Meine Profi-Konzerte der letzten Jahre waren vom Sound her ein wenig durchwachsen:
- Peter Gabriel in der Arena Salzburg, ca. 2015 - grandioser Sound, nur auf der Snare von Manu Katche (schreibt man den so?) war ein viel zu lauter Hall von ca. 4 Sekunden, der sich so überhaupt nicht in den Gesamtsound einfügen wollte, das war immer ein akustischer Fremdkörper; ohne diesen Fauxpas wäre es eine glatte "1" gewesen, mit aber nur eine "3"
- MUSE, 2012 in der Münchner Olympiahalle und 2014 auf der Loreley - einmal ein fulminant-grandioser Sound, einmal sehr gut
- Dido, irgendwann in den 2000ern open air auf dem Münchner Königsplatz - der Seitenwind hat die Zylinderwelle vom LineArray zerrissen, in der Mitte des Platzes war das wie "Sound an... Sound aus... an... aus... nochmal aus... ah, da isser wieder" - wenn hörbar, war der Sound gut bis sehr gut; aber als Gesamtergebnis ein glatter Reinfall
- Katie Melua - auch irgendwann in den 2000ern in einer kleinen Münchner Halle mit Reflektoren/Diffusoren an der Hallenrückseite; ein leiser, deutlicher, hochgradig angenehmer Sound; klar, da sollte auch nix knallen oder drücken, es war einfach nur ein Genuss
- Depeche Mode - live im Münchner Olympiastadion, ca. 2017 oder 2018; ein akustischer Brei, nur Drums und Gesang waren zu hören (aber nicht zu verstehen), der Rest war bestenfalls in ruhigeren Passagen mal klar auszumachen; ich glaube, das war seit damals ein gewisser Trend, denn Bekannte berichteten mir Ähnliches von anderen Konzerten seit dieser Zeit
- Joe Satriani im Münchner Circus Krone, ca. 2018 - schon die Vorgruppe hatte einen tollen Sound, druckvoll und dennoch deutlich, super angenehm zu hören; Joe hatte denselben Sound, aber in einer für mich nicht zu ertragenden Lautstärke - das hat echt weh getan! Meine Frau und ich haben uns dann ins Foyer gesetzt und was getrunken - da klang das wieder gut (immer noch laut, aber erträglich)
- in der Vergangenheit (seit der ersten Hälfte 1980er Jahre) habe ich überwiegend gut klingende Konzerte besucht, Queen, Gary Moore, Dream Theater, White Lion
Etwas anders sah das im Amateur- bzw. SemiPro-Bereich aus, wo ich seit 1980 als Musiker und seit ca. 1987 auch als Tontechniker fungiere. Das Material war damals unglaublich teuer und im Vergleich zu heute auch akustisch eher schlecht konstruiert. Zudem gab es bei den Instrumentalisten eine echte Gigantomanie, Full Stacks bei Bass und Gitarren sowie Drums mit riesigen Kesseltiefen, die überhaupt erst zu klingen begannen, wenn man sie echt kräftig bearbeitete. Und dazu die Architektur der meisten Jugendzentren - roher Putz oder gleich nackte Betonwände, wo Dir jedes akustische Ereignis gleich mehrfach um die Ohren schallert. A match made in hell... Wenn der Gesang hörbar war, war die Band soundmäßig bei den oberen 25% dabei. War der Gesang phasenweise sogar verständlich, dann war man bei den top 5 bis 10% der Local Heroes angekommen.
In den späten 1990ern oder frühen 2000er Jahren kippte das Pendel ins andere Extrem, denn PA-Systeme wurden besser, weil man akustisch sinnvolles Design besser verstanden hatte und sich die gewonnen Erkenntnisse von den Profisystemen zum bezahlbaren Amateurequipment verbreitet hatten. Plötzlich hatten wir im Amateurbereich (oder doch eher bei den Semi-Pros) zahlreiche Konzerte, bei denen der Gesang den Rest der Band gradezu erschlug! Das war also auch wieder nix.
In meiner persönlichen Wahrnehmung mit zahlreichen Amateurkonzerten, aber natürlich auch limitiert in vielerlei Hinsicht, klang es von ca. 2005 bis 2015 insgesamt am besten. Das Equipment war bezahlbar geworden und dennoch gut genug, die Gigantomanie der Instrumentalisten war einem gesunden Pragmatismus gewichen (und so ein kleiner Röhrenamp mit 20 Watt kann immer noch saulaut sein), das Mischen war für mich zumindest einfacher geworden, und gute Ergebnisse nahezu sicher. Okay, mit der Entwicklung des Equipments haben sich im Lauf der Zeit auch meine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen vergrößert, so dass ich heute Situationen lösen kann, wo ich früher ratlos gewesen wäre.
Was mir seitdem immer häufiger begegnet, sind einerseits völliges Unverständnis bei den Veranstaltern wie z.B. den Münchner Wirten: "Ein Platz fürs Pult? Ja, klar, gleich neben der Bühne. Und wenn Ihr 95 dB überschreitet, fliegt Ihr raus." Gemessener Pegel der anwesenden Gäste: 98 dB. Heute kann man das per Pad mischen, aber bis vor ein paar Jahren war das ein echter Alptraum, den ich mehrfach erlebt habe. Andererseits gibt es da zunehmend eine völlige Naivität insbesondere junger Veranstalter/innen: Kümmern sich erst 10 Tage vor dem Festival um die Technik. Von dieser Sorte hatte ich ca. 20 Anfragen diesen Sommer, musste ich zum Glück alle ablehnen, weil Wochen vorher schon ausgebucht. Oder aber dies: Aufbau in akustisch schwieriger Umgebung wie einem historischen Gebäuden, es gibt div. Limitierungen, wo man kein Equipment aufbauen darf oder wo man Kabel sehr aufwändig um ein Hindernis herum verlegen muss, mit zusätzlicher Absicherung. Ach ja, Licht und Deko sind auch gefragt. Geplante Aufbauzeit? 90 Minuten incl. Soundcheck. Und das erfährt man dann am Tag vorm Gig, keine Zeit (oder Budget) mehr, um erfahrene Helfer zu engagieren:
Veranstalter: "Kriegst Du doch hin, oder?"
Ich (weil mir vor Überraschung einfach die Luft wegbleibt): "Ähhh..."
Veranstalter: "Okay! Dann is' ja alles gebongt!"
Ich: "Ähhh..."
Okay, ich habe das tatsächlich hinbekommen, aber es war wirklich auf des Messers Schneide, und da hätte NICHTS schiefgehen dürfen. Und zum Einmessen des Saals hat es auch nicht mehr gereicht. Der Sound war okay, aber ich weiß, dass es noch besser geklungen hätte, wenn ich die paar Minuten zum Einmessen gehabt hätte. Gut, ich habe dann hinterher der Veranstalterin gegenüber meine Bedenken geäußert und die potentiellen Risiken formuliert, und beim nächsten Mal wird es besser, wurde mir versprochen. Mal sehen, ob es ein nächstes Mal gibt, und ob ich dann dabei bin.
Mit Digitalpulten begegne ich der zunehmenden Zeitknappheit so, dass ich zuhause den Mix am Pult vorbereite: Tech Rider anfragen, abklären, ob der auch für den Gig zutrifft (meist gibt es kleinere Abweichungen), und dann die Kanäle beschriften und einen sinnvollen View (bei den meisten Pulten heisst das Custom Layer) vorbereiten - das spart enorm Zeit beim Aufbau.
Wie stelle ich mir heutzutage guten Sound vor? Zum Genre passend, aber grundsätzlich deutlich, klar und gleichzeitig druckvoll. Gesang deutlich vernehmbar, aber sinnvoll in den Gesamtsound eingebettet, nicht alles erschlagend. Neulich musste ich trotz Dreiviertel Silent Stage (bei Git, Bass und Keys und alle auf IEM) echt laut mischen, weil die Snare des Drummers so laut war UND er vor einer Glaswand stand. Als ich kam, war schon alles aufgebaut und mikrofoniert, und wir mussten nach kurzem Soundcheck loslegen - also keine Zeit mehr für einen Umbau. Ergebnis: Sound ziemlich okay, aber für meinen Geschmack zu laut.
Zusammenfassend und von meinem persönlichen Standpunkt aus betrachtet: Heutzutage ist die Technik vorhanden, um eine Band gut klingen zu lassen. Und Bands, die ernsthafte Gagen kassieren, spielen meist auch so, dass es dem Gesamtsound zuträglich ist, also nicht übermäßig laut. Der limitierende Faktor für die Qualität meiner Mixes ist heutzutage oft die Zeit für den Aufbau und das Budget. Üblicherweise funktioniert es, und ich bekomme von Bands und Gästen positive Rückmeldung für den Sound. Manche Veranstalter buchen mich immer wieder, weil sie wissen, dass ich alles tue, um einen vernünftigen Sound zu erreichen, und weil sie sich dann entspannt um den Rest ihres Events kümmern können. Ach ja, und weil ich für alle Beteiligten eine gewisse Ruhe ausstrahle. Soundqualität ist bei Veranstaltern also bestenfalls das zweitwichtigste (in Wahrheit kommt das noch viel, viel weiter hinten).
EDIT und Nachtrag zum Thema Silent Stage, Profiler für die Gitarren und IEM: Während ich früher immer etwas Arbeit drauf verwenden musste, um die Signale halbwegs sauber trennen und übertragen zu können, ist es heute fast umgekehrt, und ich muss beim Mischen hin und wieder eine "Kelle Dreck" zufügen. Das passiert bei mir oft durch (Wieder)Anheben der Tiefmitten, denn da tummelt sich einfach der meiste Schmutz.