Moin...
Viel wahres hast du da gesagt, und ich möchte dir im Kern gar nicht widersprechen... aber...
steffens888 schrieb:
Das Problem ist doch wohl, dass bei Musikern (egal welcher Qualität oder Größe der Veranstaltung) ohne Monitore und mind. 4 Wege gar nix mehr geht. Die einfachsten Regeln des Bühnenaufbaus werden nicht mehr eingehalten.
Das ist natürlich in der Tat ein gewisses Problem. Nun ist es aber heute auch so, dass vielfach die auf der Bühne stehenden Amps nicht mehr unbedingt geeignet sind, einen guten Bühnensound zu gewährleisten.
Seit Mischer mit vielen Auxwegen und günstige Aktivwedges vermehrt günstig zu haben sind, hat man sich eben auch an ein komfortables Monitoring gewöhnt. Dann stellt man sich eben nicht mehr notwendigerweise eine 300W-Bassanlage dahin und einen Fullstack für die Gitarre, sondern gibt sich mit DI-Box und einem Combo-Amp u.U. zufrieden. Dann muss es über den Monitor...
Dazu kommt: gerade auf kleinen Bühnen (also die mit dem problematischen Sound) ist es oft schwierig, sich überhaupt sinnig aufzustellen, um alle Musiker unterzubringen.
Früher (zu meinen Anfangszeiten als PA-Mann) war es üblich, dass es zwei Wege Monitor von der Front gab. Ein Weg war vor vornerein für den Drummer reserviert, also mussten sich alle anderen Musiker (egal wie viele) einen Weg teilen. Um einen guten Bühnensound zu haben, mussten die Instrumente mit eigenen Verstärkern so aufgestellt werden, dass die Bühne beschallt wurde und nicht der einzelne Musiker, der das Instrument gespielt hat.
Hach, das waren noch Zeiten...
War nun eines der Instrumente (z.B. Gitarre) zu laut, musste dieses einfach leiser gemacht werden. Nur die Instrumente ohne eigenen Verstärker (Gesang, Akkustikgitarre usw) wurden auf die Monitore gelegt, aber in einer Lautstärke, ohne den vorhandenen Bühnensound zu stören.
Das ist sicher ein machbarer Ansatz, und vor allem einer, der die Lautstärke auf der Bühne niedrig hält. Ob das aber zwingend den Sound auf der Bühne verbessert, sei mal dahin gestellt. Du hast aber vollkommen recht, dass ein leiser Bühnensound den Sound draussen im Publikum deutlich verbessert.
Ich behaupte mal, dass zu diesen Zeiten der Bühnensound besser und transparenter war als heute, wo mit einer Vielzahl von Monitoren und einem eigenen Monitormischer auf der Bühne gearbeitet wird.
Das ist der Kanckpunkt, denich anzweifle. s.o., leiser ja, aber nicht unbedingt besser. Ich behaupte: Sitzt ein fähiger Mann am Pult und sind die Musiker diszipliniert (und denken eher an den Gesamtsound als nur an den eigenen), dann lassen sich mit drei, vier Wegen deutlich schönere und transparentere Monitorsounds bauen als mit nur zwei Wegen. Vor allem trägt ein besser individualisierter Mix, wo sich max. zwei Musiker denselben Weg teilen müssen, deutlich zu verbessertem funktionalen Hören bei.
Und da liegt die Krux: Viele Monitore und viele Wege verleiten leider zu einem höheren Pegel und einem Soundbrei. Je mehr Wege, umso mehr Disziplin ist erforderlich. Ist diese aber da, machen mehr Wege sowohl der Band, wie auch dem FOH und auch dem Publikum mehr Spaß, weil letztlich der Bühnensound stimmt, man dadaurch besser spielt usw.
Neben der Disziplin ist aber eine weitere Sache ganz wichtig, und die ist glaube ich auch abhanden gekommen: Es muss auf der Bühne nicht "schön" klingen, sondern sauber, transparent und zweckdienlich. Früher war das ganz einfach: Die plärrigen Zeck-Monitore u.ä. waren derart bassschwach, dass es ganz zwagsläufig ein mittenbetonter Monitorsound wurde - für Gesang gerade recht. Für Intonationskontrolle muss man nicht in Bässen baden. Heute stehen da ausgewachsene Fullrange-Tops im Wedgegehäuse, und die (wenig routinierten) Musiker lieben es, den gleichen Wumms zu haben wie das Publikum draussen. Schwupps, hat man wieder den berüchtigten Brei.
Wenn man dagegen auf dem Monitor radikal im Frequenzbereich "aufräumt", geht der Brei erstaunlich schnell zurück.
Ebenso Hall - weg damit! Je weniger, umso sauberer kann der Sänger sich kontrollieren.
Das alles sind aber Dinge, die nichts mit der Anzahl der Wege oder Wedges zu tun haben. Da sind Mischer gefordert, der Band die richtigen Ansätze zu liefern, und die Bands müssen mal wieder anfangen, auf den Tech zu hören.
Jeder Tonmann kennt das Problem, dass die Lautstärke im Saal immer lauter wird, je länger der Auftritt dauert. Hintergrund ist einfach, dass man permanent überprüft, welches Signal nicht zu hören ist und das wird dann einfach lauter geschoben.
Wenn letzteres der Grund ist, dann macht der Mischer wirklich was falsch (es sei denn, er wird von der Bühne aus faktisch dazu gezwungen).
Dass die Lautstärke aber langsam steigt, ist wiederum normal und hängt mit einem gewissen Ermüdungseffekt des Ohrs zusammen - davor ist auch der Mischer nicht gefeit. Solange sich das in Grenzen bewegt, ist dagegen auch nichts einzuwenden - vor allem dann nicht, wenn man beim Soundcheck etwas auf die Bremse tritt und erstmal mit moderaten Pegeln anfängt. Das ist aber eine Geschichte, die besser am Masterfader aufgehoben ist.
Der zweite Grund ist der, dass sich die Musiker "warmspielen" und selbst auch automatisch etwas lauter werden - im Eifer des Gefechts. Damit meine ich nicht den Lautstärkeregler am Gitarrenamp, sondern z.B. den Drummer, den Sänger, den Pianisten, die alle einfach "mehr geben" gegen Ende. Wenn dann noch die Balladen irgendwo in der Mitte verpackt werden und am Ende ien paar saftige Power-Rocknummern rausgeblasen werden, tut das sein übriges.
Das gleiche passiert auf der Bühne. Der Bassist ist zu laut, so dass der Gitarrist sich nicht mehr hört. Anstatt den Bassisten zu bitten, sich selbst leiser zu machen, dreht der Gitarrist noch weiter den Lautstärkeregler auf. Nun hört sich der Keyboarder nicht mehr und verlangt vom Tonmann noch mehr Power auf den Monitor. So schaukelt sich die komplette Bühnenlautstärke nach oben. Es ist nur noch laut, aber gut klingen tuts auch nicht.
Das ist genau das, was ich mit (in diesem Beispiel nicht vorhandener) Disziplin meinte
Meiner Erfahrung nach legt sich das aber von selbst mit einer gewissen Bühnenerfahrung. Insbesondere, wenn nach dem Gig mal ein Mischer eine Gardinenpredigt ablässt. Was da übrigens wirklich hilft: Den Leuten einen DAT-Livemitschnitt anbieten, den beim Soundcheck sauber einpegeln und nicht mehr anrühren. Der Ärger, dass die am besten gespielten Highlights am Ende des Sets nur noch zerren, sorgt für einen heilsamen Schock und beschleunigt den Lernprozess...
Jens