Irgendwie habe ich das Gefühl die E-Gitarre soll teilweise durch den Bass und teilweise durch den Violinschlüssel abgebildet sein in dem Arrangement (die progression auf der Gitarre besteht aus 4 und nicht aus 3 Tönen), was das ganze unnötig verkompliziert...
Ja, ich habe es mir mal angehört.
Das ist so ein typisches Beispiel für einen Klavierauszug, der versucht, alles abzubilden, aber eigentlich - meiner Meinung nach - übers Ziel hinausschießt.
Es gibt ja auch für alle Opern und großen Chorwerke Klavierauszüge, da wundert man sich als Laie, dass die so schwer sind. Teilweise sind die richtig unspielbar (guck Dir mal im Weihnachtsoratorium Nr. 1 an, Terzläufe in Sechzehnteln usw.).
Man kann das ziemlich radikal vereinfachen, und da gibt es auch immer verschiedene Möglichkeiten. Es geht am Ende um den Gesamtklangeindruck beim Publikum.
So würde ich hier auch rangehen - also was ist das, woran Zuhörer das Stück erkennen?
Großer Klangteppich und das Gitarrenmotiv sind imo das Wesentliche. Die muss man spielen.
Wenn man noch Reserven hat, dann die Geigen-Oberstimme hier und da oder was Dir noch so gefällt.
Wenn man sich es anhört, merkt man , dass das Gitarrenmotiv eigentlich immer durchläuft in Sechzehnteln.
Die Bassfigur in Deinem Klavierarrangement höre ich gar nicht, kann an mir liegen oder die ist vielleicht nur so geschrieben, um den Klangteppich UND die durchlaufenden Sechzehntel irgendwie abzubilden.
Aber das Arrangement klingt nun anders als das Original, und das meine ich mit am Ziel vorbei oder hinaus.
Ich würde links die Harmonie (Am im ersten Takt, Em im zweiten in weiter Lage spielen) und dann schauen, was man noch dazu kriegt.
Also als Grundmuster, natürlich mit viel Pedal
oder mit Oberstimme so in der Art
und dann zB als Varianten links und rechts mal ne Oktave höher und tiefer.
Links kannst Du noch bisschen rumprobieren, was gut klingt. Du brauchst halt die Fläche (Streicher/Synth) und diesen Sechzehntelpuls.
zB links mal so eine tiefe Quinte reinfeuern oder ne Oktave
und dann schön mit der Dynamik spielen (laut leise, hoch tief, mal die Oberstimme, mal die Sechzehntel, mal die Klangfläche rausholen usw.)
Die Sechzehntel kann man natürlich zwischendurch auch ausdünnen
zB so
oder so
... spiel einfach mal bisschen rum.
oder sie mal nen Takt weglassen.
So würde ich das angehen. Bin natürlich auch gern offen für Kritik
Als technische Übung dh. Etüde ist Dein Arrangement natürlich super, dann kannst Du auch schon 50% der Chopin-Nocturnes vom Blatt spielen
Und damit kommt man ja auch wieder auf Deine Ausgangsfrage zurück - es gibt immer Dinge, die für mich/dich/... zu komplex sind, um sie sofort spielen zu können.
Die übt man - damit gehen sie vom bewussten ins unbewusste über, sind als Bewegungsmuster abrufbar. "Unabhängigkeit der Hände" ist nur eine Bezeichnung für viele viele Dinge auf dem Klavier.
2 gegen 3, 3 gegen 4, komplexe Rhythmen, Sprünge, Doppelgriffe, Arpeggien, Legato vs Staccato usw.
Alles das ist am Anfang quasi unspielbar - und ein Jahr später kannst Du es einfach abrufen. Dazu muss es aber 1000 mal korrekt und langsam gespielt werden, um vom bewussten "analytischen" Gehirnteil in die Routineabteilung zu kommen.
Kahnemann beschreibt das gut in seinem berühmten Buch
"Schnelles Denken, langsames Denken". (Dort geht er noch auf viele andere Folgen dieses Denkens ein, man muss es nicht lesen, aber ich fand es empfehlenswert).