Bassteil:
Mit ein wenig Verspätung die Fortsetzung des Restaurierungberichtes.
Nachdem sich nun die Restaurierung des Diskantteils recht lange hingezogen hat, habe ich mich entschlossen die des Bassteiles in einem Rutsch durchzuziehen um mal weiter zu kommen.
Im Mai habe ich mich intensiv mit ihm beschäftigt und es war eine wirkliche sinnvolle Entscheidung das Bassteil ohne größere Unterbrechungen instandzusetzen.
Anstehende Arbeiten waren:
- Zwei Risse im Gehäuse an der Auflage der Bassabdeckung reparieren und verstärken
- Risse, Fehlstellen und starke Kratzer im Celluloid beseitigen
- Fehlende Ornamente aus Aluminium nachbilden und anbringen
- Lederdichtung der Füllung erneuern
- Klappenbeläge der Klappen ersetzen
- Bassmechanik demontieren, säubern, richten, wieder einbauen und komplett neu justieren
- Stimmstocksohle eines der 3 Bass-Stimmstöcke an die Durchbiegung der Bass-Füllung anpassen durch Aufleimen von Furnier und entsprechendem Abarbeiten
- Gehäuseoberfläche aufarbeiten
- Neu gepolsterten Bassgurt anbringen
- Zusätzliche Befestigung für die Bassabdeckung ersinnen
- Gängig-machen der Registerschieber in den Sohlen der Stimmstöcke
Sowohl für das Auswechseln der Klappenbeläge als auch für die nötigen Gehäusereparaturen war es notwendig die Bassmechanik auszubauen. Leider ist dieses Akkordeon hier keine Hohner Lucia, die Bassmechanik nur in Einzelteilen demontierbar. Verflucht sei der der das konstruiert hat. Die Demontage ging ja noch halbwegs aber die Remontage, das Wiedereinbringen der Mechanik ins Bassgehäuse und die Neujustierung, war in der Tat eine Herausforderung. Und ich habe schon diverse Bassmechaniken zerlegt, repariert und justiert. Wie die diese hier rationell bei der Herstellung eingebaut und justiert haben erschließt sich mir nicht. Dazu später mehr. Aber wahrscheinlich spielte der Stundenlohn damals nicht so eine Rolle, erst recht nicht bei einem Hochpreisinstrument.
Der Entschluß die Restaurierung des Bassteils zügig durchzuführen ergab sich eigentlich als klar war daß die Bassmechanik als erstes heraus mußte. Einmal zerlegt war offensichtlich daß wenn allzu viel Zeit vergehen würde einmal die Teile durcheinander geraten könnten und zusätzlich ich vergessen würde wie das einmal alles zusammen war. Im Nachhinein und dem besseren Verständnis dieser Bassmechanik könnte ich zwar nun auch einen zusammengewürfelten Haufen der Teile wieder sortieren, doch so war es besser.
Hier das Bassteil vor der Demontage und Restaurierung.
Man erkennt auch daß das Bassverdeck leicht verzogen ist. Mithilfe eines feuchten Lappens konnte ich den Verzug ein wenig beseitigen, eine seitlich eingetriebene Nagelspitze hält die Abdeckung nun bündig am Platz.
Hier mit entferntem Bassverdeck.
Man beachte das schöne Spinngewebe und gut ist auch der mit Garn umwickelte Draht zu erkennen der als Anschlagdämpfer für die Knopfschieber dienen soll.
Die Knopfschieber der Akkordmechanik (das sind alle Knöpfe ohne die Grundbaß- und Terzbaßreihe) hängen alle zusammen und übersichtlich an einer L-förmig gewinkelten Aluminiumschiene in welcher die Schieber geführt sind. Auf der anderen Seite übernehmen die Bohrungen für die Knöpfe im Bassgehäuse die Führung der Knopfschieber. Nach Lösen von zwei gut erreichbaren Messingschrauben lassen sich diese 80 Knopfschieber als Gesamtheit vorsichtig herausziehen. An der Alu Schiene hängen dann diese 80 Knöpfe traurig und wild durcheinander herunter. Wie man sieht sind die Bohrungen für die Knöpfe im Gehäuse nicht mit Filz ausgefüttert wie schon lange bei besseren Instrumenten üblich.
Nun ein paar Photos der Schad/Fehlstellen:
(Einfassung Bassgurtöffnung)
(rechte Gehäuseecke, Zierrat unkomplett)
(linke Gehäuseecke, Zierrat unkomplett)
(Registerdrücker Zierrat unkomplett)
(Riss im Bassgehäuse an der Auflage für die Bassabdeckung)
(demontierte Knopfschieber der Bassklappen)
Bassteil /Lederdichtung
Détail Bassteil Tonlöcher/Lederdichtung für Stimmstocksohle
Hier erkennt man gut wie ungleichmäßig die rechteckigen Tonlöcher in der Füllung sind. Ich vermute daß dies die Folge davon ist daß man erst runde Tonlöcher bohrte und dieses dann händisch rechteckig geschnitten hat. Früher hatten Akkordeons immer runde Tonlöcher da diese einfach mit einem herkömmlichen Holzbohrer in der einfachst ausgestatteten Holzwerkstatt hergestellt werden konnten. Mit Aufkommen der per Register wählbaren Chöre und dem damit verbundenen Hinzufügen der Registerschieber ging man zu rechteckigen Tonlöchern über. Doch rechteckige Tonlöcher sind in der Herstellung weit komplexer, es muß gefräst oder gestanzt werden, man benötigt also andere aufwändige Maschinen. Für kleinere Unternehmen mit einem geringen Ausstoß an Instrumenten war wohl gerade in der Übergangszeit des Aufkommens der Registermechaniken Ende der 40iger es einfacher die runden Löcher dann per Messer/Beitel abzuändern. Man beachte die unregelmäßigen, teils bis auf einen Millimeter geschrumpften, Abstände zwischen den runden und eckigen Tonlöchern.
Um das Bassgehäuse restaurieren zu können mußte nun auch der Rest der Bassmechanik entfernt werden. Damit die Wellen nicht komplett durcheinander geraten habe ich sie durch Pappstreifen „fixiert“ sowie durch schräg verlaufenden Eddingstrichen über die Wellen markiert.
Das Gehäuse ist nun leergeräumt und die Beseitigung der Schäden erfolgte.
Komplettierung der fehlenden Ornamentstreifen an der Bassgurtöffnung, an den Gehäuseecken, sowie am Registerdrücker:
Die neu angefertigten Lederdichtungen für die Stimmstocksohle der Bassstimmstöcke:
Nun mit eingeklebten Dichtungen, wofür ich Pattex benutzt habe, es bleibt elastisch und ist wärme- und weitgehend alterungsbeständig. Original hat man wohl zu der Zeit Knochenleim benutzt, jedenfalls einen Leim welcher ziemlich hart war.
Bei den Bassstimmstöcken des Bertone Locatelli ist der Registerschieber in der Stimmstocksohle geführt. Auf der Diskantseite sind diese ja in der Füllungsplatte geführt.
Das heißt daß im Bassstimmstock zwischen Stimmstocksohle und dem Stimmstockkorpus eine Führungsbahn für den Registerschieber eingefräst ist. Die Stimmstocksohle hatte sich partiell von dem Stimmstockkorpus gelöst und mußte neu verleimt werden:
Zudem war der Registerschieber recht schwergängig so daß ich mittels eines sehr dünnen Stahllineals, welches ich mit feinem Schmirgelpapier umwickelte, die Führungsbahn im Stimmstock etwas bearbeitet habe mit dem Erfolg daß der Schieber nun leichter darin gleitet.
Die Füllung auf der Bassseite besteht aus Sperrholz welches sich im Laufe der Zeit etwas durchgebogen hat. Die Folge war daß die Stimmstocksohle eines der Stimmstöcke nicht mehr dicht auflag.
Es wäre aussichslos die Füllung wieder in ihre ebene Form zu bringen zu wollen. Das Problem kannte ich schon von einigen Cantulia Instrumenten. Als Lösung bietet es sich da an dünne Furnierstreifen auf die Stimmstocksohle aufzuleimen und danach die Balligkeit der Stimmstocksohl so anzupassen daß sie konform zur Bassfüllung ist. Hier sieht man wie ich zwei Lagen Furnier auf die Sohle leime:
So, nun geht es an das Wiedereinbringen der Bassmechanik samt der neuen Bassklappenbeläge.
Hier das nackte, noch leere Bassgehäuse:
Erster Schritt ist die Montage der Bassklappenhebel. Da ich jedoch lediglich die Klappen gereinigt und neu belegt habe (und nicht die Klappen von den Klappenhebeln gelöst habe) mußten alle Klappenhebel sehr genau neu ausgerichtet werden damit die neuen Klappenbeläge auch schön dicht an der Füllung anliegen. Ich wollte die immer noch solide Verbindung aus Originalitätsgründen nicht lösen. Wenn man die Klappen gelöst hätte wäre das Ausrichten der Klappen nicht nötig gewesen da man dann „einfach“ erst die Klappen an ihre Stelle gebracht und dann in dieser Position die Klappenhebel angeleimt hätte, bei anderen Instrumenten wird dafür auch Wachs benutzt.
Für die Klappenausrichtung nach Neubelegung bei Akkordeons mit Holzfüllung (welche meist durchgebogen ist!) ist es generell sinnvoll daß die Stimmstöcke auf ihrem Platz sitzen und mit normaler Spannung befestigt sind. Nur so ist sichergestellt daß das Ausrichten der Klappen Erfolg hat und sie nachher auch dicht sind. Auch schon dadurch ist die Reihenfolge beim Restaurieren etwas vorgegeben. Es war also einfach nötig stimmstockseitig vorher alles in Ordnung zu bringen.
Hier nun das Bassgehäuse mit den neu belegten und wieder an ihrem Platz befindlichen Bass- und Akkordklappen. Die Bass- und Akkordklappenebel werden durch ihre rechtwinklig abgebogenen Enden und jeweils zwei Senkkopfschräubchen als Lager geführt. Durch gefühlvolles Anziehen der Schräubchen wird die Leichtgängigkeit der Hebel justiert:
Nun mit montierten Wellen – bis hierher ging es ja noch…..
Die Montage der Knopfdrücker für die Bassklappen (Grundreihe + Terzreihe) war auch dank des herausnehmbaren Knopfbrettes noch nicht sehr heikel:
Um die Bassmechanik jedoch wieder so zu komplettieren wie hier war enorm zeitraubend, komplex, Pingelsarbeit und auch wirklich schwierig – zum Verzweifeln. Die Knopfschieber hängen ja alle an einem Ende zusammen in der Alu-leiste müssen aber jede für sich einzeln so eingefädelt werden daß die Mitnehmerstifte an den Knopfschiebern auch richtig vor den jeweiligen Wellenstiften liegen. Und natürlich muß man „erahnen“ welcher Knopfschieber in welches Loch gehört, nicht immer so einfach das herauszufinden. Um die richtig zu platzieren muß man erst mal alles verstanden haben, dann eine gehörige Geduld aufbringen um die einzelnen Knopfschieber richtig anzuordnen ohne daß die schon richtig platzierten wieder herausrutschen. In der dieser Phase habe ich im Eifer des Gefechtes glatt vergessen Photos zu machen, es wäre aber auch kaum möglich gewesen da ich die ganze Zeit beim Einfädeln das Bassteil in der Hand halten mußte und die Innereien in einem gewissen Winkel halten mußte damit überhaupt der Platz da war um die Knopfschieber zu positionieren. Aber letztlich nach ca. 5 sehr konzentrierten Stunden war alles richtig an seiner Stelle:
Die ganze Mechanik , Wellen, Wellenhaken, Klappenhebel habe ich gereinigt, von Scharten an abgenutzten Stellen befreit und am Ende poliert damit alles gut gleitet und sich leicht dreht.
Hier sieht man eine Scharte an einem Wellenhaken welcher Folge von Verschleiß ist:
Und natürlich wurden auch alle Knöpfe gereinigt und poliert:
Die Wellen der Bassmechanik sind nach oben hin in der Mitte ihrer Länge mit einem quer über sie laufenden Drahtbügel geführt. Um diese Klapperquelle ein wenig zu dämpfen habe ich diesen Drahtbügel mit einem Filzstreifen unterfüttert:
Hier als Détail die interessante Art des „Dämpfungsanschlag“ der Knopfdrücker:
Das Justieren der Bassmechanik kann nicht einfach beschrieben werden. Wie bei jeder Neujustage einer Bassmechanik müssen erst nach Einbringen der Knopfschieber der Grund- und Terzreihe alles so genau wie möglich auf maximale Spielfreiheit eingestellt werden wobei immer wieder auch darauf geachtet werden muß daß die Knöpfe schön in einer Ebene liegen. Dann nach Einbringen der Akkord-Knopfschieber sind nun diese mit ihren dazugehörigen Wellenstiften auszurichten. Immer dabei die Ebene der Knöpfe im Blick behalten. Ich mußte mir ein paar improvisierte Werkzeuge dazu basteln damit ich überhaupt an manche Wellenstifte gelangen konnte um sie zu richten.
Durch drei kleine seitlich eingetriebene Nagelspitzen wird die noch leicht verzogene Bassabdeckung in eine bündige Position zu Ihrer Auflage im Bassgehäuse gehalten:
Hier nun das komplettierte Bassgehäuse, darunter ein Eindruck des nun bis auf die Stimmstöcke komplett überholten und neu einjustierten ganzen Akkordeons:
Alles läuft nun perfekt präzise und nahezu spielfrei, die Mechanik ausgesprochen solide ausgeführt mit relativ starken Drahtstärken, heutige Mechaniken benutzen meist dünneren Draht.
Natürlich produziert eine alte Bassmechanik immer mehr Neben-/Störgeräusche als eine eines heutigen guten Akkordeons. Aber ich glaube daß das Ergebnis auch spieltechnisch absolut akzeptabel ist .
Ich bin froh diese doch etwas heiklen Arbeiten an der Bassmechanik doch zu einem guten Ende gebracht zu haben.
Da nun Diskantteil, Balg als auch nun das Bassteil fertiggestellt sind wird der nächste Schritt sein sich mit den Stimmstöcken, den Stimmplatten, Ventilen etc. zu beschäftigen.
Auch dies ist leider bei diesem Akkorden keine Routine da einerseits die Stimmstöcke teils gelitten haben und zum anderen die Stimmplatten mit Lederdichtung auf die Stimmstöcke genagelt sind. Was erwartet mich wenn ich die Nagelung entferne, ein völlig mit Nagellöchern geschädigter Stimmstock? Es ist nahezu sicher daß bereits mindestens einmal diese neu aufgenagelt wurden.
Einmal traue ich mich nicht wirklich die Stimmplatten neu zu nageln, rein aus mangelnder Erfahrung, zweitens wird es sehr schwierig sein noch intakte Stellen an den Kanzellenwänden zu finden an denen man noch neu nageln kann. Dies ist meine Befürchtung.
Eine Alternative – aber nicht im Sinne der originalen Restauration- wäre das Einwachsen der Stimmplatten.
Fortsetzung folgt…
Liebe Grüße,
Roland