Unabhängig von Corona wird die Frage Pro/Contra Studium wohl so lange aktuell sein wie es Musik gibt.
Das sehe ich genauso.
Als junger Spunt, mit Anfang zwanzig, stand ich Anfang der 80er Jahre auch vor dieser Entscheidung.
In die Musik vernarrt und mit großem jugendlichen Eifer bin ich meinem damaligen Herzenswunsch, ein "Rockstar" zu werden, ca. 2 Jahre gefolgt. Es war für mich eine klasse Zeit, mit vielen tollen Erlebnissen. Sie hat mir allerdings auch die Augen für die tatsächliche Lebensrealität eines "normalen" Profimusikers in den 80er Jahren geöffnet:
So kannte ich damals eine Menge älterer Musikerkollegen (Mitte 30), die sich mit ihrem Lebenstraum kreative Musik zu machen, im Prinzip genauso "verkaufen" mussten wie jeder andere Berufstätige auch. Die meisten machten damals 3-4 Musik-Jobs, um über die Runden zu kommen, als:
- Musiker in einer Coverband, die auf US-amerikansichen Militärbasen vor vollgesoffenen Panzerfahrern Hardrock spielten,
- Tanzmusiker, die den "Ententanz" auf der Jahresfeier des Kleintierzüchtervereins zum Besten gaben,
- Teilzeitangestellter in einem Musikgeschäft, u.a. auch um gesetzlich krankenversichert zu sein, weil man ja nach dem 12. Studien-Semester dann
zwangsweise exmatrikuliert wurde.
Alles in allem habe ich damals viele Musiker - wie ich es einer war - kennengelernt, die eine ziemlich naive und realitätsfremde Vorstellung vom Musikerleben und den damit einhergehenden finanziellen Möglichkeiten hatten. Natürlich gab es auch ein paar clevere Jungs darunter, die mit der Naivität der Musiker auch ordentlich Brötchen verdienten.
Leider ging die sehr unstetige und geringe Bezahlung des Musikers auch noch mit der nüchternen Tatsache einher, dass die meisten - wie gesagt - Musikjobs machten, die definitiv nicht ihrer musikalischen Neigung entsprachen. Am Ende machten Sie dann Jobs, die sie eigentlich nur machten, um Geld zu verdienen und dass dann auch noch gegen schlechte Bezahlung
Fatalerweise ist es dann auch so gewesen, dass ein paar meiner damaligen Musikerkollegen, nach dem sie diesen Weg bereits 10 Jahre beschritten hatten, keinen Weg mehr zurück in's "bürgerliche Leben" gefunden haben - auch wenn sie das teilweise wollten.
Aufgrund dieser ernüchternden Erfahrungen habe ich mich damals dann für den "bürgerlichen Weg" entschieden und ein Studium abgeschlossen. Musik habe ich dann in späteren Lebensphasen als Hobbymusiker phasenweise nebenher gemacht. Ich habe meine damalige Entscheidung nie bereut. Und mein damaliger "bürgerlicher Lebensweg" ermöglicht es mir heute wieder genauso intensiv der Musik zu fröhnen, wie ich es junger Kerl gemacht habe.
Die spannende Frage ist natürlich jetzt: Wie stellt sich die finanzielle Situation als "normaler" Profimusiker heute dar?
Wenn man einmal die aktuelle Pandemie-Phase ausklammert, haben sich aus meiner Sicht die finanziellen Rahmenbedingungen im Vergleich zu den 80er Jahren nicht Wesentlich geändert. Ich denke sie sind allenfalls noch schlechter geworden. Wer heute als Profimusiker unterwegs ist (ich rede jetzt bewusst nicht von den wenigen Ausnahmen, die landesweite Bekanntheit haben und über Jahre hinweg kontinuierlich gut bezahlte Tourneen spielen können) muss sich mit mehreren Jobs finanziell über Wasser halten und auch beim Musikmachen ziemliche Kompromisse eingehen. Wenn dann mit den i.d.R. unstetigen Finanzströmen auch noch familiäre Verpflichtungen einhergehen, kann das in ziemlichen Stress ausarten.
Und falls jemand tatsächlich nicht von diesem - aus meiner Sicht - steinigen Lebensweg mit vielen (finanziellen) Unwägbarkeiten abzubringen ist, dann würde ich demjenigen auch das gleiche raten wie das zu Beginn dieses Beitrages ca. 2011 schon einmal gemacht wurde: Lehrer für Schulmusik.
Das sichert erst einmal die finanziellen Lebensgrundlagen STETIG ab. Man ist des weiteren im Metier, das man liebt, tätig. Parallel dazu ist es einem natürlich auch immer möglich, in einer Hobby-Band (ohne finanziellen Druck) seinen Musiktraum auszuleben.
Grüße aus dem heute sonnigen Franken - wolbai