Ich erinnere mich, dass E. Sengpiel im Forum "tonthemen.de" mal pauschal eine Mikrofonierung für Kirchenorgeln mit AB60, also AB mit Kugeln im Abstand von 60 cm empfahl. Leider lässt sich der Post nicht mehr nachlesen, das dieses (privat betriebene) Forum nach einem technischen Totalcrash der die Datenbankstruktur zerstörte nie mehr online ging.
Aber ich bin mir da ziemlich sicher, weil ich diese Anregung bei einer Orgelaufnahme dann angewendet habe.
Generell hängt die Findung des Abstands des Stereo-Hauptmikrofonsystems vom gewünschten Verhältnis Direktschall zu Raumhall ab. Üblicherweise geht man da maximal bis an die Grenze des Hallradius und nicht darüber hinaus, da dann das Signal verwaschen klingt und die Lokaliastion der Instrumente/Instrumentengruppen des Ensembles/Orchesters deutlich leidet (die ist bei AB prinzipbedingt ohnehin nicht so gut).
Die oben verlinkte Sengpiel-Tabelle bezieht sich im Grunde auf dieses Prinzip, daher auch die Darstellung der Auffächerung der Klangquellen zwischen der Lautsprechern.
Die Orgel ist aber einem Ensemble nicht gleich zu setzen, da sie üblicherweise ein "Raumklang-Instrument" ist. Die Intonation der Pfeifen wird immer auf den Klang der Orgel im konkreten Kirchenraum abgestimmt. Das hat z.B. zur Folge, dass Orgeln in Kirchen mit sehr starkem und langem Nachhall so intoniert werden, dass sie in der Nähe regelrecht hart, spitz und rau klingen. Das wird gemacht, damit im Raum überhaupt noch Zeichnung und eine möglichst große Durchhörbarkeit von z.B. polyphoner Musik gewährleistet ist. Daneben machen viele Orgeln in der Nähe hörbare Nebengeräusche, etwa von der Traktur und den Registerzügen. Im Raum sind die aber normalerweise nicht mehr störend hörbar.
Aus dem Gesagten folgt, dass man Orgeln normalerweise mit den Mikros besser nie "zu dicht auf die Pelle rückt", da sich ihr Klang immer erst im Kirchenraum voll entfaltet. Mit den pauschalen AB60 muss man nach Gehör den Abstand finden, der die Orgel am besten abbildet - eben als Raumklanginstrument. Das wird stets ein größerer Abstand sein als der, den man in demselben Raum bei einem Orchester einhalten würde.
Lokalisation von Pfeifen spielt bei der Orgel nicht nur keine Rolle, im Gegenteil kann sie geradezu ins Groteske umschlagen, wenn die Orgel beim Pedal z.B. eine geteilte C/Cis-Lade hat, die dann jeweils links und rechts außen als Pedaltürme am Gehäuse stehen (eher die Regel als die Ausnahme bei großen Orgeln).
Würde man diese lokalisieren können in den Lautsprechern, hätte das ein sehr kurioses und befremdliches Springen der Töne in den Lautsprechern zur Folge.
Auch die Aufreihung der Pfeifen auf den Laden von tief nach hoch von links nach rechts will man im Lautsprecher so nicht hören.
Deshalb funktioniert der pauschale Hinweis auf AB60 in der Praxis sehr gut. Dieser Mikrofonabstand bringt eine große Räumlichkeit und einen mehr flächigen Klang, der den Orgeln aufnahmetechnisch fast immer sehr gut tut.
Berechnungen zu Abständen der Mikros zueinander und zum Instrument führen bei Kirchenorgeln jedenfalls nicht weiter und sind daher überflüssig.
Das Ohr muss entscheiden unter Berücksichtigung der Stilistik (barocke Polyphonie oder romatisches Klangwabern usw.) und des realen Klangs der Orgel im konkreten Raum (kleine Orgel in kleiner Kirche, große Orgel in großer Kirche usw.).
Der Aufnahmeleiter ist gut beraten, sich eine möglichst intensive Kenntnis und ein Gespür für den Klang von Orgeln und ihrer Literatur anzueignen.
Ergänzung:
In diesem Dokument von Jörg Wuttke (ehemaliger Chef-Ingenieur bei Schoeps) finden sich etliche interessante Hinweise zu sinnvollen Positionierungen von Mikrofonen:
https://www.ingwu.de/mikrofontechni...lagen-von-mikrofonen-und-stereoaufnahmen.html