Review Hohner Essential Roots ER-1 M0

McCoy
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Liebe Review-Leser,

weil ich im voll-fetten A-Gitarrengewinnspiel die Hohner Essential Roots ER-1 M0 gewonnen habe, schreibe ich hier nun ein Review zu diesem Gewinn. Aber gleich mal als Vorwarnung: Das Review kommt nicht in einem Rutsch, sondern peu á peu, immer wieder ein neuer Aspekt zu Gitarre.

1. Streich

Zuallererst mal die Frage, die sich vielleicht manch einer gestellt hat: Was will eigentlich der Klavier-Moderator mit einer Gitarre? :confused:

Meine erste Gitarre hatte ich mit 14, und es war - Achtung: hinsetzen, festhalten und die Luft anhalten - ein LP-Modell, und zwar dieses hier:
DSCF0528.jpg DSCF0529.jpg DSCF0532.jpg DSCF0533.jpg DSCF0534.jpg

Marke: Werkbuch für Jungen, Holz: Tischlerplatte, Griffbrett: lackiert, Bünde: aufgeklebte Märklin Eisenbahnschienen H0 k-Gleise, PU + Mechaniken: aus dem nächsten Musikladen. Ich weiss noch, wie ich in den Laden gegangen bin und gesagt habe: Ich brauche einen Satz 0.10 Saiten (ich wußte nicht wirklich, was das bedeutet :D) . Der Typ im Laden meinte jedenfalls: Hey, Du weißt ja genau, was Du willst ...

Leider hat ein Bekannter mich irgendwann davon überzeugt, daß fretless viel cooler und die mühsam zusammengelötete Elektronik völlig überflüssig sei. Irgendwann wurde der Pickup für eine Mundharmonika gebraucht, und dann diente die Gitarre meinen Neffen als Spielzeug (Onkels E-Gitarre ist cooool :cool:). Inzwischen hat sie eine gefühlte Saitenlage von 1-2 cm. Aber trotzdem habe ich darauf meinen Em, Am, Dm und C etc. gelernt. Gespielt wurde das Ding über Papas altes Röhrenradio oder einen Phillips-Mono-Cassettenrecorder. Das Kabel hatte einen Din-Stecker (3-pol, glaube ich). Auf irgendwelchen Cassetten gibt es sogar noch Aufnahmen, aber die suche ich jetzt nicht raus ... Es gab sogar mal eine Band aus mir und einem Schlagzeuger, wo diese Gitarre zum Einsatz kam: The Apples. Gespielt wurde ausschließlich Beatles und ein paar Songs aus den Liederbüchern des Student für Berlin oder wie das hieß. :)

So, dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich.
Dann gibts auch Bilder von der kleinen Hohner.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Cool, das "Werkbuch für Jungen" habe ich auch noch irgendwo rumliegen. Zum Gitarrenbau hat es mir damals nie gereicht, aber ich habe den Kaugummiautomaten gebastelt, auch ein tolles Ding!

Gruß

Toni
 
2. Streich

So kam also nach dem Glockenspiel, der Blockflöte, dem Klavier und der Klarinette die Gitarre als 5. Instrument in mein Leben. Weil aber die Werkbuch-Paula auf die Dauer nicht die ultimative Lösung war, mußte eine richtige Gitarre her. Ich wünschte mir also zum 16. Geburtstag eine Westerngitarre und bekam ...

... eine Höfner Klassikgitarre. Sperrholzdecke, DM 300,-. Die begleitet mich bis heute durch dick und dünn. Mit 18 kaufte ich mir dann für DM 100,- eine alte Höfner Western mit Pickup, die ließ sich an meinem emthree gunner Transen-Amp sogar als E-Gitarre mißbrauchen. Im Laufe der Zeit kam noch eine klassische Sperrholz-Kaufhausgitarre (Tamaki :ugly:) durch meine Frau ins Haus, eine frühe Chevy T-Style, die besser ist, als ich damals dachte, ein Ibanez Bass und dann endlich mal eine richtige Western-Gitarre (Dean Exotica QSE) ins Haus.

Ich war als Pianist schon immer neidisch auf die Gitarrenkollegen, die sagten: Ich habe gerade Geld übrig und kaufe mir eine neue Gitarre. Mit dem Geld, das man für eine supertolle Spitzengitarre braucht, bekommt man nicht einmal einen passablen gebrauchten Flügel ...

Inzwischen hat sich aber bei mir auch so einiges angesammelt, und gestern kam dann noch ein Instrument dazu. Denn als es an der Tür klingelte, kam dieses Paket:

DSCF0895.jpg

Darin der folgende Inhalt:

DSCF0897.jpg

Als ich diesen Inhalt öffnete, sah es folgendermaßen aus:

DSCF0899.jpg

Zunächst fiel dieser Brief heraus:

DSCF0900oT.jpg

Dann ein T-Shirt:

DSCF0937.jpg

und ein paar Plektren:

DSCF0934.jpg

Des Verpackungsmaterials entledigt, entfaltete sich vor mir folgender Anblick:

DSCF0901.jpg

Die Hohner Essential Roots ER-1 M0! Ihren ganzen Glanz entfaltete sie, als ich sie vor meinem Klavier aufstellte:
Ein Traum in Braun!

Anhang anzeigen 270900

Und damit sie nicht so einsam ist, dachte ich mir, ich mache mal das große Pink Floyd Ummagumma und Queen Jazz Tribute-Angeber-Foto, das ich schon so lange mal machen wollte: :D

DSCF0963.jpg

Die Gitarren von links nach rechts:
Am Rhodes vorne die Höfne Klassik, dahinter die Höfner Western (leider mit gebrochenem Halsstab und defektem Pickup -> nicht mehr zu gebrauchen), ganz links am Klavier die Tamaki (da ging mal der Boden ab, den habe ich mit Ponal geklebt :D), rechts daneben die Chevy (E 864438 :great:), dann die Dean Exotica QSE GN SP, vor der Djembe im Ständer die neue Hohner Essential Roots ER-1 M0, daneben der Ibanez Bass EXB 404.

Und sie hat Kurven, die Little Ho: :)

Anhang anzeigen 270904 DSCF0945.jpg DSCF0932.jpg

Dieses war der zweite Streich, doch der dritte folgt sogleich.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Marke: Werkbuch für Jungen

Dieses hier? Das hatten wir auch, steht immer noch irgendwo rum, und ich habe es geliebt! :cool: Wusste aber nicht mehr, dass da auch eine Gitarren-Bauanleitung drin ist.

2bc8e10e22a00e9a38562210.L.jpg

Sehr schöne Bilder, McCoy! Vor allem dein vollgestopftes Musikzimmer mit all den Saiten, Tasten, Noten etc. gefällt mir! :)
 
Wenn das so weiter geht, machst Du noch dem "Peters erste - as time goes by"-Thread Konkurrenz. :)
Ich bin schon sehr gespannt auf die ersten Klang- und Spieleindrücke.

(Die Kassettenaufnahmen der E-Gitarre aus Werkbuch für Jungen über das Röhrenradio wären aber auch interessant, vielleicht eine Hörprobe unter E-Gitarre.)
 
Tribute-Angeber-Foto ist gut :D
:gruebel: ich muss wirklich mal meine orgel instandsetzen ... ;)
 
Die Hohner interessiert mich zwar relativ wenig, aber für die selbstgebaute E-Gitarre gibts eine 1+, ich entdecke immer mehr kleine gewitzte Details an dem Ding :)
 
Die kleine Hohner sieht echt gut aus!:great:
Bin mal gespannt, ob sie auch so klingt, Ich hoffe auf soundbeispiele.

P.s.: Die Aufnahmen von der E-Gitarre wären wirklich sehr interessant!
 
... war das bei Dir etwa keiner der Gründe, sich das Ding auf den Weihnachts-Wunschzettel zu setzen?

Nein, ich spielte klassische Gitarre und mit E-Gitarren konnte ich damals leider noch nichts anfangen...

Extrem kultig an McCoys Eigenbau finde ich übrigens die Idee mit den Märklin-Bundstäbchen! :rock: Schade, dass sie nicht mehr drauf sind.
 
<Einschub>

Hier startete McCoy einen lustigen aprilscherz, den wir nun in die lounge ausgelagert haben. Wer den nachlesen möchte, bitte --> hier entlang

</Einschub>

Gruss, Ben
 
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Back to topic, weiter im Text:

3. Streich

Die Gitarre heißt: Hohner Essential Roots-1 M0, bzw. Hohner ER-1 M0.

Was heißt das?

Essential: Es geht um die Essenz der Gitarre, Sound und Spielbarkeit. Kein Schnickschnack, kerine Schnörkel, kein Firlefanz.
Auf der Vorderseite gibt es ein 2-streifiges, weisses Binding:

DSCF0972.jpg

drei Streifen um's Schalloch, der Steg hat eine klassisch schlichte Formgebung.

DSCF0933.jpg DSCF0926.jpg DSCF0914.jpg

Auf der Rückseite ebenfalls ein Binding mit nur einem Streifen.

DSCF0973.jpg

Einfach-Punkte auf dem Griffbrett klein, am 5., 7., 9. und 15. Bund, ein doppelter Punkt am 12. Bund.

DSCF0946.jpg DSCF0948.jpg

Kopfplatte auch eher auf der schlichten Seite:

DSCF0923.jpg

hier noch die Rückseite:

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Im Vergleich dazu jetzt ein paar Bilder von meiner Dean Exotica QSE SP GN:

DSCF0976.jpg DSCF0977.jpg DSCF0980.jpg

Permuttfarbene Bindings, perlmuttfarbene Schallochverzierung, fette perlmuttfarbene Inlays im Griffbrett, Quilted Maple (geflammter Ahorn) auf der Rückseite mit schwarzem Mittelstrich, extravagante Stegform, Verzierungen auf der Kopfplatte. Auch sehr schön, aber eben ganz anders als bei Little Ho.

Roots: Neben der Essential-Roots-Serie gibt es auch eine Essential Pro und eine classical Essential Serie. Mit der Roots-Serie sollen vor allem Musiker angesprochen werden, die die Wurzeln der amerikanischen Musiktradition pflegen. Das sind vor allem Blues-, Folk- und Countrymusiker. Dementsprechend sind die Gitarren der Roots Serie nach Vorbildern legendärer Westerngitarren gebaut worden. Es gibt eine Dreadnought, eine M0, eine S0, eine S00 und eine S00Electric.

Was die -1 nach dem Essential Roots bedeutet, weiss ich nicht. Vielleicht einfach eine fortlaufende Nummer, falls sie mal eine zweite Serie herausbringen wollen.

Die vorliegende Gitarre ist eine M0. Das M bedeutet Mahagony (das S bei z.B. S0 bedeutet Sitkafichte). Die M0 ist fast komplett aus Mahagony: Mahagonydecke, Mahagonizargen, Mahagonyboden. Hals ist aus Nato, Griffbrett Palisander.

DSCF0922.jpg DSCF0930.jpg
Mahagony überall.

Die Null hinter dem M bezeichnet die Größe der Gitarre. Zu den verschiedenen Gitarrengrößen verweise ich mal auf diesen Beitrag:
https://www.musiker-board.de/wester...m-pickups-bei-akustikgitarren.html#post651036
Die M0 ist also eine Parlor-Gitarre mit einer sehr kurzen Mensur von 61,3 cm. Der Übergang vom Korpus zum Hals befindet sich, wie bei einer klassischen Gitarre am 12. Bund. Die Gitarre hat 18 Bünde. Ziemlich direktes Vorbild dürfte die Gibson L-0 aus den 20ern/30ern gewesen sein (Preis 1930: $35,- Bilder weiter unten auf der Seite oder z.B. hier in mahogany). Eins der drei existierenden Bilder von Robert Johnson zeigen ihn mit solch einer Gibson L-0. Die Hohner ist am Bauch aber noch runder als die Gibson.

Hier ein Größenvergleich mit der Dean Exotica (die eine Grand Auditorium ist):

DSCF0983.jpg

Und hier mit der klassischen Höfner:

DSCF0982.jpg

Die Hohner ist die Kleinste von allen: Little Ho. Mal sehen, ob sie auch klanglich klein ist ...
Bei diesen Bildern im Vergleich sieht man auch deutlich den runden Bauch der Little Ho: Ein fast wie mit dem Zirkel gezogener Kreis, in dessen Mitte der Steg sitzt. Das sind gute Voraussetzungen für einen guten Klang.


So, und jetzt gibt's einfach noch was zum Gucken:

Anhang anzeigen 271423 DSCF0929.jpg DSCF0920.jpg
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Dieses war der dritte Streich, doch der vierte folgt sogleich.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Hammer!
Die gefällt mir von Bild zu Bild und von Streich zu Streich besser ;)
Ich beneide dich...! :)

Im Vergleich dazu jetzt ein paar Bilder von meiner Dean Exotica QSE SP GN:

Permuttfarbene Bindings, perlmuttfarbene Schallochverzierung, fette perlmuttfarbene Inlays im Griffbrett, Quilted Maple (geflammter Ahorn) auf der Rückseite mit schwarzem Mittelstrich, extravagante Stegform, Verzierungen auf der Kopfplatte. Auch sehr schön, aber eben ganz anders als bei Little Ho.

Die Korpusrückseite deiner Dean Exotica besteht aus Quilted Maple, da hast du recht!
Auf Deutsch Wölkchenahorn, oder Muschelahorn.
Geflammter Ahorn, also Flamed Maple sieht etwas anders aus :)

Greetz aussem Urlaub im Österreich :hat:
Simon :cool:
 
Geflammter Ahorn, also Flamed Maple sieht etwas anders aus
Da hat mir ein Übersetzungstool einen Streich gespielt. Wölkchenahorn stand da auch, aber das hörte sich so kitschig an ...

Viele Grüße,
McCoy
 
4. Streich:

in dem endlich Soundbeispiele kommen, aber nicht die, auf die ihr wartet. :evil:

Kann man eine Gitarre überhaupt stimmen?

Wer schon mal etwas vom pythagoreischen Komma gehört hat, weiss, daß beim Thema Stimmen ein dicker Hund begraben liegt. 12 Quinten müßten eigentlich 7 Oktaven entsprechen, tun sie aber nicht: Die 12. Quinte erklingt etwa einen Achtelton höher als die 7. Oktave. Der Klavierstimmer stimmt deshalb die Quinten etwas zu klein, die Quarten etwas zu groß. Dadurch erhält man beim Klavier die sogenannte gleichschwebende Stimmung. Außerdem stretcht er noch die ganz hohen Töne, die er tendenziell zu hoch stimmt, und die ganz tiefen Töne, die stimmt er minimal zu tief. Wie sieht das bei der Gitarre aus?

Wenn ich mit der Methode Flageolett stimme, also z.B. das Flageolett am 5. Bund der E-Saite mit dem Flageolett am 7. Bund der A-Saite schwebungsfrei stimme, erhalte ich ja eine reine Quarte. Wenn nun die Bundstäbchen an der Gitarre gemäß der gleichschwebenden Stimmung angeordnet sind (ich habe keine Ahnung, ob sie das sind), müßte ja die Quinte dann zu klein sein, oder? Wie ist das nun: Wenn ich z.B. eine Quinte E-Saite 5. Bund zu A-Saite 7. Bund spiele (Quinte A-e) und diese mit der Quinte E-Saite 5. Bund D-Saite 2. Bund vergleiche, sind die beiden Quinten dann unterschiedlich? Anders gesagt: Wenn ich die Quarten temperiert stimme, ist das e am 7. Bund der A-Saite das gleich, wie das e am 2. Bund der D-Saite? Fragen über Fragen. Ganz ehrlich, wirklich klar ist mir das alles gar nicht.

Es geht aber noch weiter: Zusätzlich zur gleichschwebenden Stimmung kommt noch das Problem, daß der Zug einer Gitarrensaite erhöht wird, wenn man sie herunterdrückt. Diese Zugerhöhung schwankt aber auch noch in Abhängigkeit zur Stärke der Saiten. Eine dicke Saite erhöht bei gleichem Runterdrückweg ihre Spannung anders als eine dünne Saite. Dashalb wird ja in der Regel der Steg einer Gitarre so gebaut, daß durch seine Form eine leicht unterschiedliche Länge der Saiten erreicht wird, die wiederum dieser unterschiedlichen Spannungserhöhung Rechnung trägt.

DSCF0926.jpg

(Ich weiss, das Foto hatten wir schonmal). Man sieht jedenfalls deutlich nicht nur die schräge Ausrichtung des Steges, sondern auch, daß dieser in sich nochmal unterschiedlich geschliffen ist, damit jede Saite die ihrer Dicke gemäße Länge erhält.

Das nächste Problem ist die Mensur. Wir stellen uns mal eine Saite vor, die fünfhundert Meter lang ist und auf den Ton A gestimmt ist. (Solche langen Saiten gibt es übrigens: Wer gelegentlich in den Alpen unterwegs ist, der halte mal sein Ohr an das Stahlseil einer möglichst frei hängenden Materialseilbahn und klopfe mit einem Steinchen dagegen: Ein Hörgenuss der besonderen Art und eine interessante Studie zum Thema Obertöne. :)) Daneben stellen wir uns eine Saite vor, ebenfalls auf den Ton A gestimmt, die 61,3 cm lang ist. Wenn ich mir nun bei beiden Saiten einen ersten Bund denke, der den Ton um einen Halbton erhöht, so wird eine Fehlplatzierung dieses Bundes um 1 cm bei der fünfhundert-Meter Saite einen geringeren Falschwert ergeben als eine Fehlplatzierung des ersten Bundes um 1mm bei der 61,3 cm langen Saite. Die Platzierung der Bünde auf einer kurzen Mensur ist also von vorneherein schon mal viel diffiziler und anfälliger als auf einer Gitarre mit langer Mensur.

Hinzu kommt noch Folgendes: Der Sattel muß ja eine gewisse Höhe haben, damit die Saiten nicht an den Bünden schnarren. Wenn ich nun an einer kürzeren Gitarre die Saite am ersten Bund niederdrücke, erhöht sich die Spannung stärker, als wenn ich dies bei einer längren Gitarre tue. Der Winkel der Saite vom Sattel zum niederdrückenden Finger ist bei der kürzeren Saite steiler.

Wie sich das nun alles auf die Stimmung auswirkt? Keine Ahnung! Man kann das vermutlich alles ausrechnen, ausmessen und dgl.

Um all diesen Problemen beizukommen, hat Hohner einen kompensierten Sattel namens NVI (No Variation Intonation) eingebaut:

DSCF0916.jpg

Man sieht ganz deutlich, daß die dünne e'-Saite durch die besondere Form des Sattels 1-2 Millimeter länger ist als die übrigen. Für jede Saite wurde die optimale Saitenlänge ermittelt und der Sattel entsprechend der Ergebnisse eingerichtet. Man kann sich das so vorstellen, daß bei unverändertem Sattel die Bünde einfach an einer anderen Stelle wären. Heraus käme vielleicht so etwas ähnliches: http://www.truetemperament.com/site/index.php

Bringt's da Ganze nun?

Ich habe die Gitarre per Mikrofon und AP-Tuner möglichst centgenau Saite um Saite gestimmt, weil ja dieser Computer-Stimmer eine gleichschwebende Stimmung eingestellt hat. Dann bin ich auf jeder Saite Bund um Bund höher gegangen und habe geschaut, ob alle Töne auf dem Stimmgerät korrekt angezeigt werden. Das Ergebnis war: Ich hatte Abweichungen von bis zu 5 Cent. Die Dean gegengetestet ergab Abweichungen in leicht geringerem Bereich mit älteren Saiten. Aber der Vergleich hinkt: Im Idealfall hätte ich eine Hohner mit kompensiertem Sattel und eine Hohner ohne kompensiertem Sattel miteinander vergleichen müssen. Vielleicht wären die Abweichungen bei einer Hohner mit der kurzer Mensur ohne kompensiertem Sattel noch gravierender? Wer weiss?

Was bedeutet das nun in der Praxis? Ich habe die Giitarre nach dem AP-Tuner gestimmt und die Grundakkorde in der ersten Lage gespielt: D-Dur, G-Dur, C-Dur, A-Dur und E-Dur. Bei all diesen Griffen sitzen die Quinten und die Terzen auf anderen Saiten. Wenn diese Akkorde alle gut klingen, ist die Gitarre ganz gut gestimmt (mene Meinung :)), in den Barrégriffen wiederholt sich diese Intervallstruktur ja einfach nur. :)gruebel: Stimmt das auch bei kompensiertem Sattel?)

Das Ergebnis ist hier zu hören:
https://soundcloud.com/mccoymb/hohner_er-1m0-stimmung-0cents

Am Schluß, beim E-Dur Akkord, hört man, daß die Quinte zu heftg schwebt. Ich habe daher die h-Saite und die e'-Saite etwa 4-5- Cents höher gestimmt und bekam ein passables Ergebnis.

https://soundcloud.com/mccoymb/hohner_er

Der E-Dur klingt jetzt viel besser.

Ist das jetzt das Ergebnis des NVI-kompensierten Sattels?

Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Vielleicht habe ich auch Messfehler gemacht, oder aber es ist alles nur Vodoo? Ich kann es beim besten Willen nicht beurteilen.

Dieses war der vierte Streich, doch der fünfte kommt sogleich.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Dann hast du dir die "falsche" Gitarre gewünscht :D ... also her damit, mein Ohr verkraftet es ...

dir würde ich dann so etwas ans Herz legen ...

tt_whol_lay.jpg

Gruß
Martin
 
Dann hast du dir die "falsche" Gitarre gewünscht :D
ich hätte wohl schon schwierigkeiten mit ´ner fächerbundierung.
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naja ... auch je größer die anzahl der bünde desto "krumm" ;). bei ner halbwegs ordentlichen klassischen konzertgitarre lebt wohl auch der anspruchsvolle musiker und zuhörer mit dem physikalischen kompromiss.
... also her damit, mein Ohr verkraftet es ...
vermute, live und im kontext hört es keine s** :D .
die kompensation-grundsatzüberlegung ist aber interessant und lehrreich beschrieben. danke mccoy! :great:
 

WOW!
Wieder was gelernt :)
Vielen Dank McCoy!
Habe selten so gerne und aufmerksam ein Review verfolgt und gelesen :great:
Da hat sich das Glück für den richtigen potentiellen Gewinner entschieden! :)

(Es sei denn, die Stimmgeschichte ärgert dich so stark, dass du sie lieber abgeben möchtest... Dann stelle ich mich zur Verfügung sie in empfang zu nehmen ;))

Beste Grüße aussem Pott
Simon
 
Sehr interessante Ausführungen, McCoy! :great: (Bei deinen beiden Tonbeispielen habe ich das Gefühl, dass bei der zweiten Einstellung D-Dur nicht mehr so gut klingt wie bei der ersten, fällt das sonst noch jemandem auf?)

Ich habe es noch nie zustande gebracht, meine PRS SE wirklich stimmig zu stimmen, sie hat zwar auch einen kompensierten Steg, aber irgendwo gibt es immer leichte Dissonanzen. Wenn in der ersten Lage alles schön klingt, eiert es dafür in der fünften Lage. Ich habe die Schuld dafür immer meinem Stimmgerät in die Schuhe geschoben, aber nachdem ich deine Ausführungen gelesen habe, denke ich, es liegt wohl einfach in der Natur der Sache und man muss auch die Gitarre "wohltemperiert" stimmen und sich für einen Bereich entscheiden, in dem alles perfekt stimmen soll???

Seltsamerweise hatte ich bei der klassischen Gitarre dieses Problem nie, dort habe ich immer die 5. Saite von der Stimmgabel abgenommen und dann den Rest mit der Flageolett-Methode gestimmt. Vielleicht liegt das daran, dass die Nylonsaiten alle relativ dick sind, auch die oberen drei. Die 1. Saite ist zwar auch dünner als die 6., aber der Unterschied ist niemals so gravierend wie bei Stahlsaiten.
 

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