Absolutes Gehör für Tempo – gibt es das?

murmichel
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Gibt es neben dem absoluten Gehört für Tonhöhen auch ein absolutes Gehört für Tempo? Also die Fähigkeit, die Frequenz (BPM) eines Pulses auf wenige Prozent genau zu erkennen und zu produzieren.
 
auf wenige Prozent genau
Was wäre denn für Dich 100% daneben? Also bei bpm 60, wären dann 120 bpm 100% daneben? Oder 0 bpm? :gruebel:

60bpm treffe ich auf 5 Beats genau (Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr), 170 bpm ebenfalls (Take Five). Viel lässt sich damit dann einigermaßen ausrechnen. Aber wieviel Prozent sind das?

Bei mir geht das über Vorstellung und Erinnerung.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Die Zeitwahrnehmung funktioniert ja nicht über das Ohr, sondern über das Gehirn, würde ich sagen. Allein, dass sie von der Körpertemperatur abhängt und die innere Uhr bei Fieber zum Beispiel schneller läuft, sollte zeigen, dass es nicht möglich ist.
 
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ich bin schon immer der Meinung, daß das Timing eine Körperfunktion ist, wer lange genug mit dem Metronom gearbeitet hat, der hat das intus - Abweichungen bei körperlichen Gegebenheiten sind möglich.

Mir haben die Übungen von Flatischler (alte Bücher) sehr geholfen und u.a. auch die Marschmusik bei der Bundeswehr - und natürlich 50 Jahre tägliche Übungen nach Metronom.


Das war aber nicht die Ausgangsfrage...
...ich kann vorgegebenes Timing brauchbar reproduzieren - aber durch reines Anhören (ohne Vergleich) nicht das Absolute Tempo HÖREN. Abnehmen und weiterführen kann ich sehr wohl.
Klar hat man EIN Gefühl, ob etwas langsam, mittel oder schnell ist, aber wie schnell dann wirklich...??



Kl. Anekdote am Rande... irgendwann hat BOSS ein elektonisches Metronom rausgebracht mit Tap-Funktion.
Ich war zufällig im Rockshop, als auch Charlie Antolini da war, Rudi Metzler (einer der Besitzer von dem Laden) war beim Tappen (ging rein ums Timing) besser als Antolini, was den so aus der Fassung gebracht hat, daß er abends beim Konzert immer noch drüber verärgert gezetert hat...
 
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Ich habe gestern bei YT ein Video über Prince im Studio gesehen. Da hat er wohl erst die Drums ohne Click eingespielt, mit 12 Takten Pause dazwischen. Mit der Gitarre soll er den Einsatz nach dem Break dann genau getroffen haben. Laut dem beteiligten Ingenieur hatte Prince etwas in dieser Art…
 
Es gibt doch Untersuchungen zu diesem Thema, deren Ergebnisse zeigen, dass es Menschen mit solchen Fähigkeiten gibt, aber wahrscheinlich fehlt noch eine genaue Definition dafür.

https://web-archive.southampton.ac.uk/cogprints.org/644/1/tempo.htm (Levitin & Cook, 1996)

https://www.sc.edu/about/system_and...tte_testing_the_absolute_tempo_hypothesis.pdf Matthew A. Rashotte & Douglas H. Wedell, (2014)

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5070877/ Gratton, I., Brandimonte, M. A., & Bruno, N. (2016)

These results provide evidence that some individuals have the ability to retrieve the temporal rate of an acoustic event without a reference (absolute tempo, AT). When compared with the estimated prevalence of absolute pitch (AP) found in the literature (about 0.01%, see [4855]), the number of individuals that performed better than chance in our tasks may be taken as support to the hypothesis that AT might be more common than AP. Also, in contrast with AP, which is generally considered to be relatively rare and strongly related to musical training [48], our results may be interpreted as evidence that AT is present in both musicians and non-musicians, although there is some evidence that musical training improves performance on tempo identification. It should be noted however that no accepted criterion exists for categorizing individuals as possessing AT. In the present study, as a first step in this direction we proposed a criterion based on a certain definition of chance performance. The current interpretation could however change if a different and presumably better criterion will be defined in future work.

https://online.ucpress.edu/mp/artic...ical-Tempo-Memory-and?redirectedFrom=fulltext Julia Vigl, Francesca Talamini, Andreas Feller, Sonja Gerstgrasser, Heike Henning, (2023)

Our results suggest that musical tempo memory is generally highly accurate and stable, with even greater accuracy and stability when participants played an instrument to reproduce the tempo. Furthermore, we found no evidence for an effect of arousal and mood. The impact of musical expertise, however, was mixed: individuals with higher expertise performed better in Study 1 but with no statistically significant difference in Study 2.
 
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Denke es kommt darauf an wie du "absolutes Tempo" definierst.

Im Rhythmus mitschunkeln/-klatschen kann jeder spätesten nach einem Takt. Die meisten schon nach zwei Tönen, also sofort, wenn ein Takt da ist.

Ich glaube aber nicht, dass jemand sagen kann 120 BPM bzw. 500 ms zwischen zwei Beats, weil das voraussetzt, dass es Menschen mit perfekten inneren Uhr gibt.

Ich erinnere mich an Dokus über die Entdeckung der Welt. Eine genaue Uhr war der letzte Schlüssel bei der Navigation auf hoher See. Gäbe es Menschen welche mit der Gabe einer perfekten inneren Uhr ausgestattet sind, dann würde ich meinen, sie wären sicher als Teil der Expeditionen dokumentiert worden und die Erfindung präziser Uhr wäre keine Geschichte einer bahnbrechende Erfindung welche die Welt veränderte sondern eine Geschichte wo Menschen durch billigere Maschinen ersetzt wurde.

Andererseits höre ich von Zikaden die alle gemeinsam pünktlich in 17 Jahren Ryhthmus auftauchen. Ist das evtl. der Beweis für die Existenz einer biologischen, perfekten Uhr?
 
Gibt es neben dem absoluten Gehört für Tonhöhen auch ein absolutes Gehört für Tempo? Also die Fähigkeit, die Frequenz (BPM) eines Pulses auf wenige Prozent genau zu erkennen und zu produzieren.

Wer für das Thema offen ist (schon das sind nicht so viele Leute) und dazu begabt und dann noch geübt hat, kann da durchaus sehr gute Ergebnisse erzielen.

Die Körperrhythmen sind da schon ziemlich entscheidend, finde ich. Der Herzschlag hat 60-80 BPM - wer die BPM des eigenen Herzens in verschiedenen Situationen kennt, kann davon ein Tempo ableiten. Marschiert wird dagegen bei 108-120 BPM, z.B. die Bundeswehr marschiert mit 114 BPM. Wenn in Fernsehshows mitgeklatscht wird, pendelt sich das ja auch in dieser Größenordnung ein.

Prägung ist der große andere Faktor. Seit ich Funk-Grooves immer bei (dem für mich "amtlichen" Funk-Tempo) 104 BPM geübt habe, treffe ich das Tempo sehr genau. Stücke, die ich jahrelang zum Klick gespielt habe, kann ich auch mit hoher Trefferquote wieder im damals üblichen Tempo spielen.
 
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Kurze Einordnung vom TE: Mir ist schon klar, dass es bei meiner Frage nicht um Hören im engen Sinn geht. Die fragliche Fähigkeit hat auch nicht zwingend mit akustischen Ereignissen zu tun, sondern das zu erkennende Tempo könnte von einer blinkenden Lampe kommen bzw. bei die Pulse könnten durch Drücken eines geräuschlosen Tasters erzeugt werden.

Im Gehirn hat das alles vermutlich mehr mit motorischen Arealen zu tun, aber das ist für mich ein "Implementierungsdetail"; wenn auch ein spannendes. Meine Frage ist erstmal nur phänomenologisch gemeint, nämlich ob es für Tempo eine absolute Wahrnehmung einerseits und Produktion andererseits gibt.

Das absolute Gehör für Tonhöhen zeichnet sich dadurch aus, dass die Einordnung eines Tons in eine Kategorie (c, d, …) unmittelbar erfolgt, also insbesondere ohne Vergleich mit einer äußeren oder inneren Referenz. Analog würde ich auch nur von absolutem Tempo sprechen, wenn die Wahrnehmung/Produktion ebenso unmittelbar ist.

Bisher hat hier niemand aufgeschrien, dass er/sie genau diese Fähigkeit hat. Ich vermute, dabei wird es auch bleiben. Wir Menschen können anscheinend für individuelle Stücke durch (viele) Wiederholungen dazu kommen, dass wir das richtige Tempo ziemlich genau reproduzieren können. Es ist offenbar auch trainierbar, aus so einer Referenz andere Tempi abzuleiten.

Ich meine, dass es bei "Wetten, dass…?" in den 80ern eine Wette gab, bei der es darum ging, exakt nach einer vorgegebenen Zeit durch eine Papierwand zu springen. Ich erinnere mich nicht, ob das gelungen ist und finde dazu auch nichts.
 

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