Ich erwarte eigentlich sogar, dass "live" etwas anders klingt als "Studio" und bin auch bereit, ein paar "Abstriche" bei der Gesangsleistung hinzunehmen. Bei meiner Lieblingsband Queen, die ich zum Glück noch mit Freddie live sehen durfte (das ist die Gnade der frühen Geburt, glaube ich), konnte Freddie auch nicht immer alles wie auf der Aufnahme schmettern. Dann ging's halt doch eine Oktave tiefer weiter, kam live trotzdem toll rüber. Und bei "Bohemian Rhapsody" wurde gar nicht erst versucht, den vielstimmigen Mittelteil irgendwie auf die Bühne zu bringen. Das kam vom (Ton-)Band, die Musiker gingen von der Bühne, und der ganze Saal bzw. das ganze Stadion hat mitgesungen. Gehörte zum Live-Setup dazu.
Aber es kommt wirklich auf die Musikrichtung an. Und trotzdem - bei polierten Pop-Produktionen mit allem technischen Schnick-Schnack kommt's mir manchmal so vor, als könnte ich mir gleich ein Musik-Video davon anschauen. Da geht mir dann doch das "Live"-Gefühl etwas ab. Und dann stellt sich mir schon die Frage, ob die wirklich was können oder ob "nur" die Studio-Leute einen extrem guten Job gemacht haben.
Gerade noch zwei ganz unterschiedliche Beispiele zu interessanten Live-Erlebnissen:
- als Dusty Hill gestorben war, habe ich mir bei Youtube nochmal den ersten Rockpalast-Auftritt von ZZ Top angeschaut. Ziemlich früh im Gig war auf einmal der Bass-Sound weg. Dusty schaute irritiert nach hinten, ging dann zu seinem Amp, nestelte was dran rum, es krachte, und dann ging's wieder. Anscheinend Wackelkontakt oder Klinke saß nicht richtig. Der Song ging natürlich die ganze Zeit weiter. War das für die Band ärgerlich? Klar. Hat das dem Live-Eindruck geschadet? Nein, in keinster Art und Weise!
- auch schon länger her: die King's Singers in der Philharmonie in Köln. Akustisch optimierter Konzertsaal für bis zu 2000 Personen. Und dann kommen die sechs Sänger und singen ohne Mikro, ohne alles! Klar, war vergleichsweise leise, aber bämm!, da hat man erst gemerkt, was die einzeln draufhaben und wie perfekt die miteinander harmonieren! Ein absolut grandioses Live-Erlebnis, ganz ohne technischen Firlefanz und vor allem ohne AutoTune (gab's damals natürlich noch nicht) ...
Und zum Altern der Rockstars: die Scorpions hatten auf ihrem Comeblack-Album von 2011 zur Hälfte Cover-Songs und zur Hälfte Neuaufnahmen einiger ihrer Hits platziert. Diese Neuaufnahmen sind, zumindest zum Teil, einen Ganzton tiefer aufgenommen. Der gute Klaus Meine ist halt auch keine Vierzig mehr ... ich fand's aber eine sympathische Art und Weise, als Rock-Sänger in Würde zu altern (nichts für ungut, Klaus) ...