Tonja
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Ich fand es immer sehr schwierig mit der Emotion im klassischen Gesang, aufgrund der strengen Klangideale, der vielen No-gos, und seiner (jedenfalls von mir so empfundenen) Künstlichkeit.
Wenn ich ein neues Stück lerne, ist das ein mehrstufiger Prozess. Zuerst müssen natürlich die Noten gelernt werden. Früher habe ich dann erstmals lange am Klang/Technik der einzelnen Stellen rumgeschraubt und erst wenn ich das Gefühl hatte, es sitzt so mehr oder weniger, mich mit dem Inhalt des Stückes beschäftigt, um so auch in die richtige Emotion zu kommen. Mittlerweile mache ich es so, dass ich mir das Stück mal anhöre, mich dann gleich mit dem Inhalt befasse und erst dann ans Notenlernen gehe und versuche, während dem Notenlernen es auch gleich emotional zu erfassen (was sehr hilfreich ist, da die richtige Emotion die richtige Technik ja total unterstützt) Früher, als stimmtechnisch noch so gar nichts automatisiert war, wäre ich auf diese Art aber hoffnungslos überfordert gewesen. Und auch jetzt geht es noch lange nicht immer gleichzeitig und muss dann halt in einer ersten Phase auch mal auseinander genommen werden.
Und dann gibts halt auch immer Fälle, wo die Emotion überhaupt nicht kommen will. Aktuell bei mir: ein Stück von Verdi, so richtig zum geniessen mit dem ich mich zudem auch inhaltlich gut identifizieren kann (so richtig was fürs Herz ), das läuft fast von alleine und als zweites ein geistliches "Pflichtstück" wo ich mich sehr schwer damit tue. Habe im GU deswegen etwas rumgejammert, die GL hat mir dann geraten, mir eine Art einen "Parallel-Inhalt" dazu zu schaffen. Etwas womit ich die Emotionen besser hervorlocken kann als mit dem effektiven Text. Mal schauen wie das wird.
Normalerweise ist es aber so, dass ich mich beim Singen immer total emotional auflade (muss also auch in der Klassik möglich sein ). Auf dem Nachhauseweg nach dem GU muss ich dann auch immer total aufpassen, dass ich nicht sämtliche Fussgänger und rote Ampeln überfahre
ob die Emtion echt oder gespielt ist, vermag ich nicht herauszuhören.
Bei Opernarien ist es für den Sänger auch nicht immer ganz einfach, sich gleich 100% mit der Figur zu identifizieren, da diese manchmal doch sehr weit von echten Personen/Emotionen unserer Zeit entfernt sind Kann zwar sehr spannend sein, in eine so ganze andere Rolle zu schlüpfen, aber nicht allen liegt das gleich gut.
Meistens packt einen die Schönheit der Musik dann aber so sehr, dass die Gefühle ganz von alleine kommen, man muss sie nur noch etwas in die richtigen Bahnen lenken.
Wenn ich auf einer Bühne stehe, denke ich aber kein Stück weit an Technik, Atmung oder sonstwas. Dann singe ich.
So sollte es auch sein! Dann muss man wirklich einfach nur singen, auch oder gerade bei Angststellen. In den letzten 1-2 Gesangsstunden vor einer Aufführung geht es bei mir im GU dann auch nicht mehr um technische Details, sondern einzig und allein um sängerische Präsenz (obwohl diese natürlich auch schon vorher ein wichtiges Thema sein muss).
Wir haben derzeit ein Lied im Repertoire, bei dem ich mich wegen der hohen Schwierigkeit auf die Technik konzentrieren muss und dieses Lied macht mir kaum Spaß und ich finde mich damit auch nicht gut. Weil das für mich Arbeit ist und nicht singen.
Solche Situationen kann es immer wieder geben. Du versuchst dich an was und merkst plötzlich, es läuft nicht gut, ist zu schwer, passt momentan noch nicht zur Stimme. Wenn irgend möglich lasse ich es dann vorerst einfach mal sein. Ich habe auch keine Mühe, in einem solchen Fall mal ein angebotenes Solo nicht anzunehmen und ehrlich zu sagen, dass es für mich zur Zeit einfach noch zu schwierig ist. Meistens nehme ich so ein Stück irgendwann später dann aber wieder hervor und es ist überraschend, wie gut es dann manchmal plötzlich geht, nicht nur weil sich meine Stimme vllt schon wieder etwas weiter entwickelt hat, sondern einfach, weil ich zu einem späteren Zeitpunkt viel unverkrampfter an die Sache rangehe.