Hallo Boden,
danke für die Zustandsbeschreibung des Akkordeons. Daß die fehlende Stimmplatte sich meist im Akkordeon "wiederfindet" kommt häufg vor und hatte ich vermutet, da aber für die Aufnahmen das Akkoroden geöffnet wurde hätte es natürlich sein können daß sie verlorenging was erfreulicherweise nicht der Fall war.
Aufgrund der Photos der Stimstöcke mit den Stimmplatten hatte ich schon vermutet daß dort der Zustand recht gut ist, kaum Stimmspuren, Ventile gut anliegend, Löseabstand regelmäßig und gering. Das ist für das bemerkte gute Ansprechverhalten der Töne zuständig.
Zum Luftverlust: Übrigens sind die Lippen sehr empfindlich und können gut benutzt werden um Luftverluste aufzuspüren.
Ich würde zuerst einige Punkte klären um etwas mehr einzugrenzen woran der Luftverlust liegt:
1. eine sehr häufige Ursache eines zu hohen Luftverlustes liegt, vor allem bei älteren Instrumenten welche dann geöffnet und wieder geschlossen wurden, an den Balgdichtungen. Die sind i. d. R aus einem selbstklebendem Moosgummiband von 4-6mm Breite und einer Dicke von 1,5-3mm, alles je nach Modell. Relativ neu ist das problemlos und gut weil das Moosgummi noch elastisch ist und nach Abnahme des Diskant und oder Bassteils und danach erfolgtem Wiederzusammenbau genügen elastisch ist um wieder per Kompression die Dichtheit zwischen den Gehäusen und den Balgrahmen herzustellen. Wenn nun ein Akkordeon lange Zeit benutzt wird altert das Moosgummi natürlich, verliert seine Elastizität, was aber solange nicht schlimm ist bis das Akkordeon nun geöffnet wird . Da das Dichtband aber seine Elastizität und Anpassungsfähigkeit nun verloren hat ist die Folge daß es an den Trennfugen Luft durchbläst. Daher solltest Du rundum die Trennfugen bei gleichzeitigem Druck auf den Balg zwischen Balgrahmen und Gehäusen mit den Lippen "abfühlen"
Das ist m.E. das erste was Du überprüfen solltest. Solches selbstklebendes Moosgummi Dichtband kostet nicht viel, wenige €, es gibt es u.U. auch im technischen Bedarf, aber auch jeder Akkordoen-Reparatuer hat sowas auf Lager da es häufig benötigt wird.
2. Luftverlust am Balgnagel bzw. fehlender Balgnagel. Die Bohrungen zur Aufnahme der Balgnägel im Holz weiten sich vom Mal zu Mal durch das Herausziehen respektive Hineinstecken des Nagels und je nachdem wie gut/schlecht der Balgnagel noch sitzt kann ein merkbarer Luftverlust vorhanden sein. Vor allem wenn z.B. ein Balgnagel fehlt ist schon der Luftverlußt erheblich. Provisorische Abhilfe besteht darin daß man in die Bohrung für die Balgnägel etwas Möbelwachs/feste Schuhcrème drückt und den damit eingeschmierten Nagel in die Bohrung drückt. Das Terpentin in dem Wachs/Schuhcrème verdunstet und das Wachs trocknet fest auf, dichtet so das ganze.
Bei einer völlig ausgenudelten Bohrung hilft Ausbuchsen mit einem z. B. 3 - 4mm Rundholz und dann dem Aufbohren auf das korrekte Maß. Es gibt auch verschieden dicke Balgnägel so daß man gegebenenfalls auf eine dickere Variante ausweichen kann, 2 - 2,5 - 2,6 - 2,8mm sind angebotene Größen.
Das wäre der zweite Punkt den ich überprüfen würde.
3. Klappenbeläge. Bei deutschen Akkordeons (Hohner Lucia, Atlantic, Cantulia) wurden in den 50/60iger Jahren Klappenbeläge mit einem lederbeklebten Schaum benutzt. Dies ist häufig bei solchen Akkordeons eine Ursache für Luftverlust und kann nur durch erneuern dieser beseitigt werden. Aber hier handelt es sich um ein italienisches Instrument der guten Mittelklasse und ich fände es sehr verwunderlich wenn hier solche Problembeläge verbaut wären, das schließe ich erst mal aus. Aber auch die üblichen Filz/Leder Klappenbeläge können natürlich sich etwas zusammendrücken und undicht werden. Dies festzustellen ist aber erstmal warscheinlich zu aufwändig für dich. Zumindest im Bassteil kommt man, gerade bei italienischen Instrumenten, nicht so einfach unter die Bassmechanik um das zu prüfen.
Auf der Diskantseite ist dies jedoch einfacher möglich, direkt unter dem Diskantverdeck liegen die Clavishebel mit den Klappen. Da kann zum Auffinden einer Undichtigkeit auch ein Stückchen Japanpapier, vorne an einer Pinzette festgehalten, dienen.
Es passiert auch durchaus beim unvorsichtigen Einpacken häufiger daß man mit einem Tastenende am Koffer hängenbleibt und dann eine Taste nach oben verbogen wird. Natürlich wird nicht die Taste verbogen sondern der Clavishebel so daß die Taste nun etwas nach oben aus der Tastatur herausragt. Wenn man dann die Taste einfach wieder in ihre "ursprüngliche" Position zurückbiegt liegt die Klappe nicht mehr dicht an der Füllung an und Luftverlust ist vorprogrammiert. Da man bei einem solchen Akkordeon nie weiß was beim Vorbesitzer, Zwischenhändler damit passiert ist, ist so etwas auch nicht auszuschließen.
Bei größeren Undichtigkeiten an einer Klappe müßte eigentlich auch ohne Drücken einer Taste oder Kopfes ein Ton zu hören sein.
Dein subjektives Gefühl daß auf Druck der Luftverlust höher als auf Zug ist könnte darauf schließen daß es ein Problem mit einer/den Klappen gibt, denn auf Druck versucht der Überdruck im Balg die Klappen von ihrer Füllungsplatte abzuheben, auf Zug saugt der Unterdruck im Balg sie prakisch etwas fester an die Füllung an so daß sie etwas besser abdichten. Dies könnte ein Indiz sein daß dort eine der Ursachen sein könnte, doch ob's wirklich bei Druck einen höheren Luftverlust hat als auf Druck ist schwierig für einen Anfänger festzustellen da generell die Empfindung des Druckes beim Ziehen und Drücken verschieden ist.
Vergiß auch nicht die Kontrolle des Luftknopfes, der braucht nur in seiner Führung zu klemmen oder seine Andruckfeder ist ausgehakt oder verklemmt und die Klappe schließt nicht mehr korrekt.
Es gibt natürlich noch mehr mögliche Ursachen wie z.B. ein Gehäuseriss im unter Druck stehenden Gehäuse.
Die angerissene Auflage am Gehäuse für die Bassabdeckung kann man in der Regel durch neu anleimen und unterfüttern z. B. mit Furnier wieder stabilisieren, auch zusätzliche kleine lnge Holzschräubchen seitlich eingeschraubt können dabei helfen. Dieser Schaden tritt nach unsanftem Hinstellen des Akkordoens auf die Bassfüßchen auf.
Also prüfe erst mal die beiden ersten Punkte und wenn dort alles wirklich i.O. ist den 3. Punkt.
Wird schon werden,
liebe Grüße,
Roland