Ist zwar nur ein punktueller Eindruck, aber ich hab beim Metal on the Hill ab und an an den Thread gedacht und mal ein bisschen drauf geachtet und auf der Rückfahrt mal ein bisschen zum zusammenfassen begonnen.
(Und
@Guvnor , es steht dir natürlich vollkommen frei, Gegenbeispiele zu bringen oder folgendes wie auch immer in Frage zu stellen oder anders zu sehen, dann würde ich und so manch Mitlesende sich aber wohl über >>konkretes<< freuen, irgendwelche Pauschalplatitüden a la "irgendwo im Internet...." werde ich jedenfalls einfach nicht kommentieren, das ist gänzlich sinnlos, so rechtfertigen auch die größten Verschwörungstheoretiker ihre Thesen)
Das Festival wird von Napalm Records selbst veranstaltet, was immer wieder ganz nett ist, bekanntere Acts sind auch anderswo unter Vertrag (wie dieses Jahr Doro, Tarja, Apokalyptische Reiter - ja die gibts noch^^ oder Equilibrium), aber da findet man auch immer wieder un- bis frisch geschliffene Rohdiamanten, weil die auf genau derlei Plattformen ihre Neuzugänge sich präsentieren lassen.
Tag 1, Band 1: Heathen Foray
Bekanntheit quasi Null (zumindest in meinen Kreisen), als sie bei der Hinfahrt aufgedreht werden erkenne ich aber einen
alten Ohrwurm von mir wieder. Live haben sie halbwegs OK performt, mit einem riesigen Nachteil: Diese Location ist eine riesige und vor allem auch eher längliche, eher schmale Ziegelhalle. Sind bei der ersten Band noch nicht viele Leute da ist das aus halltechnischen Gründen wohl der Albtraum jedes Tonmenschen.
Abgesehen davon gute Performance, Show war eher simpel, haben ihr Set runtergespielt und Werbung für ihren nächsten Auftritt gemacht, kennt man aber recht gut von erfahreneren Eröffnern (die Band gibt's seit 2005), die haben so wenig Spielzeit, dass sie für was anderes kaum Zeit haben und deswegen quasi durchspielen. Spaßanteil, Herumgeblödle oder so Null, Outfit etwas böse, innerhalb des Metalunivesums könnte man aber auch dezent sagen.
Band 2: Dieth
Polnischer Trashmetal, die Jungs haben nur ein Problem: Die Halle ist noch nicht sehr viel voller und wenn bei der vorherigen Melodic Metalband schon einiges in einer Schall-Wand aus undifferenzierbaren Gedöhns verschwindet kann man sich wohl vorstellen, wie das mit Trash ausschaut. Akustisches Erlebnis hält sich damit leider in Grenzen, Soli verschwinden oft gefühlt im Nichts. Bezüglich des hiesigen Diskussionsthemas kann man aber festhalten: 4 Typen in dezent dunkel Tanktop mit ev. einem Totenkopf bzw. dem Bandlogo die das machen, was Trasher eben machen, die Halle mit Wumms fluten, schade nur, dass die Soli durch das Wumms nicht durchkommen und der Drummer im Gesamtmix immer wieder One-Man-Army gegen den Rest der Band spielt - und dabei gewinnt.
Band 3: Dust Bolt
Wir kommen in den Bekanntheitsbereich, in dem sich der gelernte Metalfan allmählich auskennt, diese Bayern kennt man in der Szene und sie liefern, was man erwartet.
Nach wie vor Trash, aber der Sound wird besser, außerdem ist jetzt auch der Moshpit offen weil es endlich genug übermotivierte Idioten* nach vorne geschafft haben. Von der Theatralik her bleiben wir dem Trash-Klischee treu, keine Sekunde Playback, kaum Bühnenshow, gerade das da ein Bandlogo hinten aufgehängt ist, es gibt nur eines, was zählt: Blast-Beats-Galoppieren, 160bpm 16tel Shreddern, Moshen und Headbangen. Dazwischen nur ab und an der Wehrmutstropfen, dass der Sound nach wie vor so manches Solo "auffrisst". Herumgeblödle, Gepose oder sowas Null, technisch einwandfreier Trash, Sound könnte aber gerne besser sein.
* da ich mich da selbst dazuzähle darf ich das schreiben
Band 3: Dominum
Kannte ich vorher nicht und ein Riesenfan werde ich wohl auch nicht werden. Alles auf Frontman zugeschnitten, der Rest sind seine Zombis (nicht meine Wortwahl, seine) sind entsprechen kostümiert und werden auch so vorgestellt (also kein "Und jetzt mal Applaus für unseren Soundso, der die ganze Zeit hinter den Drums versteckt ist" oder so, sondern er stellt eben sich und seine Zombis vor). Was etwas schade war, weil entweder beherrschen die ihr Equipment besser als die Bands davor oder im Mischareal ist endlich der Chef angekommen und hat den Praktikanten abgelöst, jedenfalls hab ich deutlich mehr und differenzierter gehört nur haben die musikalisch eben schon weniger gemacht als die Bands davor. Würde ich am ehesten in so eine "Spaßmetal"-Band einordnen, obwohl ich da weniger "Spaß", sondern eben eher mehr "Show" sehe.
Wobei man aber auch dazu sagen muss: Singen kann der Typ, kommt ohne Falsett ziemlich weit rauf.
Band 4: Freedom Call
Und wir sind beim Powermetal angekommen. Die Jungs sind halt ein Phänomen für sich, ich hab die immer so beschrieben: Man muss sich einen Haufen viel zu fröhlicher Hippies vorstellen, die Powermetal machen und die auf jedem Konzert so Ansagen machen wie, ach, wenn wir doch alle nur viel mehr Musik machen würden gäbe es keine Kriege mehr auf Erden. Jedenfalls, der Name ist Programm, das Hauptflair, das auf allen Ebenen vermittelt wird ist das Preisen von Freiheit und Inklusion.
Band 5: Equilibrium
Offenbar mal wieder mit neuem Sänger, dafür mal wieder ohne Keys und mit Playback unterwegs, was bei einer doch derart Key-Lastigen Band schon ziemlich weh tut.
Abgesehen davon tun sie ihren Job vorzüglich, die Halle mit Epic-Paganmetal fluten und man merkt, dass die das seit 20 Jahren machen, wenngleich beim Sound anscheinend der Chef vor Tarja noch eine Pause macht um Fit zu sein und für Equilibrium wieder der Praktikant übernommen hat, man kennt die Band und deren Songs eben schon so lange von derart vielen Auftritten, dass die meisten die dort sind die Songs wohl sogar noch erkennen würden, wenn der Tonmann eine Flugzeugturbine zwischen Mischpult und PA hängen würde. Für Gepose und Geblödle bleibt keine Zeit, trotz des mäßigen Sounds kocht die Halle, schließlich wissen ja alle: Jetzt kann man noch Gas geben, bei Tarja gehts dann eher gesittet zu, da ist dann schon ziemlich viel Publikum weit vorne, das nicht unbedingt in einem Moshpit stehen will, also muss der Sänger statt zu blödln Circles und Walls ansagen und den Moshpit loben.
Ihr einziges Sauflied haben sie btw. nicht gespielt
Band 6: Tarja
Offenbar ist der Chef ist zurück am Mischpult, Intro, Musiker stürmen die Bühne, erster Akkord.... alles da, Tarja kommt im Diven-Stil etwas danach auf die Bühne, fängt an - Mix ab dem ersten Takt perfekt. Ich werde zwar nie ein großer Fan werden, weil es mir bei Nightwish schon ein bisschen zu sehr Gesangs- und zu wenig instrumentallastig ist und klar, DIE Grande Dame des Soprangesangs im Metal als Solokünstlerin, da geht es natürlich noch mehr in die Richtung.
Von Geblödle oder Gepose aber keine Spur, das sind einfach Vollprofis, eine klassisch vollausgebildete Sopranistin mit entsprechender Band, die brauchen sowas nicht, die wissen, dass sie gut sind.
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Tag 2, Band 1: Darkfall
Die ewige erste Band, es ist egal wo, seit 20 Jahren eröffnen die Konzerte und Festivals und steigen einfach nicht auf.
Hat aber speziell in Österreich eine solide Fanbasis (unsere Szene ist so viel kleiner als die Deutsche, da kommt man einfach nicht drum rum) und ist ein sehr sympathischer Haufen aus 5 Typen, die das seit Ewigkeiten als Hobby machen und das mit viel Hingabe, weil die touren jedes Jahr obwohl die alle ganz normale Jobs haben. Aber genau deswegen sind sie der perfekte Opener und fühlen sich in der Rolle auch durchaus wohl, sie wissen, sie füllen nicht die Halle, haben aber eben schon deutlich mehr Zuschauer als eine gänzlich unbekannte Band und die lieben sie für ihre Authentizität. Ist auch so eine Band "zum anfassen", die mischen sich dann immer ganz gerne unter die normalen Konzertbesucher.
Band 2: Silenzer
Haben wir doch in Ö endlich so viele Metalbands, das 2 aufeinander folgen. Interessante neue, junge Band, die machen.... ja was machen die eigentlich.... Metalcore, aber so, dass es schwer verwurzelten Core-Fans wohl zu Soft und Classic-Metalfans zu hart ist, finde die Mischung aber ziemlich gelungen. Sänger ist top, hat gute Growl- und Cleanstimme und nutzt auch beide exzessiv. Von Posing keine Spur. Man merkt, die wollen sich etablieren, lassen dafür aber lieber Qualität sprechen. Sound ist vor allem nach den gestrigen Erfahrungen für eine neue, junge Band am 2. Slot in noch mäßig gefüllter Halle lobend zu erwähnen.
Band 3: Nakkeknaekker (Spoiler: Die Entdeckung des Festivals)
Offenbar ist das dänisch für Nussknacker. Kannte niemand, online fand sich auch quasi nichts und als sie mit dem Soundcheck beginnen bekommt man eine Idee, warum: Solltet ihr nicht gerade eure Ferien genießen anstatt auf Tour zu gehen? (Wie sich nachher am Autogrammstand herausstellte sind die Bandmitglieder tatsächlich erst 17-21)
Dann das große Rätseln, wie die es denn auf den 3ten Slot geschafft haben, Darkfall als erstes ist schon fast eine Tradition, aber gerade eine neue Band wie Silencer, die technisch gut sind und auch schon einige Fans haben spielt vor denen, die niemand kennt? Als sie dann aber loslegen, na hola die Waldfee, die schauen nur von außen wie viel zu liebe Bübchen aus, die man in Metalkutten gesteckt hat. Und die spielen nicht irgendwas, sondern wirklich schnellen Trash und technisch auf einem Niveau, die sowas wie Darkfall, wo jeder einzelne Musiker dreimal soviel Erfahrung hat wie diese gesamte Band zusammen alt aussehen lässt. Die dürften wohl auch die Zuständigen von Napalm Records ziemlich umgehaut haben, anders ist der Slot nicht erklärbar. Persönlicher Funfact: Nachdem am Vortag just bei den Trashbands der Sound oft eher mäßig war musste ich doch tatsächlich auf diese dänischen Newcomer warten, um das erste "perfekte" Trashsolo zu hören, bei dem nicht nur vom Ausführenden selbst an Technik und Intonation, sondern auch vom drumherum einfach alles passt.
Hab mir jedenfalls gleich mal ein Shirt von ihnen gecheckt und signieren lassen und ihnen versprochen, wenn sie hier in 10 Jahren mindestens Pre-Headliner sind komm ich mit demselben Shirt nochmal und bitte um ein Re-Autogramm.
Ansonsten, bezüglich gar lustig gehts zu im Metal, ähnlich wie bei Silenzer, die blödeln nicht, die spielen und lassen Qualität für sich sprechen. Für mich persönlich jedenfalls eine ganz große Zukunftshoffnung.
Band 4: Burning Witches
Hab sie das erste mal 2021 auf einem der ganz wenigen kleinen Festivals gesehen, die in dem Pandemiesommer stattfanden. Da war mein Resümee: Scheiße, die sind wirklich gut und machen vor allem relativ klassischen Metal, ist bei neuen Bands ja nicht das verbreitetste Genre, irgendwie haben sie in ihren eigenen Stil aber noch nicht so ganz hineingefunden (damals gabs die Band erst 3J) wenn man Studioaufnahme und Liveperformance vergleicht, aber wenn sie das mal haben.... tja, was soll ich sagen, haben sie inzwischen - und mich wie erwartet und erhofft vollkommen umgehauen.
Die haben zwar durchaus auch viel Stuff auf der Bühne, also riesiges Banner, Bühnenbebauung und speziell die Sängerin sieht ein bisschen so aus, als wäre sie in ihrem Zweitjob beim persönlichen Modelabel des Teufels als Laufstegmodel unter Vertrag, dass soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die musikalisch sehr viel am Kasten haben.
Kaum ein Stück unter 7min, mehrere Soli, langer Spannungsaufbau und wenn sich ein Iron Maiden Fan mal gedacht hat, wie sich ein weibliches Pendant zur Air-Raid-Sirene-Stimme Bruce Dickinson anhören könnte möge sich mal die Witches anhören.
Band 5: Schirenc plays Pungent Stench
Das kennt man vermutlich auch eher als gelernter Österreicher, Pungent Stench war lange "unsere eine", etwas bekanntere Deathmetalband, auf jedem anderen Konzert hätten die wohl deutlich weiter unten gespielt. Geben tuts die schon länger, als meine Wenigkeit auf Erden wandelt, die Form, die hier aufgetreten ist sind 2 der 3 Gründungsmtglieder. Von daher eher viel Nostalgie, musikalisch OK, aber für meinen Geschmack zu eintönig und zu wenig Soli (wobei ich persönlich dieses Problem generell oft bei "Nicht-Melodic-Death-Metal" habe, wenn ich eben kein Stück, sondern eine ganzes Konzert höre), bezüglich dem Threadthema allerdings: 3 ältere Herren, die das machen, was sie seit 35J auf der Bühne machen, da muss niemand mehr irgendwie auf cool tun, die Wissen, was sie können, dass Publikum, was es bekommt, der Auftritt für sich ist eigentlich ganz im Gegenteil eher Bescheiden, 3 Musiker, keine Requisiten irgendeiner Art, Licht aufs notwendigste reduziert, kein Nebel oder sonst was.
Band 6: The Night Flight Orchestra
Muss ich ehrlich sagen hatte ich keinen Plan und wusste dann auch bald warum: Das waren die "Rock-Gäste", eigentlich sind die stilistisch eher bei sowas wie als Vorgruppe von KISS zuhause. Aber, auch wenn sie den Metalhead in mir nur phasenweise erreichten, den Musikfan haben sie vortrefflich unterhalten. Einen zweiten Gitarristen, der mit Rieseneffektboard Keystimmen doppelt, ein Leadgitarrist, der tighte Ryhtmusparts spielt und in einer Nanosekunde auf kräftigen Solo-Sound umschaltet, ein Basser, der um die Existenz von anderen Tönen als nur Akkordgrundtönen weiß und ein Keymensch, der nicht nur passable Soli spielt, sondern den "Jetzt quatsch der Sänger mal 30 Sec"-Part mit Barpiano-Sound unterlegt und sein Kollege auf der Leadgitarre packt dazu plötzlich die Blues-Licks aus.
Dazu noch 2 Backgroundsängerinnen, eigentlich eine super Abwechslung für zwischendurch. Btw. das war als einzige "Nicht-Metalband" die, die das KLischee des TOs noch am ehesten bedient haben, immerhin haben die Backgroundsängerinnen demonstrativ eine Flasche Sekt während des Konzerts gelehrt und der Sänger trägt ein goldenes Cape über einer Art Admiralsuniform. Tut aber nichts zur Sache, dass die musikalische Qualität im Vordergrund steht hört man. Btw., der Sänger hat ein sehr schönes, hohes Falsett, sind hier Sänger? Wie lange arbeitet man an sowas als halbwegs gut Talentierter? 5J? 10J?
Band 7: Die apokalyptischen Reiter
Erster Gedanke, als ich das gelesen hab war ja tatsächlich "Die gibt's noch??" - ja tut es. Haben brav ihre Klassiker gespielt bis natürlich den einen, auf den ich mich am meisten gefreut hätte, der Auftritt ansich war vom Klischee, welches das Threadthema bemüht soweit weg wie es nur geht. Die Bühnendeko waren 4 übergroße Ziegelsteine und sonst nix, der Sänger in eher gemütlicher Kleidung die vor allem aussagt "Leute, nix für ungut, ich bin zu alt für diesen Scheiß mit Kutten, Patches und Nieten".
Band 8: Doro
Muss man eigentlich (hoffentlich) nicht viel sagen, die Frau lebt für und durch und mit und in Metalmusik wie wir alle in der Erdatmosphäre. Tolle Band, tolle Performance und irgendwie wird sie seit 20 Jahren einfach nicht mehr älter. Herrlicher Generations-Moment: Sie hat natürlich den Titelsong ihres ersten Albums gespielt, das für eine andere Band auf dem Festival ja offenbar namensgebend war. Und während die inzwischen 60 Jährige Doro "Burn the Witches" performt, stehen die eher nicht mal halb so alten Burning Witches brav aufgefädelt neben der Bühne und können ihre Begeisterung kaum zurückhalten.
Doro ist eine von den wenigen Musikerinnen, wo ich es auch mag, wenn sie ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudert, normalerweise denke ich mir da immer recht schnell "Halt die Klappe und spiel den nächsten Song" - aber die kann dir halt Geschichten davon erzählen, wie es war in den 80ern mit Lemmy auf Tour zu sein.
Also bleibt unterm Strich:
@Guvnor, besuch mal ein paar Konzerte oder noch besser Festivals und schau dir vor allem mal alle Bands an (bzw. bei größeren Geschichten mit mehreren Bühnen halt eine Auswahl, aber eben ab Konzertstart bei der Bühne sein und eben auch die Newcomer und die, die gerade erst aus dieser Rolle hinauswachsen anhören). Ich verspreche dir ein krass diametrales Erlebnis im Vergleich zu dem Eindruck, den dir das Internet offeriert.
LG