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... warum vermeintlichen Absoluthörern meist Skepsis und Neid entgegenschlagen?!
Skepsis habe eher selten erlebt, aber neidisch sind schon manche auf Absolut-Hörer.
Das bekomme ich öfter mal im Theoriekurs mit, wo sich die allermeisten gerade mit den Gehörbildungsaufgaben am schwersten tun. Da die TeilnehmerInnen in den Kursen sich fast alle auf eine spätere Aufnahmeprüfung vorbereiten, denken sie immer, "ach hätte ich nur ein absolutes Gehör, dann könnte ich die Töne sofort benennen und notieren, und bräuchte mir für die Aufnahmeprüfungen keine Sorgen zu machen".
In den gut acht Jahren, die ich diese Kurse an unserer Musikschule schon betreue, hatte ich allerdings noch keinen echten Absolut-Hörer, und auch nur einige wenige, die schon mit einem sehr guten relativen Gehör in den Kurs kamen. Diese konnten mit der guten Übung später tatsächlich sehr oft den gehörten Ton ohne vorherigen Referenzton bestimmen. Mit einer ausreichenden Erfahrung kommen sehr gute Relativ-Hörer fast an Absolut-Hörer heran (solange sie keine transponierenden Instrumente spielen), allerdings kann man sie im Gegensatz zu echten Absolut-Hörern auch schon mal verwirren, und die Trefferquote ist eigentlich nie 100%.
Ich versuche die Unsicheren dann zu beruhigen, denn wie schon gesagt, zählt in der Musikpraxis ein gutes relatives Gehör mehr als ein absolutes.
Das bringt mich dann unmittelbar zum nächsten Punkt:
Und das absolute Gehör ist auch nicht das gleiche wie musikalisch sein, automatisch analysieren können, ...
Absolut richtig! Wer als Absolut-Hörer beispielsweise meint, die Aufnahmeprüfung sei damit schon so gut wie gegessen, der irrt sich damit gewaltig. Derjenige mag zwar überlegen sein im schnellen Erfassen und Notieren der Gehörbildungsaufgaben, aber erstens erschöpft sich eine Aufnahmeprüfung bei weitem nicht in einigen Gehörbildungsaufgaben, so zentral und wichtig sie auch sein mögen. Und zweitens tappt der Absolut-Hörer, der keinen fundierten Theorie-Background hat, ganz schnell in eine Falle, die ihn tüchtig Punkte kosten kann.
Wenn z.B. eine Akkordfolge in A-Moll diktiert wird (wobei die Ausgangstöne/Akkorde immer angesagt werden oder im Prüfungsbogen schon eingetragen sind - denn es wird für ein Musikstudium niemals das Vorhandensein eines absoluten Gehörs vorausgesetzt!), und dann der abslout-hörende Prüfling im E-Dur-Akkord (=Dominante von A-Moll) immer statt G# ein Ab notiert - denn auf dem Klavier ist das ja dieselbe Taste, ergo derselbe Ton -, dann entlarvt sich jener als jemand, der sich doch nicht ausreichend vorbereitet und somit keine Ahnung hat.
Hören und Wissen gehören zusammen und ergänzen und befruchten sich gegenseitig. Man kann Absolut-Hörer und gleichzeitig ein Ignorant sein.
Hier wird unter anderem zum
„Absoluten Gehör“ geforscht, ...
Gerade solche fast schon geheimnisvollen wenn nicht gar mysteriösen Phänomene wie die (möglicherweise sogar angeborene) Fähigkeit zum Absolut-Hören wecken ja besonders die Neugier und den Forschungsdrang der Wissenschaft. Das ist zweifelsohne nachvollziehbar.
In Anbetracht des auch in Profi-Musikerkreisen doch sehr geringen Prozentsatzes an Absolut-Hörern, der Nachteile und Komplikationen, die es unter gewissen Umständen mit sich bringen kann, und der überragenden Bedeutung die ein gutes relatives Gehör in der Praxis hat und immer schon hatte, fürchte ich, dass der Erkenntnisgewinn solcher Studien für die Musiker- und Musizierpraxis vergleichsweise gering bleiben wird.
Die Grundlagenforschung ficht aber zurecht ihre oft geringe Praxistauglichkeit nicht an, sie muss es trotzdem geben. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht später mangels relevanter Erkenntnis-Masse einige recht unbedeutende Nebenerkenntnisse hochgejubelt werden zu einem Stein der Weisen, wie es ja leider manchmal geschieht. Sei es aus Selbstbeweihräucherungsgründen der Forschenden, oder schlicht, um die mitunter recht üppigen Fördersummen rechtfertigen zu müssen.