Ich finde, man kann diesen Trend in der modernen Rock/Popmusik immer mehr Aufwand in die Nachbearbeitung im Studio zu stecken, mit Trends in der visuellen Ästhetik der Medien vergleichen. Mann findet ja heute in Zeitschriften und im Web kaum noch Fotos, die unbearbeitet sind, teilweise geht das ja so weit (Beispiel Fernsehzeitschriften), dass das eine künstliche Welt hergestellt wird, die es in der Realität gar nicht gibt: Modells mit wachsartig glatter Haut, hoher Stirn, T***n, die unterm Kinn sitzen, etc... Ähnlich im Kino: kein Film mehr, der ohne computergenerierte Spezialeffekte auskommt.
Die Musik, die auf modernen Produktionen zu hören ist, gibt es ja in der Realität auch nicht und kann Live gar nicht mehr reproduziert werden. Da diese Art Musik aber so allgegenwärtig ist, schafft sie eine starke Hörgewohnheit beim Konsumenten und diejenigen, die sich dies nicht bewusst machen, denken dann, dass eine Gitarre tatsächlich so klingt, wie 3x gedoppelte Spuren mit Tonnen von Effekten oder ein Schlagzeug live wirklich so klingt wie bei "In the air tonight"!
Natürlich muss man aufpassen, dass es in der Musik nicht so Auswüchse gibt, wie in der Fotoästhetik (manche sagen wahrscheinlich, die gibt es doch schon!) aber ich mache mir da nicht so große Sorgen. Jeder Trend hat auch wieder einen Gegentrend und irgendwann haben wir wieder, wie Anfang der Siebziger oder Ende der 80er/Anfang der 90er, eine Bewegung, die sich auf den rauen, ursprünglichen, natürlichen Sound besinnt. Ich denke allerdings, das dauert noch eine Weile, momentan schwingt das Pendel eher in die andere Richtung.
Außerdem kann der Fortschritt in der Aufnahmetechnik und sonstigen Studiotüfteleien, wenn er professionell und kreativ genutzt wird, auch hervorragende Alben hervorbringen, die trotzdem ihre natürliche, rohe Kraft bewahren. Meine Favoriten aus den letzten Jahren aus dem Metalbereich hierzu sind: Kamelot - The Black Halo und Opeth - Watershed.
Chris