Xytras
Mod Emeritus
Sven Schoderböck, den Usern des Musiker-Boards besser bekannt als "Franz Branntwein" hat sich erfreulicherweise bereit erklärt, uns einige Einblicke hinter die Kulissen von Thomann zu gewähren. Dabei ging es dieses Mal hauptsächlich um Retouren und die "30 Tage Money-Back"-Regelung.
Immer wieder hört man von Kunden, die sich teures Equipment von Musikhändlern "leihen", indem sie vom mittlerweile unter anderem von Euch sehr stark ausgeweiteten Rückgaberecht Gebrauch machen. Könnt ihr in etwa abschätzen wie groß der Anteil der Kunden ist, die die Geschäftsbedinungen derart ausnutzen?
Wir können natürlich nur schwer herausfinden, ob ein Kunde bereits bei der Bestellung vorhatte, ein Produkt nach der Benutzung wieder zu uns zurückzuschicken. Natürlich haben wir viele Retouren, die meisten allerdings mit einem klar erkennbaren Kaufmuster, das heißt der Kunde tauscht zum Beispiel ein Produkt gleich in ein höherwertiges um, das er dann auch behält. Wir behandeln unsere Kunden fair, also ohne wirre AGB, Kleingedrucktem uns Schikanen und diese Fairness kriegen wir von den Kunden normalerweise auch wieder zurück.
Es wird immer wieder behauptet, dass es sich dabei um eine rechtliche Grauzone handelt - kannst Du uns aufklären, wie es da genau aussieht?
Es gibt im Rahmen des Fernabsatzgesetzes einige Einschränkungen, von denen wir aber nur einen Teil auch in unsere 30-tägige Money Back Garantie übernommen haben. Theoretisch dürften wir bei jedem Kunden, der ein Case oder Kabel-Meterware zurückschicken möchte, die Rücknahme verweigern, da es sich um Maßanfertigungen handelt... Das Selbe gilt für bereits installierte Software oder jegliche Art von gebrochenen Siegeln an Elektronik und Software. In der Praxis haben wir eben gerade dafür Spezialisten auch im Retouren-Management, die genau überprüfen, ob die zurückgeschickte Ware noch den ursprünglichen Wert hat oder nicht. Wegen einem kleinen Fettfinger oder einem Eselsohr in der Anleitung machen wir keinem Kunden Streß.
Entsteht euch dadurch ein nennenswerter wirtschaftlicher Schaden und wie könnt ihr euch dagegen absichern?
Natürlich ist unser wirtschaftlicher Schaden nicht zu vernachlässigen, aber solange kein Mißbrauch vorliegt, rede ich lieber über Prozesskosten als über einen Schaden. Noch vor 10 Jahren haben uns viele Lieferanten und Mitbewerber gesagt, dass nie jemand eine Gitarre über's Internet kaufen wird ohne sie vorher in der Hand gehabt zu haben. Heute versenden wir fast 1.000 Gitarren und Bässe pro Tag. Ähnlich sieht die Sache bei Blasinstrumenten und Streichern aus - ja sogar Flügel werden inzwischen regelmäßig online bestellt - mindestens einer pro Woche. Die Kunden würden nicht blind online kaufen, wenn sie sich nicht hundertprozentig darauf verlassen könnten, dass sie uns die Ware im schlimmsten Fall wieder um die Ohren hauen können
Euch wird immer wieder vorgeworfen, dass ihr damit den kleinen Einzelhändlern die letzte Existenzberechtigung nehmt, da ja niemand mehr zum Antesten in den Laden gehen muss. Wie seht ihr das?
Das ist meiner Meinung nach Bullshit. Von unseren 100 meistverkauften Produkten im letzten Jahr sind 78 nur bei uns oder - wenn überhaupt - bei ganz wenigen Läden in Deutschland erhältlich. Viele Läden führen moderne Produktkategorien wie Audio-Interfaces, Studio-Monitore, E-Drums und Licht-Equipment überhaupt nicht und die, die es tun, denen geht es so weit ich weiß auch nicht schlecht.
Die Kunden würden sehr gerne ihr Equipment in vernünftigen Läden antesten und dort auch kaufen. Es ist ein Märchen, dass die Leute den Laden ohne zu kaufen verlassen und dann bei uns bestellen, weil sie 5 EUR sparen können. Da gehören meist noch andere Unannehmlichkeiten dazu, z.B. unfreundliches Personal, schlechte Auswahl oder Mondpreise.
Ich bin sicher, dass da einiges an obskuren Rücksendungen auftaucht - habt ihr ein paar Tipps, worauf man bei der Rücksendung achten sollte?
Naja, da es verschiedene Gründe für eine Rücksendung gibt (z.B. auch ein Defekt oder eine Fehlbestellung) ist es für uns schon hilfreich, wenn wir sofort sehen können, warum uns ein Kunde etwas zurückschickt, ohne dass wir dem Kunden hinterher telefonieren müssen. Am besten ist es für uns und den Kunden, wenn er sich vorher kurz mit uns in Verbindung setzt, denn dann können wir alle Infos schon hinterlegen und ihm eine Online-Retoure zusenden, über die er die Ware kostenlos an uns zurücksenden kann. Wir können das Gerät beim Empfang abpiepsen und wissen dann sofort, ob wir es umtauschen, reparieren oder gutschreiben müssen.
Wie sieht das organisatorisch aus, wie viele Mitarbeiter sind bei Euch mit der Abwicklung von Retouren beschäftigt?
Derzeit sind es ca. 50 Leute, davon die meisten in den Fachbereichen (d.h. Prüfung der zurückgeschickten Ware durch einen Fachmann) und ein paar im Telefonsupport. In Kürze beginnen wir mit dem Bau unseres neuen Service Centers für 120 Mitarbeiter, in dem Teile der Retouren-Abwicklung, alle Fachwerkstätten und unser großes Ersatzteillager vereint werden. Das wird hübsch.
Danke dass Du unsere Fragen beantwortet hast.
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