Wenn ich da mal wieder Oberlehrer spielen darf, ein kleiner Hinweis zur Thematik:
Die meisten Griffsammlungen im Netz kranken daran, daß dort irgendwelche Akkorde zusammengestellt werden, die der jeweilige Seitenersteller selbst möglicherweise irgendwo gefunden hat, und dann (ohne selbst den großen Durchblick zu haben) ins Netz stellt. Bei einfachen Akkorden ist das nicht weiter tragisch, wenn die Teile aber komplexer werden, tut man sich damit keinen großen Gefallen. Und Gitarristen haben meistens eben auch nicht so das große Akkordvokabular, sind aber eigentlich immer auf der Suche nach neuen Akkorden.
Gerade die beiden letztgenannten Adressen hatte ich mir auch angeschaut, und (erwartungsgemäß) wie üblich, auch da wieder ziemliche Fehler entdeckt. Da werden dann z.B Moll7b5-Akkorde dargestellt, die gar keine sind, was aber mangels theoretischem Unterbau auch sowieso keinem Benutzer auffällt, oder was ich mal bei einer anderen, hier nicht genannten Akkorddatenbank im Netz sehen konnte, alle möglichen hochkomplizierten Bezeichnungen für einen Akkord angeführt, nur die eine, die richtig wäre, fehlt leider völlig. Und wenn dann neben Gitarrengriffen auch noch Kochkurse und Yoga angeboten werden, scheint es mit der Kunst nicht so weit herzusein.
Die (kaufbaren) Akkordbücher sind/waren früher zumindest sachlich richtig, der Nachteil von den Büchern, wie allen Akkordsammlungen ist aber der, daß Akkorde nie isoliert betrachtet werden können, weil die immer mit anderen im Zusammenhang stehen. Und es gibt eben den Grundsatz, daß gemeinsame Töne (von zwei Akkorden) immer liegenbleiben, und alle anderen den kürzesten Weg zum neuen Akkord gehen müssen. Wer will, kann ja auch mal nach Paul Hindemith's "Unterweisung im Tonsatz" googeln, daß Ding ist zwar uralt, hat aber leider immer noch seine Gültigkeit. Da findet sich dann jedenfalls noch genügend Material zur weitergehenden Beschäftigung.
Die beste Methode, um den Kram auf die Reihe zu bringen, ist meiner Meinung nach, sich die theoretischen Grundlagen für den Akkordaufbau und die leitereigene Harmonisation entweder über Bücher (die hier öfter genannten Titel wie neue Harmonielehre etc. sind schon eine gute Quelle) oder aber über's Netz zusammenzusuchen und draufzuschaffen. Und dann geht man am besten (immer ausgehend von den hohen Saiten) Saitenpaare mit vier gleichbleibenden Saiten (ohne Leersaiten) durch und versucht erstmal auf diesen die Vierklänge zu bilden, und zwar vielleicht erstmal Maj7-Akkorde, also Akkorde mit großer Septime (wäre für Cmaj7 also C,E,G und H), weil die noch relativ einfach gehen bzw. notfalls auch von den Barre-Akkorden abgeleitet werden können. Wenn man die auf die Reihe bekommen hat, versucht man die große Septime in eine kleine zu verwandeln und hat dann Dur7 oder eben Dominant-Sept-Akkorde, die man danach durch Verschieben der Terz in Moll-Sept-Akkorde verwandeln kann. Der Weg von diesen auf Moll7b5, Dur7/9 etc. ist dann eigentlich recht einfach.
Das Ganze ist eine ziemlich abendfüllende (für viele Abende) Beschäftigung, die dann aber den Vorteil hat, daß man seine Töne auf dem Griffbrett auf die Reihe bekommt, und irgendwann auch sofort aus dem Stegreif weiß, welche Töne in einen bestimmten Akkord gehören. Dann kann man versuchen, die Akkorde auf Saitenpaaren mit einer Leersaite zwischen Grund-/Baßton und den restlichen Akkordtönen für Vierklänge zu finden.
Und wer dann die Nase immer noch nicht voll hat, reduziert die gefundenen Vierklänge dann auf Dur-Dreiklänge und sucht die dann erst auf 1.,2. und 3., dann auf 2.,3. und 4., und dann vielleicht noch auf 3.,4. und 5. Saite. Es gäbe dann auch noch ein paar andere Möglichkeiten wie z.B. 1.,2. und 4., oder 2.,3. und 5. Saite, aber ich hör' jetzt einfach mal auf.
Oberlehrer-Modus aus.
Wer bis hierhin gelesen hat, der Hinweis, daß man mit der beschriebenen Methode gute 20 Vier-, und an die 60 Dreiklänge finden kann. Damit hat man dann, wenn man die Erweiterungstöne bzw. die dazugehörenden Ersatzregeln beachtet, 120 Vierklänge, was bei zwölf Tonarten doch eine genügend große Akkordsammlung ergibt. Viele von denen sind relativ unpraktisch, und lassen sich nur in bestimmten Situationen einsetzen, weil die Griffwechsel teilweise schon recht heftig werden können, und auch viele von den Akkorden nur mit unüblichen großen Streckungen zu greifen sind. Allerdings werden dann auch die Zusammenhänge zwischen den Akkorden und den jeweiligen Skalen im Lauf der Zeit immer klarer, und man hat, wenn es drauf ankommt, notfalls auch noch ein paar nette, aber völlig unübliche Akkorde unter den Fingern, die auch fachkundige Zuhörer noch ins Staunen bringen können.
Und dann kommt der alte Spruch: It's more fun to compete!
Viel Vergnügen!
P.S.:
Nur mal so als Beispiel ein H-Dur-Dreiklang:
e1 -x----
b2--x----
G3----4--
D4-1----
A5-x----
E6--.2--
der natürlich erstens verschieb-/oder transponierbar ist, und zusammen mit E-Dur und A-Dur-Dreiklängen auf dem selben Saitenpaar schon ganz gut klingt, besser natürlich mit E- und F#-Dur-Dreiklängen, wenn man den H als Tonika betrachtet.