Ich kann bei bestem Willen keinen Zusammenhang zwischen der X Y Y X - Charakterstruktur des Stücks und der Komposition erkennen. Zumindest keinen direkten.
Diese XYYX-Gestalt finde ich in der
Formanalyse schon überinterpretiert. Wenn man den Inhalt mal komplett wegläßt, stellt man fest, daß die Form des Gedichtes eine ganz regelmäßige ist: 4 Strophen á 8 Verse, Kreuzreim, die Verse wechseln in jeder Zeile vom 4 hebigem Jambus zu 3 hebigem Jambus. Und das geht das ganze Gedicht so, durch alle vier Strophen. Deshalb hat Schubert diese vier Strophen auch ganz genau gleich, ohne Variation komponiert.
Vergleiche dazu mal Versmaß und Form von Der Tod und das Mädchen: Da findet sich diese exakte Regelmäßigkeit nicht. Der Tod hat z.B. ein ganz anderes Versmaß als das Mädchen.
Deshalb nochmal:
Strophenlied vs.
durchkomponiertes Lied. Viel weiter würde ich da erst mal gar nicht gehen.
Zum Inhalt der beiden Gedichte:
Der Fischer (Mann) stirbt durch Ertrinken, gelockt von einer Nixe (Frau). Das Mädchen (Frau) stirbt durch den Knochenmann (Mann). Die Geschlechterrollen sind also gerade umgekehrt, aber in beiden Gedichten geht es um das Sterben und den Tod.
Der Tod und das Mädchen ist eine geradezu philosophische, ernsthafte Betrachtung zum Thema Sterben und Tod: Die Angst des Menschen vor dem Sterben und die Frage, ob diese Angst berechtigt ist.
Der Fischer dagegen birgt aus meiner Sicht eine galaktische Komik: Der Fischer sitzt am Ufer und möchte Fische fangen, also aus dem Wasser an die Luft ziehen. Dann kommt eine Nixe und angelt sich den Fischer, zieht ihn also aus der Luft ins Wasser. Sie angelt aber nicht mit der Schnur, sondern mit anderen Mitteln. Und der Fischer, der Dubel, geht auch noch freiwillig mit: "sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll, [...] Halb zog sie ihn, halb sank er hin und ward nicht mehr gesehn." Der vorletzte Vers ist ja sprichwörlich geworden, und der letzte Vers erinnert mich an Fingerspiele, die man mit kleinen Kindern macht und dann irgendetwas verschwinden läßt. Schnuppdiwupp, weg war er. Es ist also irgenwie witzig, komisch, groteskt. Man lacht über den Fischer, der sich um den Finger wickeln läßt. Ich finde auch die Sprache lustig, die Goethe sich hat einfallen lassen. Es ist alles so übertrieben. Ich glaube, der hat sich beim Dichten ganz schön amüsiert.
Die logische Schlußfolgerung:
- Der Tod und das Mädchen steht in Moll, der Fischer steht in Dur.
- Der Tod und das Mädchen ist in einem langsamen, schreitenden Tempo, der Fischer hat ein fröhliches Tempo.
- Der Tod und das Mädchen beginnt (da, wo der Gesang einsetzt) mit einem kleinen Sekundschritt hinauf und wieder hinunter. Ein typisches Motiv des Leidens, der Verzweiflung, der Trauer. (vgl. z.B. Mozart: G-Moll Symphonie, Chopin: Prelude in E-Moll, Seufzermotiv etc.). Der Fischer dagegen beginnt mit einer aufsteigenden Quarte. Das ist das typische Volkslied-Anfangsintervall (Das Wandern ist des Müllers Lust. Auf, auf, zum fröhlichen Jagen. Ein Jäger aus Kurpfalz): Diese aufsteigende Quarte kling immer frisch und fröhlich, voller Tatendrang, sie hat Kraft. Im Fischer erklingt gleich die ersten 2 Takte nichts als diese Quarte. Die ganze Komposition hat eine ziemliche Nähe zum Volkslied, ist aber natürlich durchaus kunstvoller angelegt als ein solches.
Wenn man das Ganze
harmonisch betrachtet kommt man auf Folgendes (Alles bezogen auf die gepostete Version in F-Dur): Die Strophe ist in 4 Teile unterteilt.
Der erste Teil (T1-4) beginnt mit der Tonika und endet im Halbschluß auf der Dominante.
Der zweite Teil (T5-8) ist eine motivische Wiederholung des ersten Teils (Tonika), geht zwar wieder auf den Anfangston zurück, aber er schließt nicht auf der Tonika, sondern bleibt wieder auf der Dominante, also offen.
Der dritte Teil (T9-12) beginnt auf der Dominante und geht zur Subdominante. Also wieder kein Schluß. In diesem Teil geht es auch über ein paar Zwischendominanten aus dem reinen TSD-Bereich hinaus. Er bekommt also harmonisch mehr Farbe als die ersten beiden Teile.
Der Letzte Teil (T13-16) beginnt auf der Dominate und bewegt sich endlich zurück zur Tonika, hier als der Ganzschluß der gesamten Bewegung von T1 bis T16. Aber auch in diesem Teil gibt es noch etwas Farbe, z.B. durch den ganzverminderten Akkord (F#°7) bei "feucht" (schöne Klangmalerei). Er stellt einen verkürzten Dominantseptakkord mit kleiner None dar, der als Zwischendominante zum folgenden G-Moll-Akkord fungiert. Diese letzten beiden Takte sind übrigens eine Quintfallsequenz: D7(b9)-Gm-C7-F. (Da bei D7(b9) der Grundton fehlt, wird er zum Verminderten).
Das Ganze sind 16 Takte, also so eine klassische Liedform. Da kenne ich mich mit den Fachausdrücken (Periode, Satz, zweiteilige/dreiteilige Liedform etc.) nicht so gut aus. Falls das jemand besser weiß, kann er hier ja nochmal unter die Arme greifen.
Gefolgt wir das dann durch ein Schubert-typisches, 2-taktiges Klavierintermezzo mit D T D T über den Tonikagrundton F als Pedalton.
Viele Grüße,
McCoy