Wäre ich darauf noch eingegangen, wäre das Video, wie von dir schon erwähnt, mindestens doppelt so lang geworden.
Das ist klar - da muss man gegebenenfalls splitten. Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen gezielter, gerade noch vertretbarer methodischer Reduktion und Betriebsblindheit, d.h. der falschen Vorstellung, dass jemand etwas schon "irgendwie" verstehen wird, weil man es selber ja auch "irgendwie" verstanden zu haben glaubt. Das ist leider ein gefährlicher Trugschluss, dem insbesonders Leute erliegen, die sich zum Unterrichten berufen fühlen, ohne über die dazu notwendigen methodischen, didaktischen und lernpsychologischen Kenntnisse zu verfügen. Allein von deinem Video ausgehend, kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass du das Prinzip "Intervall" im Kontext eines Saiteninstruments nicht verstanden hast - was natürlich dazu führt, dass du es auch nicht adäquat vermitteln kannst.
Indem du z.B. bereits am Anfang (03:30) ganz beiläufig und offenbar konzeptlos
Griffvarianten ins Spiel bringst (WARUM z.B. liegt der HT auf benachbarten Saiten "vier Bünde" tiefer?), oder an gleicher Stelle gleich mal die "anfängerfreundliche" Tonbezeichnung "Des" verwendest (warum nicht den möglicherweise bereits vertrauteren HT-Schritt E-F oder H-C?), demonstrierst du nach meiner Einschätzung, dass du dir über die Frage, wie Menschen lernen - und was Lernprozesse stören könnte - noch nie Gedanken gemacht hast!
Ansonsten ist die Übung tatsächlich eine, bei der man stumpf auswendig lernen muss.
Genau das ist aber mein Kritikpunkt: Es ist doch unbestreitbar, dass stumpfes Auswendiglernen durch vorherige Erkenntnisprozesse beschleunigt und auf ein Minimum reduziert werden kann! Außerdem muss eine Transferleistung möglich sein, bei Intervallen z.B. zu Akkordsymbolen und sogar bis hin zur Notation - sonst muss jedesmal das Rad neu erfunden werden. So wie du die Dinge präsentierst, ist dieser Transfer nicht möglich.
Warum z.B. startest du mit einem expliziten Ausgangston C (03:04)? Damit unterschlägst du doch gleich zu Beginn eine entscheidenden Erkenntnis:
Intervallbezeichnungen und ihre Griffweise sind unabhängig von absoluten Tonhöhen!
Z.B. ergibt der Fingersatz 1-2, 2-3 oder 3-4
auf jeder beliebigen Saite und von jedem Bund aus immer einen HT - es ist daher völlig irrelevant, ob man der Tonfolge einen Tonbuchstaben zuordnet (e-f), romanische Tonsilben verwendet (mi-fa), oder die Töne als "Schnurz 1" und "Schnurz 2" bezeichnet. Intervallbezeichnungen mit Tonbezeichnungen zu verbinden, ist eine völlig andere Baustelle, und sollte daher getrennt abgehandelt werden.
Sich nach deiner Vorgehensweise vom HT zu den größeren Intervallen hochzuarbeiten, kann auf der Blockflöte durchaus Sinn machen, auf Saiteninstrumenten führt das aber kaum zu einem wirklichen Intervallverständnis. Dabei ist das Thema gerade auf dem 4-saitigen Bass relativ schnell abgehandelt, denn um das grundlegende Prinzip zu verstehen, müssen vorab nur zwei Dinge geklärt werden:
(1) Der normale Umfang der vier Finger in einer Lage liefert in der
Horizontalen, d.h. auf
einer Saite (und ohne Überstreckungen) den HT (1-2, 2-3, 3-4), den GT (1-3, 2-4), und die kleine Terz (1-4).
(2) die Saiten sind bei Standardstimmung in Quarten gestimmt. Daraus ergeben sich in der
Vertikalen (d.h. auf
zwei Saiten) die Intervalle
4 (E1-A1, A1-D, D-G = reine Quarte),
7 (E1-D, A1-G = kleine Septime) und
10m (E1-G = kleine Dezime). Dafür gibt es nur eine einzige Fingerkonstellation:
Egal ob da jetzt noch Saiten dazwischenliegen, oder welchen Fingersatz man verwendet: Das sogenannte
"Griffprofil" bleibt immer gleich und liefert immer die oben genannten Intervalle 4-7-10m.
(3) Jetzt kommt wieder die Horizontale ins Spiel: Verschiebt man den im Griffprofil übereinanderstehenden
oberen Punkt nach links (die betreffende Saite wird länger = tiefer!), wird das jeweilige
Basisintervall (4, 7, 10m) KLEINER (d.h. von der 4 zur 3, zur 3m, zur 2, usw.). Verschiebt man den Punkt nach rechts (die Saite wird kürzer = höher!), wird es GRÖSSER (d.h. von der 4 zur 4aug/5dim, zur 5, zur 6m, usw.):
Das sind visuell leicht memorierbare Griffkonstellationen, bei denen zudem immer ein Bezugspunkt zu den unveränderlichen Leersaiten-Intervallen gegeben ist. Zur Groborientierung reicht es dann, sich zunächst zwei Dinge zu merken:
Eine Abweichung von der "geraden Linie" nach LINKS ergibt immer ein Intervall kleiner als 4, 7 oder 10m, eine Abweichung nach RECHTS immer ein Intervall größer als 4, 7 oder 10m!
Damit ist eine solide Orientierung geschaffen, denn die eigentliche "Lernarbeit" setzt erst dann ein, wenn es darum geht, den
Grad der Abweichung (um einen, zwei oder 3, mit Überstreckung auch mehr Bünde) zu bestimmen. Das läßt sich aber gut über das "Fingergedächtnis" regeln, setzt dann allerdings aber auch elementare Intervallkenntnisse voraus (die du in deinem Video leider nicht vermittelst!), z.B. dass eine 4
plus 2 HT eine 5, eine 4
minus 1 HT eine 3 ergibt.
Natürlich bedingt das ein Mindestmaß an verständigem Mitdenken, aber wir alle wollen doch Schüler, die mitdenken und selbständig handeln können, und keine dressierten Idioten und "stumpfen Auswendiglerner"!
Du scheinst dein Instrument ja zu beherrschen und kommst auf deinen Videos durchaus sympathisch rüber, aber es hakt im Konzept und in der Präsentation eben noch an etlichen Stellen. Ich habe dein Video daher eher als exemplarisches Beispiel für die grundsätzlichen Defizite und zumindest diskussionsbedürftigen Unterrichtskonzepte der meisten YT-Tutorials herausgepickt. Und da gibt es frei nach Sergio Leone drei Kategorien: Die Guten, die Schlechten, und die Belanglosen.
Deine Videos sind weder richtig schlecht, noch richtig gut. Die verbleibende Kategorie führt dann allerdings zu der Frage, warum sich jemand die Arbeit macht, ein Video zu erstellen, dass sich im Prinzip selbst überflüssig macht, weil es den Unmengen bereits vorhandener Videos zum gleichen Thema nichts hinzuzufügen vermag. Das Zauberwort in einem von selbsternannten Schlaumeiern überlaufenen Markt ist "Mehrnutzen" - und genau den kann ich hier nicht erkennen.