Was hier bisher noch nicht angesprochen wurde, aber meines Ermessens eine große Rolle spielt ist der produzierte Obertonreichtum.
Ein Forte klingt eher "getragen", wenn die dabei produzierten Obertöne dunkler sind, und eher spitz, wenn hohe Obertöne erzeugt werden. Grundsätzlich ist der Obertonreichtum des Klaviers höher, je stärker gespielt wird, aber es gibt auch noch andere Einflüsse:
- der schon angesprochene Damper (wenn die Saiten frei schwingen, werden mehr Obertöne produziert)
Es gibt aber noch viele andere Einflüsse, die darauf Auswirkung haben:
- Die Anzahl der gleichzeitig angeschlagenen Saiten (je mehr Saiten, desto mehr Obertöne)
- Das Halten der gleichzeitig angeschlagenen Saiten (nur virtuelle Simulationen ahmen diesen Effekt nach, Sample Pianos können das nicht, da der rechte Ton vom linken nix weiß). Ähnlich wie beim Damper: Die gehaltenen Tasten (ungedämpfte Saiten) erzeugen auch nach dem Ausklingen noch Obertöne durch Anregung weiterer angeschlagener Saiten.
- Das Legato-Spiel. Je gebundener gespielt wird, desto länger können sich die Obertöne entfalten.
- Repetition (schnell hintereinander gespielt ergeben sich weniger Lücken im Klang, und die Obertöne im Raum können sich mischen --> Hall. Dieser Effekt ist abhängig von den Klangeigenschaften des Raumes, in dem man spielt.
- Mehrfachanschlagen der ungedämpften Saite (durch das Treffen der Saite im bereits schwingenden Zustand ergeben sich zusätzliche Obertöne).
- wie gleichmäßig der Anteil an Obertönen aufrechterhalten werden kann (-> Klangteppich), oder ob er Lücken aufweist, und wie weit sich einzelne Spitzen aus ihm noch abheben können),
- Beim E-Piano zusätzlich:
--> Die zum Einsatz kommenden Wandler (es gibt Leute, die den Einfluss der Wandler am Obertonspektrum hören)
--> Die Qualität der eingesetzten Filter und Equalizer (daher klingen die alten, analogen Sounds so gut: gute Filter, saubere Obertöne, wenig "Plastik-Sound" --> viel Präsenz).
Wenn man sich über länger Zeit mit einem Instrument vertraut macht, entwickelt man intuitiv ein Gefühl für die Spielweise, die dem Instrument ein möglichst breites Spektrum an Obertönen entlockt (das klingt für uns angenehm, und wird meist als "Brillianz" bezeichnet). Einige der angesprochenen Techniken sind auf E-Pianos nicht möglich, da sie nicht simuliert werden. Wenn es Emulationen bzw. physische Modelle gibt, dann muss man auf diesen Instrumenten das gleiche tun wie bei den echten: Darauf üben, um herauszufinden, welche der angesprochenen Spielweisen die gewünschten Obertöne produziert.
Nicht jedes (E-)Piano ist für jeden Musikstil geeignet. Im Allgemeinen kann man sagen: je schneller und mit je mehr Pedal gespielt wird, desto mehr Obertöne werden produziert. Das geht auf fast jedem E-Piano. Bei leiseren, langsamen Stücken ohne durchgehende Pedalierung trennt sich dann die Spreu vom Weizen, weil der Grundklang des Piano's zeigen muss, was er kann.
Frustrierend hingegen sind E-Pianos, die auch bei starkem Anschlag einzelner Töne nicht ausreichend Obertöne produzieren. Ich hab dann den Eindruck, hau wie eine Bescheuerte in die Tasten rein, und "es tut sich nix". Dabei versaut man sich nur das Spiel. Das ging mir mit dem alten RD700 so, daher kam's ganz schnell wieder weg (die Roland-Wandler klingen von Haus aus weniger metallisch, d.h. obertonarmer als die Yamahas). Ein Grund (neben der Saitenresonanz-Simulation), warum sich das P250 auf der Bühne sehr gut durchsetzt. Die modernen Saitenresonanz-Simulationen helfen da ganz ungemein (insbesondere auch der Effekt auf gehaltene Tasten). Die Damper-Simulation im rp-x musste ich leider wieder abschalten, da das Instrument beim Pedalieren an der PA zu weit nach hinten wegzuschweben scheint (der erzeugte Obertonreichtum ist zwar enorm, aber es entsteht der Eindruck, dass sich die Raumtiefe ändert, was zu einer Fehlwahrnehmung führt). Hoffentlich lässt er sich bald in der Intensität regeln.
Hoffe, das war nu nicht zuviel Text
Liebe Grüße
Dana