Diagramme sind tatsächlich wie
@bluestime sagt, zuerst mal nicht mehr als eine Visualisierungshilfe.
Die Fingersätze braucht man ja auch nur ganz zum Anfang, wenn man überhaupt beginnt die Skalen zu lernen.
Man muss sich zudem als blutiger Anfänger erstmal nicht mit dem Spreizen der Finger kümmern, da kein Fingersatz über 4 Bünde geht.
Spätestens bei den Licks und Riffs merkt man dann schon, dass man die Fingersätze entsprechend der Situation anpassen muss.
Viel später löst man sich immer mehr und mehr von den vorgegebenen Skalen.
Ich habe einen Großteil der Skalen über die Klassik - also mit Noten gelernt.
Ich konnte mich nie mit den reinen Punktbildern anfreunden, zumal die Bezeichnungen quer durch die Bücher und sonstigen Quellen doch recht abenteuerlich ist.
Das Skalensystem habe ich mir mühsam mit Papier und Bleistift auf Rechenpapier zusammengeschustert und da erstmal die Zusammenhänge erkannt. Über die Klassik-Skalen bin ich dann zu einer anderen Systematik mit den Bezeichnungen gekommen, die viel mehr in Tonarten und mit dem Quintenzirkel denkt.
Das alles aus der Klassik und Harmonielehre findet man bei den CAGED-Skalen wieder.
Man denkt immer so, als habe man eine Tonart mittels Capo ein paar Bünde nach oben verschoben.
In der Klassik werden Spreizungen eher gemieden, die über 4 Bünde hinausgehen, allein weil man zumeist mehrstimmig spielt.
Ebenso bei Fingerstyle.
Das CAGED-System ist schon ganz mächtig, wenn man es als eine Grundlage für den Einstieg versteht, und dieses dann je nach Bedarf ausbaut.
Wer aber hinterher nur in den Boxen hängen bleibt und darüber hinaus auch die notwendige Harmonielehre vernachlässigt, dem werden viele weitere Möglichkeiten verloren gehen.
Ich vermute mal, das ist einer der berechtigten Kritikpunkte, denen sich die CAGED-User stellen müssen.
Aber ich frage mich echt, warum ich mir die erste und zweite Skala von Berkelee antun soll?
Die Bb-Form der CCAGED-Skala liegt mir viel näher, und lässt sich viel leichter mit der A-Dur- und Bb-Dur-Tonleiter in den resten Bünden vergleichen. '
Ich sehe in dieser Skala A-Dur, E-Dur und D-Dur
bzw. Bb-Dur, F-Dur und Eb-Dur (D-Dur + 1. Bund)
und habe nicht das Problem gleich von Anfang an die Finger unnötigerweise überstrecken zu müssen.
Warum sollte diese Skala jetzt schlechter sein als die von Berkelee?
Das erschließt sich mir einfach nicht.
Mit den anderen Skalen habe ich weniger ein Problem.
Ich vermittle anfangs das pure CAGED mit 3 Fingersätzen und einem Lagewechsel, weil es für den Schüler einfach ist. z.B. G-Form
Das ist die Grundform nach CAGED. Aber anschließend liefere ich die alternative nach, dass man die Septime auch verschieben kann, um die zwei Lagewechsel zu umgehen, so dass die Skala wieder wie die Original G-Dur-Skala bzw. wie die Berkelee-Skala aussieht.
Aber das Karree, womit ich recht leicht die Grundtöne bestimmen kann, habe ich weiterhin im Hinterkopf, und behalte es auch im Hinterkopf, wenn ich vorhabe, vom Griffbrett in eine tiefere Lage zu rutschen.
Bei der D-Form
fehlt mitunter oben im Bass der Grundton 1.
Also ergänzt man den bei Bedarf und verschiebt dann für den bequemeren Fingersatz auch die Quarte (4) Aber das mache ich nur, wenn ich den Grundton brauche. Bei den anderen Akkorden der Tonart, wo ich nicht zum tiefen Grundton runter muss, verwende ich dann lieber den 3 Fingersatz von CAGED, wo ich die Finger nicht unnötig spreizen muss. Für die Subdominante liegt deren Grundton (4) an der Stelle, wo ich auch sie auch bei einer Akkordform fürs Fingerstyle erwarten würde. (G-Form)
Die 3-NpS sieht der von Berkelee sehr ähnlich, und diese verwende ich viel lieber.
Unten bei der H- und E- Saite verschiebe ich die 1 nur ungern wie bei Berkelee, und auch nur dann, wenn es unbedingt nötig ist.
Viel Lieber bleibe ich hier beim 2. Fingersatz und slide von dem in den 1. Fingersat eine Lage weiter.
E -|---|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|---|---|-
H -|---|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|---|---|-
G -|---|---|---|---|---|---|---|---|---|-
D -|---|---|---|---|---|---|---|---|---|-
A -|---|---|---|---|---|---|---|---|---|-
E -|---|---|---|---|---|---|---|---|---|-
Ebenso sehe ich bei der zweiten Berkelee-Skala (vom Link oben) keine Veranlassung, die Quinte (hier das G) von der H-Saite auf die E-Saite zu verlegen, zumal mir da der hohe Grundton C fehlen würde. Da mache ich lieber einen Lagewechsel und umgehe die Spreizung der Finger.
'
Eher würde ich zur A- bzw. Bb-Form von CAGED wechseln.
Aber das sind letztlich nur Vorlieben, wie sie jeder Gitarrist für sich selbst entwickelt.
Bleibt also nur noch die D-Form von Berkelee übrig.
Da bin ich wieder eher geneigt die 3NpS-Skala zu verwenden
oder die D-Form von CAGED
Bei genauer Überlegung hat aber auch die 7. Berkelee-Skala etwas für sich.
Aber für diese eine Skala das ganze System wechseln? Das ist für mich dann doch nicht genug.
Ich denke bei den Skalen weniger in Blöcken als mehr diagonal.
E -|---|---|---|---|---|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|-
H -|---|---|---|---|---|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|-
G -|---|---|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|---|-
D -|---|---|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|---|-
A -|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|---|---|---|-
E -|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|---|---|---|-
oder
E -|---|---|---|---|---|---|---|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|
H -|---|---|---|---|---|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|-
G -|---|---|---|---|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|-
D -|---|---|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|---|-
A -|---|---|-6-|---|-7-|<1>|---|-2-|---|-
E -|-2-|---|-3-|-4-|---|-5-|---|---|---|-
Ich klettere also von einer CAGED-Skalenform in die nächste hinein.
Mal verweile ich dann in der CAGED-Box, oder aber ich klettere wieder weiter. Das schöne daran ist, dass ich fast nie die Orientierung verliere.
Das gute an dem System ist, sobald ich auch nur ein bekanntes Element der Skalen gefunden habe, wobei der Tritonus (7 und 4) die stärkste ordnende Kraft hat, und der sich eben ganz leicht am Karee ablesen bzw. visualisieren lässt
baut sich darum ganz automatisch die komplette Skala auf, ohne, dass ich das ganze Skalenbild im Kopf haben muss.
Dabei ist es auch völlig egal, in welchem Modus man sich letztlich befindet.
Wenn ich einen Akkord nebst Funktion habe z.B. ein Dominant-Sept-Akkord in der C7-Form
weis ich, dass dieser der 5. Stufe einer Dur-Tonleiterentspricht.
also ist mein Grundton eine 5
E -|---|---|---|---|---|-
H -|---|<5>|---|---|---|-
G -|---|---|---|---|---|-
D -|---|---|---|---|---|-
A -|---|---|---|<5>|---|-
E -|---|---|---|---|---|-
von der 5 aus suche ich die nächsten kleinen Sekunden.
E -|---|---|---|---|---|-
H -|---|<5>|---|---|---|-
G -|---|---|-3-|-4-|---|-
D -|---|---|-7-|-1-|---|-
A -|-3-|-4-|---|<5>|---|-
E -|-7-|-1-|---|---|---|-
Und ich habe meine Karrees von dem aus sich die Skala von ganz allein aufbaut.
E -|-7-|-1-|---|-2-|---|-
H -|---|<5>|---|-6-|---|-
G -|-2-|---|-3-|-4-|---|-
D -|-6-|---|-7-|-1-|---|-
A -|-3-|-4-|---|<5>|---|-
E -|-7-|-1-|---|-2-|---|-
Ich muss jetzt keine mixolydische Skala lernen, denn die hat sich hier wie von Zauberhand selbst aufgebaut.
Diese Einfachheit vermisse ich bei der Berkelee-Methode.
Dabei verfahre ich eigentlich nach einem Grundsatz des Berklee College of Music:
"Akkord = Skala"
was meint:
Akkord + Funktion = Modus.
Das steht den CAGED-Skalen deutlich näher als den Berkelee-Skalen, wo mir dieser Zusammenhang zwischen Akkorden und Skalen lange nicht so deutlich hervorgeht.
Wenn man mal alle Varianten durchgespielt hat, sieht man aber, wie nahe sich die beiden Systeme stehen.
Es gibt keinen Nachteil das CAGED-System nebst 3NpS zu nutzen, wenn man in der Lage ist, es bei Bedarf zu erweitern.
Aber der systematische Aufbau macht CAGED meiner Meinung nach letztlich handlicher als Berkelee.