Hallo zusammen,
Ich sehe es auch so, dass der Markt sich mehr und mehr an der "Bedroom"-Fraktion orientiert. Wobei das für mich auch die YT Gitarristen inkludiert, das ist ja auch ein nicht zu unterschätzendes Spielfeld für viele Musiker, die nicht in Bands aktiv sind. Und auch dafür braucht man ja keine Abrissbrinen.
Kleiner Exkurs zur Lautstärke:
Live, das wurde ja schon erwähnt, ist laut spielen nicht mehr angesagt, was ich schade finde, wobei ich mit laut nicht laut um des Lautseins meine zu Lasten des Sounds, sondern als Erlebnisfaktor. Und mal ehrlich, sehr sehr viele Menschen schädeln sich unbewusst im Alltag die Ohren weg mit Kopfhörerstöpseln und Smartphones, und das geht direkt aufs Ohr, schön schalldicht, das finde ich weitaus gefährlicher, als ein Live Konzert mit Rock'n Roll Lautstärke (wenn man natürlich nicht gerade direkt vor der Box weggeblasen wird). Davon ab spielt man die dicken Brummer nicht ausschließlich (eher selten in den letzten 20 Jahren, würde ich meinen) wegen der Lautstärke sondern wegen des Sounds. Ein 100W Plexi klingt auch in leise imho größer, als die 18W Version. Klar, wenn man etwas Crunch will, dann ist das mit 100W ohne Attenuator nix, aber ganz ehrlich, ich spiele lieber größere Amps, um etwas Reserve zu haben an Tonfülle, nicht so sehr an Lautstärke. Das ist v.a. bei Setups mit Clean eigestellten Amps und Pedalboard davor m.E. nicht unerheblich.
So, zurück zum Urpsrungsthema, was könnte noch kommen?
Ich denke, wie ja andere hier auch, ausgefeiltere Röhrenamps, mit mehreren Kanälen, niedriger Wattzahl und gerne auch in Boutique, das kann ich mir vorstellen. Wobei man hier das Problem haben wird, das die Preise für so Miniamps nicht viel niedriger ausfallen werden als die, der größeren Brüder. Das hat schon so manchen Niedrigwatt Amp verhindert, bzw. vom Markt verdrängt. Daher wird das wohl eher was für den Niedrig bis Mittelsektor, denke ich.
Kemper/Helix und Co. Aggregate, die so einfach zu bedienen sind, dass sogar die Die Hard Retro Fraktion der Wohnzimmerhelden (da würde ich mich dazu zählen) keinen Grund mehr hat, die Teile nicht mal auszuprobieren.
Ich bin auch erstaunt, das so etwas wie der Digitech Trio + nicht weiterentwickelt wird, bzw. von anderen Firmen aufgegriffen wird. Da sehe ich großes Potential, das Ganze als professionellere Geschichte zu konzipieren bei trotzdem einfacher Bedienbarkeit. Klar kann man das mit DAW auch, aber da muss man sich ja auch immer reinarbeiten und mal eben plug & play ist es dann meist auch nicht, was mich z.B. für den Hobbybereich (wofür man ja das meiste Geld ausgibt) abschreckt.
Ein anderer Trend geht ja auch dazu, alles kompakter zu machen, da kann ich mir auch viele Minimallösungen bei Amps und Boxen vorstellen (wobei ja auch hier das Stigma der kleinen Speaker überwunden sein will).
Flooramps werden mehr kommen, da wäre ich mir auch sicher.
Digitale Wunderkisten wie so ein Quad Core Neural DSP werden wir wahrscheinlich jedes Jahr neu sehen, was ja auch mit dem Wunsch nach Kompaktheit zusammenhängt, einfacher Bedienbarkeit und ultimativem Sound. Wobei ich mich da ja schon frage manchmal, ob solche Kisten auch in 30 Jahren noch laufen werden (gute Pflege vorausgesetzt), wie es klassische Amps ja durchaus schaffen und ob die Sounds und Möglichkeiten dann immer noch ausreichend sind, aber das ist schon wieder OT.
Effekte, Effekte und , äh, Effekte wird es mehr geben. Das ist vielleicht eher ein Internet Phänomen. Als vor 20 Jahren die Forenwelle losging, der Austausch über vorher unbekannte und vermeintlich unwichtige Details Fahrt aufnahm, man plötzlich viel mehr Details wissen musste um "dabei" sein zu können, da hat sich die Sicht auf Equipment angefangen zu verändern aus meiner Sicht. Und "Spezialwissen" wurde Allgemeinwissen, es musste dann immer besser, authentischer, korrekter, mit noch mehr Möglichkeiten ausgestattter als vorher sein. Und so kommt jedes Jahr mindestens 10x gefühlt der nächste "Gamechanger" auf den Markt, es wird wie besessen gekauft, dann kommt das nächste große Ding usw usf. Manche Firmen haben Glück und können den ersten Hype nutzen und in Folge weitere produzieren und evtl. neue Hypes kreieren, andere verschwinden wieder, oder bleiben auf einem kleinen Level (was ja auch bewusst so gewählt sein kann). Das gilt natürlich auch für Amps, Gitarren und alles andere, aber bei Effekten ist die Schlagzahl imho deutlich höher und das Gros der Sachen geht ja nunmal in den Hobbybereich und immer mehr Leute spielen lieber zu Hause, ganz bequem und machen vielleicht YT Videos, oder Aufnahmen, die auf Soundcloud hochgeladen werden. Das ist ja auch ein wichtiger Faktor imho. Spiele ich live ist das Arbeit, ich muss mehrere Leute koordinieren, dann andere animieren sich aus der Komfortzone rauszubewegen und auf ein Konzert zu gehen einer Band, die sie nicht kennen, das kann alles frustrierend sein. Ein Video, oder Song auf Soundcloud ist bequem zu Hause erledigt, dank Social Media bekomme ich eine höherer Reichweite mit weniger Aufwand, als wenn ich ein Konzert organisiere. Das ist etwas, was eben die "Wohnzimmer-Bewegung" noch weiter treibt, damit wächst deren Zahl, der Markt dann eben auch und natürlich haben Hersteller das im Blick.
Alles Gute!
Jonas