Beruflich Musik machen: kommt irgendwann die Langeweile?

Wenn das so ist, dann gebe ich dir umstandslos recht. Aber ist das die Regel?
 
Interessante Frage, die mich Zeit meines Erwachsenenlebens davon abgehalten hat, ausschließlich von der Musik zu leben. So sehr es mich seit der Jugend gereizt hätte, Musik zu studieren, so wenig traute ich meiner Stressresistenz über den Weg, immer wieder finanzielle Durststrecken überstehen zu können. Die Vorstellung, materielle Sicherheit über eine Festanstellung im Orchester zu erlangen, schien mir damals vor allem die Kreativität massiv einzuschränken, denn in Vollzeit nach der Pfeife eines Dirigenten zu tanzen, war nicht gerade ein Höchstmaß an Verlockung.

Heute als Nebenerwerbsmusiker sehe ich es glaube ich ein wenig anders. Ein Großteil meiner Engagements mit "100%-Profis" erfüllt nicht unbedingt die Maßgabe, zu jeder Zeit maximal selbstbestimmt nur das spielen zu können, für das man brennt, und was einen maximal erfüllt. Kreativ hängt der Hammer deutlich niedriger, und gefragt ist nicht ein Höchstmaß an künstlerischem Ausdruck, sondern die Fähigkeit, sich schnell an gegebene Situationen an- und einzupassen. Was auffällt, ist, dass ich speziell als Drummer, nicht störend auffalle ;)

Alleine das deshalb häufig sehr positive Feedback, dezent zu sein, dabei aber in jeder Stilistik überzeugend, reicht mir häufig als Motivation, Jobs gerne zu spielen, die mich kreativ nicht völlig auslasten. Die Erkenntnis, dass die wenigsten Jobs dieser Welt permanente Höhenflüge sind und man überall mit 90% Routine für 10% echte Highlights sorgt, hätte ich aber ohne meine bürgerliche Existenz nicht bekommen.

Mein heutiges Ich wäre vermutlich mit dem Alltag eines reinen Berufsmusikers glücklich und zufrieden, nur wäre ich mit einer klassischen Musikerbiografie (Abi, Studium, Schüler, Muggen) vielleicht nie dorthin gekommen. Ein Musiker, der seine wichtigste Lebensentscheidung sein Leben lang bereut, hätte ich nicht sein wollen!
 
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Wenn das so ist, dann gebe ich dir umstandslos recht. Aber ist das die Regel?
Ja, ich glaube, das kann ich von meinem Standpunkt aus als die Regel beschreiben.

Es ist ja so: Bühnenperformance, ob jetzt Musik, Tanz, Schauspiel oder irgendwas anderes, sind Kulturgüter bzw. kulturelle Rituale. Die sind für uns Menschen ganz allgemein wichtig, das ist eine Konstante in der Kulturgeschichte der letzten paar tausend Jahre.

Heutzutage könnte man eine (Film-)Aufnahme abspielen, das wäre in jedem Falle billiger. Trotzdem werden diese Bühnenrituale wie z.B. "Konzerte" weiter praktiziert, weil Menschen darin ihre kulturelle Identität widergespiegelt sehen. Das spricht Zuhörer auf einer Gefühlsebene an. Das kann begeistern, das kann Emotionen wecken, das kann ziemlich geil sein. Das gilt für eine Rheingold-Vorstellung genauso wie fürs Wacken Open Air. Dahingehend unterscheiden sich Theatersaal und Moshpit nicht.

Teil solcher kulturellen Rituale ist, dass Töne produziert werden, und zwar von Menschen für Menschen, im emotional richtigen Augenblick. Der richtige Augenblick ist ein Kunststück, an dem KI noch lange zu rechnen haben wird. Das erfordert von der Produzenten-Chefetage, die tonproduzierenden Mitarbeiter auch in ihrer Eigenschaft als emotionale und musikalisch sensible Menschen ernst zu nehmen und nicht nur als Frequenz- und Rhythmusproduzenten anzusehen. Und das klappt, selbst unter kapitalistischen Produktionsbedingungen und unter dem Einsatz knapper Steuergelder.
 
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Traumberuf. Dabei kommen mir vor allem Musiker in den Sinn, die strikt nach Vorgabe, ob nun durch einen Dirigenten oder Clicktrack, ihren Dienst tun.
wenn vorn Traumberuf die Rede ist, meint man dann Musiker, die strikt nach Vorgabe, durch Clicktrack, ihren Dienst tun?
 
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dass selbst eine an sich schöne Tätigkeit, wie das Musik machen, anstrengend und sogar langweilig werden kann, wenn man eine Aufführung über die erste Begeisterung hinaus vielfach und exakt, quasi mechanisch, reproduzieren muss.
Sicher kann es langweilig werden, wie alles was wieder und wieder gemacht wird. Muss es langweilig werden? das sollte eigentlich die Frage sein, wie ich finde. Ob langweilig oder nicht hängt sicher viel vom Individuum selbst ab. Es soll ja auch Leute geben, die in der Wiederholung an sich die wahre Erfüllung finden. Ich persönlich bin nicht so gestrickt, daher wäre aufkommende Langeweile für mich schon ein Thema.

Auf die Frage, ob ihm das denn nicht langsam langweilig wird meinte er "Nein, denn das Publikum ist ja jedes Mal anders".
Das kann auch eine aussage sein, wie man sich die Situation schön reden kann. ;)

Kleine Anekdote am Rande: Ich habe mal ein Konzert von Ennio Moriccone besucht. Da standen, und saßen, an die 200 Personen auf der Bühne. Einer davon hatte ein Keyboard zu spielen, mit dem er da und dort während der Aufführung Special FX Sounds triggerte. Das war seine Aufgabe an diesem Abend. Da es zwischendurch extrem lange Pausen für ihn gab, widmete er sich sehr intensiv seiner Maniküre. Ich denke dem war in den zweieinhalb Stunden schon da und dort langweilig. Zumindest sah es von außen so aus.
 
wenn vorn Traumberuf die Rede ist, meint man dann Musiker, die strikt nach Vorgabe, durch Clicktrack, ihren Dienst tun?
Nein, sicher nicht, aber vielleicht ist das die Realität, die aus dem Traum entsteht. Das will ich nicht behaupten, das ist Teil meiner Frage.
 
Ich hätte in der Jugend in den Profi-Sport wechseln können (was ich erst mal vergleichbar finde - nur der Spitze des Eisberges geht es richtig gut, dafür haben sie kein Privatleben mehr). Ich habe mich dagegen entschieden, auch weil ich abgesteckte Grenzen - wann ist Job, wann ist Hobby - als wichtig erachte. Abgesehen davon sind die "Pfründe" mit richtigem Erfolg (auch im Geldbeutel) doch eher überschaubar groß.

Insofern hat mich durchaus auch der hier thematisierte "Hamsterkäfig" davon abgehalten.

Ich glaube es gilt nicht die Attraktivität des Jobs zu beurteilen, sondern die Kompatibilität der Person zu den Anforderungen. Ist diese gegeben, kann man sehr glücklich werden - sofern die Attraktivität des Jobs realistisch betrachtet wurde. Also eben nicht nur die Spitze des Eisberges.

Gruß
Martin
 
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Ich hatte in Oberstufenzeiten überlegt, Musik zu studieren, hatte aber Angst vor einer zu hohen nötigen Spezialisierung. Das wollte ich nicht, habe dann Musikwissenschaft studiert (und das nicht bereut, auch wenn ich seit fast 40 Jahren mein Geld anders verdiene). Die Profimusiker*innen, die ich kenne, haben, wenn sie eine regelmäßige Einnahmequelle haben, in der Regel zusätzlich andere Projekte. Diejenigen, die versuchen, sich freiberuflich aktiv musizierend über Wasser zu halten, brauchen wiederum häufig andere Einnahmequellen.
 
Oder ein Sänger. Im Akt 2 hatte er ein paar Takte. Beim Vorhang eine Stunde später war er schon nicht mehr da. Kann mir nicht vorstellen, dass das sein Traum war als er Musiker werden wollte.
Ich kannte einen voll ausgebildeten Schlagzeuger, der spielte im Symphonieorchester. Irgendwann hatte er keine Lust mehr und wurde Taxifahrer. Aber: er liebte die Musik und wurde Drummer in einer Jazzcombo. Immerhin ging er in Würde auf Rente und hat es zu einer Eigentumswohnung gebracht. Und wenn er nicht gestorben ist, dann spielt er heute noch.
 

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