Mal für die jüngeren Generationen hier:
Viele wissen gar nicht, wie Charvel-Gitarren, als sie endlich ab ca. 1981 auch in Deutschland angeboten wurden (über No.1 Hamburg), hier und natürlich auch weltweit eingschlagen haben. Sie waren schlicht DER Maßstab.
Jeder wollte eine haben. Sie waren unglaublich teuer (für das Geld hätte man seinerzeit auch eine Gibson USA Standard plus eine Fender USA Stratocaster zusammen bekommen und noch Geld über gehabt), aber für die nächsten Jahre waren sie unglaublich begehrt. Neben Top-Stars, die damit Platten einspielten, wie Eddie van Halen (allerdings mit einem Eigenbau aus Charvel-Parts), Steve Vai, Gary Moore, Allan Holdsworth, Dokken, ZZTop u.v.m.) waren wir "normale" Gitarristen damals unheimlich scharf auf diese Gitarren. Trat z.B. Nena, damals in Deutschland Nr.1 war, im TV auf, dann guckten wir auf Carlos Charvel. Okay, nicht nur…^^
Hatte jemand im Bekanntenkreis dann tatsächlich so ein Gerät, dann wurde sie fast schon ehrfürchtig und ganz, ganz vorsichtig angespielt.
Vieles war neu: Flacher Griffbrettradius, Jumbo Frets, unlackierte, nur geölte Hälse, oft aus Riegel- oder Wälkchenahorn, Stratkorpora meist ohne Schlagbrett, aber mit einem starken Humbucker am Steg, dazu oft verrückte Lackierungen.
Der Spirit, der damals herrschte, lässt sich gut aus damaligen Fachzeitschriften einfangen. Die waren Anfang der 80er üblicherweise recht trocken geschrieben. Ausnahme: Charvel. Hier nur einmal ein paar Eindrücke (wer Originalscans haben möchte, kann mich gern kontaktieren):
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Charvel, der Name allein genügte in den letzten 5 Jahren, um den Gitarristen in aller Welt das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Grover Jackson, der Vater dieser Gitarrenserie, baute in seiner kleinen Firma diese Edelgitarren, die außerdem durch ausgeflippte Lackierungen besonders den Jungs aus dem Heavy Metal Bereich gefielen, per Handarbeit. Die war unter anderem der Grund dafür, dass man z.T. recht lange auf eine Charvel warten musste, wenn man eine bestellt hatte.“ (
Fachblatt MusicMagazin 9/86)
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Der Hals liegt phantastisch in der Hand....Es tut mir leid, wenn ich jetzt so schwärme, aber diesen Strat-Sound finde ich toll. Es ist ein brillanter, knackiger Ton, mit viel Sustain, den man einer solchen Gitarre gar nicht zutraut. Ich glaube, mit dieser Gitarre kann man alles machen. Jede Art von Musik. Ich weiß, dass manche alte Strat einen ähnlichen Sound hatte, nur nicht so kraftvoll. Auch wenn das nicht stört, dass sie so kraftvoll ist. Ich bin jedenfalls wirklich begeistert...
Wenn man die Liste der Leute liest, die eine Charvel-Gitarre besitzen, und sich danach die Gitarre genau anschaut, dann weiß man, warum das so ist. Die Charvel ist nämlich wirklich eine hervorragende Gitarre. Sie ist aus den besten nur erdenklichen Materialien hergestellt. Als Beispiel soll noch mal der in Handarbeit gefertigte Bird`s Eye Maple Hals herhalten.
In der vorliegenden Strat-Version hat sie einen ausgezeichneten Stratocaster-Sound in höchster Vollendung, nämlich klar, bissig und warm zugleich mit einem guten Sustain.
Die Charvel ist ausgezeichnet bespielbar....“ (
Gitarren-Testjahrbuch 1982)
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Direkt am ersten Tag der Messe blieb ich vor einem Stand wie angewurzelt stehen, weil ich ein paar Gitarren gesehen habe, die ich auf Anhieb wunderschön fand. Und ich hatte mich nicht getäuscht. Ich befand mich am Stand von Bernhard Kurzke vom Music Center Hamburg. Er hatte einige Instrumente ausgestellt, die das Herz eines jeden Gitarristen höher schlagen lassen müssten. Ich meine die Charvel-Gitarren aus Kalifornien.
Hergestellt werden diese Kunstwerke von Grover Jackson, der früher Schecter-Gitarren baute. Man könnte jetzt seitenweise über diese Gitarren schwärmen, aber da der Platz eng bemessen ist, will ich in einigen Stichworten die besonderen Punkte aufzeigen. Alles ist handgefertigt, nichts wird in Dutzendware hergestellt. Jegliche Hardware ist aus Messing, manchmal unter einer schwarzen Lackierung versteckt. Komponenten wie Sattel und Tremolo sind optimal angebracht und eingestellt.
Den Hals kann ich gar nicht beschreiben, so gut hat er mir gefallen. Für die Bodies werden nur ausgesuchte Hölzer verwendet und das ist auch der Grund, weshalb man weitgehend auf Schlagbretter verzichtet hat. Die Gitarren werden mit Pickups von diMarzio und Seymour Duncan versehen. Nach den Wünschen vieler amerikanischer Live-Gitarristen hat man jeglichen überflüssigen Kram weggelassen. Sogar Tonregler werden nur auf Wunsch eingebaut.
Außer den schönen Naturhölzern kann man die Gitarren in den außergewöhnlichsten Farben und Formen bekommen. Sonderwünsche wie spezielle Graphiken, eingeleimter Hals, Halsform und Bodyform sind möglich. Dave Gilmour, die beiden ZZ-Top-Gitarristen und Eddie van Halen sind nur einige, die schon Besitzer einer solchen Gitarre sind. Da, wie schon erwähnt, alles Handarbeit ist, dürften pro Jahr nur eine ganz bestimmte, begrenzte Anzahl von ausgesuchten Modellen nach Deutschland kommen. Dementprechend sind natürlich auch die Preise. Ab 2.000,- geht es aufwärts. Aber es war ja schon immer teurer, einen exklusiven Geschmack zu haben….“ (
Fachblatt MusicMagazin April 1981)
Man kann also durchaus sagen, dass Charvel weltweit eine Geschichte hat und insbesondere bis 1985 höchstwertige Gitarren baute, die sich bis heute äußerster Beliebtheit erfreuen.
Die aktuellen SoCals sind in vielen Bereichen diesen frühen Gitarren nachempfunden. Da die alten Originale heute unerschwinglich sind (mit gesuchter Graphik in gutem Zustand gern > 5000 $), bringen die SoCals den Spirit dieser alten Monster zu vernünftigen Preisen in die heutige Zeit. Sie setzen eine tolle Tradition fort, erfüllen aber auch bestens die Anforderungen an heutige Musikstile.
Lange Rede, kurzer Sinn: Kaufen und genießen!