Ich kann die Argumentation von
@FünfTon verstehen und ihr zum Teil zustimmen. In Sachen (G)UI ist die Pro-Audio-Branche ziemlich konservativ und wenig innovativ unterwegs. Das beschränkt sich keinesfalls auf Digitalpulte, wenn ich mit beispielsweise das aktuelle Angebot an Modelling-Preamps für Gitarre/Bass anschaue. Einzig der Quad Cortex hat da was, das halbwegs dem Stand der Technik entspricht, Kemper, Fractal und Co. entstammen da doch eher aus der vorherigen Jahrtausend.
Bei Themen wie Displayqualität/Größe oder Touch mit haptischem Feedback hinkt Pro-Audio Jahre bis Jahrzehnte dem hinterher, was in anderen Bereichen (Automotive/Entertainment-Elektronik) heute möglich ist und auch umgesetzt wird.
Allerdings ist Fortschritt bzw. Veränderung nur um ihrer selbst Willen selten sinnvoll. Nicht jedes Bedienkonzept, dass sich technisch umsetzen lässt, bringt in der Praxis auch tatsächlich Vorteile (Bsp. Gestensteuerung). Nur weil eine neue Sensortechnik verfügbar ist, heißt das noch nicht, dass sich daraus auch Produkte mit einem Mehrwert für den Nutzer ergeben.
Außerdem arbeiten die Hersteller in unserer Branche unter ganz anderen Bedingungen, als die oben erwähnten. Neue Technologien umzusetzen und damit Produkte zu entwickeln ist kosten- und zeitintensiv. Dafür fehlt vielen Firmen schlicht die Größe. Darüber hinaus gibt es andere Anforderungen an Robustheit und Lebensdauer, die eine direkte Übernahme von Technologien etwa aus der Unterhaltungselektronik nicht so einfach machen.
Ich erwarte und fordere keine radikale Neuerung im Bedienkonzept von Pro-Audio-Geräten, keine Revolution. Dennoch gehe ich davon aus, dass es dort weiterhin Evolution geben wird. Starre Konzepte mit fest zugewiesenen Bedienelementen gehören sicher der Vergangenheit an. Reine Touch-Lösungen sind zwar maximal flexibel, aber die Nachteile durch das Fehlen haptischer Bedienelemente (Feedback) sind bekannt und unumstritten. Damit muss es aus meiner Sicht quasi zwingend eine Weiterentwicklung geben, die auf die bestmögliche Kombination beider Welten abzielt. Und da könnte ein Konzept wie Touch mit haptischem Feedback eine Rolle spielen.
Vielleicht irre ich mich aber auch und es kommt jemand mit einer vollkommen neuen Idee um die Ecke und ein paar Jahre später wundern wir uns alle, wie wir zuvor nur mit dem alten Konzept arbeiten konnten.
Ich kann für mich immer wieder den Stand der Welt überprüfen, indem ich mich mit Musikern unterhalte und ihnen zuschaue. Die größte Mehrzahl meiner Mitmusikant:innen kann z.B. mit einer Klangregelung nicht wirklich etwas anfangen, erst recht nicht mit einer Parametrik.
Das ist aber auch nicht die Zielgruppe für die Produkte, über die wir hier diskutieren. Das erwähnte Stagescape von Line6 war ein Versuch, für genau solche Leute eine Digitalpult zu bauen. Das ist wie gesagt gescheitert, weil das Resultat für keinen brauchbar war (noch zu kompliziert für Musiker ohne Technikverständnis, zu weit weg vom gewohnten bzw. benötigten Workflow für Tontechniker).
Und um noch kurz einen Bogen zur Ausgangsfrage des Threads zu schlagen: Die Frage ist aus meiner Sicht wenig relevant. Eine komplette (räumliche) Trennung von Audio-Schnittstellen und Bedienelementen ist in den seltensten Fällen sinnvoll. Eine Hand voll Schnittstellen braucht man quasi immer am Bedienort. Ob das dann 4 oder 16 sind, macht vom Formfaktor her wenig Unterschied. Jedes aktuelle Digitalpult jedenseits der Spielzeugklasse bietet die Möglichkeit, zusätzliche Stageboxen anzuschließen. Die wenigsten Pulte können ohne zusätzliche Stageboxen ihre volle Kanalkapazität ausschöpfen.