Wenn ich Eure Beiträge so lese, dann muss ich wieder mal staunen. Ich meine, ich fange ja öfters mal nen Post mit "meinem Musikalienhändler meines Vertrauens war" an, aber ich muss Euch den kleinen Laden einfach beschreiben.
Ich lebe in einer süddeutschen "Grossen Kreisstadt" mit 32.000 Einwohnern sowie einer halblebigen Rockinitiative, die es schafft, sich selbst 3 mal im Jahr mit Konzerten selbst zu feiern. Durch die Industrie ist es eine der reichsten, wenn nicht die reichste Gemeinde Deutschlands. Das Jugendkulturamt wurde daher, durch den Einsatz meiner Generation, gezwungen, ein schönes, selbstverwaltetes Jugendzentrum mit Proberäumen und Auftrittsmöglichkeit zu schaffen. Das ist auch ganz gut gelungen, nur finden ausser dem Wettbewerb "They might be stars" und 2 - 3 "unabhängigen" Konzerten nichts ausser Abi-Bällen u.Ä. dort statt. Andere Auftrittsmöglichkeiten gibt es kaum, im Frühjahr findet immer der "Musikfrühling" statt, im Herbst die "Musiknacht". Im Musikfrühling stehen an allen Plätzen und Kreuzungen der Innenstadt Bands, von Blech bis Stoner Rock, bei der Musiknacht spielen in allen teilnehmenden Kneipen 1 - 2 Bands. Wir haben eine Jugendmusikschule im Ort, die eine gute Reputation geniesst, auch dort kann der junge Musiker einen Proberaum bekommen. Ein Jazz-Club sorgt in der Aula der Jugend-Kunst- und -Musikschule alle 1/4 Jahre mal für ein E-Musik - Konzert.
Wenn man auftreten möchte, muss man die 80 km bis zum Bodensee fahren, sogar 'rüber in die Schweiz, dort ist viel mehr los. Ansonsten kann man als Hard-Rock-Band vielleicht bei Rallys oder Budenfesten von Moped-Clubs spielen. Mit manchen Kneipern kann man reden und auch auftreten, aber meisst heist es, dass Live-Mucke "out" sei, dass man besser einen DJ kommen lässt, da würde mehr Umsatz gemacht.
Inmitten dieser "kulturellen Wüste" gibt es seit 36 - 38 Jahren einen sehr ideellen Mann, der seit dieser Zeit einen Musikladen betreibt. Er selbst spielt sehr gut Gitarre, aber Sein Herz hängt am Bass. Ich habe meinen ersten neuen Bass (Kasuga Jazz Bass) bei Cäsu gekauft, auch meinen ersten echten Amp (Acoustic) sowie ettliche von Ihm selbst gebaute Boxen, wobei ich die geniale 410 immer noch habe - und auch niemals weggeben werde.
Er ist in seinem begrenzten Laden schon mehr auf Gitarren eingestellt, man bekommt alles, von der Klampfe über Boxen, Amps, Combos, alles für die Gitarre. Er ist Stützpunkthändler für Fernandez - Gitarren, es sind einige elektrische und viele hochpreisige akustische Gitarren im Laden. Beim Bass hat er nicht so sehr die Riesen-Auswahl, es sind aber immer mindestens zwei Bässe aller grossen Marken vorhanden. MuMa, WW, Fender, Gibson, bestimmt 10 Ibanez und ebensoviele Yamaha, im Moment stehen zwei absolut irre Fuji Gen - Bässe bei Ihm, den Precision würde ich mitnehmen, wenn ich nicht andere Pläne hätte. Bei dem Jazz-Bass von Fuji Gen flucht er selbst, er hat sich erst kürzlich einen 70er Jazz-Bass gekauft, der Fuji Gen hat sich als das bessere Instrument entpuppt, aber er kann gerade eben auch nicht so...
Als Amps stehen diverse Tecamp-Heads herum, ein Puma 900, eine "Pleasure Pump", ein BonaFide, ein Puma- 112 - Combo, ein Bad Cat, dazu die L212, eine L410, eine Peavey 115, eine TVX 410 und eine VB 810, diverse Peavey-Amps, Max 112 und 115, Tour 750 und ein VB-3, dazu noch die gesamte Promethean - Reihe, also 5110, die 15-Zoll - Boxen, eine 410, Orange Tiny Terror in 500 und 1000 Watt samt 410-Boxen. Alles, was oben steht, kann dort auch angetestet werden. Ich hab bestimmt den einen oder anderen Amp oder Box vergessen, macht nix...
An Saiten hat er Elixir, Ernie Ball und Dean Markley am Lager, er bestellt aber ansonsten alles, was man will. Ich habe 3 Tage auf einen Satz Thomastik Infeld "Spirocore" gewartet, die ich auf Seinen Rat gekauft und aufgezogen habe. Der billige Stagg EUB klingt komplett anders!
Wenn man ein Instrument etwas genauer in Augenschein nehmen will, dann geht man in den Keller. Dort ist ein Schulungsraum für Schlagzeug, die für die Gitarrenlehrlinge sind im ersten Stock. Dazu befindet sich der Proberaum Seiner Band im Keller, und da darf der interessierte Basser sich dann austoben. Dort steht: Ampeg SVT II Pro, Ampeg SVT 7, Mesa Boogie 400 T, SWR Redface, Ampeg B15, Mesa Boogie Karabine M9, Peavey VB-2, dazu die Boxen: Von einer Peavey 215 über Mesa 215 und diverse SWR 410 zu einer Henry 8x8, Ampeg 810, Ampeg 115, und alles darf ausprobiert werden. Du kannst auch Deinen eigenen Amp mitbringen und an eine der Boxen anstöpseln. Auch die Ausstellungsstücke aus dem Laden werden auf Anfrage in den Keller gebracht - wenn man freundlich fragt und mithilft. Wenn man ein Problem mit dem eigenen Amp hat, dann bekommt man aus dieser Sammlung einen geliehen, zum Nulltarif.
Cäsu stellt Gitarren und Bässe so ein, dass man glaubt, ein viel höherwertiges Instrument in der Hand zu haben. Kleine Reperaturen werden sofort und "für nen Zwanziger" ausgeführt, für Amps hat er einen Techniker, und komplizierte Instandsetzungsarbeiten an Gitarren und Bässen werden von Ihm an die Fa. Tausch, einem bekannten Gitarrenbauer, vergeben. Die Setups für neue und gebrauchte Instrumente macht er selbst - grossartig! Er hat einen Lehrling, die Buchhaltung macht von Anfang an Seine Süsse. Richtig Geld verdienen tut Cäsu mit Beschallungsanlagen, mobile und Festinstallationen. Er ist ein gesuchter Tontechniker, wenn Cäsu mischt, dann ist der Sound "perfekt".
Wenn ich mit meinen Vorstellungen komme, dann habe ich mich schon vorher informiert, und er kennt mich ja auch nicht erst seit gestern. Bei meinen Ibanez K5 z.B habe ich im WWW den Preis recherchiert und habe freundlich gefragt, ob er den Preis machen kann. Er hat ihn dann beim Grosshändler bestellt, eingestellt und ausgeliefert. Auch mit meinem in einem anderen Thread vorgestellten "Traumbass" werden wir so verfahren: Der MuMa Reflex 5 HSS wird beim Grosshändler bestellt, der Preis von Tadaaaaa ist ausgemacht, er wird beri Bedarf noch eingestellt, ich zahle bar - und er verdient etwas. Zwar nicht die irre Spanne, aber er kriegt das Geld bar in die Hand, am Tage der Auslieferung. Rücknahme ist kein Problem, bzw. wenn der gelieferte Bass Fehler hätte, würde er ihn wieder zurück schicken.
Bei Kleinteilen ist er ebenso hilsbereit wie kulant: mein Klampfer hat innerhalb 4 Wochen insgesamt 3 Wah-Pedale mitgenummen und "zertreten". Die wurden ohne Mucken zurückgeschickt. Apropos Hilfsbereitschaft: Kurze Anfrage, ob er bei einem Benefiz-Konzert mischen würde, wir drucken auch Seine Werbung aufs Plakat, und schon geregelt. Seit 2 Wochen sucht er für mich die passenden Lautsprecher in eine SWR Workingman, hat nach dem Simulieren von diversen Speakern jetzt den passenden gefunden, die jetzt bestellt sind.
OK, da Cäsu de facto aleine in Seinem Laden ist und z.B. nur dann Reperaturen an Bässen machen kann, wenn der Lehrling für den Laden da ist, kann es sein, dass es etwas länger dauert. Aber ich hatte ein Problem mit einem Headless - Bass, bei dem das Fingerboard etwas über den Hals an der Korpusseite übersteht, der letzte Bund genau an dieser Stelle. Durch Slappen ist das Fingerboard dann an dieser Sollbruchstelle angebrochen, das Bundstäbchen wanderte beim Spielen aus dem Fingerboard und verursachte Frettbuzz. Das Bundstäbchen wurde wieder eingepasst, das überstehende Teil des Fingerboards unterlegt, komplett unsichtbare Reperatur, macht einen stabilen Eindruck. Was solls kosten? "Ach komm, gib mir 20 Euronen, passt schon."
Ich würde mir wünschen, dass mehr Einzelhändler so wären wie Cäsu. Aber er ist eben, als Musiker, Mischer, Gitarrentechniker und Händler, eine Grösse. Und die, die Ihn kennen und schon mal bei Ihm gekauft haben, kommen wieder. Ich jetzt schon seit mehr als 36 Jahren.
OK, das ist ein sehr sehr seeeehr langer Beitrag geworden, aber ich wollte einfach eine Lanze für den Einzelhandel brechen und aufzeigen, dass es gar nicht so verkehrt ist, wenn man in der Provinz lebt. Davon mal abgesehen, in 1 1/4 Std bin ich in Stuttgart, etwas länger, und ich bin in München. Der Bodensee ist 70 km weg von uns, und somit ist man schnell im benachbarten Ausland. Aber stellt Euch die Situation der Einzelhändler vor, die durch das WWW nur noch zu Teststationen degradiert worden sind, am Ende wird dann doch im Netz eingekauft. Es gibt hier noch einen zweiten Händler, der in Seinem Laden nur Schrott stehen hat - oder hochpreisige Custom-Shop - Instrumente, die man nicht von der Wand nehmen darf. Ach, und einen Showroom für Klaviere, in dem auch zwei Schlagzeuge stehen. Der macht seine ganzen Geschäfte über das Internet, betreibt ein Lager ca. 20 km weg von hier, von dem aus das Web-Geschäft läuft. In Seinem Laden gibt es n i c h t s ! Saiten, Plektren, Gurte und sonstiges Zubehör. Dort herrscht genau dieses Klima und der Ton, der von vielen Leuten in diesem Thread schon gepostet wurde.
Ich unterstütze meinen örtlichen Händler, der mich schon ein Menschenleben lang gut beraten und bedient hat. Ich mache mir eher Sorgen, wenn er mal aus Altersgründen zu macht.