ich Geleghenheit haben sollte, mehr über die Aufnahmen und Aufnahmejahr zu erfahren, werde ich darüber berichten.

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Mathias,

ich habe neue Infos.

Heute konnte ich zu der von mir damals gehörten Aufnahme Daten bekommen.

Möglicherweise ist sie identisch mit der Aufnahme, die Du gekauft hast, denn wahrscheinlich existiert nur eine Aufnahme von 1947. Da beide Stücke ("Cubana be" und "Cubana bop") eine Einheit bilden, werden sie manchmal als "Cubana be, Cubana bop" bezeichnet. Auf der CD, die ich heute angehört habe, liegen sie, wie zu erwarten war, unmittelbar hintereinander, werden aber als zwei Stücke gelistet. Das wird wohl seinen Grund in der o.g. damaligen technischen Limitierung von ca. 3 Minuten begründet sein, die Du erwähnt hattest.

Folgende Info ist der CD-Beilage zu entnehmen:

Jazz Tribune No. 2
Dizzy Gillespie Vol. 1/2 (1946-1949)
(C) 1992 BMG France (This compilation)
CD1: 1-16
13. Cubana Be (Dizzy Gillespie - George Russell) (P) 1947, 2:42
14. Cubana Bop (Dizzy Gillespie - George Russell) (P) 1947, 3:05

Das, was ich als Trompetenimprovisation in der Mitte des Stückes gehört hatte, ist in Wirklichkeit das Ende von "Cubana Be". Das Trometensolo von Gillespie, begleitet nur von Congas (Chano Pozo) ist neben dem Spiel von Pozo, wahrscheinlich das einzige, was auf der Aufnahme improvisiert ist und dauert 15 Sekunden. Es ist praktisch eine Schlußkadenz von "Cubana Be". (Kadenz nicht im harmonischen Sinne.) Harmonische Funktionalität erkenne ich da keine, also wohl eine Improvisation im Modus Bb mixolydisch.

Im o.g. Zitat von Russell wird nur Bezug genommen auf die Einleitung von "Cubana Be":

I wrote a long introduction to that which was at the time modal.
0:24 nach Beginn (Congas) setzt eine Posaunne ein, später weitere Bläser (Blech und Holz). Bis 1:08 ist die Musik nicht funktionsharmonisch, nach einer Überleitung, ab 1:15 dann klar funktionsharmonisch.
Das improvisierte Solo von Gillespie (mit 15 Sek. kürzer als in meiner Erinnerung) setzt bei 2:22 ein und geht bis 2:37, wenn ich alles richtig notiert habe.

Man kann wohl sagen, daß das Stück modale Elemente enthält, was es damals so im Jazz noch nicht gab. Allerdings war es wohl nur ein Experiment, wie auch der Ausflug in die lateinamerikanische Musik, der dann ebenfalls zunächst nicht weiter verfolgt wurde. Erst später (Miles Davis) wurde "modaler Jazz" zu einem neuen Konzept.

Immerhin baute Coltrane bereits 1949 auf der Basis von "Cubana-Be, Cubana-Bop,", die Modalität offenbar aus, s.o.:

1949: During his tenure with Gillespie, Coltrane plays on George Russell's "Cubana-Be, Cubana-Bop," one of the first modal recordings and also a landmark Latin jazz composition.
Wäre sehr interessant diese Aufnahme zu hören, falls eine existiert.

Weitere Info:

The Dizzy Gillespie Big Band performed this piece at Carnegie Hall in Sept. 1947
Recorded it in the studio Dec. 1947
...
There isn't even a whole lot of improvising (other than from Chano Pozo) — just that little tag from Gillespie at the end of "Cubano Be"
Quelle
Die Aufnahme ist übrigens in letzterem Link in voller Länge zu hören, leider erst soeben von mir entdeckt. Da kannst Du überprüfen, ob sie identisch ist mit Deiner CD, was ich, trotz der unterschiedlichen Längenangaben, vermute.

Jedenfalls finde ich "Cubana-Be, Cubana-Bop" ein sehr interessantes, experimetierfreudiges und dennoch musikalisch plausibles Stück. Schön, daß wir auf dieses Thema gekommen sind! :great:

Viele Grüße

Klaus
 

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