Nachdem mein Review über meine Recording King ja wohl ein Mit-Auslöser dieses Threads war... ich sehe das ganz klar Preis-abhängig. Aus meiner Sicht "billige" Instrumente bergen das Risiko, dass irgendwas nicht perfekt ist. "Teure" Instrumente haben zu passen, wobei (!) eben auch dort absolute Perfektion selten erreicht wird. Die Frage ist doch immer: Was zahle ich, was bekomme ich, was sind die Alternativen?
Nicht zu unterschätzen ist meiner Meinung nach der vorhandene Markt-Standard. Wer heute billige Chinaware kauft, der sollte eigentlich wissen - dank Reviews und Foren usw. - dass es da gute Chancen gibt, dass nicht alles perfekt ist. Wie immer schon - wer billig kauft, kauft im schlimmsten Fall mehrfach und zahlt entsprechendes Lehrgeld. Nur - wenn ich nunmal billig einkaufe, was sind dann die Alternativen? Ist doch im untersten Preissegment die Wahl zwischen Pest und Cholera, irgendwo muss ja gespart werden. Hat schon einen Grund, warum noch keiner das Martin-Äquivalent aus China zum zwanzigstel des Preises gefunden hat. Preis und Qualität stehen in einem gewissen Verhältnis. Die Alternativen sind oft genauso schlecht, es geht darum, unter den (relativ) schlechten die (relativ) besten Angebote zu finden, mit Recherche und Verstand und Kompromissbereitschaft (und Glück!). Wenn der Preis eine Restriktion ist, dann muss ich innerhalb dieser Vorgabe optimieren und eben in Kauf nehmen, dass nicht alles perfekt sein wird und kann.
Dann die fehlende Vergleichbarkeit und damit einhergehende Intransparenz. Eine unüberschaubare Vielzahl an Modellen, Varianten, Herstellern, alten und neuen Modellen, weil der Markt es will bzw. hergibt. Wie soll man da seriös vergleichen (gar nicht), wie soll man festlegen, was ein guter Standard ist? Die Firmen wollen Geld verdienen, die Hobby-Musiker schickes neues Equipment. Man recherchiert soweit es geht, und testet ab und an, und kauft und lebt damit oder eben nicht. Wer sagt mir, wie gut eine Gitarre oder ein Amp oder sonstwas wirklich ist? Die werbefinanzierten Magazine und YouTube-Channels sicher nicht. Derjeniger, der so ein Teil gekauft hat und es toll findet? Auch keine neutrale Quelle. Die Stiftung Warentest? Würde seitenlang zu den Umwelteigenschaften des Lacks referieren und irgendwelche Vergleichskurven aus dem Messlabor zum Klang darstellen, hätte aber von der musikalischen Seite keine Ahnung.
Bei einer 3000 EUR-Gitarre gehe ich davon aus, dass alles bis ins Detail passt, die einzigen akzeptablen "Mängel" wären die, die evtl. dem handgemachten Charakter des Instruments entsprechen. Wo ein Headstock von Hand geschnitzt ist, sieht's eben vielleicht nicht nach CNC aus, und das ist auch gut so. Menschliche "Perfektion" hat ihre Grenzen. Ist bei allen hochwertigen Produkten ein Thema - Staub in der Luxusuhr, Lack-Ungenauigkeiten bei Möbeln, quietschendes Tür-Gummi im Mercedes, und so weiter.
Zur Illustration mal ein anderes Beispiel: Möbel von Ikea sind "perfekt". Als internationaler Vabunde bereits seit dem Studium habe ich in diversen Ländern gelebt und mich einrichten müssen, im Zweifel - wenn es temporär ist und schnell gehen muss - ist Ikea die beste Wahl. Klar, das Zeug ist billig gemacht - aber sauber konstruiert, gescheit aufzubauen dank guter Anleitungen, und in 99.9% der Fälle ohne Macken, Kratzer und Dellen. Im Gegensatz dazu habe ich den zu meinem 40. Geburtstag angeschafften originalen Eames Lounge Chair + Ottoman (
https://www.vitra.com/en-gb/product/lounge-chair) drei Mal umtauschen müssen, weil die Qualität der gelieferten Ware mangelhaft war (zu dem Preis allemal). Aber auch bei Ikea ist mir klar, dass die Teile eine geringere Halbwertszeit haben als hochwertigere Möbel (nach dem dritten Ab- und Aufbau ist der Pax Kleiderschrank halt etwas "durch").
Was ich immer krass finde, ist wie viel "Mangel" die Musiker bei der Ware "dazwischen" akzeptieren. Ich rede hier also nicht von der China-Billigware (wo man meiner Meinung nach mit Mangel leben muss), und auch nicht von der hochpreisigen Boutique und Custom Shop Ware (wo man meiner Meinung nach einen Mangel nicht akzeptieren darf), sondern bei der oberen Mittelklasse. Die "Originale" Fender beispielsweise, etwas wo "Gibson" draufsteht oder so. Die aber oft auch nicht besser sind als die wo nur "Squier" draufsteht oder "Epiphone", nur halt doppelt so teuer. Das finde ich immer wieder krass. Oder um es mal so zu sagen: Es geht mir nicht in den Kopf, wie eine anständige E-Gitarre "von der Stange" mehr als max. 1000 EUR kosten kann/darf/soll, wo ich doch zum doppelten Preis eine weitgehend "handgemachte" E-Gitarre von einem kleinen Gitarrenbauer bekommen kann.
Lange Rede, kurzer Sinn - es ist ein weites Feld mit fehlender Transparenz, riesigem Angebot und der Unmöglichkeit neutraler qualitativer Standards. Und das, bevor ich auf individuelle Vorlieben komme.