(...) Ohne damit üble Klischees bedienen zu wollen, sind derartige "Dressur-"Methoden" oft von Instrumentallehrern bekannt, die aus dem osteuropäischen Raum stammen.
In Russland, bzw. der Sowjetunion stand in der Musikerausbildung sehr stark der Drill im Vordergrund. (...)
Zu der Herkunft meiner
ehemaligen KL (ja, mit Corona haben wir uns getrennt) kann ich nichts sagen, aber Du hast insofern recht, als daß sie selbst nach der russischen Schule und sehr drill- und disziplinbetont ausgebildet wurde (Hochbegabtenschule), und später selbst nach dieser Methode auch unterrichtet hat.
Aktuell bin ich im Gespräch mit einem KL, der mit mir demnächst ein Fernunterricht machen würde; ich schicke ihm mein Klavierspiel als mp3, er wird es analysieren und korrigieren. Mal sehen, wie es gehen wird. Für die Zeit nach Corona habe ich zwei KL-Kandidatinnen in Sicht, dann wird es im Sommer-Herbst vielleicht die erste Probestunde geben. Bis dahin muß ich allein zurechtkommen.
(...) Dressur und Drill magst du als angemessen empfinden (vielleicht auch schon länger selber nicht mehr) (...)
Keineswegs! Ich war schon als Kind ungehorsam und unbeugsam (und in dieser Eigenschaft von beiden Eltern angenommen und unterstützt), und so habe ich mir meine eigene Selbstdisziplin erarbeitet, wie ich es für richtig/wichtig halte; wenn ich von etwas innerlich überzeugt bin, bin ich mit vollem Herzen und Fleiß dabei.
Beim Klavierspielen ist es etwas schwierig. Als Laie kann ich nur fleißig und geduldig spielen/üben, aber die Richtigkeit kann ich nicht beurteilen. In diesem Aspekt habe ich meiner KL einfach voll und ganz vertraut. Am Klavier bin ich, wie auch sonst im Leben, ein ruhiger, konzentrierter Typ, und so habe ich die Anweisungen, körperlich zu erstarren, als seltsam und musikfremd empfunden, aber ich habe der KL vertraut, daß mir diese Methode langfristig zum besseren Spiel verhilft. Heute, und nicht zuletzt auch durch Deine Beiträge, sehe ich es anders.
Mit dem Metronom arbeite ich nur zum Üben eines neuen Stücks (erst sehr langsam, dann wird das Tempo in mehreren Stufen gesteigert), oder wenn ich ein altes Stück auffrischen will (ich vergesse die Stücke sehr schnell, wenn ich sie nicht regelmäßig spiele).
Mit den Füßen zu klopfen oder in die Hände nach dem Metronom zu klatschen, bereitet mir keine Probleme, und ich höre dabei die synchrone "Doppelstimme" (Hand und Metro), weil ich mich bei dieser Tätigkeit dem Metronom "widmen" kann, ist ein bißchen wie tanzen. Aber am Klavier brauche ich meine Konzentration für die Noten, Tasten, Fingersatz, verbinden, absetzen, Dynamik und all die tausend Dinge, die das Klavierspiel ausmachen, und da steht mir das Metronom tatsächlich im Weg. Ja weg damit, mache ich häufig, aber irgendwann mal muß auch das passende Tempo eingeübt werden, und dann klackert es halt. Da muß/gehe ich durch.
Meine Frau singt seit zig Jahren im Chor, und sie singt vom Blatt nach Noten und sehr Rhythmus bewußt. Es kommt selten vor, aber manches Liedchen bereite ich mir
sehr sorgfältig am Klavier vor (ja, auch mit Metronom), und dann drücke ich ihr die Noten in die Hand, sie singt die zweite Stimme vom Blatt, ich singe die erste Stimme und begleite uns am Klavier - natürlich ohne Metronom, und es ist mir nie passiert, daß ich im Tempo oder Rhythmus abgerutscht wäre, es läuft ganz natürlich.
Also bei leichten Stückchen geht es doch, aber sobald es etwas komplexer wird, ist es bei mir mit harter Arbeit (Üben) verbunden und da brauche ich auch das Metronom.
(...) Das kann man wohl, aber das zu vertiefen, fehlt mir jetzt die Zeit aufzuschreiben. Nur soviel: Man kann beim Üben sehr davon profitieren, wenn man in der Lage ist, bei schweren Stellen kontrolliert das Tempo zurück zu nehmen. (...)
Ja, das habe ich auch gemacht; das ganze Stück konnte ich ganz gut im Tempo spielen, nur in zwei-drei Takten brauchte ich viel Zeit, "die Finger zu falten", und dann habe ich diese Takte langsamer (aber sonst richtig) gespielt, und ich fand, es klang ganz gut, aber meine KL war nicht so sehr begeistert. Mittlerweile mache ich es wieder so; manchmal gelingt es mir nach einiger Zeit (Wochen, Monate), die schwierige Stelle auch im normalen Tempo doch richtig zu spielen, aber gerade für solche Stellen brauche ich das Metronom, um sicher zu gehen, daß ich bei dem kurzen "Tempowechsel" alle Notenwerte richtig spiele/halte.
(...) Aber später irgendwann wird es ja wieder möglich sein, dann würde ich empfehlen, mal auf die Suche nach Mitspielern zu gehen, die du begleiten kannst. (...)
So gut, daß ich am Klavier jemanden begleiten könnte, spiele ich noch lange nicht, und ein solches Spiel-Niveau werde ich in meinem Leben wahrscheinlich nicht mehr erreichen.
Gruß, Bert