bagotrix
Helpful & Friendly User
Schon früher war ich immer ein Freund von "aktiven" Gitarren mit eingebautem Preamp.
Die Vorteile liegen doch klar auf der hand:
1. Durch Boostfunktionen wird die Gitarre flexibler.
2. Ich spare mir den Buffer am Pedalboard.
Im Bassbereich ist die Anzahl der Arbeitsgeräte die mit einer aktiven Elektronik ausgestattet sind, wesentlich höher.
Warum scheuen sich so viele Gitarristen davor?
Ich denke, "scheuen" ist schon nicht ganz richtig formuliert. Die Frage ist ja nicht in erster Linie, ob man (womöglich gar nicht vorhandene) Nachteile befürchtet, sondern ob man sowas in der Gitarre für seine persönlichen Klangvorstellungen braucht. Und einen Buffer sparen? Das macht ja nun wirklich keinen Unterschied, bei den Boards, die viele haben. Und manche Effekte müssen eh vor einen Buffer, wenn sie wie beabsichtigt klingen sollen, speziell aus dem Fuzz-Bereich und auch manche Wah-Wahs. Da ist die aktive Elektronik also sogar hinderlich.
Vor allem aber wohl die wenigsten ihr Equipment ohne zwingenden Grund aufwendiger machen, was ja auch gar nicht irrational ist - was nicht eingebaut ist, kann schon nicht kaputt gehen oder Störungen verursachen. Diesen zwingenden Grund sehen wohl die meisten nicht, weil sie es für ihre Soundvorstellungen schlicht nicht benötigen.
- Sound: Klingen aktive PUs anders? In der Regel ja, aber diesen Sound muss man eben mögen. Man kann auch moderne Sachen spielen und den Sound klassischer passiver PUs bevorzugen. Ich nenne mal zB Joe Duplantier von Gojira, dessen Signature-HB ein aufgebohrter PAF ist. Und um die ganz klassischen Sounds zu erreichen, braucht man eh keine aktive Elektronik.
- Längere Kabel: Wenn ich bis zu Pedalboard oder Amp tatsächlich mehr als 6 m brauche (die bei einem guten Kabel wirklich kein Soundproblem bedeuten), nehme ich einen Sender. Als Bassist hatte ich mal einen aktiven EQ und ein 15m-Kabel, aber das war jetzt auch nicht wirklich praktisch.
- Soundvariationen: Hier wirds natürlich schon interessant. Ein Booster kann da Sinn machen, oder auch ein Mid Boost. Voraussetzung ist dann aber, dass er ganz am Anfang der Signalkette richig platziert ist. Hier haben wir schon einen wesentlichen Unterschied zum Bass. Da man den meistens clean spielt, macht eine aufwändige Klangregelung an dieser Stelle noch durchaus Sinn. Nicht zuletzt haben Bassisten (erst recht die mit aktiven Bässen) oft Boxen mit Hochtönern, sodass man es auch hört, wenn man weit oben liegende Höhen zugibt. Und sie brauchen das auch viel eher, da eine Gitarre durch hohe Stimmung und dünne Saiten von Haus aus viel mehr Höhen produziert.
Anders in der Gitarre - die meisten lieben ihre Zerre, und da ist es wesentlich sinnvoller, die Klangregelung nachzuschalten. Ein vorgeschalteter Bassboost zB macht den Sound eher matschig, und dreht man die Höhen auf, verändert sich primär der Zerrcharakter. Braucht man mehr Durchsetzungsfähigkeit im Bandsound, muss man doch wieder am am Amp-EQ drehen. Bleibt am ehesten der besagte Mid Boost, wobei auch nicht jeder Amp damit so gut zurecht kommt. Nicht zuletzt wird das Rauschen durch einen (speziell Höhen-) Boost vor dem Amp stark verstärkt, wenn man HiGain-Sounds spielt - beim Bass ist das ja eher selten ein Thema.
- Bedienungsfreundlichkeit und Kosten: Will ich einen Booster für meinen Sound, besitze aber mehrere Gitarren, muss ich ihn auf dem Pedalboard nur einmal kaufen. Außerdem kann ich ihn beim Spielen mit dem Fuß schalten, ohne dass ich die Anschlagshand benutzen muss. Für Bassisten eher kein Faktor, da man hier die aktive Klangregelung eher nutzt, um den Grundsound des Instruments einzustellen. Für den Gitarristen haben bei Boosts eher schnelle Soundwechsel Priorität, und da ist es nicht so leicht, mit Drehen am Poti genau die richtige Einstellung zu treffen.
Soweit zu den Gründen, die ich bei vielen Gitarristen für die bisherige Abneigung sehe. Auch wenn der erste Punkt ("Will gar keinen anderen Sound als ich ihn passiv schon bekomme" wohl weiter mehrheitsfähig bleiben wird, gibt es aber schon auch Ansätze zur Veränderung. Das funktioniert aber nur, wenn man die anderen Bedürfnisse von Gitarristen gegenüber Bassisten versteht und umsetzt. Kurz gesagt: aktive PUs, die (mindestens auch) so klingen können wie passive, und dann noch umschaltbar wie verschiedene passive. Denn PU-Tauscher gibts nun auch unter bisherigen Passiv-Fans wahrlich genug.
Ich denke, es kommt nicht von ungefähr, dass das Fishman-Konzept jetzt auch Anklang bei Gitarristen zu finden scheint, die nicht einen speziellen "Aktiv-Sound" suchen. Hier wird mMn ein spürbarer Mehrwert geboten, nämlich durch einen erstaunlich glaubwürdigen Wechsel des PU-Charakters. Vom heißen HB umschalten auf einen PAF-mäßigen Sound oder gar (brummfreie!) SC-Sounds, das ist schon eher etwas, was auf der Wunschliste vieler Dünnsaiter steht. Und das ist dann auch was, das direkt in der Gitarre am richtigen Platz sitzt, weil die elektronische Manipulation untrennbar mit den vorgegebenen Eigenarten des konkreten PUs verbunden ist. Das könnte auch ich mir vorstellen, ich bin schon sehr neugierig darauf, mal die neuen Epiphone Prophecy-Teile anzutesten.
Gruß, bagotrix