Eine paar Gedanken zum Thema "Einmessen von Boxen" und warum Du das eigentlich gar nicht machen willst. Wenn schon, dann misst Du die Kombination von Boxen und Raum ein, aber auch das nur teilweise. Hier ein paar Prinzipien:
- es braucht keinen linealglatten Frequenzgang, +/- 3 dB im Bereich von 100 Hz bis ca. 10 kHz sollte man anstreben
- Überhöhungen im Frequenzgang sind der Feind, kleine Absenkungen dagegen eher kein Problem (und oft kann man diese gar nicht ausbügeln)
- das Linearisieren ist immer ein Kompromiss, der an den verschiedenen Stellen im Raum ungefähr gleichermaßen gut funktionieren soll
Wie misst man?
Du brauchst rosa Rauschen; dieses hat die Frequenzverteilung 1/f, wird also mit höherer Frequenz leiser und hat darum in jeder Oktave gleichviel Energie. Im Gegensatz dazu ist weißes Rauschen bei jeder Frequenz gleichlaut, hat also viel mehr Energie in den höheren Oktaven.
Rosa Rauschen bekommst Du z.B. hier:
https://ambientnoise.online/pink-noise-generator/
Zum Messen kann man natürlich ein Messmikro kaufen (oder sogar in ein geeichtes mit Messschrieb investieren), aber für unsere Zwecke tut es das Mikro in einem handelsüblichen Smartphone, egal ob Android oder iPhone. Als Software zum Messen lade Dir einen RTA (Real Time Analyser), diese Dinger gibt es oft umsonst oder für kleines Geld. Ich habe mal 8 EUR bezahlt, und das Teil hat noch viel mehr Funktionen als ich in meinem Leben jemals brauchen werde. Stelle am RTA die Messzeit (oder das Messfenster) auf 0.5 bis 1 Sekunde ein, damit zappelt die Anzeige nicht so, und Du bekommst die Durchschnittswerte, die Du zur Auswertung brauchst.
Jetzt also rosa Rauschen auf die Anlage, alle EQs aus und dann mit dem Smartphone messen. Mache am besten jeweils einen Screenshot von jeder Messung. Der reinen Lehre nach muss man fünf Messungen machen:
- die ersten beiden je 1m vor den beiden Boxen, auf der Achse der Abstrahlung
- die dritte Messung in der Raummitte
- die letzten beiden Messungen hinten im Raum, je 1m vor der Raumwand
Was sagen diese Messungen aus?
- Bei den ersten beiden Messungen bekommst Du den Frequenzgang der Boxen, mit wenig Einfluss der Raumakustik
- In der dritten Messung bekommst Du den Durchschnitt, quasi den Mittelwert aus allem - mMn die wichtigste Messung
- Die letzten beiden Messungen zeigen Dir den Raumklang
Aus diesen Messungen bildet man nun den Mittelwert. Beispiel: Bei einer bestimmten Frequenz hast Du bei den ersten beiden Messungen 3 bzw. 4 dB Überhöhung, bei der Messung in der Raummitte ca. 2 dB und bei den letzten beiden Messungen jeweils 1 dB Überhöhung. Der Mittelwert bei dieser Frequenz ist nun (3+4+2+1+1) / 5 = 11 / 5 = 2.2 - soll heissen, Du hast im Mittelwert 2.2 dB Überhöhung bei dieser Frequenz. Wenn Du hier nun um 2 bis 2.5 dB absenkst, hast Du vor den Boxen immer noch eine minimale Überhöhung, in der Raummitte passt es und hinten hast Du es minimal leiser. Im Mittel also passt es ganz gut.
Was macht man nun damit?
Nehmen wir mal an, Deine ersten beiden Messungen sehen ungefähr so aus wie auf dem Frequenzschrieb oben in Post #5 von
@CarstenO . Die beiden Absenkungen bei 1.5 und 6 kHz kommen höchstwahrscheinlich von Auslöschungen der Frequenzweiche oder der Lautsprecher untereinander. Das wollen und können wir nicht ausbügeln, denn jede Anhebung bei diesen Frequenzen wird auch nur wieder ausgelöscht - nur dann wird halt mehr Energie ausgelöscht als vorher, der Klang wird sich nicht ändern, nur die Belastung der Lautsprecher steigt. Und ja, man kann sich seine Boxen so zerstören.
Die kleinen Überhöhungen bei ca. 1.2 kHz und bei 8 kHz sowie den schmalen Peak bei 2 kHz dagegen sollte man vorsichtig (und im Falle der 2 kHz mit ganz schmalem Filter) literarisieren. Die kleine Überhöhung bei ca. 80 Hz würde ich stehen lassen (oder vielleicht teilweise ausgleichen), bei mir fällt so eine Anhebung in den Bereich "Spassbässe" - das ist meist angenehm zu hören.
Klanglich dürfte sich das so auswirken, dass die Linearisierung bei 1.2 kHz etwas das Quäken aus dem Sound nimmt. Insbesondere Akustikgitarren dürften nun angenehmer über die Anlage klingen. Das Linearisieren bei 2kHz dürfte die Feedbackempfindlichkeit reduzieren und den Klang wenig aggressiv machen. Die leichte Absenkungen bei 6 kHz (falls Du das in einiger Entfernung überhaupt noch brauchst) dürfte ebenfalls etwas Aggression und zischende S-Laute zügeln.
Mit den obigen Korrekturen bekommst Du eine Box, die insgesamt gesehen von 2.5 bis 16 kHz etwas lauter ist als von 50 Hz bis 1 kHz - das könntest Du noch durch einen breitbandigen Filter ausgleichen (BW=3 Oktaven oder Q=0,33, Centerfreqnez ca. 6.5 kHz) und dann um 3 dB absenken. Nun hast Du eine Box, die abgesehen von den Spassbässen und zwei kleinen Absenkungen recht linear spielt.
In den anderen Messungen dürftest Du nun andere Überhöhungen sehen, die Du ebenfalls ausgleichen kannst. Auch hier gilt: Senken im Frequenzgang lässt man, die stören das Gehör nicht, stellen keine Gefahr dar, und eine Anhebung bei diesen Frequenzen würde nur wieder mehr Auslöschung bewirken und die Box durch Überlastung gefährden. Überhöhungen dagegen kann man auslöschen.
Soweit die Theorie. Praktisch möchte ich folgendes einwenden:
- wenn die Zeit drängt, macht nur die Messung in der Raummitte und stellt darauf ein
- im Proberaum kann man die Messungen 3 bis 5 (oder mehr) eher an der Position der Musiker machen - Ihr messt den Raum dann also auf die Musiker ein und nicht auf den Durchschnitt
- "draussen", also live kommt das Rauschen eher nicht so gut an, ich hatte da schon ärgerliche Wirte; sucht Euch daher eine Musik, die Ihr gut kennt und die gut gemischt ist, so dass sie recht linear bzw. ausgewogen daher kommt; Steely Dan dürften da eine Referenz sein, deren Musik ist ein Musterbeispiel für gute Produktion und Mischung. Ich nehme z.B. "Cliffs of Dover" von Eric Johnson, und da weiß ich, dass es bei ca. 1 kHz eine leichte Senke gibt, daher muss ich diese auch in meinen Messungen sehen.