Recording und "musikalische Moral"

  • Ersteller equivocator
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Also an sich ist es ja auch so, dass musik und Technik miteinander verstrickt sind.

Ist chorus jetzt beschiss? Theoretisch könnten ja zwei Gitarren leicht versetzt spielen.

Octaver? … ist wohl ähnlich.

Sind orchester über synthie beschiss?

Oder die E-Gitarre an sich schon?

Ich denk mir halt technische Möglichkeiten zu nutzen ist teil der musik. Im Studio „bescheißen“ ebenso, vor allem heute wo sehr viele Bands einfach auch massiv auf Kostendeckung schauen müssen. Bevor man alles „one Take“ auf 20 Versuche einspielt schneidet man halt lieber.
 
„Recording und musikalische Moral“ - der Thread hat vor 15 Jahren bereits den Finger in diese Wunde gelegt und tut es heute in 2024 genauso. KI verschärft seitdem die bereits lange exstierende Problematik und langfristig die wirtschaftliche Stellungen derjenigen, die vom Recording leben. Das sind auch Kollegen von mir, insofern ist mein Umfeld betroffen.

Trotzdem - ich persönlich halte grundsätzlich nicht viel von aufgenommener Musik.

Für mich ist Musik in dem Moment interessant, wenn sie Menschen emotional berührt. Das geht beim Liveauftritt fast immer, bei einer Aufnahme aber viel schwerer bzw. kaum gleichwertig. Da muss sowohl die Produktions- als auch die Hörsituation schon außergewöhnlich gut sein, damit das zumindest ansatzweise funktionieren kann.

Aufnahmen sind künstliche Produkte, und sich über den Grad der Künstlichkeit Gedanken zu machen (ob Overdubbing, Autotune, Aufnahme mit mehreren Mikros gleichzeitig, Copy&Paste in der DAW oder KI) oder diese gar moralisch zu bewerten kann man zwar machen, aber im Kern sollte es Musikern immer darum gehen, wie man Menschen berühren kann. Ob das dann mit Aufnahmen oder besser ohne geht, ist zweitrangig.
 
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Interessantes Thema. Heute wie damals.
Vom puristischen Standpunkt aus ist es so, daß alles, was nach den Monoaufnahmen kam, im Grunde Mist ist. Ein Mikrofon war in der Lage, die Stimmung im Raum, in dem die Musik lief, wiederzugeben. Mit Stereo war das schon nicht mehr der Fall. Statt eines authentischen Hörerlebens wurde dann der glatte, störungsfreie aber künstliche Raumklang bevorzugt. Klassische Aufnahmen höre ich deshalb lieber aus der Mono-Zeit.
Wenn wir dann aber schon einmal beim Basteln sind, dann geht es ja nicht mehr um die Wiedergabe einer so gespielten Musik, sondern um die Kreation eines Musikerlebnisses vom Abspielgerät. Das kann auch sehr schön sein, ist aber etwas anderes.
 
Vom puristischen Standpunkt aus ist es so, daß alles, was nach den Monoaufnahmen kam, im Grunde Mist ist. Ein Mikrofon war in der Lage, die Stimmung im Raum, in dem die Musik lief, wiederzugeben. Mit Stereo war das schon nicht mehr der Fall. Statt eines authentischen Hörerlebens wurde dann der glatte, störungsfreie aber künstliche Raumklang bevorzugt.
Verstehe ich nicht.
Von der menschlichen Wahrnehmung her kommend entspricht eine Aufnahme über zwei Mikros, die in etwa die Position der Ohren einnehmen, einer natürlichen Wahrnehmung des Raumklangs eines Menschen und kann darüber hinaus Tiefe und Breite genauer abbilden.
Bezieht man also Aufnahmetechnik auf eine Raumklangsituation, kommt dieses stereo-Aufnahmesetting dem natürlichen Erlebnis (also als säße man life im Konzert) am nächsten.

Der Kategorie "puritanisch" kann ich nicht viel abgewinnen. Wofür und für welche Vorteile soll sie stehen?
Wenn unter "puritanisch" das technisch jeweils Ursprüngliche gemeint ist, wären also die ersten Gitarren-Verstärker den modernen vorzuziehen?

Herzliche Grüße

x-Riff
 
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Ach, an sich ist mir der Weg wie eine Musik entstanden ist, am Ende so ziemlich egal. Und welche Hilfsmittel wofür eingesetzt wurde auch. Wenn ich mich als Konsument mit einem Musikstück auseinander setze, dann interessiert mich nur, ob es mich berührt oder nicht. Alles andere ist sekundär. Und wenn jemand mit ein paar Synth, Sampler oder was auch immer, es schafft eine berührende Musik zu schaffen, dann ist mir das deutlich lieber, als wenn jemand mit einer echt authentischen Klampfe aus dem 12. Jahrhundert einfach nur stumpf vor sich hin schrumpelt. Oder auch wenn der mit dem ach so wertvollen Instrument aus vergangenen Tagen reine Saitenaktrobatik ohne emotionaler Tiefe durchzieht.

Vom puristischen Standpunkt aus ist es so, daß alles, was nach den Monoaufnahmen kam, im Grunde Mist ist.
Wenn schon Purismus, dann auch ordentlich. Keien Aufnahme, kein verstärktes Live-Konzert, nur rein akustische Instrumente im Wald. Das wäre dann wirklich konsequent. Denn jegliche Verstärkung, sei es elektrisch oder architektonisch, und jegliches Aufnahmeverfahren kann den Klang des akustischen Instruments nur verfälschen. Und das geht ja dann gleich gar nicht.
Und selbst dann, wenn es keinen emotionalen Ausdruck liefert, kann man auch das gleich bleiben lassen, finde ich.

wären also die ersten Gitarren-Verstärker den modernen vorzuziehen?
Wenn Purismus, so wie es gerade erläutert habe, angesagt ist, dann ist ein Gitarrenverstärker an sich schon verachtenswertes Teufelswerk. :evil:
 
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Ich finde ja, Purismus ist ein erstrebenswertes Zwischenstadium. Die Suche nach dem echten und wahren Musikmachen ist ja hier im Board überall präsent, wenn historische E-Gitarren diskutiert werden, subtraktive oder additive Synthese oder wie man ein bekanntes Solo so nachspielt, dass es dem Original möglichst nahe kommt. Dahinter stecken Vorbilder, die man nachahmen will, und das ist bei jedem Menschen, jedem Lernprozess und jeder Handlung ein Teil des Weges.

Erst wenn man die Suche nach den Vorbildern als ein Ziel, als ein erstrebenswertes Endstadium ansieht, würde man den puristischen Gedanken missverstehen. Als Zwischenstadium macht es z.B. absolut Sinn, z.B. Gitarrensoli möglichst pur und originalgetreu nachzuspielen, aber das erstrebenswerte Ziel sollte natürlich eine eigene authentische Musik sein.

Mir ist auch klar, dass aufgenommene Musik heutzutage eher der Normalfall gegenüber Livemusik ist. Trotzdem habe ich so viele positive Livesituationen mit Kommunikation in beide Richtungen erlebt, dass ich es bedaure, bei der Studioarbeit auf die eine direkte Kommunikationsrichtung, nämlich vom Publikum zum Musiker, verzichten zu müssen.
 

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