Stratomano
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Wo das Design des Amps herkommt, dürfte jedem Gitarristen und Bassisten klar sein. Pate standen eindeutig Jim Marshall’s Topteile.
Nur…wer steckte dahinter und ist dieser Amp tatsächlich eine Kopie des 1959 SLP, wie man so oft lesen kann?
Eingefleischte Rock- und Heavy-Fans könnten den Namen Stramp schon einmal gehört haben, aber auch in der Orchestermusik und in den Studios war/ist der Name zu finden. Später dazu mehr.
Stramp…
Der Name leitet sich vom Gründer der Firma ab: Peter Strüven Amp. Beim Amtsgericht Hamburg taucht der Name „Peter Strüven KG“ erstmalig im Oktober 1969 auf. Er gründete „Stramp“ wahrscheinlich 1969/1970 mit Sitz in Hamburg, Bornheide 19.
Nur 5 Jahre später, 1975, wurde Stramp von Dynacord übernommen. Kostendruck, Produktionssteigerung, etc führten zu den bekannten Komplikationen. 1980 schloß Stramp seine Tore (nicht der Vertrieb).
Bis dahin wurden Instrumentenverstärker, Boxen und Studioequipment produziert. Zusätzlich wurde Studioequipment anderer Firmen vertrieben.
Im Verlauf gab es den „Peter Strüven Audio Vertrieb“ mit Sitz in Quickborn.
Peter Strüven verstarb leider sehr früh am 25.09.2000 mit nur 59 Jahren. Die Geschäftsführung übernahm damals Gisela Strüven zusammen mit Matthias Exner, heute General Manager von Audio Technica Deutschland. Ende 2003 wurde der Vertrieb beendet, 2004 ging der Vertrieb in die Liquidation, welche 2007 endete.
In Hamburg, Bornheide 19 erinnert heute leider nichts mehr an Peter Strüven’s Stramp.
Ich hatte das große Glück mit einem ehemaligen Mitarbeiter von Peter Strüven in Kontakt zu kommen. Michael Wagener opferte Zeit für ein Telefonat und e-mails mit mir. Die Kollegen/Innen, die sich in der Studioszene bewegen, werden ihn kennen. Seine Liste der Produktionen, Mixe und Masters ist riesig. Er hat u.a gearbeitet mit Dokken, Alice Cooper, Ozzy Osbourne, Metallica, Mötley Crüe, Accept, Poison, White Lion, Bonfire, Megadeth, Skid Row, Janet Jackson, Queen, Helloween, Lordi, und und und…die Liste wäre hier zu lang.
Michael Wagener (im Hintergrund hängt ein 12-Kanal Mixer von Stramp an der Wand)
Zu Schulzeiten war Michael Wagener mit Udo Dirkschneider befreundet. Später gründeten die Beiden die „Band X“ aus der im Verlauf „Accept“ wurde. Michael Wagener war der erste Gitarrist von Accept. Er verließ die Formation vor seiner Bundeswehrzeit. 1972 traf er Peter Strüven in Hamburg, der gerade Besuch von Ritchie Blackmore hatte. Blackmore lebte damals in Hamburg. 1971 hatten Deep Purple „Fireball“ veröffentlicht und „Machine Head“ (1972) stand an. Und dieser Blackmore stand nun in der kleinen Werkstatt von Peter Strüven und wollte seinen Amp modifizieren lassen. Nach einem kurzen „Ich würde gern hier arbeiten“, „Wann kannste denn anfangen?“, „Morgen!“ war die Sache für Michael Wagener und Peter Strüven klar.
Die Firma Stramp bestand nur aus 4 Mitarbeitern in der Werkstatt sowie natürlich Peter Strüven und seine Frau Brigitte.
Das Werkstatt-Team waren (von oben links nach rechts):
Norbert Dembski, Gerd Lartz, Michael Wagener.
Vor dem Mischpult (eine Spezialanfertigung für James Last) Cheftechniker Norbert Gröger.
Norbert Dembski ist vielen bekannt als Tontechniker von Udo Lindenberg.
Zu Gerd Lartz kann ich leider nichts finden und Norbert Gröger ist seinem Fach wohl treu geblieben und nun in Rente (soweit mir das Internet das verrät).
Michael Wagener erzählte, dass Stramp zwar eine kleine Firma war, in der es familiär zuging. Sie machten sich aber rasch einen Namen unter den Großen im Show-Biz. Kein geringerer als Rory Gallagher klopfte bei Peter Strüven an und gab einen Amp in Auftrag, der in seinen VW Käfer passen sollte. Daraus entwickelte sich der „Stramp Power Baby“ (bei der Gelegenheit konnte Michael Wagener die berühmte Strat von Gallagher anspielen).
Power Baby
Angeblich soll ein Ausschnitt des Schaltplanes des Amps als Cover für Gallagher’s in 1973 erschienenes 3. Studio-Album „Blueprint“ gedient haben. Auf der Homepage von Rory Gallagher, die von seinem Bruder Donal gepflegt wird, findet man diese Aussage und sie wird überall im Netz zitiert. Auch im Booklet der CD. Ironischerweise taucht Stramp allerdings nicht bei der Auflistung seines Equipment auf der Homepage auf. Mal sehen.....
ABER….da gibt es ein paar Ungereimtheiten.
Ich habe meinen guten Freund und ausgewiesenen Amp-Techniker Uwe R. gebeten, sich die Schaltpläne mal anzuschauen. Er kannte Peter Strüven und hat selbst viele Amps modifiziert und repariert. Auch das Spezial-Mischpult von Stramp für James Last war mal zur Reparatur in seinen Händen.
Hier das Cover von „Blueprint“:
Der geneigte Leser möge sein Auge auf den rechten unteren Abschnitt des Covers werfen. Da findet man eine DIN-Buchse für „Reverberation“ und „Reverb Footswitch“. Zudem findet man in der Eingangangsstufe einen typischen 4fach operation amp IC (Dreieck oberhalb des Fotos von Gallagher mit 1/4 drin). Dann ein Lautstärke-Poti mit 100k am Eingang. Sehr untypisch für einen Gitarrenverstärker. Eher ein kleiner Mixer. Zudem unsymmetrisch, also eher nichts für Mikros. 100k am Eingang und Kondensator als ground lift würden passive Pickups zu sehr bedämpfen.
Nun der Schaltplan des Power Baby (Danke an Holger Lasch von Avicom, Quickborn):
Da gibt es keine DIN-Buchse für „Reverberation“ und „Reverb Footswitch“. Zudem ist die Eingangsstufe mit diskreten Transistoren aufgebaut. Auch die übrigen Bestandteile stimmen nicht überein.
Es handelt sich ziemlich sicher um eine deutsche Zeichnung des Schaltbildes auf dem Blueprint-Cover. Wahrscheinlich ein Mixer oder Submixer, möglicherweise von Peter Strüven, da Gallagher und Peter Strüven damals eng zusammen arbeiteten. Aber nicht der Power Baby.
Gallagher spielte also damals einen Transistor Amp, denn das ist der Power Baby. Er wechselte in dieser Zeit oft zwischen seinen Vox AC30 und dem Stramp. Ein Techniker lief während des Gigs auf die Bühne und stellte einfach das Mikro vor den jeweiligen Amp, der nötigt wurde. Heute undenkbar. Warum nicht gleich beide Amps abnehmen?
Rory spielte nie einen Stramp Röhren-Amp, wie man so häufig lesen kann....
Der Power Baby ist ein Transistor-Combo mit 2 x12 Speaker. Zudem hatte er eine Zusatzbox (K81). Mit dieser 80 Watt (ohne 50 Watt).
Es gab mehrere Versionen des Power Baby: den K80, K85 und K95 (Bass Baby). Zusatzboxen passiv (K81), aber auch aktiv (KP80 und KP85).
Bass Baby K95
Bassist Gerry McAvoy spielte hingegen in der gemeinsamen Zeit mit Gallagher Stramp Röhren-Amps, von den Fotos her einen 2200 A (200 Watt), u.a. von Michael Wagener gebaut (signiert).
Gitarren- und Bass Amps reichten Peter Strüven aber nicht.
Er baute hervorragend klingende Mischpulte und Equalizer, Echogeräte (Echo 7000), Boxen, Endstufen, Gesangsanlagen, Spezialanfertigungen, etc….
In Zusammenarbeit mit Wolfgang Palm (PPG, Stichwort „Tangerine Dream“, wavetable synthesizer) wurde 1974 der „Synchanger“, ein Gitarrensynthie, entwickelt. Stramp baute dann den „Synchanger 2“ (1976), von dem ca. 200 Stück verkauft wurden.
Leslie West (Mountain) wollte zunächst von Stramp nichts wissen.
Die norddeutsche Legende besagt, dass hinter der Bühne die Roadies mit Handschuhen standen und die glühenden Röhren bei West’s Amps austauschten, bis es nicht mehr ging....
Wohl eher nicht, rein technisch gesehen unwahrscheinlich.
Wie dem auch sei, Peter Strüven und Michael Wagener boten den Roadies bei einem Konzert in Hamburg an, Stramp Amps zu benutzen. Leslie West war begeistert und spielte eine zeitlang Stramp. Es gab im Verlauf eine Sonderedition für Leslie West. Ansonsten ist West für seine Sunn Amps bekannt (PA System mit Mastervolumen).
Links: West (hinten) mit 3 Stramp Türmen, rechts: WBL (West, Bruce, Laing), Jack Bruce am Bass, der ebenfalls Stramp spielte.
Angeblich wurde das Leslie West-Set später von Rusty Anderson, Lead Gitarrist von Paul McCartney benutzt…
John Entwistle (The Who) wurde vorstellig bei Peter Strüven. Er kaufte damals 8 Pre-Amps 4120, die seine Alembic Pre-Amps ersetzten. The Who hatten 4 Proberäume, 2 Pre-Amps pro Setup und Raum. Von 1976 bis 1982 (und bei Live Aid 1985) spielte Entwistle die Stramp Pre-Amps.
Stereo-out aus seinem Bass in die beiden Stramp 4120 Pre-Amps. Von dort gesplittet in 4 Endstufen Sunn Coliseum slave amps (a 320 Watt!). Von dort in die Speaker (s. unten).
Das muss ein heftiger Bass gewesen, sogar 18er Bass Bins hat Entwistle benutzt.
Das es ist nicht ganz so heftig abgehen musste, zeigte Benny Bendorff, 33 Jahre Bassist des James Last Orchesters, aber auch Sänger, Composer und Trompeter.
Auch Benny Bendorff spielte Stramp Equipment.
Ebenso Norman Guy oder Paul Fenton (beeinflusst von Gallagher)
Die Firma lief super an. Soviel bekannte Musiker in so kurzer Zeit, die Stramp Equipment benutzten. Auch das Studio-Equipment war angesagt.
Aber wie schon beschrieben, die Übernahme durch Dynacord tat der Firma nicht gut. Laut Michael Wagener war es was anderes, wenn man in einem kleinen Team Entscheidungen trifft, was nun wie modifiziert und produziert wird. Man saß in der Küche zusammen und überlegte, was zu tun ist. Die Entwicklungsprozesse sind schneller und direkter. Nach der Übernahme durch Dynacord hatten plötzlich Menschen das Sagen, welche nicht in die Entwicklungsprozessen direkt eingebunden waren. Was gemacht wird und wo die Geräte verändert werden, um Kosten zu sparen, wurde nicht mehr vom kleinen Team entschieden, sondern von Leuten, die für das Marketing und für die Wirtschaft des Unternehmens zuständig waren.
Der 2100 A, initial ein Vollröhren-Amp wurde unter Dynacord zum Hybriden. Peter Strüven und seinem Team fanden daran wohl kein gefallen.
Ein Schicksalsschlag kam dazu:
Peter Strüven’s Frau Brigitte starb mit 29 Jahren Ende der 70er Jahre. Michael Wagener erzählte, dass danach nichts mehr war wie vorher. Brigitte Strüven war die gute Seele der Firma, die alles zusammen hielt.
1980 schloß Stramp die Tore.
Nun aber zum Stramp 2100 A
100 Watt Vollröhren-Amp mit 4 EL34 Röhren in der Endstufe und 3 ECC83-Röhren in der Vorstufe. Front Panel Aufbau wie beim Marshall Pendant.
„Normal“- und „Bright“-Kanal mit „hi“- und „lo“-Eingang und getrennter Lautstärke-Regelung (Volume 1 und 2). Es gibt drastische Unterschiede im Sound zwischen den beiden Kanälen. Daher das „bridgen“ mit einem kleinen Patch-Kabel, was das Mischen der beiden Kanäle möglich macht.
Rückansicht:
2 Speaker Out, Impedanz-Wahlschalter und Typenschild mit Seriennummer. Sicherungen, Netzwahl und DIN-Buchse (!) für den Anschluß eines Echogerätes. Die DIN-Buchse war natürlich nicht sehr roadtauglich. Die Netzbuchse wurde ausgetauscht.
Der 2100 A hat einen Platinenaufbau. Bis 1973 wurden die Marshalls als Stripboard gebaut. In 1973 führte auch Marshall die PCBs ein.
Das Platinen Layout.
Der in diesem Bericht beschriebene 2100 A stimmt nicht mit diesem Platinen-Layout überein. Vielleicht die Ursprungsversion.
Platinenaufbau meines Stramps
Kommen wir zum Schaltplan
Vorweg: Ich habe dafür erheblichen Support von meinem befreundetem Amp- und Röhren-Fachmann Uwe R. erhalten.
Die Schaltpläne im Netz sind eigentlich nur ein Schaltplan von 1969/1970. Es muss mehrere Versionen des Schaltplanes gegeben haben, denn dieser Schaltplan hier stimmt zwar mit dem Platinen-Layout überein, aber nicht mit meiner Version des 2100 A.
Der Schaltplan enthält Konstruktionen, die man eigentlich so nicht macht. Z.B. die fehlenden Steuergitter-Widerstände an Röhre 4 und 6. Röhre 5 und 7 dagegen haben den Widerstand mit 1,5k.
Oder der zu nahe Sitz der V1 Röhre an der Endstufenröhre. Das könnte zu Crosstalk/Oszillationen führen.
In einem weiteren Schaltplan gibt es eine Modifikation dafür, die einen 270pF Kondensator von der Anode der V1-Röhre zum Steuergitter leitet. Von wem diese Modifikation ist bleibt unklar. Zusätzlich scheint ein Widerstand ausgetauscht zu sein und es gibt eine Mastervolumen-Implementierung.
Das die Amps tatsächlich so gebaut wurden (V1 Vorstufenröhre nahe an der Endstufenröhre) zeigt dieses Bild (V1 hell hervorgehoben):
Ich nenne diesen Aufbau des Amps mal „Version 1“.
Im Verlauf wurde die V1-Röhre in einer Linie mit den anderen Vorstufenröhren gebracht und rückte weg von der Endstufenröhre. Das ist bei meinem Amp der Fall. Ich nenne das mal „Version 2“. Auch das Platinen-Layout sieht anders aus.
Es kam wohl zu weiteren Modifikationen. Ob nur das äußere Erscheinungsbild sich änderte, oder auch das Innenleben, kann ich nicht sagen.
„Version 3“ (Äußerlich verändert, anderes Frontpanel, Bezeichnung der Eingänge als „Normal“ und „Boost“, mehr Auswahl bei den Netzspannungen (zuvor nur 110/220/240V).
Weiteres Innenleben meines Stramp 2100 A („Version 2“):
Gewicht: 20,4kg
Maße: (H x B x T): 74 x 29,5 x 22cm
Ausführungen:
Üblich waren die schwarzen Tolexbezüge. Es gab auch rote Amps (inkl. Boxen). Zudem violett und sicher weitere Sonderanfertigungen.
2100 A: 100 Watt Amp
2200 A: 200 Watt Amp
2300 A: 200 Watt Amp, hier mit Mastervolumen
Seriennummern:
Leider finde ich dazu keine Literatur. Die Nummern scheinen fortlaufend ansteigend zu sein und sind in der Regel 4-stellig. Eine codierte Zeitangabe scheinen sie nicht zu haben. Manchmal findet ma eine 0 vorangestellt. Es kann sein, dass die 1xxx für die Heads reserviert waren.
Hier eine der „0I“-Nummern. Hat sich vielleicht jemand mit den Zahlen vertan und dann durchge-ixt. Sollte wohl die Nummer 01444 sein.
Preise:
Michael Wagener hat mir eine Preisliste von 1975 zukommen lassen. Hier findet man folgende Preise:
Bei dem angegeben Preis scheint es sich um das Sondermodell "Leslie West" zu handeln. Das reguläre Model wird wohl etwas günstiger gewesen sein. Man bedenke, dass ein Marshall 1959 SLP 1972 bei 550,- USD lag. Zum damaligen Umtauschkurs mit 3:1 bzw später 2,5 : 1 zuzüglich Steuer und Zoll also etwas teurer als ein Stramp.
Weitere Preislisten konnte ich nicht finden. Die Preisliste auf der Seite von Hans Ohms (el-me-se.de) ist seit 2011 nicht mehr erreichbar. Hans Ohms ist verstorben. Bandecho.de hat versucht, möglichst viel zu konservieren, aber leider ist das nicht vollständig gelungen (archive.org).
Bei Ebay wird ab-und-zu mal einer gehandelt, auch Boxen sind dabei. Preise liegen bei € 600-800,-. In den USA geht das schon mal bis 2000,-. Es wurden nicht sehr viele Exemplare gebaut und in die USA hat es wahrscheinlich kaum einer geschafft.
Sound:
Laut, lauter, am lautesten, Stramp…..Der 2100 A ist wirklich laut und klingt sehr frei und offen. Ich habe ihn an einer 4x12 mit Celestion G12M-25 Greenback getestet und an einer 2x12 mit Celestion G12 Vintage 30 Speaker. Die 2x12er mit den Celestion Vintage 30 hat mir etwas besser gefallen. Sehr viel Volumen und Tiefe. Ich hatte einen Marshall 1987 „Plexi“ Amp von 1968/1969 (Jaaa,…die Legende). Das ist lange her, aber ich meine mich zu erinnern, dass der Marshall verhaltener war, vielleicht etwas weicher, nicht so offen. Er lief an einer 1960 AX-Box mit 4x12er Celestion G12M-25 Greenback. Aber vielleicht täuscht mich auch mein Gedächtnis.
Die Lautstärke und der Headroom ist enorm. Gefällt mir sehr gut. Allerdings kratzen die Potis, die bräuchten einen Service.
Das „bridgen“ funktioniert sehr gut und bringt für mich erst den Sound, den ich bei so einem Amp erwarte. Der Normal Kanal ist etwas mulmig und geht irgendwie nicht richtig los. Der Bright-Kanal alleine ist sehr höhenreich und spitz. Aber die Kombi macht es dann, so wie es sein soll.
Ist er nun ein „1959 SLP Clone“?
Nein. Allein schon bzgl. der Schaltung ist er kein „Clone“. Er ist „Marshall-like“, hat aber was eigenständiges. Uwe R. hat verschiedene Marshall-Schaltpläne verglichen und der Stramp 2100 A entspricht keinem. Nicht dem 1959 (100 Watt Super Lead), nicht dem 1992 (Super Bass), nicht dem 1987 (50 Watt Lead), dem 1989 (Organ) oder dem 1967 (Major).
Mit seinem Einverständnis zitiere ich mal aus seinen Mail-Ausführungen:
Marshall Model 1967
(A) - Vorstufe - beide Eingangsstufen verfügen über einen gemeinsamen Kathodenwiderstand (820Ω) d.h. beide Stufen haben identische Verstärkung und Frequenzgang. Der Kathoden Elko (250µF) hat durch seinen sehr niedrigen Wechselspannungwiderstand Xc kein Signal an der Kathode, daher keine Gegenkopplung; (Reiheneingespeiste Spannungsgegenkopplung) und einen großen Frequenzumfang.
(B) - Auskoppelkondensator bei beiden Stufen mit 0.022, auch hier gleicher Frequenzgang.
(C) - Lautstärkepoti und (D) Entkopplungswiderstände identisch.
(E) - die Verstärkerstufe E1 (Spannungsverstärkung) hat keinen Kathodenkondensator, daher lineare Gegenkopplung und geringere gain. Verstärkerstufe E2 ist ein Kathodenfolger, d.h keine Spannungsverstärkung sondern nur Stromverstärkung mit niedrigem Ausgangswiderstand und sehr stabil bei jeder Klangregler-Einstellung.
Ab dieser Stufe sind beide, 1967 und 1959, mehr oder weniger gleich, ausser das der 1967 keine bias (E) Einstellung hat, kann aber auch ein Fehler im Schaltplan sein, genauso wie der fehlende Widerstand in der Gegenkopplung.
Marshall Model 1959 SLP
(A) Eingangsstufe 1 und 2 verfügen über unterschiedliche Kathodenwiderstände und daher eine unterschiedliche Verstärkung. Kanal A1 hat wie der 1967 einen Kathoden Elko von 250µF, daher keine Gegenkopplung und einen großen Frequenzumfang; Kanal A2 hat einen höheren Kathodenwiderstand, daher eine andere gain und der Kondensator an der Kathode ist mit 0.68µF erheblich kleiner und dadurch gibt es bei niedrigen Frequenzen eine Gegenkopplung und daher eine geringere AC Verstärkung bei tieferen Frequenzen.
(B) Der gleiche Effekt findet durch den Auskoppelkondesator A1c von 0.022µF und A2c 0.0022µF statt, A1c hat einen Frequenzgang der linear bis in die Bässe reicht, A2c hat einen höheren Wechselspannungswiderstand (Xc) bei niedrigen Frequenzen, daher weniger Bässe ….
(C) - Lautstärkepoti von A2 verfügt über einen Kondensator zwischen Schleifer und Signal, daher bei geringerer Vol Einstellung mehr Höhen als A1 und
(D) Entkopplungswiderstand von A2 hat einen Kondensator Parallel, daher auch hier mehr Höhen.
(E) - die Verstärkerstufe E1 (Spannungsverstärkung) hat einen Kathodenkondensator, daher keine lineare Gegenkopplung und mehr gain bei hohen Frequenzen
E2 wie beim 1967
nu zu Herrn Strüven ….
(A) hier finden wir einen Mischung aus 1967 und 1959 …
Gemeinsame Kathode, d.h. identische Verstärkung und keine Gegenkopplung …
(B) - wie beim 1967, Auskoppelkondensator bei beiden Stufen mit 0.022, auch hier gleicher Frequenzgang.
Der Bereich (C und D) ist wie der 1959, d.h. (C) - Lautstärkepoti von A2 verfügt über einen Kondensator zwischen Schleifer und Signal, daher bei geringerer Vol Einstellung mehr Höhen als A1 und (D) Entkopplungswiderstand von A2 hat einen Kondensator parallel, daher auch hier mehr Höhen.
(E) - wie 1967, d.h. die Verstärkerstufe E1 (Spannungsverstärkung) hat keinen Kathodenkondensator, daher lineare Gegenkopplung und geringere gain.
Verstärkerstufe E2 ist ein Kathodenfolger, d.h keine Spannungsverstärkung sondern nur Stromverstärkung mit niedrigem Ausgangswiderstand und sehr stabil bei jeder Klangregler-Einstellung
Der Stramp verfügt über einen Stumm Schalter, wenn STBY geschaltet ist (F)
Das Netzteil bei Stramp ist konservativer aufgebaut als bei Marshall, hat aber zur Folge, dass alle Bauteile mit höheren Spannungen benötigt werden, aber im Speziellen die Elkos in der 500V Leitung erheblich stabilere Spannung für die Endstufe liefern.
Auch die bias ist traditioneller, hat aber keinen Einfluss auf die Dynamik des Amps.
Gegenkopplung der Sekundärseite ist annähernd gleich, ausser beim 1967 fehlt ein Widerstand in der Signalleitung, ach, das ist sicherlich ein Fehler im Schaltbild.
Eigentlich eine Kombi aus 1959 und 1967, aber mit besserem Netzteil
„Das Problem mit Vergleichen am Schaltbild ist, dass man für passive Bauteile wie Kondensatoren und Widerstände zwar die Werte sehen kann, aber nicht was für Bauteile benutzt werden, bei Kondensatoren Roll, Platten oder Scheiben … Das größte Problem ist der Ausgangsübertrager, denn bei Bassverstärkern geht man ja von einer tieferen unteren Grenzfrequenz aus, was zur Folge hat, dass eine größere Primärinduktivität benötigt wird. Diese Werte findet man nicht im Schaltbild und kann daher nicht sagen in wie weit die identisch sind.
Schaltung ohne die Modifikation:
Erste Vorstufe mit Vol Regelung
Zitat Ende.
Somit also kein direkter Klon des 1959 SLP, wie man so häufig lesen kann. Er ist schaltungstechnisch ähnlich wie ein Marshall Head aufgebaut, hat aber durchaus eigene Ideen. Die Bauteile sind, wie oben beschrieben, aus den Plänen nicht ersichtlich.
Ich setze den Amp ausschließlich im Homestudio ein (an einem Ox). Anders ist die Lautstärke beim Sweetspot nicht händelbar. Er wird wie meine anderen 3 Amps bleiben, auf Dauer.
Ich möchte mich bei Michael Wagener, bei Tim Frodermann von bandecho.de und bei Holger Lasch von Avicom recht herzlich für die Informationen bedanken.
Großen Dank an Uwe R. für den technischen Support. Ich habe ihn sicherlich mit meinem technischen Unwissen manchmal zu Verzweiflung und zum Kopfschütteln gebracht....
Für Michael Wagener war Peter Strüven wie ein Vater. Das zeigt den familiären Charakter der kleinen, norddeutschen Firma.
Nur…wer steckte dahinter und ist dieser Amp tatsächlich eine Kopie des 1959 SLP, wie man so oft lesen kann?
Eingefleischte Rock- und Heavy-Fans könnten den Namen Stramp schon einmal gehört haben, aber auch in der Orchestermusik und in den Studios war/ist der Name zu finden. Später dazu mehr.
Stramp…
Der Name leitet sich vom Gründer der Firma ab: Peter Strüven Amp. Beim Amtsgericht Hamburg taucht der Name „Peter Strüven KG“ erstmalig im Oktober 1969 auf. Er gründete „Stramp“ wahrscheinlich 1969/1970 mit Sitz in Hamburg, Bornheide 19.
Nur 5 Jahre später, 1975, wurde Stramp von Dynacord übernommen. Kostendruck, Produktionssteigerung, etc führten zu den bekannten Komplikationen. 1980 schloß Stramp seine Tore (nicht der Vertrieb).
Bis dahin wurden Instrumentenverstärker, Boxen und Studioequipment produziert. Zusätzlich wurde Studioequipment anderer Firmen vertrieben.
Im Verlauf gab es den „Peter Strüven Audio Vertrieb“ mit Sitz in Quickborn.
Peter Strüven verstarb leider sehr früh am 25.09.2000 mit nur 59 Jahren. Die Geschäftsführung übernahm damals Gisela Strüven zusammen mit Matthias Exner, heute General Manager von Audio Technica Deutschland. Ende 2003 wurde der Vertrieb beendet, 2004 ging der Vertrieb in die Liquidation, welche 2007 endete.
In Hamburg, Bornheide 19 erinnert heute leider nichts mehr an Peter Strüven’s Stramp.
Ich hatte das große Glück mit einem ehemaligen Mitarbeiter von Peter Strüven in Kontakt zu kommen. Michael Wagener opferte Zeit für ein Telefonat und e-mails mit mir. Die Kollegen/Innen, die sich in der Studioszene bewegen, werden ihn kennen. Seine Liste der Produktionen, Mixe und Masters ist riesig. Er hat u.a gearbeitet mit Dokken, Alice Cooper, Ozzy Osbourne, Metallica, Mötley Crüe, Accept, Poison, White Lion, Bonfire, Megadeth, Skid Row, Janet Jackson, Queen, Helloween, Lordi, und und und…die Liste wäre hier zu lang.
Michael Wagener (im Hintergrund hängt ein 12-Kanal Mixer von Stramp an der Wand)
Zu Schulzeiten war Michael Wagener mit Udo Dirkschneider befreundet. Später gründeten die Beiden die „Band X“ aus der im Verlauf „Accept“ wurde. Michael Wagener war der erste Gitarrist von Accept. Er verließ die Formation vor seiner Bundeswehrzeit. 1972 traf er Peter Strüven in Hamburg, der gerade Besuch von Ritchie Blackmore hatte. Blackmore lebte damals in Hamburg. 1971 hatten Deep Purple „Fireball“ veröffentlicht und „Machine Head“ (1972) stand an. Und dieser Blackmore stand nun in der kleinen Werkstatt von Peter Strüven und wollte seinen Amp modifizieren lassen. Nach einem kurzen „Ich würde gern hier arbeiten“, „Wann kannste denn anfangen?“, „Morgen!“ war die Sache für Michael Wagener und Peter Strüven klar.
Die Firma Stramp bestand nur aus 4 Mitarbeitern in der Werkstatt sowie natürlich Peter Strüven und seine Frau Brigitte.
Das Werkstatt-Team waren (von oben links nach rechts):
Norbert Dembski, Gerd Lartz, Michael Wagener.
Vor dem Mischpult (eine Spezialanfertigung für James Last) Cheftechniker Norbert Gröger.
Norbert Dembski ist vielen bekannt als Tontechniker von Udo Lindenberg.
Zu Gerd Lartz kann ich leider nichts finden und Norbert Gröger ist seinem Fach wohl treu geblieben und nun in Rente (soweit mir das Internet das verrät).
Michael Wagener erzählte, dass Stramp zwar eine kleine Firma war, in der es familiär zuging. Sie machten sich aber rasch einen Namen unter den Großen im Show-Biz. Kein geringerer als Rory Gallagher klopfte bei Peter Strüven an und gab einen Amp in Auftrag, der in seinen VW Käfer passen sollte. Daraus entwickelte sich der „Stramp Power Baby“ (bei der Gelegenheit konnte Michael Wagener die berühmte Strat von Gallagher anspielen).
Power Baby
Angeblich soll ein Ausschnitt des Schaltplanes des Amps als Cover für Gallagher’s in 1973 erschienenes 3. Studio-Album „Blueprint“ gedient haben. Auf der Homepage von Rory Gallagher, die von seinem Bruder Donal gepflegt wird, findet man diese Aussage und sie wird überall im Netz zitiert. Auch im Booklet der CD. Ironischerweise taucht Stramp allerdings nicht bei der Auflistung seines Equipment auf der Homepage auf. Mal sehen.....
ABER….da gibt es ein paar Ungereimtheiten.
Ich habe meinen guten Freund und ausgewiesenen Amp-Techniker Uwe R. gebeten, sich die Schaltpläne mal anzuschauen. Er kannte Peter Strüven und hat selbst viele Amps modifiziert und repariert. Auch das Spezial-Mischpult von Stramp für James Last war mal zur Reparatur in seinen Händen.
Hier das Cover von „Blueprint“:
Der geneigte Leser möge sein Auge auf den rechten unteren Abschnitt des Covers werfen. Da findet man eine DIN-Buchse für „Reverberation“ und „Reverb Footswitch“. Zudem findet man in der Eingangangsstufe einen typischen 4fach operation amp IC (Dreieck oberhalb des Fotos von Gallagher mit 1/4 drin). Dann ein Lautstärke-Poti mit 100k am Eingang. Sehr untypisch für einen Gitarrenverstärker. Eher ein kleiner Mixer. Zudem unsymmetrisch, also eher nichts für Mikros. 100k am Eingang und Kondensator als ground lift würden passive Pickups zu sehr bedämpfen.
Nun der Schaltplan des Power Baby (Danke an Holger Lasch von Avicom, Quickborn):
Da gibt es keine DIN-Buchse für „Reverberation“ und „Reverb Footswitch“. Zudem ist die Eingangsstufe mit diskreten Transistoren aufgebaut. Auch die übrigen Bestandteile stimmen nicht überein.
Es handelt sich ziemlich sicher um eine deutsche Zeichnung des Schaltbildes auf dem Blueprint-Cover. Wahrscheinlich ein Mixer oder Submixer, möglicherweise von Peter Strüven, da Gallagher und Peter Strüven damals eng zusammen arbeiteten. Aber nicht der Power Baby.
Gallagher spielte also damals einen Transistor Amp, denn das ist der Power Baby. Er wechselte in dieser Zeit oft zwischen seinen Vox AC30 und dem Stramp. Ein Techniker lief während des Gigs auf die Bühne und stellte einfach das Mikro vor den jeweiligen Amp, der nötigt wurde. Heute undenkbar. Warum nicht gleich beide Amps abnehmen?
Rory spielte nie einen Stramp Röhren-Amp, wie man so häufig lesen kann....
Der Power Baby ist ein Transistor-Combo mit 2 x12 Speaker. Zudem hatte er eine Zusatzbox (K81). Mit dieser 80 Watt (ohne 50 Watt).
Es gab mehrere Versionen des Power Baby: den K80, K85 und K95 (Bass Baby). Zusatzboxen passiv (K81), aber auch aktiv (KP80 und KP85).
Bass Baby K95
Bassist Gerry McAvoy spielte hingegen in der gemeinsamen Zeit mit Gallagher Stramp Röhren-Amps, von den Fotos her einen 2200 A (200 Watt), u.a. von Michael Wagener gebaut (signiert).
Gitarren- und Bass Amps reichten Peter Strüven aber nicht.
Er baute hervorragend klingende Mischpulte und Equalizer, Echogeräte (Echo 7000), Boxen, Endstufen, Gesangsanlagen, Spezialanfertigungen, etc….
In Zusammenarbeit mit Wolfgang Palm (PPG, Stichwort „Tangerine Dream“, wavetable synthesizer) wurde 1974 der „Synchanger“, ein Gitarrensynthie, entwickelt. Stramp baute dann den „Synchanger 2“ (1976), von dem ca. 200 Stück verkauft wurden.
Leslie West (Mountain) wollte zunächst von Stramp nichts wissen.
Die norddeutsche Legende besagt, dass hinter der Bühne die Roadies mit Handschuhen standen und die glühenden Röhren bei West’s Amps austauschten, bis es nicht mehr ging....
Wohl eher nicht, rein technisch gesehen unwahrscheinlich.
Wie dem auch sei, Peter Strüven und Michael Wagener boten den Roadies bei einem Konzert in Hamburg an, Stramp Amps zu benutzen. Leslie West war begeistert und spielte eine zeitlang Stramp. Es gab im Verlauf eine Sonderedition für Leslie West. Ansonsten ist West für seine Sunn Amps bekannt (PA System mit Mastervolumen).
Links: West (hinten) mit 3 Stramp Türmen, rechts: WBL (West, Bruce, Laing), Jack Bruce am Bass, der ebenfalls Stramp spielte.
Angeblich wurde das Leslie West-Set später von Rusty Anderson, Lead Gitarrist von Paul McCartney benutzt…
John Entwistle (The Who) wurde vorstellig bei Peter Strüven. Er kaufte damals 8 Pre-Amps 4120, die seine Alembic Pre-Amps ersetzten. The Who hatten 4 Proberäume, 2 Pre-Amps pro Setup und Raum. Von 1976 bis 1982 (und bei Live Aid 1985) spielte Entwistle die Stramp Pre-Amps.
Stereo-out aus seinem Bass in die beiden Stramp 4120 Pre-Amps. Von dort gesplittet in 4 Endstufen Sunn Coliseum slave amps (a 320 Watt!). Von dort in die Speaker (s. unten).
Das muss ein heftiger Bass gewesen, sogar 18er Bass Bins hat Entwistle benutzt.
Das es ist nicht ganz so heftig abgehen musste, zeigte Benny Bendorff, 33 Jahre Bassist des James Last Orchesters, aber auch Sänger, Composer und Trompeter.
Auch Benny Bendorff spielte Stramp Equipment.
Ebenso Norman Guy oder Paul Fenton (beeinflusst von Gallagher)
Die Firma lief super an. Soviel bekannte Musiker in so kurzer Zeit, die Stramp Equipment benutzten. Auch das Studio-Equipment war angesagt.
Aber wie schon beschrieben, die Übernahme durch Dynacord tat der Firma nicht gut. Laut Michael Wagener war es was anderes, wenn man in einem kleinen Team Entscheidungen trifft, was nun wie modifiziert und produziert wird. Man saß in der Küche zusammen und überlegte, was zu tun ist. Die Entwicklungsprozesse sind schneller und direkter. Nach der Übernahme durch Dynacord hatten plötzlich Menschen das Sagen, welche nicht in die Entwicklungsprozessen direkt eingebunden waren. Was gemacht wird und wo die Geräte verändert werden, um Kosten zu sparen, wurde nicht mehr vom kleinen Team entschieden, sondern von Leuten, die für das Marketing und für die Wirtschaft des Unternehmens zuständig waren.
Der 2100 A, initial ein Vollröhren-Amp wurde unter Dynacord zum Hybriden. Peter Strüven und seinem Team fanden daran wohl kein gefallen.
Ein Schicksalsschlag kam dazu:
Peter Strüven’s Frau Brigitte starb mit 29 Jahren Ende der 70er Jahre. Michael Wagener erzählte, dass danach nichts mehr war wie vorher. Brigitte Strüven war die gute Seele der Firma, die alles zusammen hielt.
1980 schloß Stramp die Tore.
Nun aber zum Stramp 2100 A
100 Watt Vollröhren-Amp mit 4 EL34 Röhren in der Endstufe und 3 ECC83-Röhren in der Vorstufe. Front Panel Aufbau wie beim Marshall Pendant.
„Normal“- und „Bright“-Kanal mit „hi“- und „lo“-Eingang und getrennter Lautstärke-Regelung (Volume 1 und 2). Es gibt drastische Unterschiede im Sound zwischen den beiden Kanälen. Daher das „bridgen“ mit einem kleinen Patch-Kabel, was das Mischen der beiden Kanäle möglich macht.
Rückansicht:
2 Speaker Out, Impedanz-Wahlschalter und Typenschild mit Seriennummer. Sicherungen, Netzwahl und DIN-Buchse (!) für den Anschluß eines Echogerätes. Die DIN-Buchse war natürlich nicht sehr roadtauglich. Die Netzbuchse wurde ausgetauscht.
Der 2100 A hat einen Platinenaufbau. Bis 1973 wurden die Marshalls als Stripboard gebaut. In 1973 führte auch Marshall die PCBs ein.
Das Platinen Layout.
Der in diesem Bericht beschriebene 2100 A stimmt nicht mit diesem Platinen-Layout überein. Vielleicht die Ursprungsversion.
Platinenaufbau meines Stramps
Kommen wir zum Schaltplan
Vorweg: Ich habe dafür erheblichen Support von meinem befreundetem Amp- und Röhren-Fachmann Uwe R. erhalten.
Die Schaltpläne im Netz sind eigentlich nur ein Schaltplan von 1969/1970. Es muss mehrere Versionen des Schaltplanes gegeben haben, denn dieser Schaltplan hier stimmt zwar mit dem Platinen-Layout überein, aber nicht mit meiner Version des 2100 A.
Der Schaltplan enthält Konstruktionen, die man eigentlich so nicht macht. Z.B. die fehlenden Steuergitter-Widerstände an Röhre 4 und 6. Röhre 5 und 7 dagegen haben den Widerstand mit 1,5k.
Oder der zu nahe Sitz der V1 Röhre an der Endstufenröhre. Das könnte zu Crosstalk/Oszillationen führen.
In einem weiteren Schaltplan gibt es eine Modifikation dafür, die einen 270pF Kondensator von der Anode der V1-Röhre zum Steuergitter leitet. Von wem diese Modifikation ist bleibt unklar. Zusätzlich scheint ein Widerstand ausgetauscht zu sein und es gibt eine Mastervolumen-Implementierung.
Das die Amps tatsächlich so gebaut wurden (V1 Vorstufenröhre nahe an der Endstufenröhre) zeigt dieses Bild (V1 hell hervorgehoben):
Ich nenne diesen Aufbau des Amps mal „Version 1“.
Im Verlauf wurde die V1-Röhre in einer Linie mit den anderen Vorstufenröhren gebracht und rückte weg von der Endstufenröhre. Das ist bei meinem Amp der Fall. Ich nenne das mal „Version 2“. Auch das Platinen-Layout sieht anders aus.
Es kam wohl zu weiteren Modifikationen. Ob nur das äußere Erscheinungsbild sich änderte, oder auch das Innenleben, kann ich nicht sagen.
„Version 3“ (Äußerlich verändert, anderes Frontpanel, Bezeichnung der Eingänge als „Normal“ und „Boost“, mehr Auswahl bei den Netzspannungen (zuvor nur 110/220/240V).
Weiteres Innenleben meines Stramp 2100 A („Version 2“):
Gewicht: 20,4kg
Maße: (H x B x T): 74 x 29,5 x 22cm
Ausführungen:
Üblich waren die schwarzen Tolexbezüge. Es gab auch rote Amps (inkl. Boxen). Zudem violett und sicher weitere Sonderanfertigungen.
2100 A: 100 Watt Amp
2200 A: 200 Watt Amp
2300 A: 200 Watt Amp, hier mit Mastervolumen
Seriennummern:
Leider finde ich dazu keine Literatur. Die Nummern scheinen fortlaufend ansteigend zu sein und sind in der Regel 4-stellig. Eine codierte Zeitangabe scheinen sie nicht zu haben. Manchmal findet ma eine 0 vorangestellt. Es kann sein, dass die 1xxx für die Heads reserviert waren.
Hier eine der „0I“-Nummern. Hat sich vielleicht jemand mit den Zahlen vertan und dann durchge-ixt. Sollte wohl die Nummer 01444 sein.
Preise:
Michael Wagener hat mir eine Preisliste von 1975 zukommen lassen. Hier findet man folgende Preise:
Bei dem angegeben Preis scheint es sich um das Sondermodell "Leslie West" zu handeln. Das reguläre Model wird wohl etwas günstiger gewesen sein. Man bedenke, dass ein Marshall 1959 SLP 1972 bei 550,- USD lag. Zum damaligen Umtauschkurs mit 3:1 bzw später 2,5 : 1 zuzüglich Steuer und Zoll also etwas teurer als ein Stramp.
Weitere Preislisten konnte ich nicht finden. Die Preisliste auf der Seite von Hans Ohms (el-me-se.de) ist seit 2011 nicht mehr erreichbar. Hans Ohms ist verstorben. Bandecho.de hat versucht, möglichst viel zu konservieren, aber leider ist das nicht vollständig gelungen (archive.org).
Bei Ebay wird ab-und-zu mal einer gehandelt, auch Boxen sind dabei. Preise liegen bei € 600-800,-. In den USA geht das schon mal bis 2000,-. Es wurden nicht sehr viele Exemplare gebaut und in die USA hat es wahrscheinlich kaum einer geschafft.
Sound:
Laut, lauter, am lautesten, Stramp…..Der 2100 A ist wirklich laut und klingt sehr frei und offen. Ich habe ihn an einer 4x12 mit Celestion G12M-25 Greenback getestet und an einer 2x12 mit Celestion G12 Vintage 30 Speaker. Die 2x12er mit den Celestion Vintage 30 hat mir etwas besser gefallen. Sehr viel Volumen und Tiefe. Ich hatte einen Marshall 1987 „Plexi“ Amp von 1968/1969 (Jaaa,…die Legende). Das ist lange her, aber ich meine mich zu erinnern, dass der Marshall verhaltener war, vielleicht etwas weicher, nicht so offen. Er lief an einer 1960 AX-Box mit 4x12er Celestion G12M-25 Greenback. Aber vielleicht täuscht mich auch mein Gedächtnis.
Die Lautstärke und der Headroom ist enorm. Gefällt mir sehr gut. Allerdings kratzen die Potis, die bräuchten einen Service.
Das „bridgen“ funktioniert sehr gut und bringt für mich erst den Sound, den ich bei so einem Amp erwarte. Der Normal Kanal ist etwas mulmig und geht irgendwie nicht richtig los. Der Bright-Kanal alleine ist sehr höhenreich und spitz. Aber die Kombi macht es dann, so wie es sein soll.
Ist er nun ein „1959 SLP Clone“?
Nein. Allein schon bzgl. der Schaltung ist er kein „Clone“. Er ist „Marshall-like“, hat aber was eigenständiges. Uwe R. hat verschiedene Marshall-Schaltpläne verglichen und der Stramp 2100 A entspricht keinem. Nicht dem 1959 (100 Watt Super Lead), nicht dem 1992 (Super Bass), nicht dem 1987 (50 Watt Lead), dem 1989 (Organ) oder dem 1967 (Major).
Mit seinem Einverständnis zitiere ich mal aus seinen Mail-Ausführungen:
Marshall Model 1967
(A) - Vorstufe - beide Eingangsstufen verfügen über einen gemeinsamen Kathodenwiderstand (820Ω) d.h. beide Stufen haben identische Verstärkung und Frequenzgang. Der Kathoden Elko (250µF) hat durch seinen sehr niedrigen Wechselspannungwiderstand Xc kein Signal an der Kathode, daher keine Gegenkopplung; (Reiheneingespeiste Spannungsgegenkopplung) und einen großen Frequenzumfang.
(B) - Auskoppelkondensator bei beiden Stufen mit 0.022, auch hier gleicher Frequenzgang.
(C) - Lautstärkepoti und (D) Entkopplungswiderstände identisch.
(E) - die Verstärkerstufe E1 (Spannungsverstärkung) hat keinen Kathodenkondensator, daher lineare Gegenkopplung und geringere gain. Verstärkerstufe E2 ist ein Kathodenfolger, d.h keine Spannungsverstärkung sondern nur Stromverstärkung mit niedrigem Ausgangswiderstand und sehr stabil bei jeder Klangregler-Einstellung.
Ab dieser Stufe sind beide, 1967 und 1959, mehr oder weniger gleich, ausser das der 1967 keine bias (E) Einstellung hat, kann aber auch ein Fehler im Schaltplan sein, genauso wie der fehlende Widerstand in der Gegenkopplung.
Marshall Model 1959 SLP
(A) Eingangsstufe 1 und 2 verfügen über unterschiedliche Kathodenwiderstände und daher eine unterschiedliche Verstärkung. Kanal A1 hat wie der 1967 einen Kathoden Elko von 250µF, daher keine Gegenkopplung und einen großen Frequenzumfang; Kanal A2 hat einen höheren Kathodenwiderstand, daher eine andere gain und der Kondensator an der Kathode ist mit 0.68µF erheblich kleiner und dadurch gibt es bei niedrigen Frequenzen eine Gegenkopplung und daher eine geringere AC Verstärkung bei tieferen Frequenzen.
(B) Der gleiche Effekt findet durch den Auskoppelkondesator A1c von 0.022µF und A2c 0.0022µF statt, A1c hat einen Frequenzgang der linear bis in die Bässe reicht, A2c hat einen höheren Wechselspannungswiderstand (Xc) bei niedrigen Frequenzen, daher weniger Bässe ….
(C) - Lautstärkepoti von A2 verfügt über einen Kondensator zwischen Schleifer und Signal, daher bei geringerer Vol Einstellung mehr Höhen als A1 und
(D) Entkopplungswiderstand von A2 hat einen Kondensator Parallel, daher auch hier mehr Höhen.
(E) - die Verstärkerstufe E1 (Spannungsverstärkung) hat einen Kathodenkondensator, daher keine lineare Gegenkopplung und mehr gain bei hohen Frequenzen
E2 wie beim 1967
nu zu Herrn Strüven ….
(A) hier finden wir einen Mischung aus 1967 und 1959 …
Gemeinsame Kathode, d.h. identische Verstärkung und keine Gegenkopplung …
(B) - wie beim 1967, Auskoppelkondensator bei beiden Stufen mit 0.022, auch hier gleicher Frequenzgang.
Der Bereich (C und D) ist wie der 1959, d.h. (C) - Lautstärkepoti von A2 verfügt über einen Kondensator zwischen Schleifer und Signal, daher bei geringerer Vol Einstellung mehr Höhen als A1 und (D) Entkopplungswiderstand von A2 hat einen Kondensator parallel, daher auch hier mehr Höhen.
(E) - wie 1967, d.h. die Verstärkerstufe E1 (Spannungsverstärkung) hat keinen Kathodenkondensator, daher lineare Gegenkopplung und geringere gain.
Verstärkerstufe E2 ist ein Kathodenfolger, d.h keine Spannungsverstärkung sondern nur Stromverstärkung mit niedrigem Ausgangswiderstand und sehr stabil bei jeder Klangregler-Einstellung
Der Stramp verfügt über einen Stumm Schalter, wenn STBY geschaltet ist (F)
Das Netzteil bei Stramp ist konservativer aufgebaut als bei Marshall, hat aber zur Folge, dass alle Bauteile mit höheren Spannungen benötigt werden, aber im Speziellen die Elkos in der 500V Leitung erheblich stabilere Spannung für die Endstufe liefern.
Auch die bias ist traditioneller, hat aber keinen Einfluss auf die Dynamik des Amps.
Gegenkopplung der Sekundärseite ist annähernd gleich, ausser beim 1967 fehlt ein Widerstand in der Signalleitung, ach, das ist sicherlich ein Fehler im Schaltbild.
Eigentlich eine Kombi aus 1959 und 1967, aber mit besserem Netzteil
„Das Problem mit Vergleichen am Schaltbild ist, dass man für passive Bauteile wie Kondensatoren und Widerstände zwar die Werte sehen kann, aber nicht was für Bauteile benutzt werden, bei Kondensatoren Roll, Platten oder Scheiben … Das größte Problem ist der Ausgangsübertrager, denn bei Bassverstärkern geht man ja von einer tieferen unteren Grenzfrequenz aus, was zur Folge hat, dass eine größere Primärinduktivität benötigt wird. Diese Werte findet man nicht im Schaltbild und kann daher nicht sagen in wie weit die identisch sind.
Schaltung ohne die Modifikation:
Erste Vorstufe mit Vol Regelung
- Stramp ähnlich wie 1989 oder 1987, nur der Kondensator über dem LS Poti ist ein anderer Wert
- anders als der 1992 (kein Kondensator über dem LS Poti)
- Stramp, 1987, 1989 und 1992 Schaltungsmässig identisch, Werte sind anders
- Stramp fehlende Steuergitter Widerstände an Rö 4 und 6, anders als 1992. Auch sind die Werte 1K gegenüber 5.6k (Marshall) anders
- die 1987 und 1989 sind 50W, kann man hier nicht mitzählen
- Unbekannte ist der Ausgangsübertrager“
Zitat Ende.
Somit also kein direkter Klon des 1959 SLP, wie man so häufig lesen kann. Er ist schaltungstechnisch ähnlich wie ein Marshall Head aufgebaut, hat aber durchaus eigene Ideen. Die Bauteile sind, wie oben beschrieben, aus den Plänen nicht ersichtlich.
Ich setze den Amp ausschließlich im Homestudio ein (an einem Ox). Anders ist die Lautstärke beim Sweetspot nicht händelbar. Er wird wie meine anderen 3 Amps bleiben, auf Dauer.
Ich möchte mich bei Michael Wagener, bei Tim Frodermann von bandecho.de und bei Holger Lasch von Avicom recht herzlich für die Informationen bedanken.
Großen Dank an Uwe R. für den technischen Support. Ich habe ihn sicherlich mit meinem technischen Unwissen manchmal zu Verzweiflung und zum Kopfschütteln gebracht....
Für Michael Wagener war Peter Strüven wie ein Vater. Das zeigt den familiären Charakter der kleinen, norddeutschen Firma.
Grund: Edits auf Wunsch des Verfassers (u.a. Einfügen Preisliste 1975)
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