Hier haben wir gelernt CDEFGAHC sei der Kern der Musik - in England musste ich dann verstehen, dass das Alphabet die Grundlage ist.
Wo liegt hier der Widerspruch? Die Buchstabenreihe A bis G ist das gemeinsame Symbolrepertoire (das deutsche H ist eine historisch bedingte Benennungsvariante des B), die Buchstabenanordnung C bis c ist darüber hinaus bereits die Darstellung einer bestimmten heptatonischen Struktur (nämlich DUR) mittels dieser Tonbuchstaben. Dass manche musiktheoretisch minderbemittelten Lehrer in Verwechslung von Ursache und Wirkung direkt mit der Dur-Konstellation auf C anfangen, ist ärgerlich, weil es das grundlegende Verständnis des Systems unnötig erschwert, das ist aber kein rein deutsches Problem: Idioten gibt es überall.
Dur und Moll gibt es nur im deutschsprachigen Raum
Quatsch: Das tonale Konzept von Tonarten mit unterschiedlichen Terzen gibt es auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes. Die Bezeichnungen variieren, weil in anderen Ländern nicht die Idee der
fühlbaren, höheren oder geringeren Saitenspannung (bzw. Stimmbandspannung) der Terzen im Sinne von lateinisch
durus (hart) und
mollis (weich) namensgebend war, sondern das Konzept der räumlich am Instrument
messbaren Distanz (groß/klein), wie z.B. im englischen
major/minor (third) oder eben ital.
maggiore/minore.
Solche
terminologischen Unterschiede mögen für musikalische Laien irritierend sein, sie sind aber auch erhellend, weil sie uns immer daran erinnern, dass unsere musikalischen Begrifflichkeiten immer nur eine eingeschränkte geographische und historische Gültigkeit beanspruchen können, weil bereits in Nachbarländern musikalische Phänomene möglicherweise ganz anders "gedacht", und damit logischerweise auch anders benannt werden.
War natürlich nicht 30 Jahre in Indien, sondern seit 30 Jahren fast jedes Jahr ein- zweimal dort und habe unterrichtet und gecoached.
Dann verwundert es umso mehr, dass du dich mit deinem modifizierten Sargam-System, das (1.) ursprünglich ein auf Nordindien begrenztes Konzept der Vokalpraxis ist, (2.)
relativ solmisierend (Sa = I. Ton des jeweiligen Rag), und (3.)
heptatonisch strukturiert ist, explizit auf die westliche, 12stufig-temperierte Stimmung berufst, die du dann auch noch zur musikalischen Universalie deklarierst. Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen!
Was z.B. bei dir völlig unterschlagen wird, ist das elementar unterschiedliche Verständnis von Erhöhungen/Erniedrigungen: In der westlichen 12-Stufigkeit ist z.B. zwischen hochalteriertem Do (helle Vokale für #, also Cis = "Di", ) und tiefalteriertem Re (dunkle Vokale für b, also Des = "Ro") zu unterscheiden. Das Sargam-System macht diese Unterscheidung nicht und kennt nur die Tiefalteration, d.h. nach C kann kein Cis kommen, sondern nur Des. In "deinem" System bedienst du dich hier drolligerweise der Alterations-Silben der von dir so vehement abgelehnten westlichen Solmisation, so dass nach Sa "Ro" kommt (erniedrigtes Re), was es dann allerdings unmöglich macht, westliche Chromatik, wie z.B. C-Cis-D ("Do-Di-Re") korrekt wiederzugeben, da Sargam eben nur "C-Des-D" (Sa-Ro-Re) kennt. Denken in westlichen harmonischen Bezügen ist damit nicht möglich!
Das ändert nichts daran, dass es auch im Busch Cola und Keyboard gibt, und die Gehirne auf Silben andere Synapsen klapsen als auf Zahlen.
Richtig. Und deswegen verwenden wir im christlichen Abendland seit gut 1000 Jahren in der Vokalausbildung die Solmisations-Silben (Do-Re-Mi usw.). Wenn du auf deiner Webseite schreibst
"Anders als das DoReMi der westlichen Länder (Do Re Mi Fa So La Ti Do) – ist das Sargam frei geblieben von der verwirrenden Vermischung mit den Namen der Töne (A B C D E F G A).", dann bist du der einzige, der hier sichtlich verwirrt etwas vermischt, denn auch die westlicheSolmisation praktiziert in ihrer Reinform keine "Vermischung" mit der Buchstabennotation. Letztere ist erstens nur in einem Teil des westlichen Länder üblich (die romanischsprachigen Länder verwenden bis heute die Solmisationssilben!), und zweitens dient sie zur Darstellung eines Sachverhalts, den es in der indischen Musik in dieser Form nicht gibt, nämlich den der von der jeweiligen Skalenstruktur unabhängigen
absoluten Tonhöhe. Andere Länder, andere Sitten!
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... und ich kenne die Probleme der Schüler.
Womit du hier im Forum nicht alleine bist. Du kannst also getrost davon ausgehen, dass sich hier sehr viele Leute - und zwar täglich - den Kopf zerbrechen, wie sie Schülern etwas vermitteln können, ohne gleich das Rad neu erfinden zu wollen. Halte also diesbezüglich den Ball mal lieber ganz flach.
Dass Sargam und Solmisation ähnliche Konzepte sind, erleichtert den Umstieg von einem System ins andere, wenn man sich als Musiker in eine fremde Kultur einarbeiten möchte, aber das ist im Regelfall nicht Inhalt der elementaren Musikausbildung von Kindern, die zunächst die etablierten Systeme ihres jeweiligen kulturellen Umfelds lernen sollten. Von deinem System zum vollständigem System der indischen Notation zu kommen, ist bereits ein langer Weg - zur europäischen Notation und ihren implizierten Denkmustern kommt man damit ohne völliges Umlernen auf keinen Fall!
Um den Deckel draufzumachen: Warum du dich einer indischen Kulturpraxis bedienst, die als methodische Krücke zum Erlernen westlicher Musik nicht taugt, ist mir unverständlich. Das ist ein überflüssiger und zudem unvollkommener Übersetzungsvorgang, und so unsinnig, wie umgekehrt die Verwendung der europäischen Solmisationssilben zur Erarbeitung einer Raga-Struktur. Abgesehen davon, dass auch die geistigen Güter anderer Kulturen kein Selbstbedienungsladen sein sollten.