Ein anderer Ansatz beim Singen...

  • Ersteller PisauraXTX
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Ich fand es immer sehr schwierig mit der Emotion im klassischen Gesang, aufgrund der strengen Klangideale, der vielen No-gos, und seiner (jedenfalls von mir so empfundenen) Künstlichkeit.

Wenn ich ein neues Stück lerne, ist das ein mehrstufiger Prozess. Zuerst müssen natürlich die Noten gelernt werden. Früher habe ich dann erstmals lange am Klang/Technik der einzelnen Stellen rumgeschraubt und erst wenn ich das Gefühl hatte, es sitzt so mehr oder weniger, mich mit dem Inhalt des Stückes beschäftigt, um so auch in die richtige Emotion zu kommen. Mittlerweile mache ich es so, dass ich mir das Stück mal anhöre, mich dann gleich mit dem Inhalt befasse und erst dann ans Notenlernen gehe und versuche, während dem Notenlernen es auch gleich emotional zu erfassen (was sehr hilfreich ist, da die richtige Emotion die richtige Technik ja total unterstützt) Früher, als stimmtechnisch noch so gar nichts automatisiert war, wäre ich auf diese Art aber hoffnungslos überfordert gewesen. Und auch jetzt geht es noch lange nicht immer gleichzeitig und muss dann halt in einer ersten Phase auch mal auseinander genommen werden.

Und dann gibts halt auch immer Fälle, wo die Emotion überhaupt nicht kommen will. Aktuell bei mir: ein Stück von Verdi, so richtig zum geniessen mit dem ich mich zudem auch inhaltlich gut identifizieren kann (so richtig was fürs Herz :):)), das läuft fast von alleine ;) und als zweites ein geistliches "Pflichtstück" wo ich mich sehr schwer damit tue. Habe im GU deswegen etwas rumgejammert, die GL hat mir dann geraten, mir eine Art einen "Parallel-Inhalt" dazu zu schaffen. Etwas womit ich die Emotionen besser hervorlocken kann als mit dem effektiven Text. Mal schauen wie das wird.
Normalerweise ist es aber so, dass ich mich beim Singen immer total emotional auflade (muss also auch in der Klassik möglich sein ;)). Auf dem Nachhauseweg nach dem GU muss ich dann auch immer total aufpassen, dass ich nicht sämtliche Fussgänger und rote Ampeln überfahre :D

ob die Emtion echt oder gespielt ist, vermag ich nicht herauszuhören.

Bei Opernarien ist es für den Sänger auch nicht immer ganz einfach, sich gleich 100% mit der Figur zu identifizieren, da diese manchmal doch sehr weit von echten Personen/Emotionen unserer Zeit entfernt sind ;) Kann zwar sehr spannend sein, in eine so ganze andere Rolle zu schlüpfen, aber nicht allen liegt das gleich gut.
Meistens packt einen die Schönheit der Musik dann aber so sehr, dass die Gefühle ganz von alleine kommen, man muss sie nur noch etwas in die richtigen Bahnen lenken.

Wenn ich auf einer Bühne stehe, denke ich aber kein Stück weit an Technik, Atmung oder sonstwas. Dann singe ich.

So sollte es auch sein! Dann muss man wirklich einfach nur singen, auch oder gerade ;) bei Angststellen. In den letzten 1-2 Gesangsstunden vor einer Aufführung geht es bei mir im GU dann auch nicht mehr um technische Details, sondern einzig und allein um sängerische Präsenz (obwohl diese natürlich auch schon vorher ein wichtiges Thema sein muss).

Wir haben derzeit ein Lied im Repertoire, bei dem ich mich wegen der hohen Schwierigkeit auf die Technik konzentrieren muss und dieses Lied macht mir kaum Spaß und ich finde mich damit auch nicht gut. Weil das für mich Arbeit ist und nicht singen.

Solche Situationen kann es immer wieder geben. Du versuchst dich an was und merkst plötzlich, es läuft nicht gut, ist zu schwer, passt momentan noch nicht zur Stimme. Wenn irgend möglich lasse ich es dann vorerst einfach mal sein. Ich habe auch keine Mühe, in einem solchen Fall mal ein angebotenes Solo nicht anzunehmen und ehrlich zu sagen, dass es für mich zur Zeit einfach noch zu schwierig ist. Meistens nehme ich so ein Stück irgendwann später dann aber wieder hervor und es ist überraschend, wie gut es dann manchmal plötzlich geht, nicht nur weil sich meine Stimme vllt schon wieder etwas weiter entwickelt hat, sondern einfach, weil ich zu einem späteren Zeitpunkt viel unverkrampfter an die Sache rangehe.
 
Um zur ursprünglichen Frage zurückzukehren, ich würde das einfach mit Zeichen der Zeit betiteln. Das Internet hat vieles revolutioniert, unter anderem eben auch die Kommunikation. Wildfremde Menschen tauschen sich über alles mögliche aus, vertrauen sich teilweise Dinge an, die sie dem besten Freund nimmermehr erzählen würden - weil sie das Netz aufgrund der schieren Masse an Nutzern und Infos für anonym halten. Also sprechen sich etliche Leutchen über die Probleme aus, die ihnen evtl. zu peinlich wären, um sie in einem echten Gespräch anzubringen. Dann kommt dazu, daß man eben eine Menge Gleichgesinnter findet. Ganz ehrlich, ich kenne nicht mehr als eine Handvoll Sänger persönlich (von meinen Schülern mal abgesehen), woher auch? Als Sänger hatte ich meistens mit Instrumentalisten zu tun, davon kenne ich 'ne ganze Menge - aber Sänger? Kaum. Also finde ich so ein Forum äußerst praktisch.
Vergessen sollte man auch nicht, daß etliche Leute ankommen, Fragen stellen und dann nie wieder aufkreuzen. Aus einer Laune heraus wird mal was gepostet und 2 Minuten später hat sich's schon erledigt. Ich hab' auch schon Dinge in Foren gefragt, bei denen ich mir kurz darauf auf die Stirn gehauen hab'. Oder mich in Foren angemeldet, nur um eine einzige Anfängerfrage zu stellen und dann nie wieder reinzuschauen. Man kann ja nicht in Dutzenden Foren aktiv sein. Bei mir sind's 2, aber Mitglied bin ich sicher in 10 oder mehr, einfach weil man sich anmelden muß, um mal was zu fragen.

Ich hab' mich auch schon dabei ertappt, für Dinge im Netz Hilfe zu suchen, youtube-Tutorials anzukucken, .pdf-Files zu lesen etc. für etwas, das ich in 5 Minuten hätte sebst herausfinden können. Es ist halt verlockend, man findet im Netz alles - Profianleitungen für die verzwicktesten Tätigkeiten und eh man sich versieht, ist man drin verstrickt. Das muß nix schlechtes sein. Ich hab' in den letzten Jahren allein durch's Internet Dinge gelernt, die ich sonst niemals mitgekriegt hätte. Man muß aber höllisch aufpassen, daß das Tun nicht zu kurz kommt. Denn, um mal die Aussage von Bell* aufzugreifen, früher mußte man sich seinen Kram heraushören, die Texte rausschreiben und die Songs überhaupt erstmal besorgen - und die waren dann oft noch in so schlechter Qualität, daß man fast nix verstehen konnte. Eine Drecksarbeit - ABER, dadurch hat man verdammt viel gelernt! Ich habe z.B. dadurch wesentlich mehr (und besseres) Englisch gelernt als in der Schule. Darüber hinaus kannte ich die Songs im Anschluß direkt auswendig. Das hilft mir bis heute ungemein. Ich höre mir einen Song 1-2 mal an und kann ihn direkt singen - auswendig, das dauert 10 Minuten und ist kein Hexenwerk, sondern einfach Überbleibsel von damals. Hätte ich in der Netz-Ära angefangen, würde ich heute Leute anbeten, die sowas können. Ich merke das an meinen Schülern, die kleben viel mehr am Textblatt als es früher der Fall war und müssen auch alles buchstabengetreu wiedergeben. Da kann man ihnen hundertmal sagen, daß man auch Worte tauschen kann etc...

Mir scheint, daß allein die Tatsache, daß man heute für alles Schritt-für-Schritt-Anleitungen bekommt, dafür gesorgt hat, daß wir ohne solche Anleitungen hilflos sind wie auf dem Rücken liegende Käfer und auch alles mit einer Schritt-für-Schritt-Methodik angehen - bloß nirgends abweichen, bloß nix probieren! Wobei gerade das ja die beiden Dinge sind, die einen voranbringen, einen vor'm Schaf-Sein bewahren bzw. davon befreien und evtl. sogar die Dinge sind, die den modernen Menschen zu dem haben werden lassen, der er heute ist. Das heißt, obwohl das Internet die größte Wissensquelle ist, die der Menschheit je zur Verfügung stand, ist es gleichzeitig auch die größte Dumpfbackenfabrik...

Und dann noch was, das ich schon gefühlte 1000mal gesagt hab' und das eng mit dem Schaf-Sein verknüpft ist. Heutzutage greift eine Mentalität Raum, die man hier im Forum immer wieder beobachten kann und die direkt mit der Ausgangsfrage einhergeht. Leute glauben, man kann Dinge lernen ohne einen Finger zu rühren bzw. ohne Verantwortung zu übernehmen. Das passiert mir auch im Unterricht immer mal wieder. Es kommen Leute an, die meinen, ich müßte es ihnen lernen. Es gab mal den BILD-Werbespot "Kopf-auf-Computer-BILD-rein-Kopf-wieder-zu", das ist haargenau die Art, die solche Leute als Realität betrachten. Und hinterher sind sie enttäuscht und verärgert, weil es so nicht funktioniert. Lernen muß man es selbst, jemand anders (oder das Internet) kann einem nur zeigen wie es geht. Aber die Tätigkeit des Lernens nimmt einem keiner ab.

Was mich zur Abschlußfrage bringt (wenn überhaupt wer bis hierher gelesen hat :rolleyes:): Wie kann jemand etwas lernen/tun/können wollen, ohne die geringste Lust, sich damit zu beschäftigen? Jemand will singen können, aber keine Zeit oder Mühe dafür aufbringen, möglichst wenig damit zu tun haben - wie geht das zusammen? Mich hätte damals niemand vom Rumprobieren abhalten können, keine 10 Pferde. Und heute fallen die Leute aus allen Wolken, sind schon fast angewidert, wenn sie erfahren, daß sie, um "ihrer großen Leidenschaft" fröhnen zu können, ihrer großen Leidenschaft fröhnen müssen :gruebel:

Sorry, ich versteh's nicht...
 
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Wie kann jemand etwas lernen/tun/können wollen, ohne die geringste Lust, sich damit zu beschäftigen? Jemand will singen können, aber keine Zeit oder Mühe dafür aufbringen, möglichst wenig damit zu tun haben - wie geht das zusammen? Mich hätte damals niemand vom Rumprobieren abhalten können, keine 10 Pferde. Und heute fallen die Leute aus allen Wolken, sind schon fast angewidert, wenn sie erfahren, daß sie, um "ihrer großen Leidenschaft" fröhnen zu können, ihrer großen Leidenschaft fröhnen müssen :gruebel:

Das findet sich ja nicht nur beim Singen.... es gibt sicher auch unzählige Leute, die Sportzeitschriften lesen und die Übungen darin anschauen, sich Trainingspläne für den 5-km-Lauf aus dem Netz laden, im Fitnessstudio anmelden oder Grundregeln zur gesunden Ernährung am Kühlschrank hängen haben... um sich dann zu wundern, warum sie denn nicht sportlicher und fitter werden und nicht abnehmen :D - weil dafür hat man das ganze Zeug doch gekauft, das nun auch noch zu tun !!! selbst!!! - ne, das wär dann doch zu viel verlangt ;)

Das ist sicher überzeichnet, aber ab und zu habe ich schon den Eindruck, dass das sich-selbst-Erarbeiten nicht mehr hoch im Kurs steht. Natürlich sind Bücher, Trainingspläne, Atemübungen, Einsingübungen, gesunde Rezepte gut und völlig richtig - aber eben nur, wenn es auch in Praxis mündet (und da macht man Fehler, klar, egal wobei!) und eine gewisse Anstrengung und auch Frusttoleranz dazu gehört.

Grüßle, Chrischdl
 
Ich finde das gar nicht überzeichnet. Das hat mit meinem Verantwortungsargument zu tun. Die Leute denken, sich von der Verantwortung und dem Tun freikaufen zu können. Sie denken, sie bezahlen einen Gesangslehrer/ein Fitness-Studio/die Walkingstöcke beim Aldi/Lehr-DVDs/Bücher/.... und damit isses getan. Eigentlich ist der Gedanke ja gar nicht so verkehrt, kommt mir gerade. Normalerweise gibt man Geld und bekommt etwas dafür. Aber hier gibt man Geld und kriegt eigentlich nur eine Aufforderung bzw. eine Anleitung etwas selbst zu tun. Was für ein Beschiß! Man bezahlt einen Gesangslehrer dafür, daß der einem sagt "mach was". Da bin ich ja ein noch viel schlimmerer Scharlatan als die Magnet-Geburtsuhrzeit-Sonneneinstrahlungs-Willkürmenschen aus dem anderen Thread :eek:
Geschäftsidee: Ich verkaufe hübsch zurechtgeschnitzte Amulette aus Sangesgehölz (am besten Birkenrindefetzen, die wachsen bei mir vor'm Fenster :D ). Solange man die um den Hals trägt (möglichst nah am Kehlkopf natürlich), überträgt sich die innere Schwingungsenergie des Klangmaterials Holz, was ja schon seit Jahrhunderten für die legendärsten Instrumente verwendet wird, und man singt geradezu gottesgleich. Hat nur den Nachteil, daß die Wirkung nach 4 Wochen nachläßt und man entweder nachkaufen muß oder es mir zum erneuten Aufladen zurückschickt, gegen eine kleine Servicegebühr versteht sich. Es würde mich brennend interessieren, ob es dafür einen merkbaren Placebo-Effekt gäbe. Technisch tut sich nix, aber wer dran glaubt, könnte durch mehr Selbstvertrauen durchaus besser singen. Oh, ich ernte die Dinger natürlich bei Vollmond. 27,99 Eurönchen, ist so gut wie geschenkt. Na? Irgendwer? Ach so, ich bräuchte noch jemanden, der mir für eine Gewinnbeteiligung Zertifikate ausstellt - wie sieht's aus? :p
 
@sing-it: also wie im anderen Thread erwähnt, mit der Existenzgründungsberatung auf esoterischem Gebiet könnte ich dienlich sein ;) ich würde die Hölzchen, zu unterschiedlichen Mondphasen sammeln und nach Energietypen klassifizieren, damit auch jeder das passende Vata-, Pitta- oder Kapha-Hölzchen bekommt :D (und nun genug der Bosheiten und zurück zum Fußball :))
 

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