aber
in der regel gilt: klingt so wie im radio..drauf geschissen, ob die originalinterpreten live was anders machen - die dürfen das..allerdings auch nicht immer ;-)
Das hatte ich AFAIR schon mal an anderer Stelle geschrieben: Sich an konkreten Liveversionen der Originalinterpreten beim Finden der eigenen Arrangements zu orientieren, muß nicht immer der glückliche Weg sein. Sicher, es ist ein Arrangement, das nicht irgendwer gemacht hat, sondern eben der Originalinterpret. Und das kann auch funktionieren. Muß es aber nicht, denn wenn der ganze Song vom Wiedererkennungsfaktor im Detail lebt, springen auf nachgespielte Original-Liveversionen nur die Hardcorefans an, die eben genau diese Liveversion identifizieren können. An der breiten radiohörenden Masse schießt es dagegen vorbei. Einzige Ausnahme: Songs, die nur als Liveversionen bekannt sind (z. B. I Want You To Want Me, da sollte man sich schon an der Budokan-Version orientieren, oder Davy's On The Road Again).
Es ist auch, wie schon richtig erkannt, von Stilrichtung zu Stilrichtung und von Song zu Song verschieden, wie gut man umarrangieren und auch ausdünnen kann, ohne daß die Wiedererkennbarkeit leidet oder die Musik zu dünn wirkt. Klar, bei simpleren Sachen gerade aus Rockgefilden läßt sich mal locker eine Gitarre reinarrangieren oder lassen sich die Tasten zugunsten eines weiteren Gitarrensolos einsparen oder so. Wieviele Bands ohne Keyboarder schrecken trotzdem nicht vor Deep Purple oder Van Halen zurück? Wenn ein Song eine markante Hookline hat und im wesentlichen von relativ wenigen Elementen lebt, ist es entsprechend einfach, ihn umzuarrangieren. Folk- oder Singer/Songwriter-Geschichten sind noch pflegeleichter, weil da die ganze Drumherummusik häufig nur die Leadstimme oder gar nur den Text transportieren muß und praktisch beliebig austauschbar ist. Ich sag nur Bob Dylan, der wohl meistgecoverte Songwriter aller Zeiten, bei dem hält sich nie einer an dessen Originalarrangements. Im Gegenteil, Bob Dylan spielt live fleißig anderer Leute Coverversionen seiner eigenen Songs nach.
Ganz anders dagegen sieht es aus bei Musik, die von vornherein sehr dicht und sehr kompliziert arrangiert ist und sich mit durch diese dichten, komplizierten Arrangements definiert, etwa R&B-, Soul- und Disco-Sachen der 70er und frühen 80er Jahre, spätestens seit der Phillysound Soul mit dicken Orchestern kombiniert hat. Ich sag nur Earth, Wind & Fire (ja, die erwähne ich oft, aber die sind eins der Extrembeispiele). Die haben auf ihren Alben teilweise derart aufwendige Arrangements und trotz einer immensen Mannstärke in der Band derart viele Overdubs, daß sie selbst auf der Bühne nicht ohne Zuspielungen auskommen (z. B. Boogie Wonderland). Wenn man von denen was covern will, hat man oft ein ernsthaftes Problem das haben sogar wir, und wir haben zwei Keyboarder. Natürlich ist es jetzt leicht zu sagen: Da ist dermaßen viel in den Songs drin, da läßt sich folglich auch ganz prima sehr viel streichen, bis es sich bequem händisch spielen läßt, vielleicht gar ohne großen Programmier-, Split- und Layeraufwand, von ständigem Zu- und Abschalten von Parts ganz zu schweigen. Schön wär's, wenn das stimmen würde. Aber bis gerade die späteren Sachen von EW&F easy händisch spielbar sind, hat man 70-90% der Synth- und Orchestersachen über Bord geworfen und nur noch ein abgemagertes Songskelett, das ganz und gar nicht mehr nach EW&F klingt. Da kann die Rhythmusgruppe noch so losgrooven, EW&F funktionieren meines Erachtens für ein unbedarftes Publikum nur mit dem EW&F-Standardbombast. (Der Grund übrigens, warum EW&F ihre eigenen Songs live teilweise mit reduziertem Arrangement spielen, ist nicht so sehr, um den Sound transparent zu halten jede dritte amerikanische Marching Band spielt EW&F-Sachen in ihrer vollen Bläserpracht , sondern eher, weil sie Bläser in Legionsstärke und auch so einiges an Keyboardern bräuchten, um das live zu spielen, was sie im Studio mit massiven Overdubs erzielt haben.)
Entsprechend gehe ich dann selbst vor, wenn wir EW&F-Sachen spielen. Gerade das Album I Am enthält einige Arrangementschlachtschiffe. Ich habe immer versucht, meinen Bandkollegen diese Songs auszureden, weil sie nahezu unspielbar sind. Aber die Rhythmusgruppe hatte sie immer ruckzuck drauf, und zwar ziemlich originalgetreu, und so lag es dann an mir, dasselbe mit allem anderen zu erzielen, weil "ist doch einfach". Das schon erwähnte Boogie Wonderland artet bei mir fast in Hochleistungssport aus. Vier Parts in drei Tastaturzonen (zwei Parts für oktavierte Streicher, einer für Blechbläser, einer für Saxophone, ja, haut mich, ich spiele Bläser auf dem Keyboard) sind permanent an, dazwischen darf ich dann mit beiden Händen rumspringen, außerdem wollen drei weitere, diese vier Zonen überdeckende Parts (zwei für Glöckchen, einer für Kesselpauke) ständig zu- und ausgeschaltet werden. Da muß dann auch schon mal ein Glissando per RPS abgefeuert werden, weil die für ein echtes Glissando notwendige Hand einen Sekundenbruchteil später ganz woanders auf der Tastatur gebraucht wird. Für jemanden wie, der nie Klavierspielen gelernt und daher Probleme mit dem unabhängigen Spiel beider Hände hat, fast schon Overkill. Und trotzdem kommt mir das alles immer noch unvollständig und hörbar lückenhaft vor, weil es nicht möglich ist, auch noch die dreistimmige Synthesizerfigur im Refrain mit einzuspielen, außer ich versuche es per Realtime Phrase Sequencer. In The Stone aus demselben Album ist den größten Teil des Songs über harmloser (ganz unten Saxophone, in der Mitte ein selbstgebauter Trompetenstack, der sich bei Betätigen eines Fußtasters von Unisono/Oktave auf einen Durakkord umstellt, um wirklich drei Trompeten zu simulieren, oben Streicher für den Refrain, und dann ist da noch der Leadsynth auf dem MicroKorg), aber auch nicht ohne. Und um das Intro standesgemäß spielen zu können, bedarf es eines mitlaufenden Sequencers, der drei Bläser-, drei Streicher- und zwei Percussionspuren liefert, während ich die Trompeten händisch beisteuere. Ohne die Sequencerspuren würde es sehr dünn und amateurhaft wirken, obwohl bis auf die Sängerin der gesamte Rest der Band mitspielt. Wohlgemerkt, ich verzichte immer noch darauf, Originalaufnahmen abzusamplen, und programmiere auch alle Sequenzen selbst.
Es gibt auch noch andere Songs, bei denen ich tastenarrangementmäßig sehr weit gehe. Etwa That's The Way I Like It oder mehr noch Play That Funky Music, wo ich die Hörner in Gruppen aufteile und zweihändig spiele, um kein Brass-Preset-Bläsermus erzeugen zu müssen. Es ärgert mich da schon eher, daß ich das nicht bei jedem Song mit Hörnern so machen kann. Oder das wohl schon tausendfach von Top40-Bands verarbeitete Crying At The Discotheque, wo fünf (!) Streicherparts unter Zuhilfenahme eines Holdpedals auf selbstgebaute Simmons-Drumsounds (unter Anwendung der Originalstruktur eines Simmons SDS V-Moduls) treffen und ich immer noch Verbesserungspotential sehe. Oder überhaupt jedes Mal, wo Synthesizersounds anfallen, jeder normale Coverkeyboarder etwas annähernd Passendes aus den Presets seiner Workstation oder seines sonstigen Romplers holen würde, ich aber die entsprechenden Sounds auf zwei VA-Synths von Null aufbaue, und zwar mit der Struktur des jeweils beim Original verwendeten Synth im Sinn, falls dieser bekannt ist. Die geplante Version von I Wanna Dance With Somebody wird für mich wiederum ein Sequencerintro und den Einsatz eigens zu diesem Zweck zusammengestellter TR-808-Samples bedeuten (die ich sowieso zur Hand hatte und noch für was ganz anderes brauche) woher ich die ganzen DX7-Sounds beziehe, weiß ich noch nicht.
Als wenn das noch nicht genug wäre, wurde vor einigen Wochen Theme From Shaft als neuer Song vorgeschlagen. Natürlich von jemandem in der Band, der nicht weiß, was ich da eigentlich in meiner Burg mache, und womit ich was für einen Aufwand hätte. An mir wären die Hammond und etwa ein halbes Dutzend Orchesterparts hängengeblieben. Da kann man nichts streichen oder reduzieren, denn im Theme From Shaft spielen
alle Orchesterinstrumente Hooklines.
Warum ich das alles auf mich nehme?
- Das ist mal etwas, was ich kann. Ich habe die Ausrüstung (weitgehend, also immer noch ausbaufähig, gibt aber schon einiges her), ich habe den Sachverstand, um damit umgehen zu können, ich bilde mir ein, auch Details und sogar den Ursprung und den Aufbau bestimmter Synthesizersounds gut raushören zu können, und ich weiß, wie ich was erzielen kann. Ich möchte nicht von mir sagen lassen, ich wäre zu mehr Originaltreue nicht imstande.
- Ebensowenig möchte ich von mir sagen lassen, ich wäre für mehr Originaltreue zu bequem oder gar zu faul.
- Es war schon immer meine Denke, mich möglichst eng ans Original zu halten, auch wenn ich dafür die üblichen Keyboarderpfade verlassen mußte. Wenn man elektronische Musik covert, wie ich es auch gelegentlich tue, ist das sogar die bevorzugte Denkweise. Wenn ich Gigs anderer Coverbands verfolge, achte ich besonders darauf, welche Mühe sich der Keyboarder gibt, und wie nah er ans Original kommt, besonders dann, wenn er das Original nachzuspielen versucht und nichts umarrangiert.
- Alle anderen in der Band vielleicht mal bisweilen vom Gesang abgesehen halten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten auch eher ans Original, als die vielzitierte Kreativität walten zu lassen und einen Song umzuarrangieren. Warum sollte ausgerechnet ich, der Synthesizerfreak und Soundfanatiker, einen anderen, einfacheren Weg einschlagen?
- Weder meine Mitmusiker noch irgendwer im Publikum hat sich je darüber beschwert, daß unsere (meine) Arrangements überladen wären. Im Gegenteil, wir hatten mal eine Größe der Synthesizerszene im Publikum, und der war von uns Amateuren begeistert. Zweifel geäußert hat allenfalls mal eine PA-Crew, die in ihrem Leben noch nie eine Band mit mehr als ein, zwei Keyboards gesehen hat und eher Rockmusik gewohnt war, und zwar beim Aufbau, bevor sie uns spielen hörte.
- Die Musik, die wir spielen, erfordert vielfach eine gewisse Detailtreue und die Übernahme eines nicht unerheblichen Mindestanteils des Originalarrangements.
- Ich bin kein Pianist und auch kein versierter Jazz- oder Rockorgler. Ich spiele wahrscheinlich nicht halb so gut wie die meisten regulären User in den Keyboardforen. Detailliertes Raushören und Nachbilden von Sounds und Arrangements ist das, wofür ich überhaupt in der Band bin, und alles, was ich gut genug kann.
Ich glaube, ich kann froh sein, nicht in einer Toto-Tributeband zu spielen (Steilvorlage für Jörg), denn da würde ich wohl noch weiterzugehen versuchen als jetzt. Das Solo in Rosanna würde ich wie in der originalen Studioversion nachspielen inklusive Nachbauten der Originalsounds zerpflückt und analysiert habe ich es schon, ich bräuchte nur genug Tasten. Ganz oben auf meiner Einkaufsliste stünde ein Arturia Origin, weil kein Rompler der Welt so nah an den Sound des bei Toto sehr oft verwendeten Yamaha CS80 kommt, mit Werkspresets schon gar nicht. Als Tastatur für den Origin bräuchte ich einen alten Ensoniq-Sampler, weil Africa polyphonen Aftertouch erfordert. Für Africa würde ich außerdem mittel- bis langfristig nach einem amtlichen GS1-Kalimba-Sound für den Yamaha FS1R (und einem Yamaha FS1R) suchen und so weiter... Es ist mir schon klar, daß niemand so einen Aufwand betreibt. Das wäre mir egal, dann wäre ich eben der erste.
Ich habe von Pink 2 Gigs, die schon mal ganz verschieden klingen (und nicht eine wie CD) und dann spielt z.B. der Gitarrist (kann ich am besten beurteilen) oft völlig anders als es auf der Scheibe war.
Von Robbie habe ich 3 Gigs, da ist es ganz genau so. Bei Genesis und Pink Floyd geht es schon eher in die Richtung Scheibe, aber auch die reduzieren, ebenso die Eagles. Nicht, weil sie es nicht besser könnten, sondern weil sie den live Sound druckvoll und überschaubar halten wollen.
Als Gegenbeispiel könnte ich jetzt Jean Michel Jarre aufführen. Ich habe ihn viermal live gesehen (Oxygène Arena Tour 1997, Oxygène Tour 2008, In>Doors Tour 2009, World Tour 2010) und etliche seiner Konzerte als Audio- oder Videoaufzeichnungen. Der reduziert fast gar nicht, und das, obwohl sonst kein Normalsterblicher diese Musik in diesem Sound so reproduzieren könnte. Er und seine Leute können es 100% live und handgespielt, wenn's sein muß, bis auf die unvermeidlichen Stepsequencerläufe und heutzutage mit bestimmt 97% Originalsounds, auch wenn er dafür mehrere Dutzend Synthesizer im Wert von etlichen zigtausend Euro auffahren lassen muß. Da werden eher für live noch zusätzliche Sachen in die Stücke eingearbeitet, als daß er was ausdünnt, und da läuft auch mal die Drummachine mit, selbst wenn er einen Schlagzeuger hat. Allerdings lebt Jarres Musik nicht einfach nur von einigen wenigen Hooklines plus vielleicht ein paar Soli an markanten Stellen, sondern vom Gesamtbild, sehr vielen kleinen Details und den richtigen Sounds (die Kombination aus Eminent 310 Unique und auf 8 Volt umgebautem Electro-Harmonix Small Stone Phaser kann eine Workstation mit ihren Werkssounds ebensowenig ersetzen wie die typischen dreipolgefilterten Effektklänge eines EMS-Synthi, den Sync-Sound eines Elka Synthex oder eine Korg Minipops 7).
Martman