50til50, Part 30
PRISM
Irgendwann gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als er nicht gerade damit beschäftigt war, sich Äpfel auf Kopf fallen zu lassen, die Katzenklappe und die Differentialrechnung zu erfinden und Leibniz zu diffamieren, kam Isaac Newton auf die Idee, Sonnenlicht auf ein Prisma lenken. Er ahnte nicht, dass er viele Jahre später damit eines der ikonischsten Plattencover inspirieren würde, aber er ahnte, dass es spannend sein könnte, die Temperaturen der einzelnen Lichtstrahlen zu messen, die aus dem Prisma leuchteten.
Er maß die Temperatur der blauen Lichtstrahlen, er maß die Temperatur der gelben und dann die der roten Lichtstrahlen ganz am Rand seines kleinen Regenbogens. Und dann, weil er nicht nur fies zu Leibniz sein konnte, sondern eben auch ein Genie, maß er die Temperatur dort, wo gar kein Licht mehr hinfiel, jenseits des roten Lichtstrahls. Er erkannte, dass dort die ganze Wärme des Sonnenlichts landete, nicht im sichtbaren Licht, sondern außerhalb davon. Und so erkannte er, dass das weiße Sonnenlicht nicht nur aus den Farben besteht, die das Auge wahrnehmen können, sondern auch aus Licht unterhalb des Rot, Infrarot, welches wir als Wärme spüren. Licht, so wurde ihm klar, ist lediglich ein kleiner Teil dessen, was wir später elektromagnetische Strahlung nannten.
Newton soll kein besonders netter Mensch gewesen sein. Fragt Leibniz oder lest über den Prioritätsstreit. Gleichzeitig war er ganz ohne Frage ein Genie. Er beobachtete die Planeten, berechnete deren Bewegungen und als er merkte, dass die Rechenwege seiner Zeit nicht gut genug waren, erfand er einen ganzen neuen Zweig der Mathematik (obwohl Leibniz schneller war (oder auch nicht)). Er zeigte, dass das Sonnenlicht aus vielen einzelnen Farben, aus Infrarotlicht und aus ultraviolettem besteht. Sein Prisma brachte all diese Bestandteile zum Vorschein. Gleichermaßen bestand er wohl aus ganz verschiedenen Aspekten: Genie, Neider, Fiesling, Neurotiker.
Ich frage mich manchmal, ob wir nicht ein Menschenprisma bräuchten. Wenn wir eine Person durch so ein Prisma betrachteten, könnten wir alle Facetten dieser Person sehen – ihre Stärken, ihre Schwächen, die kleinen Gemeinheiten, die sich verborgen halten möchte und die großen Gefühle, die in ihr stecken.
Vielleicht wäre so ein Menschenprisma aber auch keine gute Idee. Vielleicht sollten wir uns lieber die Zeit nehmen, die Menschen um uns herum richtig kennenzulernen, ihre Stärken zu bewundern, ihre Schwächen zu akzeptieren und ihre kleinen Gemeinheiten zu vergeben.
PRISM, der 30. Song aus meinem Projekt, 50 Songs in 50 Wochen zu veröffentlichen, bevor ich 50 werde, ist jetzt draußen. Ich hoffe, er gefällt euch. Lasst mich wissen, wie ihr ihn findet und was ihr von der Idee des Menschenprismas haltet.
View: https://open.spotify.com/intl-de/track/3VpIHxarezZFbga0FV4JEO?si=7d19be1c22b54986
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