Akkordeon-Spieltechnik-Buch für Fortgeschrittene

Bernnt
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Liebe Akkordeon-Kollegen,

es gibt einige Lehrbücher für Anfänger. Ich frage mich, ob es auch Lehrbücher für Fortgeschrittene gibt, die weiterführende Akkordeon-Techniken (inklusive Imaginationstechniken, Balgführungspraktiken, Tonbildung usw.) behandeln. Es gab ja einige Ansätze, über die wir in diesem Spieltechnik-Thread schon diskutiert hatten - ich denke an die Deschamps-Technik oder auch die Alexander-Technik, auf die sich manche spezialisiert haben.

Kennt ihr so ein Buch?
 
Eigenschaft
 
Ist ganz gut.

Hier steht auch einiges drin.
 
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Leider ist das Buch von Jacomucci nicht mehr zu bekommen. :-(
 
Ich habe mir das Buch aus dem Klangbutter-Hinweis bestellt. Der Autor, Friedrich Lips, ist wirklich einer der ganz Großen.
 
Ich habe mir das Buch aus dem Klangbutter-Hinweis bestellt. Der Autor, Friedrich Lips, ist wirklich einer der ganz Großen.
Ja, das glaube ich auch. Ich denke, er wäre einer der Kandidaten für den Preis für innovative Akkordeonlehrer, mit dem wir uns hier versucht haben zu beschäftigen. Übrigens habe ich dasselbe wie Du gemacht, @morino47.

Ich habe auch die Co-Autorin von "Mastering Accordion Technique" angeschrieben. Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, über sie zu bestellen.
 
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"Die Kunst des Bajanspiels" von Siegfried Lips wurde von englischsprachigen Autoren als "Bible for classical accordionists" gefeiert. Das Buch gilt als grundlegendes Lehrbuch für das virtuose Spiel auf dem Akkordeon. Für alle, die sich damit beschäftigen wollen, hier der Umfang des Buches: Zunächst beschäftigt sich Lips mit der Tonbildung (Balgspiel, Tastaturanschlag) sowie den Klangfarben, inklusive der Phrasierung. Danach geht es um die Spieltechnik (Haltung, Fingersatz), wobei hier ein interessanter Abschnitt zu finden ist, wie man eigentlich zielführend an seiner Technik arbeiten kann. Das dritte Kapitel beinhaltet Interpretationsfragen, das vierte das Thema Konzerttätigkeit.

Ein erster Überblick brachte schon das ein oder andere Interessante ans Tageslicht. Es ist jetzt schon klar, dass man gegebenenfalls an dem ein oder anderen Punkt, insbesondere bei den Abschnitten, die die Haltung des Instruments beschreiben, als Tasten-Akkordionist selber nachdenken muss. Lips ist ja Bajanist und möchte sein Bajan-Wissen weitergeben. Mit dem Fingersatz eines B-russisch-Bajanisten kann ich nicht viel anfangen. Spannend wird auch werden, ob man als Autodidakt von dem Buch gewinnbringend profitieren kann. Lips legt Wert darauf, dass der Spieler individuelle Lösungen finden muss und sagt, dass irgendwelche technischen Übungen nicht notwendigerweise weiterhelfen. Hier stellte sich mir die Frage, ob ich so aufmerksam bin, dass mir die Herausforderungen, die eine technische schwierige Stelle stellt und ihre Hintergründe mir immer sofort bewusst werden. Zum Beispiel habe ich nicht erkannt, dass der Basslauf in der 1.Variation vom "Kuckuck" ein balgtechnisches Problem ist. Erst als mich @chnöpfleri darauf hingewiesen hat, habe ich das eingesehen. Vorher war ich total blind. Glücklicherweise gibt es ja dieses Forum, wo man sagen kann: "Hallo Houston, ich habe ein Problem", in der Regel bekommt man hier erstens Hinweise darauf, warum was schwer erscheint und zweitens wie das zu meistern ist, so dass vielleicht die Arbeit an diesem Buch gekoppelt mit eigener Praxis und Hilfestellungen aus dem Forum funktionieren könnte.

Lips bringt Notenbeispiele und sagt, dass man viel hören soll, weil einem sonst manches nicht klar werden wird. In Zeiten von Youtube ist das ein Ansatz, den leichter verfolgen kann, auch wenn gerade keine Spitzenakkordionisten vor Ort auftreten, von denen man mit den Augen stehlen kann. Es ist klar, dass Übungen nicht reichen, Hören ist wichtig, wichtig ist auch, einen mentalen Ansatz zu verfolgen. Spitzenzitat: "Bemüht euch darum, dass das gedankliche Klangbild deutlich wird, und dann werden und müssen die Finger diesem gehorchen." Ich hatte hier den Eindruck, dass Lips in einer Welt mit dem Pianisten Glenn Gould lebt. Glenn Gould sieht ja in seinem Klavier einen Mechanismus zur Umsetzung klanglicher mentaler Bilder.

Ich werde das Buch jetzt mal aufmerksam lesen und bin gespannt, ob mir dabei an der ein oder anderen Stelle die Augen aufgehen. Passiert das, bin ich zufrieden. Ein Hingucker ist das Buch auf jeden Fall. Mich inspiriert das, was ich bisher gesehen habe. Schauen wir mal, was dabei herauskommt.
 
Meiner persönlichen und unmaßgeblichen Meinung nach lassen sich gerade im fortgeschrittenen Stadium spieltechnische Fortschritte nicht durch theoretische Herangehensweise mit Hilfe eines Lehrbuchs erzielen, sondern durch Unterricht mit einem geeigneten Lehrer bzw. im Zusammenspiel und Austausch mit anderen versierten Spielern. Zumindest habe ich für mich selbst festgestellt, dass ich mit dieser praxisorientierten Herangehensweise leichter/schneller/deutlicher vorankomme als mit der für mich eher verkopften und trockenen Methode, weil eben mit Hilfe von Literatur noch der Transfer vom Papier auf das Instrument erfolgen muss - oft auch noch alleine im stillen Kämmerlein. Musikalisch-spieltechnischer Ausdruck hat IMHO etwas mit Emotionen und Stimmungen zu tun, die sich nun mal nicht durch (natur)wissenschaftliche Algorithmen antrainieren lassen ;).
 
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Zitat: "Die Kunst des Bajanspiels" von Siegfried Lips

Der Mann heißt Friedrich Lips. Er ist jedes Jahr im Mai in Klingenthal zum internationalen Akkordeon-Wettbewerb. Er gehört ebenso wie Tobias Morgenstern zum festen Stamm der Juroren (es gibt auch wechselnde).
 
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Hallo Wil,
ich verstehe was Du meinst und es stimmt natürlich auch für die meisten.

Doch wie gesagt, was dem einen hilft, muss dem anderen nicht unbedingt passen. (Nachbarfaden Fingersatz)
Deshalb frage ich bei der Beantwortung einer unscharfen Frage meistens ganz konkret nach, denn nur Konkretes kann konkret beantwortet oder imitiert werden.

Ich hatte irgendwann das Gefühl, ein Lehrer hilft nicht mehr. Er hat ein eigenes Universum, das als Kind erst einmal für Jahre reicht. Aber irgendwann wiederholen sich die Inhalte. Dann ist es Zeit für einen Lehrerwechsel - klar.
Gehst Du also zum nächsten Lehrer, wird er Dir seine Methoden, Sichtweisen und Interpretationen erklären, die Dir mehr oder weniger passen. In manchen Dingen wirst Du Ähnlichkeiten finden, aber auch Unterschiede die in seiner Natur begründet liegen. Schlimmstenfalls wird er alle anderen Methoden verteufeln und Dir zu verstehen geben, dasss Du die ganze Zeit auf dem Holzweg warst und dass es nur nach seiner Methode gehen kann. Das macht bei Jugendlichen immer besonders viel Eindruck und man wird extrem fleißig und ehrfürchtig.
So kannst Du noch zu 10 anderen Koryphäen gehen. Schaden wird das sicher nicht, aber es wird irgendwann weniger effektiv als es am Anfang war.

Deshalb glaube ich , muss man irgendwann selbst "kreativ" im Lösen von eigenen Problemen werden.
Spitzenzitate wie "Bemüht euch darum, dass das gedankliche Klangbild deutlich wird, und dann werden und müssen die Finger diesem gehorchen." nützen einem Kind oder Schüler mittleren Niveaus wahrscheinlich nichts. Vieles von Interviews berühmter Musiker scheint vollkommen abgehoben und esotherisch. Zum Teil ist das Verkaufsstrategie, zum Teil aber einfach Flucht in unumstößliche Definitionen, gegen die keiner etwas sagen kann.
Ludovic Beyer drückt es so aus : "Kümmert euch nicht um Technik, kümmert euch um die Musik". Das ist gaaaaaanz wunderbar - hilft aber eben nur dem der seine eigenen Lösungen zu finden weiß - es ist eher eine Motivationsformel.
Die prompte Antwort des Technik Gurus (Namen möchte ich nicht nennen) war - "sagt der der keine Probleme mit Technik hat".

Wissenschaftliche Algorithmen sind das nicht.

"Glenn Gould sieht ja in seinem Klavier einen Mechanismus zur Umsetzung klanglicher mentaler Bilder."
Auch eine Art, ein Instrument zu definieren. Warum nicht gleich "Emotions-Umsetzungs-Apparat ..." schon die Wortwahl ist typisch Gould Style.
 
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Im Klavierbereich gibt es zum Teil sehr gute Literatur, in der Klaviertechnik umfassend beschrieben wird (z.B. Kratzert: "Technik des Klavierspiels"). Für uns Akkordeonisten gibt es leider überhaupt nichts vergleichbares. Die Zitate die Klangbutter bringt sprechen Bände und bringen dem Lernwilligen leider gar nichts. Ich glaube, es ist in unserem Bereich noch nicht genügend und vor allem genügend genau über sowas nachgedacht worden. Es gibt jede Menge tolle Solisten, aber die meisten wissen selbst gar nicht, wie sie es machen, dass es bei ihnen so gut klingt. Das muss man bei sich selbst erstmal wirklich im Detail verstanden haben, bevor man es anderen vermitteln kann.
 
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Das muss man bei sich selbst erstmal wirklich im Detail verstanden haben, bevor man es anderen vermitteln kann.
Ich glaube auch, dass man eine vernünftige Grundlage braucht, anderen Dinge zu vermitteln. Es ist aber auch so, dass es Probleme gibt, die man selber gar nicht hatte und dann ist man als Lehrer in der Pflicht, das Problem zu analysieren und Lösungen zu suchen. Ich kenne z.B. Leute, die nie mit Temposchwankungen kämpfen mussten und Lehrer wurden. Wenn sie selber nun Schüler haben, die genau das auskämpfen, müssen sie schauen, woran das liegt. Ein aktuelles Thema hier im Forum sind Fingersätze. Viele, die sich zu Wort meldeten, arbeiten einfach drauf los und kommen offensichtlich zu brauchbaren Ergebnissen, andere tun sich schwerer.

Spitzenzitate wie "Bemüht euch darum, dass das gedankliche Klangbild deutlich wird, und dann werden und müssen die Finger diesem gehorchen." nützen einem Kind oder Schüler mittleren Niveaus wahrscheinlich nichts.
Die Zitate die Klangbutter bringt sprechen Bände und bringen dem Lernwilligen leider gar nichts
Das würde ich nicht so hart formulieren, Monte, sondern eher mit Uwe gehen. Ich glaube, dass es verschiedene Level gibt. Ganz ganz ganz grob: Anfangs bemüht man sich darum, überhaupt die richtigen Töne zu treffen. Da geht es um verstärkt Spielpraxis, vielleicht um fundamentale Fingersatzfragen, die damit zusammenhängen (Level 1). Später kommt man darauf, schön zu spielen. Die Töne im Bass und im Diskant sollten gleichzeitig kommen, wenn sie gleichzeitig erklingen sollen. Töne haben einen Anfang, eine Mitte, ein schönes Ende und brechen nicht abrupt ab. Bellowshakes sollten rhythmisch gleichmäßig sein. Das ist ein Level, auf dem die technischen Möglichkeiten des Spielers sich gegen die Komposition oder was man davon fühlt oder verstanden hat, durchsetzen (Level 2). Irgendwann freilich merkt man, dass man sich im Rahmen seiner technischen Möglichkeiten ein Stück angeeignet und passend gemacht hat, ohne aber die Komposition oder sein Verständnis der Komposition ausreichend zu würdigen. Dann versucht man, die Komposition mit den technischen Fähigkeiten zu unterstreichen. Erst auf diesem Level steht m.E. die Komposition über der Technik (Level 3). (Absurderweise kann es sein, dass man dann geläutert wieder zu einem Kind wird und Level 1 erneut durchschreiten muss und der Weg durch die Level von neuem beginnt...)

Wenn das so sein sollte, ist klar, dass das Lips-Buch für den Level 1 nichts und den Level 2 nur eingeschränkt etwas bringt. Da bin ich ganz bei dir, Monte. Auf Level 3 könnte es richtig interessant sein. Wenn ich dich richtig verstanden habe, @Monteverdi, bestreitest du das auch. Ich möchte jetzt einfach mal den Praxistest mit dem Buch machen. Wie er ausgeht, weiß ich nicht, aber zumindest ist es mal ein Anfang. Du hast mir beim MIII ordentlich weitergeholfen und ich habe viel von deinem Wissen profitiert. Lass mir die Hoffnung, dass du in deiner Bewertung diesmal falsch liegst und das Buch dennoch einen Wert hat. Falls nicht, bin ich der letzte, der nicht sagt: Jetzt hat der @Monteverdi doch wieder Recht gehabt.

"Glenn Gould sieht ja in seinem Klavier einen Mechanismus zur Umsetzung klanglicher mentaler Bilder."
Auch eine Art, ein Instrument zu definieren. Warum nicht gleich "Emotions-Umsetzungs-Apparat ..." schon die Wortwahl ist typisch Gould Style.
Yupp, so ist das und eine Möglichkeit, sich musikalisch zu positionieren.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Meiner persönlichen und unmaßgeblichen Meinung nach lassen sich gerade im fortgeschrittenen Stadium spieltechnische Fortschritte nicht durch theoretische Herangehensweise mit Hilfe eines Lehrbuchs erzielen, sondern durch Unterricht mit einem geeigneten Lehrer bzw. im Zusammenspiel und Austausch mit anderen versierten Spielern.
Beim MIII-Spielen habe ich sehr von den Lehrheften profitiert. Natürlich habe ich im Forum auch viel nachgefragt. Ich würde das eine gegen das andere Verfahren nicht ausspielen wollen. Zudem gibt es ja die Möglichkeit, Videos auf Youtube anzugucken und dasselbe Stück selber aufzunehmen und die beiden Aufnahmen zu vergleichen. Wenn man selbstkritisch genug ist, wird einem das ein oder andere auffallen und man kann an sich selber arbeiten.
 
@Berntt: Ich bewerte das Buch von Lips doch gar nicht, ich kenne ja den Inhalt nicht mal (nur vom Hören-Sagen). Ich gehe aber mit Klangbutter d'accord, dass jenes Zitat aus dem Buch voll für die Katz bist. Dass man über das Hören musiziert ist doch wohl klar, egal auf welchem Level. Kannst ja mal konkret beschreiben, was und wie Lips in seinem Werk Aspekte der Akkordeontechnik erklärt.
 
Hallo miteinander,

Wie oben erwähnt habe ich mir das Buch gekauft, seit Samstag ist es da. Ich werde es studieren und bei Gelegenheit hier berichten, @Monteverdi.

Das wird aber eine Weile dauern, denn ich gehöre nicht zu denen, die nach ein bisschen schnellem Blättern und Herauspicken schon ganz genau Bescheid wissen und meinen, klug darüber reden zu können. Studieren dauert eben, und außerdem habe ich auch noch anderes zu tun als mich nur mit Musik zu beschäftigen.

Viele Grüße

morino47
 
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Das Buch "Mastering Accordion Technique: A new approach to accordion playing based on the Alexander Technique" ist über die Autoren noch zu bekommen, nicht mehr über die üblichen Adressen (z.B. Amazon). Dazu muss man eine Mail schreiben, nach einer Überweisung in die Niederlande war das Buch binnen wenigen Tagen bei mir. Bestelladresse: hier.

Claudio Jacomucci und Kathleen Delaney sind die beiden Autoren, beide vertraut mit der sogenannten Alexander-Technik, Claudio Akkordionist, Kathleen Tänzerin und Choreografin. Wenn man die Seiten überschlägt, fallen einem sofort manche Grafiken ins Auge, die auch in einem Anatomiebuch stehen könnten. Klar, den beiden Autoren geht es laut Vorwort um die "psychophysical aspect of education", also die Optimierung von Haltung und Bewegungen beim Spielen. Manches von dem, was wir im Forum diskutiert haben, findet sich dort, z.B.: Soll man die Fußflächen beim Spielen auf dem Boden lassen oder ist es ok, sich gelegentlich auf die Zehenspitzen zu stellen?" Die Fragestellungen bedingen, dass man Englischvokabeln braucht, die man nicht aus der Schule oder dem Berufsleben kennt. Freilich ist in Zeiten des Internets die Lektüre leichter geworden. Dennoch muss ich das ein oder andere auf meinem Handy nachschlagen.

Das Buch selber ist zweigeteilt: Im ersteren Teil geht es um Akkordeonspieltechnik. Dort steht die Akkordeonhaltung, dann finger- und balgtechnische Fragen im Vordergrund. Wie man Akkordeon lernen lernt, schließt den ersten Teil ab. Der zweite Teil führt in die Alexander-Technik ein und geht das Thema Musikergesundheit an.

Der Ausgangspunkt und der Weg, der körperorientierte Zugang zum Akkordeon ist für mich ungewohnt, macht aber nach einigem Nachdenken Sinn. Wer sich darauf nicht einlassen will oder kann, ist mit dem Buch vermutlich nicht gut bedient. Aber was leistet das Buch und was nicht? Bei dieser Frage muss ich wie bei dem Buch von Lips zunächst einmal passen. In ein paar Wochen oder Monaten bin ich schlauer, ob man von den Büchern für das eigene Spiel profitieren kann.
 
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Locker vom Hocker. Das ist in meinen Worten die Maxime, die das Buch "Mastering Accordion Technique" verwirklichen will. Leider sind die meisten Leute verspannt, viele Akkordionisten wegen ihres schweren und schwergängigen Instruments sowieso. Die Frage muss darum sein, wie man locker und damit durchlässig für die Musik wird, die erklingen soll. Die Antwort des Buchs schließt die praktische Anwendung der Alexandertechnik ein. Jetzt eine kurze Beschreibung, was das Buch bei mir bewirkt.

Den ersten Teil fand ich durchweg praktisch. Ich habe manches sofort verstanden, was mir die beiden Autoren mitteilen wollen. Zum Beispiel: Nimm keinen Klavierhocker, denn der knarzt, wenn du dich auf die richtige Akkordeon-Spieltechnik einlässt. Stell die Füße parallel auf den Boden. Halte die Riemen nicht zu kurz, das Instrument sollte nicht an den Schultern hängen, sondern vor der Brust stehen, die Riemen sind nur dazu da, dem Instrument beim Aufziehen und Schließen des Balges einen Halt zu geben. Rotiere die Wirbelsäule, wenn du den Balg öffnest oder schließt. Darauf konnte ich mich gut einlassen. Ich korrigierte die Höhe meiner Sitzgelegenheit, weiß aber jetzt definitiv, dass ich eine neue brauche, wenn ich die Ratschläge der Autoren des Buches folgen will. Außerdem brauche ich jetzt weniger Kraft beim Spiel mit dem Balg (Warum ich Dödel immer wieder auf die Idee komme, den Balg anzuheben, wenn ich ihn aufziehe?), auch die Drehung habe ich ausprobiert und war positiv überrascht. Manches wurde mir durch das Buch bewusst. Mir gefällt auch, dass der Autor kritische Ticks beschreibt, die er bei seinem Unterrichten begegnet ist (z.B. Dass manche den Kopf kraftvoll nach hinten oder vorne beugen, wenn sie den Balg auf- oder zuschieben). Die Klauenhaltung, den die Akkordeongötter favorisieren, wird auch gefordert, zumindest habe ich jetzt ein Verständnis warum das so sein muss. Möglichst wenig Bewegung=möglichst wenig Anstrengung=möglichst wenig Zeit. Auch das Thema Mimik kam vor. Damit haben wir uns schon einmal beschäftigt und unabhängig von den beiden Autoren bin ich bei mir auch zu dem Ergebnis gekommen, dass das eine innere Einstellung widerspiegelt, an der ich noch arbeiten muss. Spannend fand ich, dass diese Anspannung im Gesicht mit der Verspannung des Rückens und des Halses korrelieren soll. Interessant ist die Therapie: Steuere nicht dein Gesicht, sondern erhöhe deine Sensibilität, so dass die Musik dich steuert. Wieder ein Plädoyer für Lockerlassen, das man mit Übungen der Alexandertechnik in den Griff kriegen können soll. Kurz überflogen habe ich das Thema Lampenfieber, weil ich damit fast nicht zu kämpfen habe. Auf jeden Fall soll man den Kontakt zum Publikum suchen, Augen schließen geht gar nicht. Wenn man keine Ahnung hat, wie man Töne anschlagen oder beenden kann, wird einem auch geholfen. Man kann die verschiedenen Verfahren gut ausprobieren. Herrn Chopin irritiert hätten die Ausführungen zum inneren Metronom. Ein Metronom finden die Autoren im Gegensatz zu dem Klaviergenie, der nie ohne leben konnte, nicht notwendig.

Den ersten Teil fand ich durchaus praktisch. Man bekommt Anleitungen, was und wie man sich beobachten kann und kann praktisch am ein oder anderen arbeiten. Der zweite Teil hingegen fällt relativ theoretisch aus. Es geht darum, wer Alexander war, was seine Grundlehre ist und wie die Methode gestrickt ist. Letztendlich wird man in dem Buch schlau gemacht. Für meine praktischen Akkordeonkünste konnte ich dort nichts entnehmen, dazu war es zu unkonkret. Das ist freilich auch nicht der Anspruch des Teils, er will ja die zugrundeliegenden Probleme sichten, erörtern und Lösungswege aufzeigen. Klar gemacht wurde mir aber an mehreren Stellen, dass man einen Lehrer braucht, wenn es an den Körper gehen soll.

Wem hilft das Buch etwas? Ich glaube, dass das Buch jedem hilft, der der irgendwann einmal zu der Auffassung kommt, dass das eigene Spiel grundlegend körperlich oder mental blockiert ist und sich darum nicht vollendet entfalten kann. Hier werden die Grundlagen behandelt. Nicht behandelt werden spezifische Akkordeontechniken und ihre Probleme (Nichts zum Thema Bellowshake), kurz angeschnitten zum Beispiel aber Fingersätze. Nicht behandelt werden auch Imaginationstechniken, die sich aus einer Komposition ergeben können und eine Komposition steuern können (Ein Beispiel dafür: Entdeckung: In dieser Komposition steckt ein Mahlwerk einer Mühle. Methode: Ich visualisiere das Mahlwerk, sehe es vor mir und spiele diese Komposition im Rhythmus mit meinem inneren Bild vom Mahlwerk im Mühleninnern.). Die Imagination bleibt im Buch auf die Kontrolle des Körpers beschränkt.

Witzig ist es dann, mit dem Buchwissen gestärkt, Youtube-Videos zu gucken.:-D Was Weltklasse-Akkordionisten so alles falsch machen!:-D;-);-) Na ja, es hat noch keiner den zu 100% inspirierten Koran der Akkordeonkunst geschrieben.:p Für mich war das Buch trotzdem weiterführend. Viele meiner Probleme, mit denen ich kämpfe, wurden aufgezeigt und in einen weiteren Kontext eingeordnet.:great: Spannend war die Frage meiner Frau nach meinem letzten Vorspiel: "Du guckst ja gar nicht mehr ganz so angespannt." Was so eine Übung alles bewirken kann.
 
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Hallo @Bernnt
Danke für die gute Beschreibung dieses Buches.
Ich bin ja selbst Körpertherapeut in einer der Alexandertechnik ähnlichen Ausrichtung.
Bei mir ist das umgekehrt:
Mein Körper ist sehr gut ausgebildet, sich ökonomisch zu bewegen in quasi jeder Alltagssituation.
Was ich jetzt allmählich umsetzen möchte, ist das Ausnutzen dieses sensiblen Körpers bezogen aufs Akkordeon.
Einiges ist schon sehr auffällig anders geworden. Beispielsweise die Position des Instruments, die Winkel der Ellbögen und der Handgelenke. Die Sitzposition sowieso, weil das generell optimiert ist, ebenso wie Gehen, Stehen.
Auch die Höhen des Sitzes.
Ich kann quasi auf „normal hohen“ Stühlen nicht gut sitzen, ohne dass sich z. B. der Psoasmuskel anstrengen muss. Oder die Beine.
Ich sitze dann am Entspanntesten am Instrument, wenn die Knie etwas erhöht gegenüber dem Hüftgelenk sind und sich damit Rumpf und Oberschenkel gegenseitig die Balgarbeit erleichtern. Auch durch rotieren und wippen. Das wiederum macht die Schultern entspannter, auf denen dann kaum noch Last ist, was die Unterarme und Hände wiederum entspannt.
Ich brauch z. B. keinen Querriemen hinten, lieber ändere ich immer ein wenig die Position des Instruments und brauche da etwas Spiel beim Gurt.
Beim Spielen im Stehen ist das wiederum anders. Weil die Knie wegfallen, muss ja der Brustkorb und Schultergürtel alles tragen und dann entlastet der Querriemen die Schultern sehr.
Wenn man mich jedenfalls so spielen SIEHT, schaut das schon sehr elegant und fluffig aus (fühlt sich auch so an)
Aaaaber mein „Problem“ liegt in der Ausnutzung dieses schön entspannten auf das eigentliche Spiel :)))
Also konkret: Wie spielt man schön Akkordeon, wie übt man Stücke richtig ein, wie artikuliert man, wie improvisiert man ... also quasi das spezielle beim Akkordeonspiel.
Das mach ich rein intuitiv und bin nicht sooo zufrieden bisher.
Und vom Blatt spielen ... kreisch ... :)
Deshalb wäre für mich wohl nur ein Lehrer was, bei dem ich ganz persönlich erfahren kann, wie man eigentlich richtig gut spielt.
Am entspannten und ökonomischen und auch gesunden Bewegen hängst bei mir jedenfalls weniger
 
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Ich habe jetzt das Buch von Friedrich Lips, Die Kunst des Bajanspiels durchgelesen. Meine Eindrücke sind ambivalent.

Mit dem Werk bekommt man ein Kompendium in die Hand. Man kriegt einen Überblick über das, was mit einem Akkordeon möglich ist. Welche Möglichkeiten gibt es, einen Ton zu erzeugen (Tastaturanschlag, Artikulation)? Welche Formen von Bellow-Shakes kommen vor? Welche Register soll man wann einlegen? Was ist bei der Dynamik zu beachten (z.B. Töne der unterschiedlichen Chöre fallen bei einem extremen Decresendo nacheinander aus.)? Wie arbeitet man in einem mehrstimmigen Werk die einzelnen Stimmen hörbar heraus? Wie hält man ein Akkord richtig? Wie sieht ein guter Fingersatz aus? Diese Fragen werden beantwortet und an vielen Stellen mit Notenbeispielen bekannterer und unbekannterer Komponisten unterstrichen. Es fällt hier auf, dass viele zeitgenössische Beispiele russischer Tonsetzer vorkommen. Die Frage ist, was die Notenbeispiele austragen.

Meine Schwierigkeit ist bestimmt, dass ich keinen Überblick habe, wie zum Beispiel die Artikulationsarten klingen müssen. Alleine mit Notenbeispielen ist mir nicht geholfen. Ich brauche eine Klangvorstellung. Naturgemäß kann das Buch sie nicht liefern - weil es eben in einer Zeit geschrieben wurde, in der man weder eine CD beigelegt hat noch das Internet zur Verfügung hatte, wo man die richtige Interpretation der Notenbeispiele hätte nachhören können. Insofern bietet das Buch Hinweise, wo man suchen muss, wenn man etwas an seiner Technik vertiefen oder verbessern möchte, aber keine Anleitung für eine praktische Verbesserung des eigenen Spiels.

Gelegentlich wirkt Lips auch etwas autoritär. Er hat z.B. klare Vorstellungen, wie bestimmte Bachstücke gespielt werden MÜSSEN. Punkt. Manchmal fragte ich mich, woher er seine Sicherheit nimmt, dass die kleine g-moll Fuge Bachs (BWV 578) definitiv legato und die c-Moll Fuge aus dem WTK1 (BWV 847) staccato zu interpretieren seien. Vielleicht macht ein Originalzitat deutlich, was ich meine: "Dasselbe kann über die Vortragsart staccato gesagt werden. Das Staccato wird in den Werken Bachs eher dicht und tief gespielt, etwa mit dem Empfinden, die Tasten bzw. Knöpfe der Klaviatur jeweils ganz niedergedrückt zu haben. Hier ist kein Platz für Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit" (Seite 181 mit Notenbeispiel des Themas aus BWV 847). Wahrscheinlich hat sich Lips mit solcher Kritik schon früher auseinander setzen müssen, zumindest bittet er im Nachwort den Leser darum, seine belehrende Art nachzusehen (Seite 249).

Etwas mehr hatte ich mir bei der Passage über die "Interpretation eines musikalischen Werkes" erwartet. Für Lips sind Wissen (z.B. über den Komponisten, sein Werk und seine Zeit) und Handwerk grundlegend. Er schreibt auch, dass ein Interpret sich ein Werk aneignen muss. Es kommt aber nicht vor, welcher mentalen Techniken man sich bedienen kann, um die Interpretation eines Werkes praktisch möglich zu machen. Vielleicht ist diese Frage eine Frage von heute und damals zurzeit, als das Buch geschrieben wurde, nicht von solcher Bedeutung, als dass man es niedergeschrieben hätte.

Mein FAZIT:
- Das Buch ist ein gutes Kompendium. Es gibt einen guten Überblick über Spieltechniken. Die Beschreibungen insbesondere der verschiedenen Bellowshakes finde ich gelungen.
- Ich interessiere mich viel mehr als das Buch für die Bedeutung mentaler Prozesse beim Spielen.
- Also muss ich ein weiteres Buch suchen - andere wie @Wil_Riker vielleicht einen Lehrer, weil der natürlich manches demonstrieren kann.

P.S. Ich wäre interessiert zu erfahren, wie es anderen mit dem Buch geht. Soweit ich weiß, hast du das Buch nun ja auch, @morino47...

- Ich interessiere mich viel mehr als das Buch für die Bedeutung mentaler Prozesse beim Spielen.

Was im Hirn vorgeht, wirkt sich auf jeden Fall aus. Bin ich traurig, spiele ich in der Regel langsamer. Stecke ich voller Energie, spiele ich schneller und artikulierter. Wer also sein Hirn in den Griff bekommt, bekommt ein Musikstück besser in Griff - eine gewisse Fingerfertigkeit natürlich vorausgesetzt. Dabei geht es nicht nur darum, die richtigen Tasten und Knöpfe zu drücken. Es geht darum, eigene musikalisch wirksame Vorstellungen und Bilder zu entwickeln und diese wirken zu lassen. Wenn ich mich für mentale Prozesse interessiere, dann nutze ich also ähnliche Ideen wie sie z.B. das autogene Training oder diverse von den Sportwissenschaften ausgearbeitete Übungsmethoden realisieren.

Zwei Bücher habe ich dazu gelesen. Einerseits Norbert Schindlegger, Werde dein Lehrer: Die Methode zum erfolgreichen Üben und Musizieren, 2015. Andererseits: Gerhard Mantel, Einfach üben: 185 unübliche Überezepte für Instrumentalisten. Mainz: Schott, 2001. Das zweite Buch hat mich begeistert. Es ist gut gefüllt - theoretisch wie praktisch - , hat unglaublich interessante praktische Anregungen und hilft enorm weiter. Auch die mentale Dimension kommt nicht zu kurz, die Ergebnisse sportwissenschaftlicher Forschungen fließen mit ein, die doch manches stark relativieren, was mir früher mein Akkordeon-Lehrer beigebracht hat. Das Buch ist also was für den Kopf, fürs Herz und die Hand. Ich habe selten etwas für die Übepraxis so interessantes gelesen - kein Wunder, dass das der renommierte Schott-Verlag herausgebracht hat und dass das Buch über mehr als 15 Jahre nachgedruckt werden musste. Darum möchte ich es hier vorstellen. (Übrigens ich werde für diesen Beitrag nicht bezahlt...)

Der Autor ist Cellist und lehrt an der Musikhochschule Frankfurt. Dennoch sind seine Überezepte auch für Akkordionisten geeignet. Freilich muss man gewisse Bedingungen erfüllen. Erstens sollte man grundlegende technischen Fähigkeiten besitzen. Zweitens sollte man nicht nach dem Prinzip Hoffnung üben wollen, sondern nach dem Prinzip Problemlösen. Dabei stellt man folgende Fragen:
1. Was ist eigentlich konkret mein Problem?
2. Was genau steht der Lösung des Problems im Weg?
3. Verfüge ich über die Methoden, die Hindernisse auszuräumen?
4. Wenn nicht, wie komme ich an solche Methoden? (Seite 15).
Man braucht also eine gewisse Fähigkeit zur Selbstbeobachtung und autodidaktische Fähigkeiten, die Anfänger wahrscheinlich in der Regel nicht haben. Ich muss wissen, was ich will. Ich muss wahrnehmen, was ich mache. Ich muss wissen, wie ich den Unterschied zwischen wollen und machen abbaue (Seite 18).

Bei Amazon lässt sich das Inhaltsverzeichnis anschauen. Es ist unglaublich umfangreich: Teil A kümmert sich ums richtige Üben. Teil B thematisiert Bewegungen (des ganzen Körpers), Teil C die mentale Organisation, Teil D die Interpretation und dort die mentalen assoziativen Prozesse, mit denen ich mich zurzeit beschäftige. Ich kann unmöglich hier schreiben, was alles drin vorkommt, ich möchte aber meine Hallo-Wach-Momente bei der Lektüre beschreiben.

Im Teil A geht es u.a. um Fehler. Nach Rezept 43 sollen wir sie nicht als Pannen betrachten, sondern als wichtige Lern- und Spielinformationen akzeptieren und bewusst als Arbeitswerkzeug verwenden. So weit so gut. Das ist naheliegend, wenn man sich einige Zeit mit Musikmachen beschäftigt. Dass man nicht wiederholt falsch spielen soll, weil man sonst falschen Kram ins Hirn einprägt, ist auch klar (Rezept 45). Manchmal aber hat man ja irgendetwas fix gelernt, was man nach einigen Monaten oder Jahren für Murks hält oder für musikalischen Schwachsinn. Was dann? Dann soll man ABSICHTLICH Fehler einbauen, rät der Autor. Unglaublich, und irgendwie genial. Wir machen eine bewusst gelernte Bewegung bewusst kaputt, denn wer bewusst etwas kaputt machen kann, kann auch bewusst eine schönere Interpretation schaffen (Rezept 47, Seite 58f).

In Teil B geht es um Bewegungen - nicht nur um Bewegungen der Finger, sondern um Bewegungen des ganzen Körpers. Dieser sportwissenschaftlich inspirierte Teil brachte alles ins Wanken, was mir alte Akkordeonlehrer eingetrichtert haben. Meine Akkordeonlehrer brachten mir immer bei, ich solle bei den Bewegungen sparsam sein, kleine Bewegungen, den Körper nicht mit zuviel Bewegungen überfrachten. Etc. pp. Vielleicht hat der ein oder andere auch dieses "preußisch"-musikalische Soldatenmusiktraining bekommen. Mantel grenzt sich massiv dagegen ab: "Jeder Bewegung ist eine genau entsprechende Empfindung zugeordnet. Das Raster dieser Empfindung, ihre Deutlichkeit, zeigt jedoch ganz erhebliche Schwankungen. Eine Bewegung, bei der ganze Teile des Körpers unbewegt, also blockiert und damit 'desensibilisiert' sind, erzeugt im Hirn ein wesentlich undeutlicheres Bild meines derzeitigen Körperzustandes als eine Bewegung, bei der alle Teile des Körpers ein bisschen bewegt sind..... Je mehr Gelenke in die Bewegung einbezogen sind, desto genauer ist das Resultat beim Instrumentenspiel" (Seite 88). Die folgenden Rezepte bringen mich dazu, etwas mehr Bewegung ins Akkordeonspiel zu bringen. Wer starr sitzt, spielt starr. Wer Leute bewegen will, bewegt sich selber.

In Teil C mischt der Kopf mit. Auch der kann Sachen machen, die auf den ersten Blick nicht so einsichtig sind. Manche von uns stellen sich Tasten einfach vor, wenn sie die Tastatur nicht sehen können. Manche schreiben sich Fingersätze drunter und strukturieren das musikalische Geschehen auch damit - auch eine bewusste Angelegenheit. Man kann Sachen langsam oder absichtlich zu schnell üben. Etc. pp. Unglaublich fand ich Rezept 131: Verschiebe doch mal mental die Taktstriche. Dadurch entstehen natürlich neue Patterns und beleben den Lernprozess. (Seite 136f) Wie man auf so was kommen kann, ist mir schleierhaft. Ich habe herzlich gelacht, als ich das mal ausprobiert habe. Irgendwie werden da einfache Volks- und Kinderlieder zu kleinen Kunstwerken und man kriegt einen völlig neuen Zugang.

In Teil D geht es um das, was ich mit Anna Goldsworthys Piano Lessons für mich entdeckt habe. Wie wirken Assoziationen auf Musik? Rezept 176 stellt fest: Assoziationen regen die Phantasie an und bringen Profil und Farbe ins Spiel. (Seite 176). Mantel macht Mut es mit Assoziationen zu probieren. Ich für mich habe festgestellt, dass ich dann anfange, nach der eigenen Interpretation eines Stücks zu suchen und vom Kopieren wegkomme. Und sich selber finden, das kann ja nicht schlecht sein, oder?

FAZIT:
a. Ein sehr gutes Buch, zu empfehlen für alle, die schon Akkordeon spielen können und weiterkommen wollen.
b. Interessant für Menschen, die lernen wollen, mit Fehlern umzugehen und mit Fehlern zu spielen. Ideal für Menschen, die immer schon geahnt haben, dass der Körper wichtiger ist als man im Musikunterricht erfährt. Gut auch für Menschen, die jahrelang beim Üben auf der Stelle tappen und einfach nicht weiterkommen. Zu mehr als 90 % sind fehlerhafte Übeabläufe daran schuld. Super für Musiker, die gerne experimentieren und ihr Gehirn spazieren führen und für Leute, die alles über alles wissen wollen.
c. Nichts für Leute, die nicht gerne lesen und Probleme haben, musikalische Sachverhalte aus Büchern zu entnehmen.
d. Zeitfressend für Menschen, die lieber Hörbeispiele anhören und einstellen wollen.

Absolute Kaufempfehlung. Ob es für euch auch etwas ist, kann man bei Amazon rauskriegen. Da lassen sich ein paar Seiten lesen, ohne das Buch gleich kaufen zu müssen.
 
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Ich habe jetzt das Buch von Friedrich Lips, Die Kunst des Bajanspiels durchgelesen. Meine Eindrücke sind ambivalent.

Dem stimme ich zu.

Ich habe das Buch auch seit einigen Tagen geschafft, hier mein höchst subjektiver Eindruck - von einer Rezension möchte ich mangels journalistischer und musikalischer Expertise nicht sprechen.

Lips vermittelt unzweifelhaft den Eindruck, ein Kenner und Könner des Fachs zu sein, allein sein Literaturverzeichnis ist eindrucksvoll. Insofern möge er mir nachsehen, wenn ich aus meiner beschränkten Perspektive Kritik übe. Dazu meine ich aber berechtigt zu sein, dann an Leute wie zum Beispiel mich ist das Buch ja gerichtet. Er schreibt insbesondere aus der Sicht des konzertierenden Meisters und Lehrers und bezieht sich im Wesentlichen auf alte und moderne Klassik russischer Prägung auf dem Akkordeon.

Beim Lesen des Buches wird die Zielsetzung nicht eindeutig klar: Ist es ein Nachschlagewerk, ist es zum Selbststudium gedacht, ist es als Begleitlektüre zu einem Unterricht gedacht? Jedenfalls merkt man dem Buch an, dass es zu Zeiten des Sozialismus in der Sowjetunion geschrieben wurde: damals hatten die Leute anscheinend Zeit, sich ausholend schriftlich zu präsentieren ohne auf die Zeit ihres Gegenüber achten zu müssen. Mit einer prägnanteren und auf ausschweifende Wiederholungen verzichtenden Darstellung wäre das Buch halb so dick bei gleichem Informationsgehalt. Dieses Sachbuch weist Züge literarischer Unterhaltung auf, letztere ist unangebracht und wird vom Leser auch nicht erwartet. Die wohlgemeinten Vor- und Geleitworte passen in dieses Bild, der eigentliche Text beginnt auf Seite 39.

Was habe ich mitgenommen von dieser Lektüre bzw. womit werde ich mich nochmal intensiver befassen?

- genaue Unterscheidung der vielfältigen Anschlagstechniken (legato, etc). Nebenbei habe ich gelernt, dass man auf einem Knopfakkordeon ein chromatisches Glissando erzeugen kann.
- Registereinsatz nicht nur für Klangfarbe, sondern auch für Lautstärke
- Fingersätze sind, falls technisch möglich, an musikalischen Phrasen auszurichten, nicht nur an anatomischen Gegebenheiten
- Verständnis der Komposition muss erarbeitet werden unabhängig von der Arbeit mit dem Instrument, werkgetreue Durchdringung einer Komposition vor Erarbeitung einer eigenen Interpretation. Soweit klar. Es fehlen aber Handreichungen und charakteristische Beispiele für die Herangehensweise.
- Unterscheidung zwischen Musik und Handwerkelei, Erarbeitung einer eigenen Interpretation jenseits der fingertechnischen Beherrschung eines Textes
- Schaffung und Pflege eines stets verfügbaren Repertoires
- prinzipieller Aufbau eines Programms für Vorspiel/ Konzert - für Amateurspieler eher nicht so wichtig
- Verhaltensweisen vor/ während/ nach einem Vorspiel/ Konzert

Das Buch weist deutliche handwerkliche Mängel. Einige davon sind:

- zu Beginn wird davon gesprochen, dass sowohl Piano- als auch Knopf-Fingersätze angegeben werden. Das wird aber bei den wenigsten Fingersatzbeispielen gemacht. Ob die Knopf-Fingersätze B- oder C-Griff sind, bleibt unerwähnt.
- Es gibt eine klare technische Definition für Tremolo und Vibrato: Tremolo ist Amplituden-Modulation (Ton hat Lautstärkenschwankung), Vibrato ist Frequenzmodulation (Ton hat Tonhöhenschwankung). Der Autor kennt diesen Unterschied und erwähnt ihn auch, spricht dann aber dennoch länglich von Tremolo und Vibrato bei den Akkordeons. Er bleibt damit in der unscharfen Begriffswelt der Orgelbauer des 18. Jahrhunderts, die auch munter ihre Orgeln mit Tremolo- und Vibrato-Registern ausgestattet haben.
- Bending wird nicht behandelt
- mehrmals werden die Unterschiede der 4- und 5-Finger-Technik der rechten Hand beim Knopfakkordeon angesprochen, aber keine schlüssige Empfehlung gegeben, wann die eine, wann die andere sinnvoll einzusetzen ist.
- an einer Stelle wird ohne weitere Begründung die Gabelstellung beim Fingersatz abgelehnt, S.154. (Gabelstellung beim Fingesatz hat man, wenn z.B. auf der Pianotastatur der Wechsel der Terzen c-e auf d-f mit 1-3 und 2-4 gespielt wird)
- teilweise überraschen kantige Lehrmeinungen, wie auch oben von @Bernnt angemerkt, die in ihrer Ausschließlichkeit nicht haltbar sind. Beispiel: Im Zusammenhang mit Über- oder Untergreifen bei längeren Tonfolgen und der Problematik, dass hierbei die kleinste Ungenauigkeit beim Akkordeon zu hören ist, fällt der Satz, "beim Klavier deckt das Pedal alles zu", S.164. Dem ist nichts hinzuzufügen.
- Register werden ausführlich angesprochen, es fehlen aber Beispiele für einen künstlerisch anspruchsvollen Registereinsatz. Es werden auch keine generellen Empfehlungen für den Einsatz der Register angegeben.
- Handhaltung nur für Knopfakkordeon erläutert

Trotz meiner teilweise kritischen Anmerkungen kann man zusammenfassend sagen, dass in dem Buch einiges Lehrreiche steht (so weiter oben schon von @Klangbutter kurz und trocken angemerkt). Ich meine aber, ein Lehrbuch eines anerkannten Hochschullehrers sollte prägnanter und mit größerem didaktischem Eifer geschrieben werden.

Viele Grüße

morino47
 
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