Die Frage ist aber noch unbeantwortet: Macht das was mit dem Ton / Ansprache / Gestaltungsmöglichkeiten der Zungen oder ist das schlichtweg egal wie oft man rauf und insbesondere runterstimmt?
... und hier wieder zum eigentlichen Thema zurück:
Die Frage ist nicht ganz eindeutig zu beantworten und die jeweilige Antwort hängt davon ab, wie weit man ins Detail gehen will.
Dazu muss man sich zunächst mal eine Stimmzunge anschauen, wie die aussieht.
Stimmzungen haben eine bestimmte Länge, Zungenbreite und Zungenform - also manchmal konisch, manchmal eher parallel. Und die Stimmplatte auf die sie befestigt ist hat ebenfalls eine gewisse Größe und Dicke. Diese geometrischen Festlegungen bewirken, dass der Klang einen bestimmten Grundcharakter entwickelt - z.B. wie die Ansprachecharakteristik ist , ob im leisen Bereich eher nur die Zungenspitze tonbildend beteiligt ist, oder ob schon weitere Bereiche der Zungenlänge mit zur Tonbildung beitragen.
Und diese charakteristischen Merkmale ändert man nicht, wenn man an der Stimmzunge etwas umstimmt. Auf diesen Bereich bezogen kann man also sagen: der Grundcharakter , wie sich die Stimmzunge verhält ist erstmal unbeeinflusst von Stimmarbeiten.
Die Stimmzunge ist aber nicht nur ein Stück Blech, sondern die Zunge hat von der Seite aus betrachtet keine gleichbliebende Dicke, sondern eine bestimmte "Schliffkurve" und eine gewisse Aufbiegung. Und je nachdem wie man diese Schliffkurve erzeugt, kann man den Ton in der Grundfrequenz über weite Bereiche der Lautstärke konstant halten. Ändert man an dieser Schliffkurve etwas, dann kann man auch die Tonkonstanz oder das Ansprechverhalten beeinflussen.. positiv oder negativ!
Hier an diesem Punkt kann man also beim Stimmen tatsächlich was am "Klang" der Stimmzunge verändern! .. Gute Stimmer wissen, wie die Stimmzungen sich verhalten und wissen aufgrund ihrer Erfahrung auch , wo und wie sie die gezielten Nachstimmarbeiten ansetzen.. soweit das im eingebauten Zustand möglich ist, ohne dass sie den Grundcharakter der Stimmzunge verändern.
Die beiden Extreme sind hier:
Perfekt ideal müsste man die Stimmzunge auf der gesamten Fläche nacharbeiten um das Schliffprofil in seiner Gänze auf die neue Frequenz anzupassen. Also praktisch die gleiche Vorgehensweise wie sie im Herstellwerk durchgeführt wird. Dann hätte man eine Stimmzunge mit gleichem Betriebscharakter - nur eben auf anderer Frequenz.
Und auf der anderen Seite der Gau: Wenn man mit einem elektrischen Schleifgerät lokal eine Kuhle reinschleift um die Stimmzunge an der Stelle biegsamer zu machen um die Frequenz abzusenken - dann hat man zwar die Frequenz abgesenkt, aber der Rest der Stimmzunge wird zumindest teilweise aus dem Gesamtbetrieb rausgenommen und mehr oder weniger stillgelegt. Der Ton ist zwar tiefer - aber der Klangcharakter ein anderer... und das alleschlimmste: solche Schleifkuhlen sind nur sehr schwer und manchmal gar nicht mehr korrigierbar!
Das sind die beiden Extreme beim Frequenz einstellen!
Und dazwischen sind dann all die Facetten die entstehen, wenn man mit dem Stimmstichel kratzt. Da hängt viel davon ab, wie man das macht und wo und auf welcher Länge... und je nachdem nimmt das dann mehr oder weniger oder auch praktisch kein Einfluss auf den Klangcharakter der Stimmzunge.
Das ist soweit die Bandbreite in der man sich bewegt wenn man ein Akkordeon umstimmen oder auch bloß nachstimmen lassen will. Konkret zusammengefasst: Man kann die Stimzungen umstimmen, ohne dass sich was ändert , oder man kann das auch so umstimmen, dass sich was ändert! Das hängt davon ab, wie gut und sorgfältig der Fachmann vorgeht! ... das aber im Voraus zu erkennen, wen man vor sich hat... das ist die große Kunst!
Bis hierhin sind wir im "normalen" Bereich des täglichen Lebens und im Bereich dessen, in dem wir uns so bewegen.
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...Man kann das aber natürlich auch noch weiter im Detail betrachten... und da kommen wir dann an die Grenzen , wo man dann feststellen muss, dass sich, sobald man was ändert, sich er Klang mitändert ob man will , oder nicht... die Frage ist dann nur, ob das noch im realen Betrieb in irgendeiner Weise feststellbar ist (eigentlich nicht, aber der Vollständigkeitshalber möchte ich hier auch noch darauf eingehen!)
Denn so eine Stimmzunge hat ja noch eine makroskopische Oberflächenstruktur - Also eine Schliffstruktur von der Herstellung. Und eine Stimmzunge schwingt ja nicht nur in der Grundfrequenz, sondern schwingt auch noch mit allerlei Ober- und Nebenfrequenzen. Und das ist auch gut so, denn wenn die nur in der Grundfrequenz schwingen würde, wäre der Klang relativ fade!
Ein findiger Forscher hat vor einigen Jahren nachgewiesen, wenn man auf der Stimmzunge an geeigneten Stellen eine etwas stärkere Querriefe einbringt, dann kann man die Stimmzunge auch gezielt in zwei Grundschwingungen schwingen lassen. Das jetzt aber bitte nicht nachmachen! Denn der Zweck der Foschung war nachzuweisen, dass man mit geeigneter lokaler Einkerbung die Schwingungen gezielt verändern kann. Das ist da auch gelungen.. allerdings waren die Kerben mehr als nur ein leichter oberflächlicher Kratzer .. und die Dauerschwingfähigkeit der Zunge wurde dadurch schon deutlich reduziert! ... Die Lebensdauer also von "lebenslang " auf nur ne zeitlang reduziert!
Aber an dem Extrembeispiel sieht man, dass die lokale Oberflächenstruktur auch einen Einfluss auf die Gesamtheit des abgegebenen Frequenzprofils hat. Und wenn man das jetzt extrem im Detail nimmt, dann muss man sagen dass , sobald man an der Oberfläche was neu einschleift oder kratzt oder sonstwas feilt, dass man das originale Freqquenzband minimal verändert und zwar irreversibel! Denn niemand auf der Welt kann ein absolut identisches Oberflächenschliffbild wieder erzeugen!
Zusammengefasst kann man also feststellen, dass im Detail sich immer etwas am Klang der Stimmzunge verändert, sobald man irgendwas dran macht, kratzt, schleift, oder sonstwie die Oberfläche verändert!
Das kann nicht mal der Hersteller, denn nicht mal der Hersteller kann identische Schliffstrukturen auf seinen Stimmplatten herstellen.. jede Stimmplatte ist irgendwo mindestens minimal anders als die vorhergehende!
Aber das gute daran ist: Soweit im Detail interessiert das in der Praxis überhaupt nicht mehr! Denn in der Summe aller Faktoren die den Gesamtklang des gesamten Akkordeons ausmachen gehen diese vielleicht 0,005% im Rest so unter, dass das außer in einem Präzisionsmesslabor wo man das mit hochempfindlichen Messgeräten messen kann, von niemand auch nur annhähernd bemerkt werden könnte
Und somit kann man für das reale Leben sagen:
Wenn es richtig gemacht wird, ändert sich nichts am Klang und der Lebensdauer und je gröber gearbeitet wird, desto eher kann´s auch ne minimale Veränderung geben.