Zweite Stimme eines mittelalterlichen Stückes komponieren

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Lia213
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Hey hey, ich muss für meinem Musikunterricht eine zweite Stimme für ein mittelalterliches Stück komponieren und habe keine Idee, wie ich das anstellen soll. Ich würde gerne ein Rhythmusinstrument nehmen. Könnt ihr mir helfen? Das ist das Lied
 
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Hallo Lia,

bei einem Rhythmusinstrument (ist das Dein Ernst bzw. bist Du sicher, dass die Aufgabe so gemeint ist?) spielt es zwar keine Rolle, aber ich hätte da dennoch eine Rückfrage.
In den Notenbeispielen fehlt der Notenschlüssel. Das verstehe ich nicht - was hat man Euch dazu erklärt?
Wenn ich so durch's Original-Manuskript blättere, denn sehe ich dort vier verschiedene Schlüssel, wenn ich mich nicht verzählt habe:

1621443056638.png


Alles C-Schlüssel, d. h. sie markieren den Ton C.
Es gibt zwar schon fünf statt nur vier Notenlinien, aber die Schlüssel sehen aus wie in der alten Neumen-Notation und die Linien sind noch nach alter Tradition rot.
Interessant.

Die moderne Umschrift, die man Euch präsentiert hat, verwirrt mich aber. Alleine wegen des fehlenden Schlüssels. Oder sollt Ihr den erraten? Im Original standen ja auch Notschschlüssel, warum hat man die hier weggelassen?
Dafür hat man Taktstriche hinzugebastelt, die es im Original nicht gab, aber wiederum die Taktangabe weggelassen (die es im Original freilich auch nicht gab).

Gibt es irgendwelche Rechtfertigungen des Aufgabenstellers? ;)

Viele Grüße
Torsten

PS: Ach ja - und was bedeuten "prima pars", "sechunda pars", "terça pars" und "quartta" pars?
Ist das eine Abfolge von Versatzstücken oder sind das vier Stimmen?
PPS: Und was bedeuten apertto und chiusso?
 
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Hallo Torsten, vielen Dank für deine Antwort. Ja unsere Aufgabe ist das Lied interessant zu gestalten und dies dürfen wir auch mit einer zweiten Stimme machen. Oder hast du noch weitere Ideen?
Das mit dem Notenschlüssel verstehe ich auch nicht, genauso wenig wie dass es keine angegebene Tonart ist. Das Lied ist allgemein etwas durcheinander glaube ich aber was solls

Wir sollten uns ein Lied von einer Plattform aussuchen, deswegen nein, keine Rechtfertigung :)

Liebe Grüße
 
Das mit dem Notenschlüssel verstehe ich auch nicht, genauso wenig wie dass es keine angegebene Tonart ist.
Ohne die Tonart wird es schwierig weil man im Prinzip nicht weiß welche Töne gespielt werden sollen. Hast du evtl. mehr Informationen zu dem Stück also der Zeitpunkt wann er geschrieben wurde, daraus lässt sich oft schon die mögliche Tonart ableiten.

Andernfalls wird es darauf hinauslaufen die Melodie einmal in c-Dur zu spielen und zu schauen ob das plausibel erscheint wenn nicht wird es amüsant :) Wenn es z.B um die 1600 entstanden ist könnte es Äolisch sein also a-Moll.

 
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PS: Ach ja - und was bedeuten "prima pars", "sechunda pars", "terça pars" und "quartta" pars?
Ist das eine Abfolge von Versatzstücken oder sind das vier Stimmen?
PPS: Und was bedeuten apertto und chiusso?
Letzteres weiß ich nicht, prima pars wird als allererstes gespielt, anschließend den "Refrain", welcher die ersten Zeilen sind. Dann wird wieder prima pars gespielt, der Refrain und bei dem die Wiederholung. Anschließend secunda pars, etc.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Hast du evtl. mehr Informationen zu dem Stück also der Zeitpunkt wann er geschrieben wurde, daraus lässt sich oft schon die mögliche Tonart ableiten.
Leider habe ich absolut keine weiteren Infos, außer eine mp3 Aufnahme Mp3
 
Oha, dankeschön!
 
Wir sollten uns ein Lied von einer Plattform aussuchen, deswegen nein, keine Rechtfertigung :)

Ach so, das heißt, Du hast Dir das Stück selbst ausgesucht.
Dann ist das - vor allem bei der Transkription und ohne Hintergrundwissen zur Praxis der damaligen Zeit wohl eine recht schwer lösbare Aufgabe.

Einige Antworten:
Nach heutigen Maßstäben wären "aperto" und "chiusso" zwei "Häuser" einer Wiederholung (prima volta/secunda volta).
Die Stimmen setzen u. U. nacheinander ein (!).


Das mit dem Notenschlüssel verstehe ich auch nicht, genauso wenig wie dass es keine angegebene Tonart ist.

Ohne Generalvorzeichen ist ja auch eine Tonartangabe, das sollte nicht das Problem sein...

@Christian_Hofmann hat ja schon eine verständlichere Transkription gefunden - da wird auch die Abfolge deutlich. Und sogar einen Schlüssel gibt es (auch, wenn man über die Oktavlage streiten könnte, aber da will ich jetzt nicht kleinlich sein). (y)


Original-Manuskript

Weil ich mir sowieso das Manuskript angeschaut habe, hier noch der Vollständigkeit halber und aus Spaß an der Freud' die Originalstelle mit der prima pars:

1621450259587.png


Man sieht den C-Schlüssel auf der Mittellinie (wie unser heutiger Alt-Schlüssel, den die Bratschen benutzen).

Die Notendauern sind gegenüber heute "verrutscht", d. h. die Achtel haben keine Fähnchen (Noten mit ein Fähnchen entsprechen heutigen Sechzehnteln). Dafür haben die Viertel keine Hälse, damit man sie von den behalsten Achteln unterscheiden kann:

1621450404832.png

Ich habe als modernen Notenschlüssel die tiefoktavierten Violinschlüssel gewählt, d. h. alles klingt eine Oktave tiefer als im "normalen" Violinschlüssel.

Die Musik stammt aus dem 14./15. Jahrhundert, da wäre ich mit Akkorden sparsam und würde die Terz weglassen ("Powerchords"), das klingt mittelalterlicher.

Jetzt kann's aber an die zweite Stimme gehen!

Viele Grüße
Torsten
 
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Die Musik stammt aus dem 14./15. Jahrhundert, da wäre ich mit Akkorden sparsam und würde die Terz weglassen ("Powerchords"), das klingt mittelalterlicher.
Dem stimme ich zu. @Lia213 sollte sich anschauen welche Instrumente damals üblich verwendet wurden. Ich denke primär werden Instrumente damals eine Stimme gespielt haben. Daher wäre eine Idee das ganze eher luftiger zu harmonisieren, vielleicht zweistimmig und dazu noch ein Schlagwerk wie Trommel oder ähnliches.

Mal ein simples Beispiel wie man es machen könnte @Be-3 wird schon erahnen welches Lied ich als Beispiel nehme :)
1621451082889.png

Die obere Stimme ist die Melodie und die untere Stimme habe ich ergänzt. Somit habe ich einen simplen zweistimmigen Satz der perfekt ist z.B für zwei oder ein Zupfinstrument wie einer Harfe, Leier, Hackbrett, Flöte und so weiter wäre. Im Anhang das Stück noch als Audio. Das finde ich persönlich sehr luftig und passend für diese Zeit. So wurde vermutlich damals viel musiziert.

Wobei ich allgemein für so etwas vielleicht eine einfachere Vorlage verwenden würde
 

Anhänge

  • hilf.mp3
    744,9 KB
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Zweite Stimme: :ugly: :D

1621452732448.png


Viele Grüße,
McCoy
 
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(y)
An so eine Bordun-Quinte hatte ich auch spontan gedacht. Aber mehr wie bei einer Drehleier. Dann würde die Quinte nicht immer neu angeschlagen, sondern bliebe einfach durch das ganze Stück liegen.

Einen solchen Saltarello habe ich gerade nicht gefunden als Aufnahme mit Drehleier, aber dieses (beeindruckende!) Video einer Performance mit Drehleier, das durchaus einen entsprechenden Eindruck vermitteln kann (bitte bis zum schnellen Teil weiter schauen/hören):
https://www.drehleierwerkstatt.de/de/hurdygurdies/largo/video_02/

Hingegen habe ich hier etwas gefunden, wo nur Schlaginstrumente dazu kommen (die Musik wird über Lautsprecher zugespielt), und wo man einen Eindruck von diesem schnellen "Spring-Tanz" (was die Bedeutung von Saltarello ist) bekommt, wie er wohl im Mittelalter getanzt wurde:
 
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wo nur Schlaginstrumente dazu kommen
Sicher? Ich höre da ständig eine Quinte als Klangfundament.

@Lia213
Schlaginstrumente sind in jedem Fall ein charakteristisches Merkmal dieser Musik und daher neben der Bordun-Quinte meines Erachtens unverzichtbar.

Gruß
Lisa
 
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In dem von @Lisa2 verlinkten Wikipedia-Eintrag lese ich: "It contains .... 15 untexted monophonic instrumental dances". Was sagt uns das über die Aufgabenstellung? :gruebel:
 
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Ist natürlich lustig, das so aufgeschrieben zu sehen, aber die Ausführung ist überaus nachvollziehbar und stiltypisch. :D
Vielleicht könnte man trotzdem an wenigen Stellen mal die Harmonie ändern (aber so selten wie möglich), ohne allzuviel Hektik hereinzubringen.


Nach dem Original, auf das im Script von www.spielleut.de hingewiesen wird, habe ich auch sofort gesucht ... :biggrinB:

Dann sollte ich vielleicht noch für Interessierte den Link zur digitalen Faksimile-Ausgabe der British Library angeben, falls es jemand noch nicht gefunden haben sollte:
http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=add_ms_29987_fs062v
Der Saltarello, um den es geht, beginnt in der vorletzten Zeile von 63v.

Jedenfalls sieht man sehr deutlich:
  • Spielleut und Martsack haben offensichtlich voneinander abgeschrieben, denn der Takt 5 (bei Markstack besser abzuzählen) ist versehentlich verdoppelt worden - die Stelle kommt im Manuskript nur einmal.
    Oder habe ich da etwas fehlinterpretiert?
  • Edit: Außerdem haben sie sich bei der Saltarello-Nummer verzählt, oder? Sie geben "Saltarello (2)" an.
    Ich finde jedoch auf 63r einen Saltarello, dann nach dem Trotto auf 63v kommt der zweite Saltarello, aber "unser" Saltarello ist der Saltarello danach, also "Saltarello (3)", nicht "(2)".
    Der eigentliche Saltarello (2) geht nämlich so los:
    1621498840165.png

    @Lia213 - da hast Du übrigens ein Vorzeichen: Direkt nach dem Notenschlüssel ist relativ gut ein b zu erkennen.
  • Auch das Original ist nicht fehlerfrei:
    Es beginnt mit "Saltarello", ohne "Prima pars" explizit zu erwähnen (sonst wird das i. d. Regel getan). Dann kommt die markierte Einstiegsstelle, die von allen Teilen angesprungen wird (markiert mit X und Kringel) mit den beiden Voltenklammern aperto und chiusso.
    Jetzt aber kommt direkt der dritte Teil (Terça pars) - den zweiten Teil haben sie vergessen. Dafür geht es durch bis zur Quinta pars.
    Das haben die Spielleut dadurch korrigiert, dass sie alle Folgeteile neu numeriert haben, also statt 3-5 dann nur 2-4.


"It contains .... 15 untexted monophonic instrumental dances". Was sagt uns das über die Aufgabenstellung? :gruebel:

Ja, aber die umfangreiche Sammlung enthält auch polyphone Stücke, bei den monophonen Tänzen handelt es sich um weltliche Musik und da scheint es mir nicht verwerflich, dezent eine Nebenstimme zu konstruieren.
Auch eine bordun-artige Begleitung à la McCoy scheint mir angemessen.

Es geht ja nicht um gregorianische Choräle, bei denen jede Art von Polyphonie oder Harmonisierung tatsächlich unangebracht ist (was freilich die moderne Welt nicht davon abhält, liturgische Gesänge ganz offiziell mit mehrstimmiger Orgelbegleitung zu unterlegen).

Übrigens hat @Lia213 (die TE) das Beispiel selbst gewählt, den Aufgabensteller trifft keine direkte schuld.

Viele Grüße
Torsten
 
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Für verwerflich halte ich das gar nicht. Ich finde aber, dass eine Lehrkraft durchaus darauf aufmerksam machen könnte, dass - und vor allem warum - das Stück nicht nach einer zweiten Stimme schreit. Vielleicht sollte sie das sogar...
 
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Ich finde aber, dass eine Lehrkraft durchaus darauf aufmerksam machen könnte, dass - und vor allem warum - das Stück nicht nach einer zweiten Stimme schreit.

Volle Zustimmung.
Aber, wie gesagt - das konkrete Stück war ja nicht Teil der Aufgabenstellung, das hat sich die TE selbst heausgesucht.
Da kann die Lehrkraft überhaupt nicht auf Eigenheiten dieses Stückes aufmerksam machen.

Und zu der Zeit gab es durchaus Mehrstimmigkeit und viele Interpretationen eben dieser "monophonene Tänze" finden durchaus nichts dabei, sie harmonisch zu begleiten und auch mal Gegenmelodien und Begleitstimmen dazuzuerfinden.

Quasi "Folk-Bereich", da werden oft nur Melodien überliefert (einstimmig, nicht mal Begleitharmonien angegeben). Es ist/war völlig frei, was man damit veranstaltet.

Natürlich wird das schwierig, wenn man halbwegs authentisch bleiben möchte.
Auf jeden Fall war die weltliche Tanzmusik damals wohl eher sparsam polyphon und meist unisono, maximal Bordun, da gebe ich Dir völlig recht.

Viele Grüße
Torsten
 
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Schlaginstrumente sind in jedem Fall ein charakteristisches Merkmal dieser Musik und daher neben der Bordun-Quinte meines Erachtens unverzichtbar.
Hier ist noch eine Saltarello-Aufnahme aus der gleichen Sammlung, aber ohne Schlaginstrumente. Es ist wohl der "echte" Saltarello 2.
Und das Instrument, das er da spielt, löst bei mir heftige GAS-Anfälle aus. :D



Bei der unklaren Aufgabenstellung könnte man auch beliebige Töne zufallsmäßig erwürfeln, und dann sagen, daß das eine Neue-Musik-Adaption der mittelalterlichen Musik ist à la John Cage .

Viele Grüße,
McCoy
 
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Spielleut und Martsack haben offensichtlich voneinander abgeschrieben ...

Zumindest haben sie mit ziemlicher Sicherheit nicht das Manuskript als Vorlage verwendet, sondern die Übertragung in moderne Notenschrift durch Curt Sachs, veröffentlicht im Archiv für Musikwissenschaft, Oktober 1918. Der Saltarello III steht dort auf S. 40, einschließlich der editorischen Zusätze (Verdoppelung des T 5, Korrektur der pars-Nummerierung), die aber als solche kenntlich gemacht sind.
 
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