Am Ende nicht

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X-Riff, ich verstehe deine Kritik und an anderen Tagen werde ich sie ja vielleicht auch teilen. Ich freue mich wirklich, wieder von dir zu hören. Punkt :)
 
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Na, dann wollen wir mal. :)

"Aller Liebe Zorn" = "Der Zorn aller Liebe", richtig?
"Dem da Staub" > "dem" muss ich ja auf "Zorn" beziehen. Aber wie gehts danach weiter? Was ist dem Staub? ^^ Oder bezieht es sich auf eine Person - in dem Fall wäre "dem" ein Demonstrativpronomen? Würde dann heißen, dass einer männlichen Person Staub "gegeben" werden soll. So oder so: Raff ich nicht.
"Der da Korn" -> entweder Dativattribut zu einem femininen Subjekt oder irgendwas anderes, was sich auf wiederum als Demonstrativpronomen auf eine männliche Person bezieht. Ist dann aber ne andere Konstruktion als in der Zeile davor. Gleiches Ergebnis: Raff ich nicht ^^
"und wieder von vorn" ist soweit aber klar. :D

Die fehlende Erklärung (für Andere) macht den*** Text ja erst mutig. :) Weil es die Gefahr immens erhöht, nicht verstanden zu werden.
Zwischen dem Autor und dem Leser klafft immer ein Graben. Den muß man akzeptieren!
Oh, ich bin voll bei der radikalen Akzeptanz des Grabens! Deshalb keine Erklärungen von mir: Keine Andeutungen, das Unüberwindbare zu überwinden!
Aaaaalso. ^^ Hier geht es ja um das Thema, inwieweit sich Sender und Empfänger verstehen können (bei einem Musikvortrag ist das ja erstmal nur Kommunikation in eine Richtung).
Ob eine Nicht-Erklärung mutig ist, hängt meiner Meinung nach nur von den möglichen Konsequenzen ab. Manche Leute wollen gar keine expliziten Texte hören, weil sie dann daraus machen können, was sie wollen. Eine gewisse Vagheit (gibt’s das Wort???) hilft dabei, dass sich mehr Menschen mit dem lyrischen Ich identifizieren können. Ob eher vage oder eher explizite Aussagen "mutig" sind, hängt glaube ich von Zuhörerschaft und Thema ab.
Dass es diesen "Graben" zwischen Autor und Leser gibt, würde ich so in jedem Fall unterschreiben. Und dass man den akzeptieren muss, auch. Nicht zustimmen kann ich bei der Antwort von Slidemaster Dee darauf. Radikale Akzeptanz klingt für mich einfach nach einer Entscheidung, und zwar einer radikalen. Keine, die einem aufgezwungen wird. Dieser Graben ist NICHT unüberwindbar. Sonst würden wir nämlich gar keine Diskussion führen können. Denn: Selbst bei Meinungsverschiedenheiten findet Kommunikation statt. Der Grad der "Grabenüberwindung" kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen, aber stattfinden tut die Kommunikation trotzdem.
Die Sichtweise, dass der Leser nie wissen kann, was der Autor sagen wollte (und infolgedessen, dass die Absicht praktisch irrelevant wird), ist eine Folgerung aus radikalem Konstruktivismus. Den halte ich aber für ausgemachten Blödsinn (auch wenn Konstruktivsmus grundsätzlich hilft, viele Prozesse in menschlichem Zusammenleben zu erklären). GOTT SEI DANK ist es sehr wohl möglich, sich zu verstehen! Das ist eine unheimlich schöne Sache.

...jetzt reden wir hier aber von Kunst. Und das ist sehr entscheidend. :D An eine Defintion davon, was Kunst ist, was sie kann und was ihre Funktionen sind (nicht normativ, sondern deskriptiv gemeint) wage ich mich mal nicht heran. Daran können sich andere die Zähne ausbeißen. ^^ Wir sind uns aber wahrscheinlich darin einig, dass es - im Gegensatz zu dem größten Teil alltäglicher Kommunikation - keine Regel gibt, wie klar verständlich Kunst sein muss. Manche Kunst wirkt nur, WEIL sie missverstanden wird, und das kann man als Künstler bewusst einplanen. Nicht, dass ich das immer sympathisch fände, weil ich in der Regel eher für klare Worte bin, aber wie gesagt: Als Künstler kann man sich bewusst entscheiden, unklar zu kommunizieren, bis hin zum Kommunikationszusammenbruch. Beispiel: Die Erdoğan-Statue in Wiesbaden. Ich kenne die Absicht des Künstlers nicht, aber die Reaktionen haben gezeigt, dass offensichtlich ein Teil der Leute nicht verstanden hat, was die Absicht war (welcher Teil das aber war, weiß wahrscheinlich so richtig nur der Künstler selber).

So, das soll erstmal reichen. :D Lange Rede, kurzer Sinn:
Es ist dir freigestellt, deine Texte so klar oder unklar zu formulieren, wie du möchtest. Vorherzusehen, wie ein Text verstanden wird, mag manchmal nicht leicht sein, aber in einem gewissen Rahmen möglich.
 
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Radikale Akzeptanz klingt für mich einfach nach einer Entscheidung, und zwar einer radikalen. Keine, die einem aufgezwungen wird. Dieser Graben ist NICHT unüberwindbar. Sonst würden wir nämlich gar keine Diskussion führen können.
Ich als Autor eines Textes (aus der Warte habe ich ja die Aussage getroffen) kann aber z.B. durch bewusstes Verweigern von Erklärungen meinen (radikalen) Teil dazu beitragen, den Graben unüberwindbar zu halten. Das meinte ich ja in meinem ersten Post (EDIT: Sorry, ich meinte nicht meinen ersten Post in diesem Thread, sondern den in der Plauderecke zum Thema „Eigene Texte, Lyrics Subforum“. Da habe ich was dazu geschrieben. Ich war im Kopf verrutscht. EDIT ENDE.): Mein Text ist eigentlich der intime Teil, also der „Ich-Anteil“ der Kommunikation. Das „Du“ und „Wir“ kommt bei mir erst über die Musik, die Verbindung zur Umwelt erst recht. Deshalb poste ich ja aktuell auch (noch?) keine Texte hier. Weil ich vielleicht nicht bereit bin, Brücken über meine Gräben akzeptieren zu können. Daher ja auch meine Aussage, dass es mutiger ist, einen Text zu erklären als ihn nicht zu erklären. Eben weil es Brücken baut. Und mein „Konstrukt“ ist, dass Die Unüberwindbarkeit von Gräben sehr schützenswert ist.

Was bleibt, ist dann natürlich das, was wir gerade tun: Kommunikation über Kommunikation. Wir sind ja schon nicht mehr beim Text, sondern längst auf Meta-Ebene. Der Graben zwischen dem Ursprungs-Text von @Jongleur und uns als Leser sowie seine Überwindung oder Nicht-Überwindung sind ja schon völlig irrelevant geworden.
 
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Ich höre leider auch keinen 3/4 Takt, sondern einen hart treibende, geraden Beat. Naja, 1000 Menschen - 1000 Welten. ;-)
doch doch doch - das treibende kann ich schon auch sehen und spüren - ich kann es nur nicht mit der haltung des (von mir vermuteten bzw. aus dem text heraus zu mir sprechendem) LI in verbindung bringen: die ist für mich zurück und nicht nach vorn, zurück im zorn und einer mischung aus verzweiflung und erhöhung (göttlicher witz).

wenn ich die haltung nehme, lande ich halt gefühlt beim couplet. vermutlich finde ich deshalb auch den vorschlag gut, den refrain eben nicht zu wiederholen sonder als C- oder D-teil zu interpretieren.
ich verstehe deine Kritik
ich beschreibe die wirkung, die dein text auf mich hat, zumindest versuche ich das. ich sehe das gar nicht als kritik.

guter text, anyway.

x-Riff
 
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Hallo @Charvelniklas , ich freue mich über und auf diese Diskussion.;-)

Ich bin mir sicher, dass keiner die Hintergründe ahnen kann, die mich diesen Text schrieben ließen. Der Anlass war jedenfalls, dass ich hier kurz vorher einige Kommentare hinterlassen hatte, die meinerseits wohlüberlegt sind, von denen ich aber nicht weiß, ob sie irgendeinem Adressaten helfen können oder werden. Genau genommen weiß ich noch nicht mal, ob ich meine Ansichten nicht momentan (wiedermal) generell überarbeiten sollte. Große Änderungen scheinen an unser aller Türen zu klopfen...

.... ein schales Gefühl, was einen auch plötzlich in einer Liebesbeziehung überfallen kann. Mit DIESEM Bild im Kopf konnte ich plötzlich S1 und den Refrain schreiben. In der Mitte des Songs war ich noch immer überzeugt, dass mein Text einige meiner existenziellen Selbstzweifel gut ausdrückt. Nun öffnete ich mich in S2 zusätzlich etwas meinen künstlerischen Paradigmen, stellte auch diese in Zweifel, ohne das der Hörer DAS mitleiden muß. ;-) Meine Paradigmen: meine Regeln, unter denen ich glücklich liebe und lebe.... oder auch nicht.

Im C-Teil dachte ich daran, wie der mit der (stets unvollendeten) Liebe verbundene Zorn gleichzeitig zwischen den Menschen Tod und Geburten auslöst. immer immer immer wieder...!

Ganz komplexe Gedanken und Gefühle (wobei ich einige weitere hier bewußt verschweige) ließen mich den Text freudvoll zu Ende schreiben. Wissend, dass viele eventuell nur Bahnhof verstehen. MIR reichte diese Darstellung aber. Konkreteres hätte einige Querverbindungen in meinem Autorenkopf abgeschnitten.

Ausgerechnet mit diesem recht kryptischen Text nach 2 Jahren Abwesenheit hier wieder einzusteigen, überraschte mich letztlich selber. Aber so arbeitete eben mein Gehirn.;-)

Cavelniklas, ich möchte gar nicht verstanden werden. Ich möchte unterhalten. Und das geht nur, wenn sich einige Türen öffnen, an die ich klopfe. Hier messe ich das an positiven Kommentaren und Likes. ;-)

Lieber @x-Riff : Kommen einem nicht viele Verliebtheiten später als dumme Hybris in den Sinn... oder eben als göttlicher Witz? Beim Schreiben erinnerte ich mich an soviel Hoffnungen und Vorstellungen, über die mich heute nur noch wundern kann. Ich bin überzeugt, dass jeder diese Verwunderung selber kennt. Warum nur müssen wir diesen ständigen Irrweg gehen.... und sind dennoch immer wieder überzeugt, im hier und jetzt endlich, endlich die Wahheit zu erkennen...;-)

Und damit bin ich bei @Slidemaster Dee , der, wenn ich ihn recht verstehe, noch überlegt, ob er Anderen ermöglichen sollte, über seinen Graben hinweg Spekulationen anzustellen. Eine Angst, die ich nicht teile, denn wo ist der Unterschied zwischen dem Prosastil eines Kommentars und der zeilengebrochenem Form eines Liedtextes. Spekulationen können beide bewirken. :)
 
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Im C-Teil dachte ich daran, wie der mit der (stets unvollendeten) Liebe verbundene Zorn gleichzeitig zwischen den Menschen Tod und Geburten auslöst. immer immer immer wieder...!
Das find ich nen echt interessanten Gedanken! Hängt halt von dir ab, ob dir wichtig ist, dass der von möglichst vielen Leuten verstanden wird oder nicht. Ich hätte es ohne Erklärung nicht verstanden. Wenn dir das nichts ausmacht, dann kanns ja bleiben, wie es jetzt ist :prost:
 
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Danke @Charvelniklas , ich freue mich sehr, dass du meinen Gedanken zwar als extrem verdichtet, aber nun als stimmig und sogar interessant empfindest!! Ich habe an dieser Stelle seltsamer Weise das Bedürfnis, nur mit aufmerksamen Lesern oder Hörern zu korrespondieren. Wahrscheinlich verstehe ich das später nicht mehr ;-) Ich sehe mich selber so, dass es mich glücklich macht, codierte Botschaften zu decodieren. Sein Grund dafür, warum ich Dylans Texte gern lese.

Und : Ich habe nach deiner Kritik eine wichtige Korrektur vorgenommen : Aus "alle Liebe Zorn" wurde " Alle*r Liebe Zorn" Danke also für deine berechtigte Nachfrage. :)
 
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Lieber @x-Riff : Kommen einem nicht viele Verliebtheiten später als dumme Hybris in den Sinn... oder eben als göttlicher Witz? Beim Schreiben erinnerte ich mich an soviel Hoffnungen und Vorstellungen, über die mich heute nur noch wundern kann. Ich bin überzeugt, dass jeder diese Verwunderung selber kennt. Warum nur müssen wir diesen ständigen Irrweg gehen.... und sind dennoch immer wieder überzeugt, im hier und jetzt endlich, endlich die Wahheit zu erkennen...;-)
Lieber Jongleur der Sprache - gerade diesen Gedanken finde ich ja leidlich gut und wohl gelungen und ich mache es wirklich nur noch dieses eine Mal und reite auf dem Gaul, der Refrain heißt rum: der scheint mir eben sozusagen reflektorisch das Buch der Erinnerungen zu schließen, was - auch wenn es ein Trugschluss ist - doch vom Leser gerne so genommen und nicht noch mal konterkariert zu werden droht - so jedenfalls fürchte ich. Man könnte - und damit ruckele ich das letzte mal am virtuellen Zaumzeug des songs - ja den C-Teil ans Ende setzen und hätte dann zwar ein wieder und wieder im Ohr, aber halt doch eine Brücke zur Gegenwart hin ...

Aber Du wirst schon wissen, wo Du dem Text die Möhre hinhälst, damit die Mähre mit dem Kopf in die richtige Richtung kommt ...

x-Riff
 
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x-Riff schrieb:
Aber Du wirst schon wissen, wo Du dem Text die Möhre hinhälst, damit die Mähre mit dem Kopf in die richtige Richtung kommt ...
sehr witziges Bild für Autorenschaft ;-)

x-Riff schrieb:
und reite auf dem Gaul, der Refrain heißt rum: der scheint mir eben sozusagen reflektorisch das Buch der Erinnerungen zu schließen, was - auch wenn es ein Trugschluss ist - doch vom Leser gerne so genommen und nicht noch mal konterkariert zu werden droht - so jedenfalls fürchte ich.

Ich sag mal vorsichtshalber, wie ich deine Kritik verstehe: Du findest den Ablauf zu linear beschrieben und vermißt die pausenlosen neuronalen Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart?

Mir fallen gerade bestimmte ostdeutsche Regionen ein, die 1989 begeistert die nahende bürgerliche Demokratie feierten. 2018 fordern die selben Regionen nun scheinbar wieder neue Machtverhältnisse. Aber fordern sie die DDR zurück? Ich denke: NEIN! Sie fühlen sich seit viel längerer Zeit vernachlässigt - wie etwa bestimmte zurück gebliebene Regionen in den USA oder in der Türkei. Sie erwarten seit vielen, vielen Jahrzehnten eine größere Beachtung.

Das wiederum nutzt die politische Opposition. Alle Machtverhältnisse haben Dreck am Stecken. Je länger der Dreck verblasst ist, umso weniger scheint er noch zu stören. Auch kein Indiz dafür, dass wir in der Lage sind, analytisch effizient mit der Vergangenheit zu kommunizieren.

Aber man muß nicht die Politik bemühen. Auch Risse in familiären Banden lassen sich nur sehr schwer reparieren. ..

so gesehen glaube ich schon, dass unser Geist eher linear orientiert ist statt anachronistisch.

Andererseits machst Du mich gerade nachdenklich. Wenn unser Geist chronologisch orientiert ist, dann unterschätze ich als Texter natürlich automatisch die Interaktionen zwischen den verschiedenen Zeitformen, die ja unbestritten dennoch stattfinden, (worauf mich x- Riff ja eventuell gerade aufmerksam machen will....)

.... aber da verlasse ich die subjektivierende Kunst und betrete als Künstler den Boden der objektivierenden Wissenschaft und DAS bezahlt ein Autor schnell mit Depressionen... :dizzy: Willst du das etwa, x-Riff ;-)

Habe ich dich nun etwas besser verstanden?
 
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Du hast mich auf jeden Fall auf neue Gebiete gelockt und ich weiß nicht, ob ich die Wege dorthin bereitet habe - im Sinne des Verlaufs der Kommunikation vielleicht.

Ich versuch´s mal anders bzw. auf der Grundlage Deiner Gedanken, so wie ich sie verstanden habe: Der Text arbeitet mit verschiedenen Zeitebenen - zumindest insoweit, als dass zwar dem Lyrischen Ich diese Gedanken in der Jetztzeit kommen, sie aber größtenteils die Vergangenheit reflektieren. Das betrifft alle Strophen, wenn ich das richtig sehe.
Es gibt nun zwei weitere Textteile. Der Refrain findet in der Gegenwart statt und aus meiner Sicht beinhaltet er die derzeitige Bewertung dessen, was stattgefunden hat. Mit Deinen Worten im Text: Das war mal, das gilt nicht mehr, nun ist anders. Mit Deinen Worten im Kommentar: Das war mal, das gilt nicht mehr, nun ist es anders - aber das denkt man ja jederzeit und deshalb: Trugschluss. (Das steht aber nicht da, sondern müssen sich die Lesenden selbst zusammen reimen.)
Die Zeitebene im C-Teil könnte man als überzeitlich betrachten: Es ist die ewige Mühle des sich wiederholenden, was auch die Gegenwart (und folgerichtig) die Zukunft betrifft. Die Erzählperspektive soll - Deinem Kommentar zu folge - der Zorn sein, was wiederum mit dem Überzeitlichen korresponidiert, weil es sozusagen überpersönlich ist. Im Text freilich wechselt das LI nicht sichtlich - es könnte auch ein Gedanke des LI sein, das im Refrain und in den Strophen tonangebend ist.

Meine Betrachtung heißt nun: Das Ende ist das, was man in Erinnerung hält - zusammen mit dem Refrain: weil der wird ja oft genug wiederholt und enthält üblicherweise deshalb sowas wie die Quintessenz vons Ganze. Weil: das Hören und Aufnehmen findet tatsächlich chronologisch statt (es sei denn, man hört den song rückwärts). Wenn nun der Gedanke, auf den die Zuhörenden kommen sollen, der eher überzeitliche ist, dann ist mein Vorschlag: nimm den C-Teil als Schluss. Und wenn der Refrain ein Trugschluss ist, dann nimm ihn entweder nur einmal, damit er sich nicht so einbrennt, oder nimm ihn so oft, dass er sich quasi totläuft und einem so auf den Senkel geht, dass man ihn gerne in Zweifel zieht.

Der Geist und das Bewußtsein ist ein ganz verzwickelter Bereich. Und ich behaupte mal: es findet alles gleichzeitig statt.
Man denkt linear und assoziativ zugleich. Man denkt in Bildern und in Worten und in Logik zugleich. Man empfindet und fühlt und denkt zugleich. Unbewußt und Bewußt sind gleichzeitig tausend Filter am Wirken und bestimmen die Wahrnehmung.
Das, was wir den Augenblick und die Gegenwart nennen, ist ein unglaublich komplexes Konglomerat von allem Möglichen.

Der Mensch als bewußtseinsfähigstes Lebewesen, das wir kennen, und fängt nun an, diese Dinge im Nachhinein zu analysieren, zu trennen, aufzudröseln, zuzuordnen etc.
Und er hat offensichtlich sowohl die Fähigkeit als auch das Bedürfnis, auf kreativ-gestaltende Art und Weise seine Wahrnehmung und Interpretation der Welt auszudrücken und in einigen Fällen zu Papier zu bringen und zu Musik zu machen und darüber zu kommunizieren.

Das was Du zur neueren Geschichte und Gegenwart in einigen ostdeutschen Regionen schreibst - da fällt mir am allerehesten folgendes ein: dass ich es erstaunlich finde, dass im vordringlichen Bewußtsein (so es uns zugänglich ist und wir es irgendwie halbwegs zutreffend wahrnehmen und interpretieren) die Wende nicht als politischer Befreiungsakt, der Selbstbewußtsein generiert und nur weiter fortgeschrieben werden muss (anstatt an gewählte Repräsentanten, denen das Wohl in die Hand gelegt wird) übergeben zu werden, sondern offensichtlich als Erfahrung des Scheiterns, des erneut eingemacht werdens, des hauptamtlichen Verlierers betrachtet wird, nämlich im Schein der Folgen der Nachwendezeit - und man demzufolge als ausgemachter Verlierer den nächstschwächeren in der gesellschaftlichen Nahrungskette haftbar machen und aussondern will, damit man, wenn man schon von den Brotsamen der Mächtigen leben muss, diese wenigstens nicht mehr zu teilen braucht.
Kurz: Ich halte die Zuschreibung und Einordnung dessen, was ist, für wesentlich wirkmächtiger als das, was tatsächlich ist. So ähnlich wie tatsächliche und gefühlte Kriminalität. Die Menschen verhalten sich nicht zur tatsächlichen sondern zur gefühlten Kriminalität.

Bogenwende: Die tatsächliche Aussage Deines Textes weicht meines Erachtens von der Aussage ab, die Du in den Kommentaren in ihn legst.
1 Million-Dollar-Frage: Was geht in den Köpfen der Zuhörer vor sich?

x-Riff
 
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lieber @x-Riff : im Grunde ist der Song ungewöhnlich einfach.

Der Text wird in der Gegenwart gelesen oder gehört.

Er enthält nur 1 :facepalm1: Verb: "waren". Das bezieht sich auf die gesamte Liste der genannten Phänomene.

Also sag der Text: "nichts was mal war, ist das geworden, was es werden sollte."

Und im C-Teil folgt die Ergänzung: "Aus diesem Nichts wuchs aller TOD und GEBURT.

Damit ist mir (fast aus Versehen) etwas gelungen, was sonst nur Musik bei mir schafft: Indem die Phänomene nicht zeitlich verortet sind, bekommen sie eine gradewegs verstörende Unabhängigkeit. Diese Worte sind so instabil wie Töne verbunden, die nur durch das Gefühl einer Tonart mit einer erahnten Tonleiter vorübergehend Struktur bekommen.

Ich weiß nicht, warum ich nur ein einziges Verb im Text benutzte. ich tat sowas vermutlich noch nie zuvor. Aber jetzt weiß ich, warum ich für den Text nur eine Stunde brauchte:Es sind meist die Verben, die mich länger überlegen lassen, weil gerade sie unterschiedliche Strukturen schaffen.

Dein hartnäckiges Beharren auf der Zeitform ließ mich den Text nachträglich erkennen. Nun werde ich das Konstrukt garantiert nicht mehr verändern. ;-) Vielleicht finde ich einen Komponisten, der sich von meiner Idee anstecken läßt. Vielleicht landet er aber auch nur in meinem Kuriositätenordner. Und meinem Enkel erzähl ich ....:opa:

;-)
 
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time will tell ... :cool:
 
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Eine Angst, die ich nicht teile, denn wo ist der Unterschied zwischen dem Prosastil eines Kommentars und der zeilengebrochenem Form eines Liedtextes.
Die Unvollständigkeit eines Liedtextes ohne seine Musik. Für mich (!) kann der Unweltbezug (Grabenüberwindung) erst danach sein.
 
Komplett zitiert meinte ich:

Jongleur schrieb:
Eine Angst, die ich nicht teile, denn wo ist der Unterschied zwischen dem Prosastil eines Kommentars und der zeilengebrochenem Form eines Liedtextes. Spekulationen können beide bewirken. :)

Mir ging es darum, dass Sprache immer Spekulationen hervor ruft. -

Ansonsten finde ich es dennoch gut, dass hier nur Texte und nicht komplette Songs besprochen werden. Denn nach meiner Erfahrung zerfasert eine Diskussion über beides und wird schnell total unübersichtlich.

Aber ja, die Musik kann den Texteindruck völlig verändern wie auch umgekehrt. Damit muss man bei jedem diskutierten Lied-Text rechnen.

----------

Oops, aber wo stellen hier Musiker eventuelle Kompositionen vor? Und wo werden komplette Songs zur Diskussion gestellt?
 
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Oops, aber wo stellen hier Musiker eventuelle Kompositionen vor? Und wo werden komplette Songs zur Diskussion gestellt?
Hörproben ist der korrekte Ort für Hörproben bzw. songs, an denen noch gearbeitet wird.
(userveröffentlichungen gibt es auch noch, aber da sollen eher fertige songs rein.)

Je nachdem, was zuerst da ist, wird nicht selten ein Verweis in dem jeweiligen thread gepostet (da geht es zur Musik / da geht es zum Text).

Bei @Katz23 kann man das ganz gut verfolgen ...

x-Riff
 
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@Jongleur
Es war nicht meine Intention, mit dem kürzen des Zitats den Sinn deiner Aussage zu verändern - bitte entschuldige!

Ich hatte die Spekulationen gekürzt, weil diese für mich gar nicht der entscheidende Teil sind, der mich derzeit abhält, hier Texte zu posten. Vielmehr ist es genau die von dir angesprochene Unterscheidung (deshalb hatte ich nur die zitiert) zwischen Liedtext und Kommentar/Prosa, auch Gedicht.

Ich habe immer Probleme mit Sprache. Nicht mangels Wortschatz (würde ich behaupten), sondern weil ich immer mehr denkefühleempfinde als es mir gelingt, in Worte zu fassen. Die rahmende Formalität von Sprache finde ich in der Expression (meist nicht im Dialog) meist einschränkend und beengend. Deshalb brauche ich das Musik machen so sehr, denn hier habenichvein Medium gefunden, diese Einschränkubgen zu überwinden. Der Text ist dann das, was die Sprache hergibt, aber er wird erst „ganz“ in der Musik. Nicht mal im Stil oder im konkreten Song, aber in der darin liegenden Emotion. Mit anderen Musizieren ist dann sogar Möglichkeit zur intimsten nonverbalen Kommunikation, die ich kenne (okay, über Sex könnten alternativ wir noch reden ;))... das Akustik-Duo, in dem ich manchmal singe, ist purer Dialog mit „meinem“ Gitarristen, in meiner Band sind wir zu dritt, das ist optimal für etwas „offenere“ Kommunikation, die auch transportabler wird. Ab 3-4 Mitmusikern bin ich schon kommunikativ überfordert. Das geht dann auch, ist aber bei weitem nicht Sosein intimes Level.

Blabla, Konklusion: Einen Liedtext von mir isoliert von der dazugehörigen musikalischen Emotion zu posten, wäre für mich wie eine Frikadelle auf den Tisch legen und fragen, wie der Bürger schmeckt. Kann dann gut sein (oder schlecht, egal), hat aber wenig mit dem intendierten Produkt zu tun.

Ich würde mich jedoch nur ungern von meinem Text entfremden, weil ich ihn in einem „unfairen“ Setting isoliert von seiner Emotion poste.

Wobei ich vielleicht doch neugierig wäre, was stattdessen passiert, und wie sich das dann entstehende Emotionsloch füllen würde.
 
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Nicht mangels Wortschatz (würde ich behaupten), sondern weil ich immer mehr denkefühleempfinde als es mir gelingt, in Worte zu fassen.

DAS ist mMn für jeden Texter das Grundproblem: Er könnte, wenn er wollte, in Prosa auf Anhieb Seiten füllen mit seiner "Idee" , aber tagelang vor der ersten Strophe seines Textes hocken. Meine Meinung dazu: sein Fokus liegt zu sehr auf seinem Leben, zu wenig auf das Aussortieren wichtiger Gedanken mittels lyrischer Formen.

Das wichtigste Formelement ist für mich die Wiederholung! Sich wiederholende Vokale nennen wir das Reim (reine Reime, unreine Reime, identische Reime, Assonanzen), sich wiederholende anlautende Konsonanten Alliterationen. Sich wiederholende Hebungen und Senkungen nennen wir metrische Struktur. Daneben gibt es sich wiederholende Worte (Anapher, Epipher, Anadiplose) oder Syntax (parrallelismus oder chiasmus) Und dann gibt Wortersetzungen ( Synonyme, Homonyme, Metapher, Metonymie u.a,)

Das ist vielen Schreibern klar. Aber nun kommt es: Oft ist eine Strophe nur eine permanente stilistische Variation eines Grundgedankens. Ich nehme mal spontan einer meiner Lieblingstexte zum Beweis.

nehmen wir mal Grönemeyers "der Weg"

Grönemeyer schrieb:
Ich kann nicht mehr seh'n
Trau nicht mehr meinen Augen
Kann kaum noch glauben
Gefühle haben sich gedreht
Ich bin viel zu träge
Um aufzugeben
Es wär' auch zu früh
Weil immer was geht

Hier sehe ich zunächst den Reim als ordnendes Prinzip
Weiter gehts

Grönemeyer schrieb:
Wir waren verschwor'n
Wär'n füreinander gestorben
Haben den Regen gebogen
Uns Vertrauen gelieh'n
Wir haben versucht?
Auf der Schussfahrt zu wenden
Nichts war zu spät
Aber vieles zu früh


Hier sehe ich den Reim nicht mehr so dominierend bei der Wahl der Argumente. Etwas anderes wird wiederholt. Findet ihr hier das Prinzip dieser Wiederholungen? ich hab sie in weißer Schrift in die nächste Zeile geschrieb en.

Wir waren verschwor'n
Wär'n füreinander gestorben
Haben den Regen gebogen
Uns Vertrauen gelieh'n
Wir haben versucht?
Auf der Schussfahrt zu wenden
Nichts war zu spät
Aber vieles zu früh

Genau, die P. sind es. Sie haben sich in die erste Zeile geschmuggelt und eine innere Stimme hat Gröni vielleicht empfohlen, die nächsten Zeilen mit der Wiederholung von Partizipen zu füllen. Manches spricht dafür. Zum Beispiel, dass das Reimschema der ersten Strophe nicht mehr weiter genutzt wird.

Ich will damit sagen, dass Intuition sich weniger auf Inhalte bezieht, sondern vor allem auf die Wahl der Stilmittel. Jedem Dichter wird das klar, wenn es um die Reime geht. Klar, Poptexter merken das nicht sofort. Das bisschen Endreim scheint sich wie von selbst zu ergeben... :D

Rapper müssen aber schwer und systematisch schuften, denn das Publikum erwartet Mehrfachreime, Assonanzen, Alliterationen und Wortspiele. Bei Interesse zeige ich demnächst mal, wie systematisch (z.B. unter Verwendungen von Excel) Rapper reimen.

Für diesen Kommentar mag genügen, dass ich mir sicher bin, dass erfolgreiche Texte sich meist bewußt am Wiederholungsprinzip, also an Formfragen, orientieren. ;-)
 
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