Richtige Stimmführung bei bestimmter Akkordfolge

C
Chris_1990
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Hey zusammen,

ich habe eine Frage zu einer Akkordprogression, die ich gerne nach den Regeln der Stimmführung in Notenform zu Papier bringen möchte. Vorher aber ein paar Sätze zu meiner Vorbildung. Ich habe keine akademische Ausbildung im musikalischen Bereich, spiele selbst aber seit 25 Jahren Trompete und möchte nun selbst kleinere Arrangements schreiben.

Weil ich aber nicht einfach irgendwie drauflos schreiben möchte, um mich dann zu wundern, dass es “irgendwie komisch” klingt, befasse ich mich seit geraumer Zeit mit dem Klavier und verschiedenen theoretischen Bereichen. Die grundlegenden Konzepte der Stimmführung und auch anderer Bereiche der Harmonielehre sind mir also bekannt - auch wenn ich deutlich betonen möchte, dass ich in diesen Bereichen auf Einsteiger-Niveau und keineswegs ein Profi bin.

Bevor ich nun zu meinem (bzw. meinen) Problem(en) komme, erstmal eine kleine Warnung: Ich gebe mir Mühe, meine Versuche und meine Vorgehensweise so genau wie möglich darzulegen. Ganz einfach, um meine Prozesse im Kopf nachvollziehbar zu machen und so möglicherweise mit Eurer Hilfe auf den Fehler zu kommen. Das hat nur zur Folge, dass dies ein recht langer Beitrag wird - sorry für diese Wand aus Text 🙂 Dazu hoffe ich natürlich, dass es nicht genau dieses Problem schon einmal gab und ich es nur übersehen habe.

Nun aber zur Sache. Also: Ich würde folgende Akkordprogression den Stimmführungsregeln nach gerne so sauber wie möglich notieren: C - G - Am - F - G

Entschieden habe ich mich dabei übrigens für die enge Lage (Keyboard-Style). Ich würde die Benennung von oben nach unten der Orientierung halber trotzdem Sopran - Alt - Tenor - Bass vornehmen. Um meine Denkprozesse und Arbeitsschritte auf dem Weg zur Lösung so nachvollziehbar wie möglich darzustellen, gehe ich meine Vorgehensweise wie gesagt Schritt für Schritt durch.

Zuerst habe ich die Akkorde in Grundstellung (mit Fehlern nach Stimmführungsregeln) aufgeschrieben. Dann ergibt sich folgendes Bild (1):
AD_4nXfnVwbvxfXhAPiFLeUEsJwr3Xlp59kpr9-1BNphonYv_geN44ccTrFXaQnapJP13ZXKoh0P8Wt8z7gQdmGtGs5cv92ci3gO97zMTGbhasRulcG4VjjMTN4z-Meo91DfdskPzgkocg


Nun habe ich zuerst darauf geachtet, dass jeder Ton immer zum nächstgelegenen Akkordton wechselt. Folgendes habe ich also gemacht:

  • Das G im zweiten Takt vom Tenor in den Sopran gelegt.
  • Das A im dritten Takt vom Tenor in den Sopran gelegt.
  • Das F und das A (Zählzeiten 1&2) sowie das G und das H (Zählzeiten 3&4) eine Oktave höher geschoben.

Folgendes Bild (2) ergibt sich dann:

AD_4nXc_0ozZ-v0qSkpqhJFmADbMysCi7zAhvikJ1ANCfYR1TkhWXpKRopLv3NUrmKg7qXeZI_SqgnR2wP7gDXwnj0yt11iPnVuf7Q4JQf4dAM_LMxThqVud_36xqauq-xItgNhpBlC7qQ


Hier sind natürlich noch einige Fehler versteckt. Vor allem was Parallelen angeht. So befindet sich in Takt 2 auf 3 eine Oktav- (Sopran & Bass) sowie eine Quintparallele (Sopran & Alt). Um die zu vermeiden habe ich mich also folgender Lösung bedient: Eine Gegenbewegung nach unten ist anzustreben. Gleicht man den Takt 4 dann wieder den Regeln der Stimmführung zufolge an (nächstgelegener Ton, Zählzeiten 3&4 gehen auch wieder nach unten, um Oktavparallelen - F auf G in Bass und Sopran - zu vermeiden) ergibt sich folgendes Bild (3):

AD_4nXeVV44D3B_YVQ1lrHv-eLS4WBbiw9CpwjMmLTX6eXy94oUVQuDbMx1Q2nylxxZTLreUzbBA4LY5Z4V8TRgxFVWLh6P0yW2lWmJwQeAI0xyb9Uasb5cSDQqEM5W41OAp_ZC7L_9kWQ


Hier mag jetzt vieles schon ganz okay sein, alles gut ist aber noch nicht. Bevor wir zu dem kommen, was weiterhin nicht stimmt, drängt sich mir an dieser Stelle aber bereits eine Frage auf: Gehen wir mal davon aus, dass diese Taktfolge im Anschluss wiederholen soll. Aber nicht in Form eines Wiederholungszeichens, sondern so, dass in den Takten 5-8 dieselben Akkorde folgen. Zum Beispiel weil die Melodie sich nicht 1:1 wiederholt. Würden wir dann nicht die Regeln der Stimmführung brechen, wenn man mit dem selben Akkordaufbau aus Takt 1 beginnt? Schließlich müsste das D im Sopran aus Zählzeit 4 in Takt 4 ja zum G aus Takt 1 springen. Und wir sollen uns ja immer zum nächstgelegenen Ton bewegen. Und der ist ja das D. Das würde aber ja bedeuten, dass uns die Stimmführungsregeln unter bestimmten Umständen dazu zwingen können, durch bestimmte Umkehrungen immer tiefer (oder höher) zu werden. Oder kann dieses Gebot an dieser Stelle ignoriert werden, da es sich um eine Wiederholung handelt?

Kommen wir weiterhin zu dem, was nicht passt: Von Takt zwei auf Takt drei (Bild 3), löst sich der Leitton H nicht im Tenor zum C auf (Regel: die 7 geht immer zur 1) Dieser Ton existiert zwar, aber im Alt. Und hier beginnt das Problem, weil sich gewissermaßen immer eine Kettenreaktion ergibt. Es ist schließlich nicht möglich, das A im dritten Takt vom Tenor ins Sopran zu packen, da sonst eine Oktav- + Quintparallele entsteht. Ich könnte das B im Tenor vom zweiten zum dritten Takt natürlich auch zum C führen, um die 7-1-Regel zu erfüllen und das ganze dann so aussehen zu lassen (Bild 4):

AD_4nXcUE5Wwzhe6ziYRK9PTbvPkMgGDvwMYPZqEfHSkv6VplsRs5iEuvPqv5COJbKTXmEi8OYdsamZr59PQTgOQDMN9V4YyeZ0eA6VZdV4SUGy2MClM5qQ7fs6yBEMq9eSqCc4fyG2mnQ

Dann ergibt sich aber die Situation, dass ich das C, also die Terz in Am, dopple. Und das ist ja auch nicht gewünscht, weil es den Akkord instabil macht - also auch keine perfekte Lösung. Wir wollen ja das A doppeln und das kann ich oben auch nicht machen, weil wir dann wiederum Oktavparallenen bekommen. Also habe ich mir angeschaut, was ich im Takt 2 vielleicht machen kann, um eine andere Ausgangslage zu haben - zum Beispiel eine Umkehrung. Also probieren wir das doch mal und folgendes Bild (5) ergibt sich:

AD_4nXfcgCjzphSYrHBaqGBPwIMZg4yy2IeSqPT-nWTJIUbA1rtnvgDK0EAzQ_W7E2CMmCFSJEN51Qpy5UI8l8BO545uvtpQLx_Frb55A7ohY_oQ_tECQ_kwE1-nb0eIoyFZha5j7GXp

Hier ergeben sich nun neue Probleme: Es ergibt sich sowohl eine Oktavparallele von Takt 1 auf zwei im Tenor & Bass, als auch eine Quintparallele im Sopran und Alt in Takt 2 auf 3. Zusätzlich wird in Takt 1 auf Takt 2 der Leitton H im Tenor wieder nicht zum C aufgelöst. Folgende Lösungen könnte man also ausprobieren (Bild 6):

AD_4nXcK6BwSeuBwh34ZFNPLUA100fiCp_vXdaYoNVvVyANcQCBywQFABis7rt9OMawouUIgtz7xvuihUBi2UyQFptbZczqgOluylsUVnT37qSZhhWGqYg3uvLmIyFjM0jcwATbRE5RKDg

In dieser Variante gäbe es nun keine Parallelen mehr und es sind auch keine Terzen gedoppelt. Hier muss ich aber sagen: Die schönste Variante finde ich diese nicht. Rein klanglich betrachtet ist Variante 3 (darauf verzichten, dass sich der Leitton im Tenor auflöst) mein Favorit. Dazu ergibt sich hier wieder die Frage, ob uns der Schluss durch die Stimmführungsregeln nicht tiefer zwingt in einer Wiederholung.

Also: Noch ein Versuch. Dieses Mal mit einem anderen Voicing von Anfang an. Bei dem Versuch bin ich auf folgende Variante gestoßen (Bild 7):
AD_4nXficis34plSBg1uqsDoRF0VAqPkuYbGCUkKfWiY2DFv3VnObfn_RcNPl6aQ-5m2B1cvyz4EAfRJv5o-o9aPDk79asiCj7njOS3ts456IevAtedzmnb-hvJ0kKPuakbZOuxRluwv9Q

Nun ergibt sich hier auch wieder ein Problem: In Takt zwei auf drei löst H im Sopran nicht ins C auf. Und wenn ich das C aus dem Tenor ins Sopran lege, ergibt sich im Alt in Takt 3 auf vier eine Oktavparallele mit dem Bass und eine Quintparallele zwischen Alt und Tenor. Siehe Bild 8.

AD_4nXc4U-iZ4LO12PK4Uibqw_b80WyzOTQYQi0b4YYmPlCfBZ9DSNGbTrjiJUeF3zU9JtlNXkEkLM5gu0Tn-lkiruRmvK1XtAz9RTYtV3DeNyvhBOObU83F253DRnn_Ehbuzk-UXX7rMQ


Auch das ist also keine vernünftige Lösung. Dementsprechend schaue ich erneut, ob ich den Bass in Takt 2 anders legen kann. Ins H kann ich ihn nicht legen (Terzverdopplung im Akkord G) also nehme ich die Quinte und komme zu folgendem Ergebnis (mit einer kleinen Durchgangsnote im Bass, um es musikalischer zu machen):

AD_4nXdYQQayMWqTA7m2Ers04FC4hOElH5FywVyoLC2iG9FqXuxxwC8HAplwB0OIWD1nVGaD8qSJsSlTkMYbWVaUJLBiDWfohdsWtFO5TbdPLRZ0XaIcOnTxOKSYjlK5DlVaWRGM9fhEPA

Sieht erstmal gut aus, auch hier ergibt sich allerdings wieder ein Problem: In Takt 2 auf drei verstecken sich Quintparallelen zwischen Alt und Tenor. Also vielleicht doch lieber so etwas?
AD_4nXfqqiY1dJo8h_L0Q3VzHnXeLlPJwgCEyGFgz7NPRtMaG0LHZpnHYBNfBgiZGZjfd_zaerP_5gRHEK5TFhtveiruXdNW71uIQyGwwW3sMZehKeIqq-fmgRHYz2AEbWtdLsv2R6Av7w

Achja, das ist ja auch nicht so optimal. In Takt 3 ist dann nämlich das C gedoppelt. Also die Terz in Am. Aber das H muss sich im Sopran ja zum C auflösen und wenn ich im Tenor von Takt 2 auf 3 vom D zum E gehe, fehlt ein Akkord um den Ton voll zu machen.

Ich könnte jetzt noch eine Weile weiter erzählen, ich habe nämlich eine ganze Menge rumprobiert. Zu einer Lösung, die sowohl alle Regeln der Stimmführung beachtet und gleichzeitig auch noch sehr gut klingt, bin ich nicht aber gelangt. Dementsprechend die Frage: Welchen Weg bzw. welche Lösungsmöglichkeiten habe ich übersehen? Denn ich bin mir sicher: Es gibt für alles eine “richtige” Lösung. Verwendet man an bestimmten Stellen unisonos? Entscheidet man sich an bestimmten Stellen für “das geringste Übel”? Im Sinne von: Gibt es Regeln, die andere “überwiegen”.

Auf mich wirkt es in diesem Beispiel nämlich so, als würden sich die Regeln in bestimmten Fällen ausschließen. Wie sähe die “perfekte Lösung” aus. Klar, am Ende zählt immer: Wenn ich als Komponist finde, dass etwas gut klingt, dann ist es auch richtig. Aber ich versuche mich ja in die Spielregeln einzuarbeiten und sie zu verstehen. Regeln kann man ja nur für einen Effekt bewusst brechen, wenn man die (formal) “richtigen” Alternativen kennt.

Vielen Dank auf jeden Fall für Eure Hilfe und sorry für den langen Post!

Beste Grüße,

Chris!
 
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@Chris_1990, erst mal Willkommen im Forum!

Du hast dich eigentlich gut über die Stimmführungsregeln vorgearbeitet und warst im Grunde schon am Ziel, nämlich in dem Notenbeispiel wo du danach diese Fragen stellst:
Gehen wir mal davon aus, dass diese Taktfolge im Anschluss 1:1 wiederholen soll. Würden wir dann nicht die Regeln der Stimmführung brechen? Schließlich müsste das D im Sopran aus Zählzeit 4 in Takt 4 ja zum G aus Takt 1 springen. Und wir sollen uns ja immer zum nächstgelegenen Ton bewegen. Und der ist ja das D. Das würde aber ja bedeuten, dass uns die Stimmführungsregeln unter bestimmten Umständen dazu zwingen können, durch bestimmte Umkehrungen immer tiefer (oder höher) zu werden. Oder kann dieses Gebot an dieser Stelle ignoriert werden, da es sich um eine Wiederholung handelt?

Kommen wir weiterhin zu dem, was nicht passt: Von Takt zwei auf Takt drei (Bild 3), löst sich der Leitton H nicht im Tenor zum C auf (Regel: die 7 geht immer zur 1) Dieser Ton existiert zwar, aber im Alt. Und hier beginnt das Problem, weil sich gewissermaßen immer eine Kettenreaktion ergibt.

Erst mal zur zweiten Frage:
In der Tat löst sich das H auf zum C, im Alt, so wie du es schreibst. Und genau das ist nicht nur absolut kein Problem, sondern es ist im Grunde Standard, dass sich der Leitton in einer anderen Stimme auflösen kann bzw. darf. Hauptsache, er löst sich auf und der Zielton wird in einem Halbtonschritt erreicht, aber wie gesagt, kann dieser Zielton auch in einer anderen Stimme erscheinen.
Würde man das sozusagen ´verbieten´ wollen, käme man nämlich genau in diese Kettenreaktions-Schleife wie es dir passiert ist, wo du dich mit allen folgenden Ausarbeitungen immer weiter vom Ziel entfernst und schließlich in einer satztechnischen Sackgasse endest aus der du nicht mehr heraus kommst.

Nun zu der Wiederholung:
Wenn der Formteil quasi abgeschlossen ist und z.B. ein Rücksprung zum Anfang folgt wie du es vorhast, dann kann es vom letzten zum dann wieder ersten Akkord eine Rückung geben, auch Parallelen sind dann statthaft.
Wenn du das vermeiden willst, mach einfach beim G-Dur-Akkord einen Lagenwechsel wie ich es hier notiert habe und schon stimmt auch die Stimmführung:
Akkordfolge-Stimmführung.png
 
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Hey @LoboMix

vielen Dank erstmal für deine Antwort. Das hilft mir Tatsächlich sehr weiter, danke :) Ich bin nämlich davon ausgegangen, dass sich der Leitton immer in derselben Stimme auflösen muss. Vielen Dank also für den Hinweis. Manchmal sind es so kleine Denkfehler, die das ganze Konstrukt dann zum Einsturz bringen / für Kopfschmerzen sorgen :biggrinB:

Zur Frage mit den Wiederholungen. Ich habe das vor wenigen Sekunden in meinem Post auch editiert, weil ich mich da etwas unklar ausgedrückt hatte - sorry dafür. Ich meinte Tatsächlich, dass sich die Akkorde zwar wiederholen, aber fortlaufend. Also quasi in den Takten 5 - 8, ohne Wiederholungszeichen. Zum Beispiel, weil die Melodie darüberliegend noch weiterläuft. Dann würde man - wenn man der Regel des nächstgelegenen Tons ganz streng folgt - (ohne den Tipp mit dem Lagenwechsel) ja zu diesem Ergebnis kommen:

(Die Pausen in Takt 5 und 8 im Bass einfach ignorieren, waren ein Versehen)
1734388752899.png


Und das könnte in der Theorie ja dann unendlich weiter nach unten gehen und man wäre gefangen / gefesselt.

Um es für mich also nochmal zu formulieren: Um eine Lage zu halten, ist es nach Stimmführungsregeln also erlaubt, an solchen Stellen nicht zum nächsten Ton des Akkordes zu wechseln? In diesem Fall also im Sopran vom D zum G und im Tenor von G zu H anstatt jeweils auf dem Ton liegen zu bleiben. Weil sonst ja genau das passiert, was ich im Bild skizziere (es geht abwärts)?

Vielen Dank auf jeden Fall schon jetzt, es hat mir sehr geholfen :)
 
Hallo Chris - willkommen im Musiker-Board.

So ein umfassendes erstes Posting, das gleich so tief ins Eingemachte geht, habe ich noch nie bei einem neuen User gesehen - ich bin beeindruckt!

ich habe eine Frage zu einer Akkordprogression, die ich gerne nach den Regeln der Stimmführung in Notenform zu Papier bringen möchte. [...] spiele selbst aber seit 25 Jahren Trompete und möchte nun selbst kleinere Arrangements schreiben.
Ich würde sehr dazu raten, den stilistischen Hintergrund und den Einsatzzweck immer mit zu berücksichtigen. Aus dem gewählten Stil ergeben sich die anzuwendenden Regeln und vor allem die Strenge, mit der sie zu befolgen sind. Wenn deine Akkordfolge im Kontext eines Taylor-Swift-Songs stattfindet, gelten beispielsweise andere Tonsatzregeln als wenn es Wiener Klassik ist.

Aber ich verstehe schon, dass du mit den Stimmführungsregeln das Gesetz des nächsten Weges sowie die Vermeidung von Prim-/Quint- und Oktavparallelen meinst. Diese Ideale sind unter dem Begriff "Vierstimmiger Satz" oder auch "Kantionalsatz" zusammengefasst, auch wenn beide nicht ganz deckungsgleich sind. Die Sache ist halt, dass dabei im Regelfall von einer Melodie ausgegangen wird, die im ersten Schritt harmonisiert wird und dann im zweiten Schritt zu einem Tonsatz ausgearbeitet wird.

Du nimmst eine Akkordfolge als Ausgangspunkt ohne verbindliche Melodie, was man beim Behandeln von Stimmführungsregeln höchstens in Form von Kadenzspiel am Klavier macht (mache ich mit meinen Schülern, die auf Aufnahmeprüfungen vorbereitet werden).

Da du ein Melodieinstrument, Trompete, spielst, hast du sicher auch schon zweite oder dritte Stimmen z.B. in einem Blechblasquartett oder -quintett gespielt und hast vielleicht auch ein grundlegendes Gefühl dafür, wie sich das Spielen so einer Begleitstimme anfühlt. Und ich meine wirklich "anfühlen", denn mit dem Spielen von Begleitstimmen fügt man einer Hauptstimme Töne hinzu, die mit dieser in ein konsonantes oder dissonantes Verhältnis treten. Wenn du weißt, wie sich z.B. das Aushalten und das Auflösen eines Leittones oder eines Quartvorhaltes anfühlen, kannst du leichter sowas auch selbst schreiben. Ich habe mit 11 angefangen, Posaune im Posaunenchor zu spielen und habe ganz viele Tonsatzregeln unterbewusst gelernt - vielleicht hast du auch schon ähnliche Erfahrungen. Die können enorm helfen.

Hast du Kollegen (z.B. 1 weitere Trp., 2 Pos.), mit denen du deine vierstimmigen Sätze spielen könntest? Die beste Musiktheorie ist die, die sich an der Praxis beweisen kann. Auch das Spielen von Posaunenchorliteratur am Klavier kann ich sehr empfehlen, das schult den Umgang mit vierstimmigen Sätzen für Blechbläser sehr gut.

Ich könnte jetzt noch eine Weile weiter erzählen, ich habe nämlich eine ganze Menge rumprobiert. Zu einer Lösung, die sowohl alle Regeln der Stimmführung beachtet und gleichzeitig auch noch sehr gut klingt, bin ich nicht aber gelangt. Dementsprechend die Frage: Welchen Weg bzw. welche Lösungsmöglichkeiten habe ich übersehen? Denn ich bin mir sicher: Es gibt für alles eine “richtige” Lösung. Verwendet man an bestimmten Stellen unisonos? Entscheidet man sich an bestimmten Stellen für “das geringste Übel”? Im Sinne von: Gibt es Regeln, die andere “überwiegen”.
Ja, manchmal sind einige Regeln wichtiger als andere. Leittöne (7.Stufen bzw. die Terz einer Dominante) dürfen im vierstimmigen Satz abspringen z.B. in die Quinte der Tonika. Verdeckte Parallelen sind im vierstimmigen Satz erlaubt. Es gibt Situationen, da ist das Verdoppeln einer Terz im Sextakkord ein geringeres Übel als sich z.B. Parallelen einzuhandeln.

Alle Regeln einzuhalten ist als Tonsatzübung gut, aber als Komposition gar nicht unbedingt. Du machst hier eine Tonsatzübung, daher finde ich es sehr gut, wie genau du dich um Regeleinhaltung bemühst. Für Tonsatzübungen würde ich zunächst das Spielen von Kadenzen (SAT rechts, B links) in allen Tonarten der oberen Hälfte des Quintenzirkels empfehlen (zuerst I-V-I, dann I-IV-V-I, dann I-VI-IV-V-VI-I etc.). Dann nimm dir einfache Melodien (Topaktuell: Weihnachtslieder ;)) und verwende die im Kadenzspiel geübten Tonsätze, um sie zu harmonisieren und als vierstimmigen Satz auszusetzen.
 
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Hey @HaraldS

Vielen Dank auch dir für die Antwort und die warmen Worte - ich geb mir Mühe :biggrinB:

Tatsächlich hatte ich mir zuerst eine Melodie hingelegt, die ich im zweiten Schritt harmonisiert habe. Ich wollte für mich selbst nur Step-by-Step vorgehen und erstmal klein anfangen. Sprich: Einfache Akkorde mit einfachen Rhythmen drunter legen und schauen, dass diese Akkorde unter der Melodie schonmal passen und sich sowohl logisch bewegen als auch (für sich genommen gut klingen). Im gesamten sieht's dann jetzt quasi so aus:
1734393456013.png

Eines sei dazu direkt gesagt: Mir ist natürlich klar, dass es da am Ende jetzt relativ hoch wird und man vermutlich nochmal alles etwas nach unten schieben würde, um es in eine angenehmere Lage zu bekommen. Und auch die simplen viertel + ganze Noten in der Begleitung sind natürlich nur Basis zum Testen und rumprobieren. Aber diesen Umstand mal kurz ignoriert stellt sich mir nämlich auch direkt eine andere Frage:

Man sagt ja auch, dass die einzelnen Töne eines Akkordes innerhalb einer Oktave bleiben sollen, um gut miteinander zu verschmelzen / resonieren. Frage A): Das gilt ja vermutlich auch am ehesten beim Schreiben für Klavier / Instrumentengruppen in sich denke ich? Je nach Besetzung und Instrumentation ist es ja absolut logisch und unvermeidbar, dass verschiedenste Oktaven und Lagen aufgegriffen werden - eine Flöte spielt schließlich in anderen lagen, als eine Bassposaune - das liegt in der Natur des Instruments.

Frage B): Kann die Melodiestimme sich recht frei durch die Lagen bewegen? In meinem Beispiel oben liegen Begleitung und Melodie in Takt 7 - 9 schließlich etwas weniger als zwei Oktaven auseinander. Da stellt sich nämlich die nächste Frage: Laut Stimmführungsregeln müssten die Begleittöne ja "ihrer Spur" folgen. In der Melodie möchte man aber ja manchmal genau den Effekt der Höhe und der Bewegung haben - auch über größere Intervalle. Wenn man dann gleichzeitig noch sagt: Es sollte sich innerhalb einer Oktave abspielen, wäre man ja doch ziemlich eingeschränkt. (Weswegen ich auch davon ausgehe, dass die Melodie in puncto Bewegung nach oben oder unten recht frei machen darf, was sie will).

Besten Dank für die Auskunft und Meinungen. Finds spannend, darüber zu sprechen :)

HINWEIS: Im zweiten und dritten Bild ist mir im fünften Takt auf der Zählzeit drei jeweils eine viertel verloren gegangen. Die bitte dazu denken, das war ein Vershehen :)

Ich bin zu später Stunde sogar noch den Schritt weiter gegangen und habe mir zum Ziel gesetzt, diese kleine Passage beispielsweise für ein Blechbläserquintett auszusetzen. (Trp 1+2 in Bb, Horn in F, Pos. in C und Tuba in C). Dann hat man ein etwas konkreteres Beispiel dachte ich mir :)

So bin ich dabei vorgegangen: Zuallererst habe ich mir mal einen bewusst ganz simplen Rhythmus zur Begleitung der Melodie ausgedacht. Wenn es etwas ruhiges, getragenes sein soll, darf es in der Begleitung ja durchaus auch etwas ruhiges, simples sein. Es ist ja nicht etwas weniger wertvoll bzw. schön, weil es nicht schwer ist. Das sah dann so aus:

AD_4nXe-G0vcBKTmiEb3aTJLU28lKIV74cmLEVdLMLv9xhZ6H0O3fodHgNkXoR0UGs70RWolML-elTMtI2pYFSm_DwzNHzJAUFbRUAU0uL27L_6RAv5pRgv6DGt8TxDrU2B0quQpAJC6


Dann stelle ich mir die Spuren passend ein und merke, was mir eigentlich schon lange klar war: Es ist (für einen Durchschnitts-Trompeter) natürlich viel zu hoch in der ersten Stimme.

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Also muss ich das alles in eine angenehmere Lage bringen - soll ja auch schön klingen und angenehm zu spielen sein. Also transponiere ich das ganze, wähle eine andere Tonart. Und dann sieht das ganze so aus:

AD_4nXciVgBBecznDOcenrGbaH7LaVSTlDs6z8NjD9AczynDx5tDPXN7bURCEpgaIfotI3gPIyt8z39sk8urU9Y7vcZRXG6suTf11eGC2zGqtsuJMDIFDbp7zhcrPaIqeW1VLVBA71eaxg


Hier fällt mir natürlich direkt auf: Die erste Trompete ist so ok, die zweite aber sehr tief (geht noch, aber schöner klingts bestimmt in einer anderen Lage). Auch in der Posaune geht's noch, die Stimme geht aber schon recht weit runter. Und genau hier stellt sich eine Frage: Kann ich die Stimmen beim Instrumentieren jetzt einfach tauschen, sodass jedes Instrument in der Begleitung die Stimme kriegt, die am besten zur Lage passt? Wenn ich die Trompete und die Posaunenstimme tausche und die (neue) Trompetenstimme dann eine Oktave höher setze, ergibt sich nämlich folgendes Bild, das schon deutlich schlüssiger aussieht.
AD_4nXfYjyyAQSreWr7HA2q3gdpISDiQj0CdGKCAAquX9xCEK5JStQCq90GnXn5BBeqB_ISCCycJNdxHcmT3XvpdyoiBy1y1Xnnrt00felRQFnQ6NKuj0MkwYdfjaRv-ysCH83ZEyukC


Jetzt stellen sich mir weiterhin zwei Fragen: 1.) Wir haben (vor allen in den Takten 7-8) wieder die Entfernung zwischen Melodie (1. Trompete) und 2. Trompete (ehemals Sopran), die phasenweise mehr als eine Oktave beträgt. Vom reinen Hören her finde ich das nicht schlimm und würde es vermutlich so lassen. Es ist halt ein Effekt, dass die Melodie mehr in die Höhe geht. Würde man das wegen der Regel “jede Einzelstimme hat am besten den Abstand von maximal einer Oktave” als kritisch betrachten? Oder ist das eine Regel, die eher für das Klavier gelten, weil die Töne dann am besten zusammen klingen? Schließlich passen die Abstände am Anfang ja sehr gut, nur in den zweiten vier Takten trennt sich die Melodie in puncto Höhe von der Begleitung. Muss die Begleitung da also mitgehen, was dann ja teilweise wieder gegen klassische Tonsatzregeln verstoßen würde? (Man müsste nicht zum nächsten Ton gehen, um nach oben zu kommen)

Und zweitens: Habe ich durch den Tausch von Posaune eine Umkehrung gebaut? Und müsste dementsprechend dann auch neu prüfen, ob Parallelen oder andere verbotene Bewegungen entstanden sind? Man könnte ja wie folgt denken und die Instrumente des Quintetts auf die alte Melodie - Sopran - Alt - Tenor - Bass-Denkweise umdenken, auf denen die Stimmen ja basieren:

  1. Trompete 1 = Melodie, War schon extra, Einzelstimme
  2. Trompete 2 = Alte Sopran Stimme aus Piano-Entwurf (weil am höchsten)
  3. Horn in F = Alte Alt-Stimme aus Piano-Entwurf
  4. Posaune in C = Alte Tenor-Stimme aus Piano-Entwurf
  5. Tuba in C = Alte Bass-Stimme aus Piano-Entwurf

Und nach diesem Prinzip hat sich ja nun das Notenbild in der Klavierstimme geändert durch den Tausch der Stimmen und sähe (ohne Oktavierung, nur Trompete 2 / Sopran und Posaune / Tenor getauscht) wie folgt aus:

AD_4nXfMUNDikJZrs51_KRnCOF-KUStyjr9XTPTv5z5dU1sMkiy5uwaB2gRqOV_uUH_YPcgHwyRneuAb7EsMYAxjszosABDVpw87YH4Oke9NbpNbEhjT6DO5LrkMSwcZSVuFrOZMQZqg

Im Vergleich dazu die alte Klavierstimme ohne Tausch von Trompete 2 und Posaune (transponiert):

AD_4nXfKMJCaBnkMvzx-nWaF7cBbeVFszMHozlz-0bDjKsgOzBDYephh7nhJnaMZ7k9hlx1ckGUqVcJ5qGpBZEyBfKt9j1UHi-IYuJjIo1FS0fbgW2whRSNsVxB5VQM_HJCzdCRzAey__g


Oder ist das keine Umkehrung im klassischen Sinne, weil sich die Stimmen ab dem Punkt der Instrumentierung von der klassischen Sopran-Alt-Tenor-Bass-Struktur trennen und “eigenständig” werden? Man spielt es ja de facto nicht mehr auf einem Klavier. Oder anders formuliert: Sobald die Noten gesetzt sind, kann ich - vorausgesetzt der Charakter und die Lage passt - jede Stimme des Klavier-Roh-Entwurfs auf jedes Instrument übertragen? Oder muss ich (abseits des Tonumfangs des Instruments und des Charakters der Stimme) auf noch etwas achten, wenn ich die Stimmen tausche um sie in eine angenehmere Lage für die jeweiligen Instrumentalisten zu bringen?

Ich hoffe, es wird klar was ich meine und meine Gedanken sind nachvollziehbar 🙂 Eines kann ich unabhängig von “nach Lehrbuch richtig oder falsch” auf jeden Fall sagen: Ich finde es klingt (für einen Rohbau / eine erste Version) gar nicht so schlecht, wenn man die Trompeten- und Posaunenstimme tauscht. Eine kurze Hörpobe habe ich angehangen. Einmal nur die Begleitung, einmal mit Melodie. Die ist aber nur “schnell zusammengebaut”. Deshalb bitte nicht wundern, wenn es nicht superpräzise gemixt ist, Artikulationen nicht ganz passen etc. Geht in der Hörprobe ja nur um eine grobe Richtung 🙂

Wahrscheinlich habe ich hier jetzt auch schon einen Schritt vor dem anderen gemacht und ich hoffe man kann meinen Gedankengängen folgen. Außerdem klinge ich hoffentlich nicht zu sehr nach “klassische Regel hier, Regel da”. Aber genau darum geht es mir aktuell: Anhand von Beispielen ein Gefühl dafür entwickeln, welche Regeln in welcher Situation und in welcher Musikrichtung wie streng gelten. Und dabei ein paar typische Anfängerfehler machen, an denen man lernen kann 🙂

Vielen Dank für Eure Hilfe! Macht auf jeden Fall Spaß hier im Forum!

Chris
 

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Man sagt ja auch, dass die einzelnen Töne eines Akkordes innerhalb einer Oktave bleiben sollen, um gut miteinander zu verschmelzen / resonieren.
Es gibt enge und weite Lage(n) für Akkorde. Sowohl auf dem Klavier als auch für einzelne Stimmen (Instrumente, Chor) klingen auch weite Lagen sehr gut - je nachdem, was man als Arrangeur möchte.
Die Faustregel gilt soweit ich weiß zwischen einzelnen Stimmen.
Der Bass kann grundsätzlich auch deutlich weiter weg sein - bei der Melodie und den Mittelstimmen würde ich schon versuchen, den Abstand unter einer Oktave zu halten. Es klingt sonst einfach nicht gut verteilt. Natürlich kann eine Piccoloflöte auch mal mehr drüber sein. Aber nur Posaunen und Piccoloflöte klingt sicher "speziell". Ob es da irgendwo eine generelle feste Regel gibt, weiß ich allerdings nicht. Da kann @LoboMix sicher etwas amtliches dazu sagen.

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del2.jpg

hier würde ich als Klavierspieler rechts das tiefe G definitiv weglassen. Über eine Terzverdopplung als identischer Ton müsstest Du Dir am Klavier keine Gedanken machen. Im Chor würde man wohl Sopran und Alt zum d führen und der Tenor singt h, damit sich die Terz nicht verdoppelt.

Davon abgesehen würde man sicher diese Viertelakkorde etwas variabler gestalten. Aber für eine Übung kann man das schon so machen.

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Kann die Melodiestimme sich recht frei durch die Lagen bewegen?
Sie ist im Prinzip schon relativ frei, aber wenn die anderen Stimmen eng zusammenliegen und die Melodie sehr weit weg ist, klingt das meistens nicht so gut.
Freier ist sie auch, weil sie oft mehr "Bewegung" drin hat, also größere Intervalle, während die anderen Stimmen in so einem Fall wie Deinem ruhiger gesetzt werden, also in Vierteln/Halben.
Das gilt aber nicht generell; bei polyphonen Stücken wie Bach sind die Stimmen selbständiger, dh. auch Tenor und Alt haben da nicht nur Begleitfunktion, sondern teilweise auch Eigenschaften einer Melodiestimme.

Im Übrigen finde ich es super, wie detailliert und gut Du Deine Fragen stellst!


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del3.jpg


Kleine Anmerkung: Die Trompetenstimme müsste in D-Dur (einen Ton höher) notiert sein, da Du sie ja als transponierendes Instrument instrumentiert hast.
Du hast es klingend notiert - für das Beispiel OK, aber ein "sturer" Trompeter würde hier alle Töne zu tief spielen ;)

Also schreib lieber "klingend notiert" oder Trompete in C davor.
Ob es für klingende Notation etwas offizielles gibt, weiß ich wieder nicht, ich kenne jedenfalls nichts. In Klavierauszügen wird das ja immer nur in der Klavierstimme selbst notiert. Instrumentenstimmen sind eigentlich immer für das Instrument, also ggf. transponierend, notiert.

EDIT: habe gerade erst gesehen, dass Du das ja im zweiten Beispiel gemacht hast! Dann wusstest Du das ja schon und kannst Du das natürlich ignorieren.
EDIT2: sehe grade, die Harmonien stimmen in der Version mit transponierenden Stimmen nicht. Die hast Du mit transponiert.

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Und genau hier stellt sich eine Frage: Kann ich die Stimmen beim Instrumentieren jetzt einfach tauschen, sodass jedes Instrument in der Begleitung die Stimme kriegt, die am besten zur Lage passt?
Grundsätzlich bist Du frei. Solange die Regeln erfüllt sind (keine Parallelen, Terzverdopplung usw.) und die Stimmführung vernünftig ist, sind die Stimmen ja nicht "vertauscht", sondern halt so, wie sie jetzt stehen. Wenn es dadurch eine weite Lage wird, ist das auch OK. Manchmal kann man auch einzelne Töne oder kleine Abschnitte zwischen Stimmen tauschen.
Es kommt hier drauf an, was Du als Arrangeur willst. Wenn die Trompeten tief spielen sollen, musst Du es so setzen. Wenn nicht, dann halt höher.

Wir haben (vor allen in den Takten 7-8) wieder die Entfernung zwischen Melodie ...
Das finde ich hier auch etwas ungünstig und würde versuchen, die 2. Trompete höher zu setzen und Horn ggf. auch.

Muss die Begleitung da also mitgehen, was dann ja teilweise wieder gegen klassische Tonsatzregeln verstoßen würde?
Gegen welche Regeln würdest Du da verstoßen?

Du kannst leicht die Lage wechseln, wenn ein Akkord über mehrere Viertel liegt. Einfach die Stimmen zum nächsthöheren oder nächsttieferen Ton führen (Sprung oder mit Durchgangstönen).

Und müsste dementsprechend dann auch neu prüfen, ob Parallelen oder andere verbotene Bewegungen entstanden sind?
Das sollte man grundsätzlich immer. Mit mehr Erfahrung fällt Dir das dann aber (meistens) schon beim Hören auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Anhand von Beispielen ein Gefühl dafür entwickeln, welche Regeln in welcher Situation und in welcher Musikrichtung wie streng gelten
Guter Ansatz. Welche Stilrichtungen möchtest Du da abdecken?

Was ich Dir empfehlen kann: Nimm Dir mal einen Bach-Choralsatz, den Du nicht gut vom Hören kennst, zB aus der Matthäuspassion oder einer Kantate.
Nimm Die Melodie (oder auch Melodie und Bass) und versuche mal einen Chorsatz nach den Regeln zu machen.
Dann nimm Dir die Bach-Version und vergleiche. Ich finde, da lernt man viel, wie es der Meister gemacht hat.

Das Gleiche kann man natürlich mit Reger usw. machen. Oder auch mit anderen Stücken (Bläsersätzen usw.).

Wie @HaraldS empfohlen hat, hilft natürlich auch das gemeinsame Musizieren sehr, um dieses "Gefühl" (besser wohl Erfahrung) zu entwickeln. Wobei das natürlich eine mittel- bis langfristige Sache ist - die aber Spaß macht.
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Und, da Du ja offensichtlich an der Einhaltung von Regeln interessiert bist, hier noch ein Hinweis auf den Unterschied zwischen "gehängt" und "gehangen" ... ;)
Eine kurze Hörpobe habe ich angehangen.
 
Geht in der Hörprobe ja nur um eine grobe Richtung
Mir gefallen da die Übergänge C --> D (in Deinen Noten, eigentlich Bb-C) und D--> Em nicht so richtig.
Solche Tonarten, die einen Ton auseinander sind, klingen leicht nach Parallelen, besonders wenn die Melodie in die gleiche Richtung geht.
1734420384977.png

Da würde ich versuchen, diese "Parallelverschiebung" durch Viertel in den Mittelstimmen zu entschärfen.

Ansonsten klingt Dein Hörbeispiel ziemlich nach Herr der Ringe-"Auenland"-Stil, finde ich ;) da wären Parallelen durchaus OK, ggf. sogar gewollt.

PS: Entschuldigung für den Mehrfachpost, habe versucht, alles zusammenzukopieren, dabei hat es mir aber die Anhänge zerschossen, so dass ich es so gelassen habe. Ist ja auch relativ viel Text und vielleicht so übersichtlicher?
 
Sorry, off Topic aber entsteht so wirklich Musik?

Bei mir und wahrscheinlich alle Gitarristen abseits Klassik schult das Ohr/Musikalität/Intuition/Kreativität, um entweder über Akkordfolgen eine Melodie zu erfinden oder bei einer Melodie interessante Akkorde zu finden.

Hier scheint man ein Grammatikbuch abzuarbeiten und irgendwann hinterher wird eine Geschichte zusammengezimmert? Ist das der notwendige Ansatz wenn man nicht auf den Kuss der Muse warten kann der womöglich nie kommt sondern in zwei Wochen eine fertige Partitur abliefern muss?

Oder ist das hier bereits "langweiles" Handwerk das mit Kreativität schon nicht mehr viel zu tun hat? Wie etwa Architektur ist Kunst, Kachelkleben Handwerk?

Nochmals sorry aber ich bin wirklich fasziniert, wie Musiker je nach ihrem Instrument der Wahl an Musik herangehen.
 
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... habe gerade eine Pause, muss mich aber kurz fassen - später eventuell mehr ...

Zunächst zu deiner Frage:
Zum Beispiel, weil die Melodie darüberliegend noch weiterläuft. Dann würde man - wenn man der Regel des nächstgelegenen Tons ganz streng folgt - (ohne den Tipp mit dem Lagenwechsel) ja zu diesem Ergebnis kommen:

(Die Pausen in Takt 5 und 8 im Bass einfach ignorieren, waren ein Versehen)
1734388752899.png


Und das könnte in der Theorie ja dann unendlich weiter nach unten gehen und man wäre gefangen / gefesselt.
Genau um diesen ´Gang in den Keller´ zu vermeiden sind Lagenwechsel so sinnvoll. Damit kannst du immer wieder den Weg zurück finden in die für den Satz/die Instrumente/die Stimmen günstige Lage. Vorzugsweise gerne am Ende eines Formteils (also z.B. am Ende der 4-taktigen Phrase).

Ansonsten finde ich vor allem die letzte Fassung deiner MP3-Höbeispiele schon absolut präsentabel, so könntet ihr das durchaus aufführen (y).
Da dein 8-Takter auf der Dominante endet, handelt es sich wohl nur formell um einen Halbsatz - das Ende klingt offen. Wiederhole einfach diese 8 Takte, schließe aber am Ende auf der Tonika, dann wird es ´rund´.

Aber vergiss bitte diese ganzen strengen Regeln des Choralsatzes. Grundsätzlich können sie zwar auch in anderen Genres durchaus hilfreich und anregend sein, aber man muss in der Lage sein, sie zu relativieren. In diesem völlig homophonen Satz kannst du z.B. beliebig Stimmkreuzungen vornehmen und jedem Instrument nur die Töne der Akkorde zuweisen, die für es gut liegen.
Da die Melodie einen irischen/schottischen Touch hat ("Auenland" passt gut, @opa_albin!), bist du sowieso Genre-bedingt viel freier als es die Regeln des Kantionalsatzes oder gar eines Bach´schen Chorals vorgeben.
Hier wären sogar reine Paralleführungen von Akkorden statthaft - und würden gegen keine Regel verstoßen.

Im Grunde gibt es nur eine Hauptregel, die immer beherzigt werden sollte: Das Ganze muss gut klingen (und wenn es dann noch gut liegt für die beteiligten Instrumente, sind auch die Spieler glücklich)!
 
Vielen Dank schonmal für die ganzen Hinweise und Antworten!

Ich kann in meiner Pause auch gerade nur kurz Antworten und gehe später nochmal genauer (mit Notenbeispielen) auf einzelne Hinweise und Anmerkungen ein :)

Sorry, off Topic aber entsteht so wirklich Musik?
Hier sehe ich das im Prinzip so:

Natürlich zählt immer: Wenn sich etwas für den persönlichen Geschmack gut anhört und einem gefällt, ist es richtig. Regeln sollten nie den persönlichen Geschmack dominieren und zu etwas führen, das man eigentlich nicht erreichen wollte. Man darf natürlich nicht zu verkopft an Musik herangehen und sich durch angebliche Vorgaben und Regeln lähmen lassen. Wenn es nicht so klingt, wie man es wollte, ist es vielleicht "technisch richtig", aber halt nicht gut, wenn es möglicherweise nicht der eigenen Vision entspricht. Und die will man ja ausdrücken.

Es ist meiner Meinung nach aber wichtig, die Regeln zu kennen. Schließlich haben sich gewisse Regeln (man könnte sie auch Vorgehensweisen oder Mechanismen nennen) über Jahrhunderte entwickelt, weil sie einen bestimmten Effekt erzielen. Weil sie einen möglicherweise zu einem besseren Ergebnis führen können. Man kann sie schließlich immernoch bewusst ignorieren, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen, wenn einem das "regelfremde" Ergebnis besser gefällt. Musik ist schließlich Kunst und im Prinzip kann man machen, was auch immer man will - wenn es zum sich selbst gesteckten Ziel führt. Was ich da aber auch hier schon gelernt habe: Regeln sind im Kontext des Musikstils zu betrachten. (Vermutlich gibt es da keine klare Übersicht, zu welchem Stil / und welcher Musik welches Regelset passt, oder?)

Ich gehe aktuell natürlich extra-genau (fast schon bürokratisch) vor. Um die Regeln erstmal richtig zu verstehen und zu sehen, welchen Effekt sie erzielen und wo die Fallstricke sind. Um zu lernen, wo man sich wann wie weit davon entfernen kann und darf. Natürlich möchte ich mich in Zukunft nicht von den Regeln fesseln lassen und einfach nur Wege gehen, weil sie laut Lehrbuch richtig sind. Wenn man die Regeln kennt und verstanden hat, hat man meiner Meinung nach aber einen großen Vorteil: Man kann verschiedene Varianten ausprobieren und schauen, ob einen die Regeln zu besseren Ergebnissen führen, die man im ersten Gedankengang vielleicht gar nicht bedacht hat. Wenn man die Regeln nicht kennt, läuft man Gefahr irgendetwas zu machen. Klar, dieses "irgendetwas" kann natürlich genial sein. Vielleicht ist es aber auch nur okay bis solide und nicht das beste Ergebnis, das man hätte erzielen können. Das Ergebnis, bei dem man sich dann im nachhinein denkt: "Oh krass, ist ja noch besser, als ich gedacht hatte."

Natürlich lassen sich auch tolle Songs schreiben ohne Regeln zu prüfen. Etliche Komponisten (vor allem aus moderneren Sachen in Pop etc.) haben vermutlich etliche Welthits geschrieben, ohne sich Gedanken über "Regeln" gemacht zu haben. Weil es im Kontext dieser Musik eben funktioniert und einfach andere Zielsetzungen / Anforderungen / Ausgangsvoraussetzungn vorliegen (welche Instrumente, welcher Stil etc.). Aber da sind wir wieder beim Thema: Im Kontext der Stilistik und von dem, was man machen möchte. Möchte ich einen aktuellen Pop-Song schreiben, greifen andere Mechanismen als bei dem Versuch, etwas zu kreieren, was nach 17. Jahrhundert klingt. Und diese Regeln können dann helfen, einen bestimmten Sound zu erreichen.

Ich habe eh festgestellt: Mit etwas Erfahrung im Hören entwickelt man automatisch ein gutes Gespür. Die Intuition umfasst (mit etwas Hörerfahrung und Gespür) viele Regeln automatisch. Aber wenn man sie kennt hat man quasi einen größeren Werkzeugkasten und Möglichkeiten zum Testen, um das wirklich beste Ergebnis zu finden. Und nicht das, von dem man am Anfang vielleicht glaubt, es wäre das beste. Und deswegen wie gesagt erstmal meine hier extra-strenge Auslegung der Regeln, um im nächsten Schritt zu schauen, wo was wie angepasst, verändert und ignoriert werden kann.

Oder um es ganz kurz zu fassen: lernen und verstehen :)
 
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Bei mir und wahrscheinlich alle Gitarristen abseits Klassik schult das Ohr/Musikalität/Intuition/Kreativität, um entweder über Akkordfolgen eine Melodie zu erfinden oder bei einer Melodie interessante Akkorde zu finden.
Ja, schon.
Aber das hat überhaupt nichts mit der Fragestellung des TE zu tun. Da vergleichst Du mMn Äpfel mit Birnen. Die gestellten Aufgaben sind gänzlich anders geartet.

Die Problemstellung ist hier: Gestalte einen (singbaren, spielbaren) mehrstimmigen Satz über eine gegebene Harmoniefolge.

Das kann man nun entweder auch rein intuitiv und mit Versuch-Irrtum angehen, oder man bedient sich der Jahrhunderte alten kollektiven Hörerfahrung der (europäischen) Hörtradition, die durch die sogenannten
Stimmführungsregeln in eingedampfter Form vorliegt. Studiert man die, und wendet sie an, kommt man zu brauchbaren Ergebnissen. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich sehe da nicht viel Unterschied zu dem, vor allem bei Gitarristen äußerst beliebten Zeitvertreib, Skalen/Tonleitern zu "pauken". Auch da könnte man sagen: Wozu das alles ?
Das tötet doch komplett die Kreativität! ...

Beide Themenbereiche haben gemein: Nur die Kopplung des erlernten Wissens mit einer konkreten Klangvorstellung führt am Ende zum Ziel, und kann dann als
Grundlage/Werkzeugkasten für die eigene Kreativität dienen.

LG - Thomas
 
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Ich sehe da nicht viel Unterschied zu dem, vor allem bei Gitarristen äußerst beliebten Zeitvertreib, Skalen/Tonleitern zu "pauken". Auch da könnte man sagen: Wozu das alles ?
Das tötet doch komplett die Kreativität! ...
Wenn ich überlege, kam meine Frage vielleicht als bewertend rüber aber so war das nicht gemeint.

Als Gitarrist der von der Geige kommt habe ich mir den Kopf zermartert was die Tonleiter als Muster auf dem Griffbrett sein soll. Ich habe für mich beschlossen, dass ich lieber lernen will die Finger so zu trainieren, dass sie den Ton finden, den ich im Kopf habe.

Dann stolpere ich über die unzähligen Tutorial Videos über Muster, werde ich wieder unsicher und muss mich wieder daran erinnern, dass das der Weg ist wie Gitarre gelehrt wird.

Und hier nun sehe ich wieder einen ganz anderen Ansatz....

Vielleicht funktioniert das weil man alle Zeit der Welt hat die Regeln durchzugehen statt mit 100 bpm im Takt bleiben zu müssen.

Erinnert mich sehr an Sprachen.

Muttersprache
Fremdsprache die man in der fremden Sprache lernt
Fremdsprache die man in Muttersprache lernt

Gibt es noch weitere Ansätze sich der Musik zu nähern?
 
@turko hat es für mich schon auf den Punkt gebracht, mehr braucht's eigentlich nicht.

Es lohnt sich, die Aufgabenstellung zu verstehen: Mehrstimmige Arrangements sind das Thema.
Das heißt zumeist, daß mehrere Personen zusammen spielen.
 
EDIT: habe gerade erst gesehen, dass Du das ja im zweiten Beispiel gemacht hast! Dann wusstest Du das ja schon und kannst Du das natürlich ignorieren.
EDIT2: sehe grade, die Harmonien stimmen in der Version mit transponierenden Stimmen nicht. Die hast Du mit transponiert.
Hey,

vielen Dank für deine Antworten. Und vielen dank: Ich geb mir mühe so präzise wie möglich zu sein. Dann bekomme ich zwar manchmal Angst, ins Schwafeln zu verfallen, aber dafür ist es präzise (was ja nicht unwichtig ist) :)

Das mit dem transponieren kommt tatsächlich aus einer Voreinstellung meines Programms und war mir bewusst. Das habe ich aber ganz bewusst mal ignoriert, weil es mir thematisch um was anderes ging. In Cubase steht z.B. immer "Trompete in Bb" davor, weil das in meinem Fall der Name der Spur (der Spieler) ist - egal ob klingend oder transponiert, das kann man aber auch ändern. Wenn man zwischen transponierter und klingender Ansicht umschaltet, ändern sich die Vorzeichen und die Lage der Instrumente dann automatisch - nur eben nicht die Bezeichnung vorne. Auch werden die Akkordsymbole mittransponiert, wenn ich zwischen klingend und transponierter umsicht umschalte. Sorry, wenn das für Verwirrungen sorgt.
Gegen welche Regeln würdest Du da verstoßen?
Meinen Gedankengang kann ich da sehr gut erklären, wenn ich gleichzeitig auf folgendes versuche:

Das finde ich hier auch etwas ungünstig und würde versuchen, die 2. Trompete höher zu setzen und Horn ggf. auch.
Vorher sah die zweite Hälfte ja so aus ja so aus (Klavier, klingend):
1734451539092.png


und instrumentiert + transponiert:

1734451567366.png


nur haben wir ja festgestellt, dass man mindestens die zweite Trompete und auch das Horn etwas höher setzen könnte. Dann komme ich zu folgendem Ergebnis (wenn ich die üblichen Regeln so gut ich es auf die Schnelle gerade im Blick habe beachte):

(Klavier, klingend):
1734452552729.png


Instrumentiert + transponiert:
1734452654970.png


Die Regel die ich meine, die man sie in dem Fall brechen würde, sehen wir zum Beispiel im Übergang von Takt 6 auf 7. Die Regel des nächstgelegenen Tons würde ja sagen, dass das klingende C in Takt 6 in der Begleitung auf dem C liegen bleiben müsste (ist ja der nächstgelegene Ton im ersten Akkord in Takt 7). Dadurch, dass wir uns an dieser Stelle nach oben bewegen wollen, um der Melodie zumindest etwas folgen zu können, geht es an dieser Stelle aber zum E. Und das ist ja streng genommen nicht der nächstgelegene Ton. Ist das also ein typischer Fall von: Der Zweck heiligt hier die Mittel, weil das Ergebnis insgesamt besser wird? Bzw. besser formuliert: Der notwendige Lagenwechsel erfordert dieses Vorgehen?

Man könnte das ganze hier in Takt 8 vermutlich noch weiter nach oben setzen. Das habe ich aber nicht gemacht, weil sonst zwei Probleme entstehen: 1.) habe die Oberen Stimmen bewusst nach unten wandern lassen, weil sonst Parallelen (z.B. zum Bass entstehen.
2.) Der Bass bewegt sich sehr weit Weg vom Rest. Aktuell ist er in Takt 7 am weitesten entfernt: Genau zwei Oktaven. Aber bis zu zwei Oktaven sind von Bass zu Rest ja noch so gerade im Rahmen (mehr sollte es nicht sein).

Dazu haben sich noch weitere Fragen aufgetan, als ich das in dieser Form dann weitergeschrieben habe. Am Ende habe ich die Stimmen (um Parallelen zu vermeiden) in verschiedene Richtungen geführt. Ist so etwas laut Regelbuch annehmbar?

Ansonsten finde ich vor allem die letzte Fassung deiner MP3-Höbeispiele schon absolut präsentabel, so könntet ihr das durchaus aufführen (y).
Erstmal: Danke dir, das ist sehr nett. Das ist so jetzt eigentlich nur aus Experimenten entstanden. Aber jetzt habe ich auch gefallen dran gefunden. Vielleicht mache ich ja noch was ganzes drauf - wenn ich schon dabei bin :biggrinB: Und lernen kann man ja eh am besten durch testen und scheitern :)

Da dein 8-Takter auf der Dominante endet, handelt es sich wohl nur formell um einen Halbsatz - das Ende klingt offen. Wiederhole einfach diese 8 Takte, schließe aber am Ende auf der Tonika, dann wird es ´rund´.

Die Idee ist da tatsächlich, dass es fließend weitergeht. Sprich jetzt übernimmt ein anderes Instrument (etwas wärmerer, tieferer Klang. entweder Horn oder Posaune) und bringt die Melodie nach einer Bewegung über ein paar Takte (vermutlich dann wieder 4 oder 8) zu einem Abschluss (I / Tonika). War in diesem Moment also tatsächlich gewollt, weil ich diesen fließenden Übergang / die Übergabe bzw. Fortführung zwischen den Instrumenten an dieser Stelle direkt und automatisch als Idee im Kopf hatte - die kam von selber.

Und ganz allgemein: Ich habe bis hierher auf jeden Fall mitgenommen, dass ich ein Gefühl dafür entwickeln muss, was ich wann darf. Das ist erstmal entscheidend. Aber ich wüsste (abseits der Regel "wenn es gut klingt ist es richtig") zum Beispiel nicht: Wenn ich in der Theorie Filmmusik a la John Williams schreiben möchte - was darf ich dann? Vermutlich müsste ich dann die Werke von Williams studieren und gucken, wie er Situationen löst. Genau wie Hans Zimmer, der ja eine ganz andere Herangehensweise hat (oft unvollständige Akkorde mit zwei Tönen etc., wofür ihm jeder klassische Lehrer einen auf den Deckel geben würde).

Deswegen ist die größte Herausforderung aktuell wohl: Woher weiß ich, was ich in welcher Situation darf?

Zum Beispiel dass im Rahmen dieser "Auenland-Übungsmelodie" lockerere Regeln gelten. Ist das logisch, weil es eben nichts ist, was nach (beispielsweise) 17. Jahrhundert klingen soll und von Instrumentalisten und nicht auf einem Klavier gespielt wird?

Oder würde man zum Beispiel sagen: Wenn ich eine simple Pop-Nummer, die im Original nur so vor Parallelen überquillt, für ein Blasorchester arrangiere: Sind die dann auch da gestattet? Weil die Art der Musik / die Stilistik und Epoche es so vorgeben? Oder würde man hier dann auch sagen: Na das passen wir doch besser etwas in der Stimmführung an, weil's am Ende eben besser klingt. (Ich vermute letzteres. Weils eben besser klingt).

Ich hoffe ich stelle nicht zu viele Fragen. Find das ganze Thema einfach sehr spannend und bin aktuell dabei, mich ein bisschen tiefer einzuarbeiten. Macht mir großen Spaß :)
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Wenn ich überlege, kam meine Frage vielleicht als bewertend rüber aber so war das nicht gemeint.
Ich hab's auch gar nicht böse / wertend aufgefasst :)
 

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Aber vergiss bitte diese ganzen strengen Regeln des Choralsatzes. ..., aber man muss in der Lage sein, sie zu relativieren.
Hm - ich finde es eigentlich gut, dass @Chris_1990 erstmal streng nach Regelwerk arbeitet, weil er eben noch nicht die Erfahrung hat, sie zu relativieren.
Da würde ich nicht von Anfang an sagen, dass er die Regeln vergessen soll - die will er ja grade lernen. Und ich finde, gerade aus der Anwendung dieser Regeln lernt man, warum etwas so oder so klingt, wann es geht und wann nicht.
Also ich würde Dir - auch wenn @LoboMix von der Theorie deutlich mehr Ahnung hat als ich - doch raten, die Regeln erstmal anzuwenden, und sie später zu lockern, aber zu wissen warum und wann.

Ich habe bis hierher auf jeden Fall mitgenommen, dass ich ein Gefühl dafür entwickeln muss, was ich wann darf.
... und bis man das "im Gefühl" hat, arbeitet man nach Regeln ;)
Es ist bisschen wie mit dem weichen Ei bei Loriot ;-) ... "Eine Hausfrau hat das im Gefühl" ;)

Vermutlich müsste ich dann die Werke von Williams studieren und gucken, wie er Situationen löst. Genau wie Hans Zimmer
Genau. Oft findet man aber auch Hinweise oder Analysen von Leuten, die vor Dir auf die gleiche Idee gekommen sind, oder das sogar unterrichten.
Man kann natürlich nicht in den Kopf von Komponisten hineinschauen ... ich vermute aber, die allermeisten haben genau diese Regeln studiert, verinnerlicht, indem sie viel damit herumexperimentiert haben, und etwas Neues entwickelt, was in gewissem Umfang die Regeln brach. Womit natürlich nicht nur vierstimmiger Satz gemeint ist, sondern auch Rhythmus, Form, Instrumentierung, Harmonische Komplexität usw.

Dieses Neue haben dann wieder andere in Regeln versucht zu fassen, die man dann wieder studieren kann usw. ;)

ZB. Schumann und Reger konnten prima Choräle setzen, auch wenn sie die Regeln dann oft gedehnt, angepasst und überschritten haben. Vieles wie zB Terzverdopplung, Parallelen usw gilt aber für erstaunlich lange Zeiträume.

Nun gibt es Regeln für Zwölftonmusik, für gregorianischen Choral, italienisches Madrigal, Jazz der 30er, Jazz der 60er, Wagnersche Harmonik usw. Wenn man sich nicht dran hält, geht das - klingt aber eben dann auch anders. Eine Choralmelodie im Stil von Hans Zimmer gesetzt klingt eben nicht nach Kirche. Aber kann im entsprechenden Umfeld funktionieren.

Also wenn Du Williams oder Zimmer Style lernen willst, such Dir Noten oder hör es raus und finde raus, warum es so klingt, wie es sich vom klassischen Satz unterscheidet. Lerne die Tricks, probiere andere Varianten aus, warum klingen die nicht so nach Williams/Zimmer usw. Parallel natürlich schauen, was es schon gibt. Das ist ein Prozess, der lange dauern kann.

Im Jazz macht man das als Lernender eigentlich ständig - zu erkunden, welche Akkorde, Tensions, Skalen, Formen usw. wie wirken, wann ich sie einsetzen kann, wenn ich wie Dixieland oder wie Herbie spielen möchte.

Wenn ich eine simple Pop-Nummer, die im Original nur so vor Parallelen überquillt, für ein Blasorchester arrangiere: Sind die dann auch da gestattet?
"Gestattet" gibt es hier nicht, bzw. kommts eben drauf an, was Du willst - und deshalb ist es aus meiner Sicht extrem hilfreich, die kompositorischen Regeln der Epochen zu verinnerlichen. Also zu kennen und zu wissen, wie es klingt, wenn man sich daran hält und wenn man sie "bricht".
Du kannst eine Pop-Nummer als sechsstimmigen Schütz-Chor setzen oder als Bossa. Wenn Du es möglichst originalgetreu halten willst, wirst Du dich vermutlich auch bei anderer Instrumentierung an die Regeln der Stimmführung halten müssen, weil es sonst einfach anders wirkt.

Es gibt ja auch lustige Arrangements, die mit bestimmte Stilen spielen, zum Beispiel das herrliche ""Die launige Forelle" von Schöggl für Chor, wo er Schuberts Lied im Stile verschiedener Komponisten arrangiert hat. Freifisch, Forella italiana, Fischfang mit Liszt usw. (Gibt auch Noten dafür auf yt oder zu kaufen.)

Oder würde man hier dann auch sagen: Na das passen wir doch besser etwas in der Stimmführung an, weil's am Ende eben besser klingt.
"Besser" ist hier auch kein klares Kriterium - wenn Du originalgetreu meinst, möglichst wenig anpassen. Wenn es anders klingen darf - "cooler", bluesig, was weiß ich - dann musst Du halt Mittel der jeweiligen Stilistik verwenden.
Ist natürlich im Einzelnen nicht trivial, das geschmackvoll und gut zu machen. Aber das hat ja wohl auch keiner erwartet ;)
 
Ansonsten finde ich vor allem die letzte Fassung deiner MP3-Höbeispiele schon absolut präsentabel, so könntet ihr das durchaus aufführen (y).
Vielen Dank für die warmen Worte und auch die Hinweise. Ich hab hier auf jeden Fall auch mitgenommen, dass ich (neben dem lernen der Regeln selbst) ebenfalls lernen muss, wann welche Regeln wie stark gelten. Damit man sich nicht selbst unnötig beschränkt oder sich das Leben schwerer macht, als es möglicherweise sein muss :) Es wird vermutlich (was wohl in der Natur der Sache liegt) eine Weile dauern, bis man durchs Analysieren anderer Werke und wirklich bewusste hören ein genaues gespür dafür entwickelt, was man wann darf und wann besser nicht.

Vor allem am Anfang ist das (zumindest für mich) nämlich gar nicht so leicht zu trennen: Auf der einen Seite stehen in etlichen Harmonielehre-Büchern diverse Regeln (oft auch mit dem Hinweis auf die Stilistik bzw. Epoche), auf der anderen Seite schaut man sich dann Werke an und merkt: "Warte mal, die ignorieren Regel XYZ ja auch gerade." Dazu kommen verschiedene Meinungen. Einige ignorieren Regeln an Stelle A, andere sagen: "Auf jeden Fall befolgen!" Daraus nehme ich in erster Linie natürlich mit, dass es unterschiedliche Geschmäcker, Herangehensweisen und viel mehr als richtig und falsch gibt. Musik ist eben keine Gleichung in Mathe, in der es nur falsch und richtig gibt, sondern es gibt auch viel persönlichen Geschmack. Vor allem zu Beginn, wenn man noch unerfahren ist, haben Regeln ja einen Vorteil: Sie geben Sicherheit, dass man nicht etwas fabriziert, das sich am Ende andere Menschen mit Ahnung anschauen und nur mit den Augen Rollen, obwohl man selbst eigentlich findet, dass es gut klingt. Nur, weil eben diverse Regeln, die man angeblich befolgen muss, nicht befolgt wurden.

Klar - da muss man das Selbstbewusstsein entwickeln und das, was man selbst für gut befunden hat, auch gegen Wiederstände vertreten. Schließlich ist Musik Kunst und Kunst kann genau so sein, wie man selbst sie will. Aber diese Sicherheit muss man ja erstmal gewinnen. Und das geht vermutlich nur wie beim Instrument selbst: Üben, üben, üben. Sich dazu ausprobieren und keine Angst haben, auch mal was falsch zu machen / seinen eigenen Stil zu finden.

Im Prinzip gehts mir am Ende des Tages ja vor allem um folgendes: Ich mag keine musikalische akademische Ausbildung haben. Aber ich hab starkes Interesse und sehr viele Ideen, die ich so gut wie möglich umsetzen möchte. Deswegen befasse ich mich ja auch so intensiv mit der Materie. Und eines habe ich gelernt: Leidenschaft und Interesse für ein Thema kann vieles ausgleichen, weil die Lust auf ein Thema die Lernbereitschaft und die Einsatzbereitschaft enorm erhöht - da kann man ein bisschen was mit ausgleichen, wenn man sich mit der Materie befasst und auf den Hosenboden setzt. Ja, da mag ein Fundament fehlen, das studierte Musiker haben. Aber deswegen möchte ich mir nicht verbieten lassen / mich davon einschüchtern lassen, meine Ideen in Noten zu gießen.

Genau so wenig, wie ich mir im Endeffekt von Regeln verbieten lassen möchte, was ich darf und was nicht. Aber (das habe ich ja schon erwähnt) ich will sie lernen und verstehen, um sie wenn dann bewusst zu brechen. Und da ist jetzt eine der Herausforderungen, ein Gespür dafür zu entwickeln, was wo geht und wo nicht so gut. Beispiel in Blechbläserquintetten im Stile von oben zum Beispiel. Wie streng sollte ich mich da an die Regeln halten? (Es wurde mit den Quintparallelen ja schon angedeutet, danke dafür auch :) )

Also wenn Du Williams oder Zimmer Style lernen willst, such Dir Noten oder hör es raus und finde raus, warum es so klingt, wie es sich vom klassischen Satz unterscheidet. Lerne die Tricks, probiere andere Varianten aus, warum klingen die nicht so nach Williams/Zimmer usw. Parallel natürlich schauen, was es schon gibt. Das ist ein Prozess, der lange dauern kann.
Das waren natürlich nur Beispiele, die mir als erstes in den Kopf geschossen sind. Aber ich werd auf jeden Fall mal die Augen nach Analysen verschiedener Epochen offen halten - dann werden sich die Unterschiede schon irgendwann rauskristallisieren. Das ist auf jeden Fall bestimmt sehr hilfreich.

Vielen Dank auf jeden fall. Vielleicht baue ich das, was ich da angefangen habe ja einfach mal zu Ende. Und wer Lust hat, kann ja gerne mal einen Blick drauf werfen und mir verraten, was so die Gedanken dazu sind. An Beispielen lernt man immernoch am besten :)
 
Klar - da muss man das Selbstbewusstsein entwickeln und das, was man selbst für gut befunden hat, auch gegen Wiederstände vertreten.
Das führt in der Lernphase imho nur bei sehr großen Talenten zum Ziel. :unsure:
Ich würde eher nachfragen, zuhören und mich verbessern. Das Beharren auf eigenen Unvollkommenheiten hat mit Selbstbewusstsein nix zu tun.
Aber ich glaube, so hattest Du es wahrscheinlich nicht gemeint. Wobei mir nicht klar ist, was Du mit "Widerständen" meinst ...

wenn man sich mit der Materie befasst und auf den Hosenboden setzt.
Das tust Du ordentlich - Kompliment. Deshalb denke ich auch, dass Du da weit kommen kannst, auch ohne "akademische" Ausbildung.

Vielleicht baue ich das, was ich da angefangen habe ja einfach mal zu Ende.
Vielleicht mal in verschiedenen Stilen? Die Melodie würde es (bei einigen kleineren Anpassungen) hergeben, denke ich.
Einfache Begleitung wie oben - Choralsatz im Bach-Stil - ... was auch immer Dir einfällt - bis Clayermann und 4way close ;)
 
Da es einige male kritisiert wurde: Es ist doch völlig wuscht und muss gar nicht bewertet werden, welchen Zugang der TE gewählt hat. Sich über die Regeln zu nähern, mag verkopft wirken. Aber erstens werden nun schon seit fast 1000 Jahren theoretische Werke mit Regeln zur Komposition geschrieben die als Lehrwerke für die nachwachsende Generation gedacht sind.
Dabei fassen vor allem die frühen Lehrwerke üblicherweise das zusammen, was sich zum Zeitpunkt des Verfassens als ´Standard´ etabliert hat, sie sind also typischerweise retrospektiv. Sie sind daher auch auf das Genre ihrer Entstehungszeit bezogen, und die Regeln sollen den Nachfolgenden Handreichungen geben, wie beim Verfassen von Musik vorzugehen ist. In den Regeln manifestierte sich das jeweilige Wissen um den schönen und guten Klang.
Bis dann einer kommt, der eine neue Idee hat (der einstimmigen Linie des Gregorianischen Chorals eine weitere Linie=Stimme hinzufügt, und später jemand, der den beiden Linien noch weitere hinzufügt, usw., usw.). Und so kamen immer neue Ideen in die Welt. Und wenn sich dafür auch ein Publikum fand, dass das gut fand, und dann auch noch besser als das Alte, dann kamen damit später auch neue Lehrbücher mit ihren "Regeln" in die Welt. Diese neuen Regeln widersprachen oft den altvorderen Regeln - und so kann es kommen, dass ein Interessierter, den sich neu mit der Materie beschäftigt, leicht den Überblick verliert.

Daher kann ich es auch erst mal nur befürworten, dass du, @Chris_1990, dich erst mal so intensiv mit den Stimmführungsregeln beschäftigt hast.
Leider hattest du übersehen, dass die von dir befolgten Regeln in ihrer Strenge eigentlich nur eine bestimmten Epoche und dort wiederum im Kern nur einem speziellen Genre zuzuordnen sind - namentlich den Choralsatz. Das heißt nicht, dass sie nicht in einigen, wenn nicht sogar etlichen Facetten auch in anderen Genres und anderen Epochen anwendbar, mindestens hilfreich sind. Selbst für einen (eng geführten) Big-Band-Satz kann das Gesetz des nächsten Weges hilfreich sein.

In der "bürokratischen" Strenge (wie du selber es bezeichnest) hast du es aber übertrieben, denn "bürokratisch" hat es nie ein Komponist je getrieben (jedenfalls keiner von Bedeutung). Im Rahmen ihrer Kompositions-Lehre wurden sie stets nicht nur in den Regeln, sondern explizit auch in ihrer Anwendung unterwiesen. Und in der Anwendung der Regeln findet sich dann auch stets deren Relativierung, bzw. ihre Bezogenheit auf einen Kontext.

Also ich würde Dir - auch wenn @LoboMix von der Theorie deutlich mehr Ahnung hat als ich - doch raten, die Regeln erstmal anzuwenden, und sie später zu lockern, aber zu wissen warum und wann.
Genau das hat @Chris_1990 ja gemacht: anwenden - aber eben "bürokratisch". Über die notwendigen Details der Anwendung und den Relativierungen wurde er im Thread dann ja informiert. Meiner Einschätzung nach, kommt er erst weiter, wenn er sich nicht mehr so überzogen nach den Regeln richtet. Diese sind auch gar nicht so "festgenagelt" gemeint und waren auch nie so gemeint worden.
Damit meine ich definitiv nicht, die Regeln zu ignorieren, sondern sie eher als Wegweiser zu betrachten, damit man in der Freiheit der Ausarbeitung eines Satzes nicht die Orientierung verliert.

Es wird vermutlich (was wohl in der Natur der Sache liegt) eine Weile dauern, bis man durchs Analysieren anderer Werke und wirklich bewusste hören ein genaues gespür dafür entwickelt, was man wann darf und wann besser nicht.
Sicher dauerte es, aber was ich besonders hervorheben möchte ist das "bewusste Hören"! Höre viele Werke der Genres die dich interessieren (und unbedingt auch mal das eine oder andere, das dich nicht interessiert - es gibt überall etwas zu entdecken). Besorge dir Noten und analysiere, unbedingt. Aber immer: höre! Das Gespür entwickelt sich meiner Meinung und Erfahrung nach nur über das Hören, das tiefe Hören, das sich-Einlassen, das Eintauchen.
Die Ratio ist ein tolles Werkzeug, aber nutz- und ziellos ohne das Spüren.

Ja, da mag ein Fundament fehlen, das studierte Musiker haben. Aber deswegen möchte ich mir nicht verbieten lassen / mich davon einschüchtern lassen, meine Ideen in Noten zu gießen.
Glaube nicht, dass alle studierten Musiker Ahnung haben. Ein Instrumentalmusik-Studium z.B. lässt einen zwar tief in die Musik eintauchen, aber es wird dabei kaum einer zum Komponisten oder Arrangeur. Faktisch sind das eigene Studiengänge. Als studierter Musiker hat man vielleicht einen leichteren Zugang, sich darin später auch auf eigene Faust zu vertiefen. Aber ein Selbstläufer ist das auf keinen Fall.
 
kommt er erst weiter, wenn er sich nicht mehr so überzogen nach den Regeln richtet.
Ich würde es vielleicht für ihn noch etwas klarer formulieren: Natürlich muss er die Regeln einhalten.
Die Regeln sind aber nur notwendige Bedingung, nicht hinreichende. Will sagen, sie sind sozusagen die äußeren Grenzen des Erlaubten.
Alleine durch Einhaltung der Regeln entsteht keine gute Komposition!

Manche Regeln sagen Dir erstmal nur, was FALSCH ist. Quintparallelen, Querstände, Terzverdopplung.

Was gut klingt, da gibt es Erfahrungswerte - zB. die Stimmabstände hatten wir schon. Das ist schon flexibler.
Oder Kriterien wie Stimmführung - z.B. möglichst wenig Sprünge, gute (möglichst singbare) Stimmführung, nach einem größeren Sprung eine Bewegung in die Gegenrichtung usw.
Das sind so Faustregeln. Wenn man sich dran hält, passt es meistens, und man kriegt einen "schulmeisterlichen" guten Satz hin - was ich erstmal ein gutes Ziel finde.

Gute Musik geht aber noch weit drüber hinaus. ZB entstehen bei Einhaltung der Regeln oft langweilige Alt-Stimmen, die ewig Töne wiederholen. Da kann man dann Wechseltöne einbauen, Vorhalte usw., für die es aber schon weniger feste Regeln gibt. So kann man sich glaube ich ganz gut vortasten, wie ein Radfahrer, der erstmal aufpassen muss, dass er nicht hinfällt, dann auf der Straße niemandem die Vorfahrt nimmt, später dann schon flüssiger fährt und irgendwann locker über Hindernisse hopsen kann ;)

Ich würde ihn jedenfalls nicht dazu ermutigen, die Regeln zu missachten, sondern er muss verstehen, warum die Regel gilt - die Regel ist ja, wie @LoboMix schön erklärt hat, der Versuch, einen gewissen Kompositionsstandard, der gut klingt, irgendwie fassbar zu machen. Dazu gehört dann halt (leider), dass man viel hören, viel selbst probieren muss, wie die eine oder andere Variante klingt. Und eben viel Noten anschauen, viel spielen ...

Was ich im Übrigen sehr erleuchtend fand: Bach-Choräle Bass und Mittelstimmen singen. [ Passt grade gut zu Weihnachten ;) und Lieder wie "Machet die Tore weit" Hammerschmidt, oder Eccards unglaublich schönes "Übers Gebirg Maria ging" ... ich komme schon wieder ins Schwärmen ;) ]
Natürlich auch andere gute Chorwerke ... Brahms zB. Das ist sozusagen die hohe Schule der Stimmführung. Nicht nur Akkorde. Also Chorsingen ist vielleicht überhaupt eine gute Schule, oder?

Für die einfache Variante: Klavierbegleitungen von Volksliedern, da gibt es einiges an Büchern. Dort ist aber nicht immer alles perfekt, man kann viel selbst herumprobieren.
 
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