Ich finde es immer traurig, wenn Musiker (=muss davon ausgehen, dass in einem Musiker-Board vor allem Musiker anwesend sind), aktuell populäre Musik als "verkommen" und "kaum gescheit" bezeichnen.
Es ist ein Ding, Musik nicht zu mögen (und JA, auch mich kann man mit den meisten Chart-Inhalten jagen...), es ist was Anderes, diese Musik herablassend zu bewerten und runterzumachen. Mit welchem Recht, mit welcher moralischen oder wertenden Instanz? Auch bei den Chart-Hits sind engagierte und hart arbeitende Musiker am Werk!
Nochmal: Wenn einem die Charts nicht passen, dann ist man halt alt ... und/oder hat eben seinen eigenen Musikgeschmack abseits derselben. Viel Grund, diese nicht-Charts-Musik zu lieben, auch viel Grund die Chart-Musik nicht gut zu finden, trotzdem meiner Meinung nach kein Grund, das alles allgemein zu bewerten und rauszuposaunen. Oder rennt ihr auch nach Gigs zu den Musikern die ihr Equipment abbauen und sagt "bah, das war aber kacke"? Bisschen menschlicher Respekt darf schon sein finde ich.
Von wegen, wenn einem die Charts nicht passen sei man halt alt oder habe einen eigenen Musikgeschmack ... es ist schon lustig, wenn ein Haufen Zwölf- bis Fünfzehnjähriger ankommt, nachdem sie mal ein paar Tage 90'er-Musik gehört haben und dann der Meinung sind, dass das ja eigentlich cooler sei, da mehr Abwechslung in der Musik ist, diese mitreissender sei und es ja generell mehr Unterschiede gibt. ... und das ohne, dass man vorher seine Meinung dazu rausposaunt hat.
Offen sein, egal in welchem Jahrzehnt man groß wurde, ist gut und ich denke die allermeisten hier sind auch offen.
Da haben sich Musikgeschmäcker herausgebildet und entwickelt und die aktuell gute Musik weicht eben von dem ab was man kennt und mit dem man groß geworden ist. Musik und Musikgeschmack, sowie Hörgewohnheiten sind dann letztendlich immer noch Geschmackssache und eine persönliche Präferenz.
Leuten, die aufgrund ihrer Präferenzen und Hörgewohnheiten aber mit der zeitgenössischem Chartsmusik nichts anfangen können, haben ebenso ein Recht dazu dies zum Ausdruck zu bringen und evtl. gibt man sich dann auch einfach nicht die Mühe das differenzierter zum Ausdruck zu bringen und schreibt nur kurz "finde, dass das Mist ist". Als Musiker, gerade wenn man die Profilaufbahn einschlägt, gibt man sich aber mehr oder minder der Öffentlichkeit preis und man macht sich aber auch mehr oder minder zur Person des öffentlichen INteresses - wie groß das dann ist, sei mal dahingestellt. Man muss dann auch mit Neidern, negativen Stimmen und anderen Meinungen klar kommen. Nach einem Gig mit einer Band kam auch schonmal jemand auf mich zu und sagte mir direkt ins Gesicht "Deine Band ging ja, aber Dich fand ich am Mic total scheisse! Bleib doch lieber zuhause!", ... ja, das war seine Meinung und als ich ihm sagte, dass ich und meine Band da anderer Meinung sind und es sein Recht sei seine Meinung zu haben und zu äußern und ich ihm einen schönen Abend und viel Spaß mit den anderen bands gewünscht habe, war der Kerl baff und sprachlos. Ich bin dann an die Bar und hab mich mit denen unterhalten, denen es gefallen hat.
Abgesehen davon, zeugt es nicht gegenüber der Person/dem Künstler von Respektlosigkeit, wenn man seine Meinung zum Produkt ausdrückt. Nochmals abgesehen davon sind die meisten Künstler im Pop-/Chartsbereich so gesehen weder die Produzenten, noch die Urheber des Werks, sondern lediglich das menschliche Instrument, dass die Noten und Harmonien anderer vertont.
Bei dem Wort Respekt, das ebenfalls stark mit der Hip Hop-/Rap- & Jugendkultur verbunden ist, bekomme ich übrigens häufiger den Drang mich geistig übergeben zu müssen, denn Respekt kommt aus der lateinischen Sprache und bedeutet soviel wie Rücksicht nehmen und nicht Ansehen und Ehrerbietung entgegen bringen - wie es heute häufig durch irgendwelche Möchtegern-Schulschwänzer missbraucht wird.
Wenn
@DerZauberer der Meinung ist, dass man als (Mit-)Mensch kein Recht hat eine Bewertung von Musik, besonders der Musik, die in öffentlichen Radios gespielt wird, vorzunehmen und die Meinung dazu (öffentlich) rauszuposaunen, dann ist das auch nicht gerade respektvoll und verkörpert eigentlich genau das, was im Umkehrschluß eingefordert wird.
Wenn man seine Meinung nicht mitteilt, also nicht mit anderen kommuniziert, macht das einen fehlenden Teil der Kommunikation und damit das Fehlen eines grundlegenden Teils des gesellschaftlichen Lebens und der Teilhabe am kulturellen Gesamtgeschehen aus. Somit verliert das letztenendes eigentlich alles seinen Sinn, weil es dann ad absurdum geführt wird. Sonst gibt es nur eine Musik und alle finden die gut, Gleichschaltung - Ende. Nur mit der Maßgabe von Konsens und Dissens kann Neues entstehen.
Soviel zur theoretischen Seite.
Praktisch ist ja schon viel gesagt worden und wie weiter oben schon betont wurde, heißt es nicht, dass man Pop, Elektronisches, Dance, Hip Hop und Rap scheiße findet, nur weil man der Meinung ist, dass die Musik in den Charts Müll sei.
Es gibt aus den genannten Bereichen viele sehr gute Künstler und/oder Bands, die wirklich gut sind und die nicht viele kennen, aber es gibt dann eben auch die breite Masse, bzw. die Charts. Evtl. könte man die Musik, die von der breiten Masse für gut befunden wird als solches definieren, dass es die Musik ist, ander sich die Leute am wenigsten reiben. ... OK, ich weiß, das ist auch undifferenziert und ungenau, aber die philosophische Debatte wollen wir hier auch nicht führen, oder?
Diese eben erwähnten guten Künstler sind aber auch wiederum nur einem eklektischeren Publikum bekannt und wenn man die Chartmusik als Mist tituliert, heißt es ja nicht unbedingt, dass man deren Hörerschaft gleich beschimpft. Hätte diese Hörerschaft mal mehr die Chance in Nieschen reinzuhören, wäre sie evtl. auch angefixt und würde der Chartmusik den Rück kehren.
Für mich relevanter, bzw. lustiger ist die Sache, wie ich heute hierher gelangt bin ...
Ich kam heute morgen irgendwie in einem Text über ein Wortspiel und mir fiel wieder eine dieser typischen 90'er Bands ein ... Jimmie's Chicken Shack - musiktheoretisch und -wissenschaftlich gesehen sicherlich auch kein Gold! Das war 99/2000 als Jimmie's Chicken Shack mit dem Titel "Do Right" heiße Anwärter auf den Sommerhit waren, wie auch laut.de herausposaunt. Lustigerweise habe ich das Lied, nachdem ich zwei Alben bestellt habe, mal bei Youtube gesucht und siehe da, es poppt ganz viel Musik am Rande auf, die typischen populären Rock/Alternative Rock-Songs der Endneunziger und frühen 2000'er ... die meisten davon waren mehr oder minder in den Charts und auch, wenn wir damals schon als junge Kerle über die Charts gemotzt haben, es war doch mehr Diversität vertreten. Es gab Rock, es gab Rap, es gab Pop, es gab Dance, es gab Metal und und und ... heute klingt dann doch irgendwie alles gleich: 30Sekunden-3Töne-Grundbeats-Autotune-Gelalle-Brei. Selbst diverse Hip Hop-"Künstler" klingen auf einmal wie irgendwelche Popsternchen... alles sehr schräg! Feierabend!
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Kleiner Nachtrag ... in anderen Ländern, allen voran den Englischsprachigen, gibt es oft mehrere Charts ... zum einen gibt es Pop-Charts, Rock-Charts, Dance-Charts und es gibt die Contemporary
Pop-Charts, Contemporary Rock-Charts, Contemporary Dance-Charts ... und die Top 40 ... in den Top 40 und den Contemporaries ist dann meist die typische Chartsmucke drinnen und in den anderen dann alles andere!