Decke der Akustikgitarre muss eingespielt werden?

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Hallo zusammen!

Seit nun fast zwei Wochen besitze ich eine Baby Taylor, die mir von der Bespielbarkeit sehr gut gefällt. Allerdings ist mir aufgefallen, dass in den hohen Lagen (ab 12. Bund) die Töne der Diskantsaiten immer leiser werden und schnell an Sustain verlieren.

Nun habe ich gelesen, dass sich eine Massivholzdecke (in meinem Fall Fichte) erst noch "einspielen" muß.

Bedeutet dies, dass die Decke ihre Schwingeigenschaften erst nach einer Einspielzeit voll entfaltet? Habe ich da Chancen, dass die Gitarre (besonders in den hohen Lagen) noch an "Kraft" gewinnt? Da ich die Baby Taylor besonders für "Cuban Son" (z.B. Buena Vista Social Club) einsetzen wollte, wäre das schon von Bedeutung, d.h. ich spiele oft auf den Diskantsaiten ab dem 12. Bund aufwärts.

Mir wurde auch schon in einem anderen Thread angeraten einen 013er Saitensatz zu nehmen, um den Sound der Gitarre ausreizen zu können. Da mir der 012er Saitensatz von der Bespielbarkeit optimal liegt, möchte ich nur ungern wechseln.

Gruß

Andreas
 
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Nun habe ich gelesen, dass sich eine Massivholzdecke (in meinem Fall Fichte) erst noch "einspielen" muß. Bedeutet dies, dass die Decke ihre Schwingeigenschaften erst nach einer Einspielzeit voll entfaltet? Habe ich da Chancen, dass die Gitarre (besonders in den hohen Lagen) noch an "Kraft" gewinnt?

Massiven Fichtendecken wird nachgesagt, dass sich der Klang mit häufigem Spielen verbessert weil sich im Holz vorhandene Harze für die Schwingungsfreudigkeit der Decke günstig anordnet. Oder anders gesagt die Harze in der Decke dämpfen umso weniger die Deckenschwingungen je mehr man die Decke durch Spielen in allen Frequenzen schwingen lässt.

Dies ist aber ein sehr langsamer Vorgang und kann je nach Häufigkeit des Spielens Jahre dauern und deswegen ist der Klangvorteil bzw. Klangunterschied eher schwierig zu bemerken bzw. dessen Intensität schwierig zu beurteilen.

Dies gilt eigentlich nur für Fichte - anderen Tonhölzern wird soetwas nicht nachgesagt.

Wesentlich deutlicher bemerke ich aber Klangunterschiede in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchtigkeit --> von 38 - 45 % klingt meine Gitarre am schönsten --> über 55 % wird der Klang merklich schlechter und bei über 65-70% gefällt mir der Klang überhaupt nicht.
 
Hallo Richelle!

Vielen Dank für deine Antwort. Die Frage stellte sich bei mir, da ich im Review der Baton Rouge L6 gelesen hatte, dass eine Zederndecke sich schneller einspielt (letzte Ausgabe der "guitar").

Deine Erklärungen sind wieder einmal sehr aufschlußreich für mich. Wir haben hier im Moment eine Luftfeuchtigkeit von fast 70 %. Mit der Lieferung (die Baby Taylor bestellte ich im Internet), bekam ich eine Beschreibung, woran man erkennen kann, dass sie eine hohe Feuchtigkeit besitzt oder zu trocken ist. Dem Foto entsprechend (hohe Feuchtigkeit) zeigt auch meine Gitarre eine starke Wölbung an der Korpusrückseite.

Bei meiner Martin Backpacker, die im gleichen Umfeld steht, stimmt jedoch der Klang der Diskantsaiten.

Wie kann ich mir dies erklären?

Weiterhin interessiert mich, wie du Einfluss auf die Luftfeuchtigkeit (bezüblich des Standpunktes der Gitarre) nimmst? Die Luftfeuchtigkeit hier in Worms (direkt am Rhein) kommt nie auf einen Wert von 45 %, d.h. wir haben regional immer eine sehr feuchte Luft (wird im Sommer oft tropisch). Gibt es Geräte bzw. Koffer, die das Klima für die Lagerung der Gitarre Regeln?

Gruß

Andreas
 
Es gibt Luftentfeuchter... Wenn du einen kleinen findest könntest du den sicher in den Koffer oder den Gigbag packen.
Bau dir nen Gitarren Anti-Humidor x]
 
Wenn der Gitarrenbauer eine Gitarre mit massiven Hölzern (die entsprechend lang getrocknet wurden) bei einer bestimmten Luftfeuchtigkeit baut (in meinem Fall bei ca. 45 %) und diese durch entsprechnede Konstruktionsmerkmale (Deckenbeleistung, ect.) auf einen optimalem Klang auslegt --> dann wird sich der Klang bei deutlicher Änderung dieser Atmosphäre entweder positv oder negativ verändern.

Ist die relative Luftfeuchtigkeit langfristig darunter --> gibt das Holz in ihr enthaltene Feuchte noch mehr ab --> dies kann im Extremfall gefährlich werden, da das Holz schwindet und dadurch Risse entstehen können. (meist wird der Klang in dem Fall etwas lauter, brillianter, schneller, schöner).

Ist die relative Luftfeuchtigkeit langfristig darüber --> nimmt das Holz Feuchtigkeit der Umgebung auf --> das Holz quillt auf (diese Veränderung ist reversibel) --> (der Klang wird meist dumpfer, leiser, langsamer, undifferenzierter).

Manche Gitarren sind betreffend Klangänderung bei unterschiedlicher rel. Luftfeuchtigkeit konstruktionsbedingt empfindlicher bzw. deutlicher ausgeprägt --> diese sind aber dann meistens bei optimaler Atmoshäre den weniger empfindlichen deutlich überlegen.

Ich denke Gitarren mit gewölbter Decke und Boden (dies erlaubt aus Stabilitätsgründen eine leichtere Beleistung, eine dünnere Deckenstärke und eine freieres Schwingungsverhalten) gehören zu den empfindlicheren Modellen --> im Gegensatz dazu sind stärkere Decken mit stärkerer Beleistung gegenüber Luftfeuchtigkeitsschwankungen unempfindlicher bzw. der Klang eher konstanter. Es könnte sein, dass die Backpacker zu der zweiten Kategorie gehört oder sie könnte bei einer höheren Luftfeuchtigkeit gebaut worden sein.

Es gibt verschiedene Luftbefeuchter und -entfeuchter. Manche sehr kostspielig.

Bei mir gibt es zwei Extreme: Im Winter sinkt die rel. Luftfeuchtigkeit in den Kellerräumen auf unter 40% --> manchmal sogar unter 35% (soweit lasse ich es nicht kommen - für mich fängt bei 37-36% der rote Bereich an - Risiko von Rißbildung steigt; anfangs hatte ich einen 5 Liter Ultraschall-Luftbefeuchter den ich zweimal in 24h nachfüllen musste, der mittlerweile defekt ist; danach hielt ich die Luftfeuchtigkeit mit sehr, sehr vielen nassen Hand- und Badetüchern in der Gitarrenumgebung über 37%; mittlerweile verfrachte ich die Gitarren über Winter in die Wohnräume - da herrscht grüner Bereich 40 - 50%).

Im Sommer: Im Keller: zwischen 50 - 70% --> da mache ich nichts dagegen --> wenn 70% oder mehr herrschen lege ich die Gitarre öfter und schneller beiseite - da spiele ich einfach weniger oder nehme öfter die Seagull in die Hand --> bei der merke ich weniger eine Klangverschlechterung (was schon deutlich schlechter ist kann nicht mehr viel schlechter werden).

Für den Koffer gibt es auch Luftbefeuchter. Entfeuchter sollte es auch geben. Da habe ich aber überhaupt keine Erfahrung, da meine Gitarren immer griffbereit im Ständer oder Wandhalterung warten --> Ich spiele derzeit sehr oft nur für kurze Zeit (z.B. nur ein Lied) und dies manchmal ganzen Tag verteilt. Ich brauche einen Koffer eigentlich nur für Transport.

Aber da sich das Luftfeuchteproblem bei empfindlichen Gitarren nicht nur in hohen Lagen auswirkt sondern generell bei allen Frequenzen ist es nicht gesagt, dass dies die Ursache für mangelndem Klang bei Deinen Diskantsaiten in hohen Lagen ist.
Generell wird die Lautstärke und Sustain in hohen Lagen geringer --> bei einer kürzeren Mensur wirkt sich dies noch deutlicher aus.
Weiters gibt es auch manchmal Frequenzen bei denen eine Gitarre nicht so toll anspricht --> Thema "dead spots" (Schwingungsdämpfung durch ungünstige Eigenfrequenzen von Bauteilen der Gitarre).

Ich denke in Deinem Fall würde eventuell ein Kombiprogramm erfolgreich sein: Luftfeuchtigkeit verringern; Stärkere Diskantsaiten als Ausgleich der kürzeren Mensur (eventuell Saitensatz aus Einzelsaiten zusammenstellen: z.B. 013/017/024/032/042/053 -->gleichmäßigere Zugkraft aller 6 Saiten --> ca. 59 kg - im Gegensatz dazu sind bei den meisten Saitensätzen die G-, D- und A-Saite bei Normalstimmung mehr gespannt); eventuell den Winkel hinter der Stegeinlage kontrollieren (manchmal werden die Diskantsaiten sehr flach über die Stegeinlage geführt - in dem Fall könnte man über ein leichtes anpassendes "Ramping" nachdenken).
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für deinen ausführlichen Beitrag, Richelle. :great: Das Problem ist mir bei einem Song aufgefallen. Hier führe ich einen Slide vom 7. Bund auf den 12. Bund durch. Der Ton ist kaum noch wahrnehmbar; stirbt trotz richtiger Technik ab (Vergleiche habe ich ja durch meine E-Gitarren und der Backpacker). Im Anschluß wird die e-Saite im 15. und 14. Bund angeschlagen. Der Ton ist ohne Ausdruck, leise, kaum Sustain und nicht mehr "knallig".

Daraufhin habe ich das gleiche, durch Antesten, auf der G- und H-Saite bemerkt. Ab dem 12. Bund verliert die Gitarre auf den Diskantsaiten an Charakter. Es wird zu sanft und ausdruckslos. An Deadspots denke ich nicht, die kenne ich vom Bereich der E-Gitarren. Diese beschränken sich auf einzelne Bünde; wie du geschrieben hast heben sich dann die entsprechenden Frequenzen auf.

Dein Tipp mit der Kombination von unterschiedlichen Saiten werde ich beim nächsten Saitenwechsel mal ausprobieren. Es wäre schade, wenn ich der Gitarre in den hohen Lagen keinen knalligen Sound entlocken könnte. :(

Gruß

Andreas
 
@ Richelle :

Ist ja mal interessant etwas Ausführliches zum Thema Luftfeuchtigkeit zu lesen. Wundert mich eigentlich, dass es hier nicht viel mehr Beiträge zu diesem - zumindest für Akustikgitarrenbesitzer - wichtigen Thema gibt. Ich habe mich nach langem Überlegen für das Prinzip der Kaltverdunstung entschieden. Ultraschall finde ich nur suboptimal. Hatte in dem Raum, in dem die Gitarren stehen, katastrophale 25-30%. Mit dem Venta LW 24 erreiche ich derzeit bis zu 60%. Ich versuche die Feuchtigkeit jedoch zwischen 45-50% (scheint mir das Optimum zu sein) zu halten. Wie du bereits schön beschrieben hast, hängt natürlich alles mit Witterung und Jahreszeit zusammen. So ist halt noch ein bisserl manueller Aufwand (Geschwindigkeit anpassen,Wasser nachfüllen [7l Tank]) nötig. Habe im Angebot ca. EUR 150,00 dafür gezahlt (derzeit ca. EUR 165,00). Werde mir vielleicht noch das größere Modell zulegen (mehr Durchsatz bei niedrigerem Betriebsgeräusch). Da schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, da ich massiv an Heuschnupfen leide und die Luft ja auch gleich gewaschen wird.

Gruß,
Daniel
 
Eine abschließende Anmerkung von meiner Seite zum eigentlichen Thema: "Decke der Akustikgitarre einspielen"

Aus der Fachliteratur konnte ich nun auch etwas in Erfahrung bringen. Der Artikel bestätigt Richelles Darstellung, dass eine Decke aus Fichte mehrere Jahre eingespielt werden muss, bis man vielleicht eine positive Veränderung merkt. Bei einer Zederndecke soll eine Veränderung schon nach wenigen Monaten wahrnehmbar sein.

Noch einmal Danke für deinen fundierten Beitrag, Richelle. :great:

Gruß

Andreas
 

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