Wieso haben wir eigentlich aufgehört Hälse aus Eiche zu bauen?

Etna
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Moin!

Ehrlicher Weise weiß ich gar nicht wohin dieser Thread so genau hingehen soll. Also verzeiht mir bitte, dass ich ein bisschen vor mich her schwadroniere. Ich habe mir diese Woche eine völlig zerschundene Schlaggitarre gekauft. Ich vermute sie ist aus den 40ern und sie geht irgendwie in diese Richtung. Sie hat allerdings neben der Bauform keine Merkmale, die einen Gitarrenbauer oder eine Firma in irgendeiner Weise verrät. Wahrscheinlich kaufe ich mir noch ein paar Bücher dazu in der Hoffnung sie ein bisschen besser zu verstehen. Im Sommer 2021 möchte ich einfach wieder mehr Gitarren bauen. Und was gibt es schöneres als mit der alten Patina einer Schlaggitarre etwas in Richtung Steampunk zu bauen? Keine Sorge, es handelt sich nicht um ein erhaltenswertes Instrument. Sie hat kaum Schmuck. Auf der Decke sind 12...13 Risse, zwei davon nur laienhaft repariert. Der Boden sieht nicht viel besser aus. 7...8 Risse, überall quillt Weißleim hervor und er wurde sogar angefast, weil er wohl nach der erneuten Verleimung nicht mehr richtig auf der Zarge saß. Ein Binding fehlt, obwohl man an dieser Stelle eins zur Kaschierung der schlechten Leimfuge gut hätte hinzufügen können.

Was ich aber sehr bemerkenswert fand war die Verwendung von eher (für mich) untypischen Hölzern:

Hals Eiche.JPG


Der Hals ist tatsächlich aus Eiche. Nach über 70 Jahren ist der noch kerzengerade. Warum haben wir eigentlich damit aufgehört? Gibson-ähnlich sind die Poren sehr dunkel gefüllt worden. Und nahe des mittleren Streifens erkennt man ganz deutlich die Eiche typischen Markstrahlen. Ich finde den jetzt nicht hässlich. Der Steg ist wohl aus Buchsbaum. Natürlich ebonisiert. Der Boden und die Zargen geben mir noch ein paar Fragen auf, aber sobald ich den Boden vom Korpus habe, sollte ich das Holz gut erkennen können. Falls nicht, melde ich mich hier wieder.

Natürlich bin ich mir bewusst, dass wir nach dem Krieg eine Amerikanisierung erlebt haben und sich Bauarten mitsamt der Baumsorten durchsetzten, die aus Übersee kamen. Dennoch frage ich mich, wieso wir unsere Gitarren-Kultur dahingehend scheinbar komplett aufgegeben haben. Zumindest habe ich bei der Suche nach "Gitarrenhals Eiche" neben den üblichen Eigenbau-Versuchen nicht wirklich aussagekräftige Informationen gefunden. Per se spricht ja nichts gegen Eiche als Tonholz, wenn man sich mit dem Gewicht arrangiert. Und ich glaube nicht, dass eine Archtop aus Eiche zu schwer werden würde. Eigentlich müsste das nach meinem Gefühl in Richtung einiger Mahagoni Sorten gehen. Hals und Korpus aus geräucherter Eiche, Griffbrett aus geriegelter Elsbeere und ein Top Ahorn. Sähe bestimmt lecker aus.

Mich erfreut allerdings, dass es in den letzten Jahren wohl einiges an interessanten Studien und Versuchen zum Thema einheimische Tonhölzer gab. So langsam wird versucht die Nische ein wenig zu erweitern. Das finde ich sehr gut! Wobei ich sagen muss, dass derzeit Eiche eher nicht in Mode kommen sollte. Durch den ganzen Käferbefall der Nutz- und Tannenwälder sollte mMn möglichst viel Eiche stehen gelassen werden, anstatt sie für den derzeitigen Möbeltrend teuer zu verkaufen. Irgendwie habe ich da ein bisschen Angst um die einheimischen Wälder. Auch Esche wird immer seltener durch den ganzen Pilzbefall, der die Triebe abtötet. Aber ich schweife ab...

Vielleicht ist ja daher der ein oder andere an ein bisschen Literatur zu den Versuchen mit einheimischen Hölzern interessiert:

Schallleitmessungen verschiedener Hölzer in einer Bachelor Arbeit von Marie Bernadette Brandstätter
Oliver Kläusler im Deutschlandfunk über sein Heisspressverfahren von Hölzern
Dr. Mario Zauer im MDR über seine künstliche Alterung von heimischen Hölzern
Hanika baut schon mit der Methode von Mario Zauer Gitarren

Für die meisten ist das wahrscheinlich auch ein alter Hut. Einigen Gitarrenbauern ist es auch wichtig nur einheimische Materialien zu verwenden. Gerade durch Corona habe ich bemerkt wie schnell der Markt in einigen Branchen einfach leer gefegt war, da bis heute noch nicht alle Containerschiffe zurück auf den Meeren sind. Da geht der Blick gezwungener Maßen ja zu einheimischen Produkten. Wie die meisten habe aber auch ich Instrumente aus Zebrano, Ebenholz und Palisander ohne Dokumente, mit denen ich wahrscheinlich nach aktueler Regelung an der Grenze angehalten werde. Wie weist man auch nach aus welchem Bestand welches Holz wann kam? Gerade bei Selbstbau-Instrumenten ist das gar nicht so einfach. Insbesondere stelle ich es mir schwierig vor dann einen Sattel aus Mammut-Elfenbein zu haben. Vielleicht wird es auch einfach an der Zeit mir eine Gitarre aus Buchsbaum, Elsbeere und Birne zu bauen. Was meint ihr?

Schicken Gruß,
Etna
 
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Buchsbaum, Elsbeere und Birne zu bauen
Darin möchte ich dich unbedingt bestärken, eine tolle Idee.
Habe vor Einiger Zeit mal einen Zeitungsartikel darüber gelesen.
Ich meine „Frank Deimel“ beteiligt sich schon länger an einem Projekt welches !wieder! heimische Hölzer im Instrumentenbau etablieren und deren Eigenschaften erforschen will.
Früher war dies wohl Gang und Gäbe

ich Google mal vielleicht finde ich den Artikel noch
 
Liegt es ggf. an simplen ökonomischen Gründen? Brauchen Eichen mehr Fläche, haben sie längere Wachstumsphsen, brauchen ansruchsvollere Böden, mehr Wasser, etc.? Und wenn wir mal gucken, wo die Masse von Gitarren produziert werden, macht es vieleicht auch mehr Sinn, gängige Hölzer aus dortigen Gefilden zu verwenden.
 
Ok dieser Artikel war es nicht,
Infos sind aber im Prinzip die gleichen.

https://www.gitarrebass.de/stories/zu-besuch-bei-deimel-guitarworks/

Frank Deimel ist da wohl sehr umtriebig im Thema, es gibt ne Menge dazu von ihm

Hanika aus Nürnberg bauen wohl auch aus heimischen Hölzern

und eine Kollegin hat dich erst Kürzlich eine Harfe auf heimischen Hölzern bauen lassen welche unglaublich gut klingt
 
Devil's Choice hat vor einiger Zeit mit der Black Oak Serie auch mit Eiche experimentiert. Die Idee war dabei, mit heimischen Hölzern eine Alternative zu Tropenhölzern anzubieten.
Ich halte daher deine Projektidee auch für sehr vielversprechend.
Bzgl. Mammut-Elfenbein ist es meines Wissens tatsächlich so, dass es wohl keine Bestimmungen oder Einschränkungen gibt, da es nicht von einer bedrohten sondern von einer bereits ausgestorbenen Tierart stammt. Ich persönlich halte das zwar für nachvollziehbar aber gleichermaßen finde ich diese Logik auch absurd.
 
Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Es ist ja nicht nur Eiche, welche man als Halsholz nicht mehr findet...Alle die über mich, bzw. meine Beiträge schon länger lesen, sollten sich erinnern, das ich schon einmal eine Anfrage im Board gestellt habe, bei der es um Hälse aus anderen Hölzern ging. So baue ich schon seit einiger Zeit Hälse aus Lacewood, Perlholz)
an das ich vor längerer Zeit zufällig geraten bin. Ein optisch sehr interessantes Holz, tonal und nach Beschreibung ähnlich dem Ahorn. Als ich den ersten (für mich) davon fertig hatte, und sich ein Kunde dafür interessierte, habe ich ihm den an seine Gitarre von mir geschraubt... Nach nicht all zu langer Zeit kam der Wunsch von ihm, auch einige der anderen Gitarren damit auszustatten. Meine Suche im Internet ob irgendeine Firma auch solche Hälse verwendet, war bisher negativ!
Zur Eiche: Während der Zeit als "mein" Tischler versuchte mit meinen CNC Daten auf seiner CNC Halsrohlinge zu fräsen - dauerte Monate!, wurden dann die letzten Versuche brauchbar und passend. Als Versuchsstücke verwendete er Hölzer die so "rumlagen"= Eichebretter! Die letzten beiden Rohlinge wurden dann nicht zu Feuerholz, ich habe sie mitgenommen und die warten darauf weiter zu bearbeitet werden. Kann dauern, bin überlastet. Die Eiche Halsrohlinge sind übrigens nicht schwer!! Viel leichter als ich es erwartet hatte. Ich bin natürlich auch interessiert wie das klanglich würde - nur, alles später.
Von den Eiche Halsrohlingen habe ich noch kein Bild, von dem Lacewood habe ich angehängt. Falls jemand irgendwo so etwas schon gesehen hat (wer es auch verwendet) , wäre ich über eine Info dankbar!!

DSCF1331.JPG DSCF1332.JPG
 
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Ich vermute am Ende des Tages geht es um Einkaufspreise und erhöhten Verschleiss von Maschinenteilen und Maschinenlaufzeiten bei der Produktion.
 
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Moin!

Frank Deimel ist da wohl sehr umtriebig im Thema, es gibt ne Menge dazu von ihm

Danke! Ich habe da auch ein paar Sachen gefunden und schaue mir die nachher mal an. Irgendwie spannender als ich gedacht habe.

Liegt es ggf. an simplen ökonomischen Gründen?

Nö. Oder ja... Also, Eiche war eine Zeit lang sehr unbeliebt. Daher wurden die kaum noch gepflanzt. Hölzer brauchen ja eine Weile, um zu wachsen und da der derzeitige Möbeltrend sehr überraschend kam, gibt es einen Haufen Anfragen für relativ wenig Holz. Daher ist der Preis momentan so hoch. Sobald der Trend wieder geht, sinkt auch der Preis.

Glücklicher Weise bin ich da sehr flexibel und frage meinen Händler gerne was weg muss. Da ist es auch keine Schande Beistelltische aus Mahagoni deckend zu lackieren. War dann zu dem Zeitpunkt die günstigste Bohle, die ich kriegen konnte.

Devil's Choice hat vor einiger Zeit mit der Black Oak Serie auch mit Eiche experimentiert.

Sehr hübsch sind die geworden!

Da gabs auch hier ein paar Themen

Danke! Ich schaue mal nach. Aber eigentlich schielte die Frage eher nach Gründen warum wir aufgehört haben einheimische Dinge zu verwenden. Aber ja, alles interessante Threads!

Die Eiche Halsrohlinge sind übrigens nicht schwer!! Viel leichter als ich es erwartet hatte. Ich bin natürlich auch interessiert wie das klanglich würde - nur, alles später.

Danke, Murle! Natürlich erinnere ich mich an deine Beiträge. Du bist ja ein alteingesessener Hase was das angeht. Ich kann dir allerdings zustimmen. Der Hals von oben fühlt sich nicht anders an als andere. Natürlich ist er recht schwer, er liegt wie ein Baseball Schläger in der Hand. Ich werde ihn ein wenig stutzen wollen und einen Trussrod spendieren.

Falls jemand irgendwo so etwas schon gesehen hat (wer es auch verwendet) , wäre ich über eine Info dankbar!!

Also Lacewood habe ich schon öfter gesehen. Ist aber wirklich nicht einfach im Netz zu finden. Da gibt es ähnlich wie mit der Eiche einige kurze Foreneinträge ohne Ergebnis, allerdings meine ich Lacewood als Hals öfter in einer Gitarre & Bass oder Grand Guitars gesehen zu haben. Vielleicht komme ich am Wochenende ein wenig zum Blättern und finde dann was. Derweil:

https://reverb.com/ca/item/3525402-...ar-with-lacewood-neck-includes-hardshell-case

Hübsches Ding! So viele schöne Sachen, die man bauen mag und am Ende hat der Tag nur 24 Stunden für einen. Schade...

Ich vermute am Ende des Tages geht es um Einkaufspreise und erhöhten Verschleiss von Maschinenteilen und Maschinenlaufzeiten bei der Produktion.

Wenn das so wäre, hätten wir einen viel homogeneren Markt. Stattdessen sind wir Gitarristen zu traditionsbewusst, als das wir uns unsere geliebten Holzsorten nehmen lassen würden. Nur komischer Weise ist diese Tradition rein amerikanisch und wir verwenden seit über 50 Jahren nur das was dort auch genutzt wird. Sonst würden die ganzen oben genannten heimischen Instrumente wesentlich mehr Anklang finden. Aber vielleicht kommt das noch mit Corona. Lieferengpässe, der verstärkte Blick auf den Binnenmarkt und das steigende Umweltbewusstsein einiger... Denke, das wird.

Schicken Gruß,
Etna
 
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Hallo Etna,



Vorweg zu Deiner Frage: ich habe keine Ahnung :)


Aber ein paar Vermutungen:


Die Vorbilder fast aller heute und auch schon vor Jahrzehnten angesagten Stahlsaitengitarren kamen aus den USA. Das waren also begehrte Güter, die in ihren Anfängen auch sicherlich den höchsten Standard geboten haben, den man so kannte. Sie waren in Europa schwer zu bekommen und extrem teuer und somit nur Menschen vorbehalten, die so viel Geld hatten sie sich zu leisten, und die sich das überhaupt auch leisten wollten, das waren wohl mehrheitlich professionelle Musiker.
Das war in den USA in Teilen auch so, also, die Instrumente waren evtl. besser zu bekommen, aber auch dort teuer.

Somit haben professionelle Musiker, evtl. auch die Stars ihrer Zeit diese Instrumente gespielt und deren Fans wollten dem Vorbild möglichst nahe kommen und auch so ein Instrument besitzen (da gibt es ja prominente Geschichten, wie etwas von Mike Bloomfield oder Eric Clapton). Nur, in Deutschland war das nach dem Krieg ja zunächst schwer bis unmöglich ein "Original" zu bekommen.
Also haben u.a. deutsche Firmen eben auch solche Modelle nachgeahmt (also, nicht nur, aber eben auch).
In Zeiten vor Internet war der Informationsfluss ja zudem ein komplett anderer als heute, also, viele Dinge hat man von Fotos abkopiert, oder vllt. nach Hörensagen von "Experten" angenommen und für bare Münze genommen. Und es dauerte ewig, Informationen zu verifizieren, oder überhaupt zu bekommen. (Da denke ich gerne an Mythen meiner Jugend zurück, da gab es weit verbreitete Ansichten, auch bei Fachleuten, über die wir heute lachen)

Irgendwann hat man vielleicht gehört/herausgefunden, welche Hölzer die "amtlichen" Hersteller benutzen. Und um dem Original noch näher zu kommen und der Nachfrage der Kunden nach mehr Authentizität nachzukommen, hat man eben diese Hölzer genommen in der Annahme (wer auch immer das dann angenommen hat), diese seien vornehmlich für den guten Klang verantwortlich. Und damit waren gewisse Hölzer gleichbedeutend mit einem klanglichen Qualitätsmerkmal. Und einheimische Hölzer, eben so, wie die einheimischen Instrumente nur ein schlapper Versuch, an das begehrte Original zu kommen.

In den 60ern fing es in etwa an mit dem "Vintage" Kult. In den USA hat Mike Bloomfield alle verrückt auf Teles und dann auf Goldtops gemacht in Europa Clapton, Page und Beck auf Bursts, der Grundstein war gelegt und die große Suche nach den "amtlichen" Gitarren hatte begonnen.
Aus dieser Zeit stammen viele Mythen (double white Pafs würden anders klingen, Pafs ohne Cover aggressiver, geleimte Hälse haben Sustain und klingen fett, geschraubte weniger Sustain und klingen drahtig, Gretsch ist Rock'n Roll und Tele ist Country etc.pp., das ist bändefüllend), die wurden von "Experten" wohl gar nicht mal in böser Absicht verbreitet ( es war eben eine Vermutung, emotional - so, wie mein Geschreibsel hier ) und gingen dann von Musiker zu Musiker, von Fachmann zu Fachmann und irgendwann kann sich eben auch ein Hersteller nicht mehr wehren, bzw. wittert seine Chance und macht was draus, Marketingaspekte ableiten oder so.

Durch das Internet erleben wir ja, wie schnell Informationen geteilt werden können und das hat oft eine heilsame Wirkung. Was alleine in den letzten 20 Jahren an Erkenntnissen, Wissen für die breite Masse an früher sehr exklusiven Wissensthemen wie Vintage Instrumente verfügbar gemacht und erweitert wurde, das ist der Wahnsinn.
Gleiches gilt auch für das Wissen um den Bau und die Konstruktion von Instrumenten, das kommt mir - der ich in dieser Blase oft anzutreffen bin :)) - vor, als steige hier das Wissen und die aktiven Teilnehmer exponentiell.

Und so werden immer wieder "Mythen" entschlüsselt, aber es aus den Köpfen der Leute zu bekommen nach der ganzen Zeit, das ist schwieriger, denn wer befasst sich schon permanent mit solchen Dingen?

Als vor ein paar Jahren alle Dalbergia Arten auf Appendix II gesetzt wurden (ja, außer natürlich Rio), da gab es eine große Verunsicherung bei den Herstellern. Man hat - und das finde ich ganz toll - mit heimischen Hölzern vermehrt experimentiert und Ergebnisse bekommen, die man so anscheinend nicht erwartet hatte, eben das einheimisches Holz sehr gut als Substitut benutzt werden kann (manchmal evtl. nach thermischer Behandlung), oder einfach für sich genommen ein super Holz für den Instrumentenbau sein kann.
Das hat ja die Palette an Möglichkeiten extrem erweitert, aber dennoch werden die meisten Kunden, denke ich, eben aus dem Traditionsbewusstsein heraus weiterhin die "klassischen" Hölzer haben wollen. Und das hat auch was mit einer vermeintlichen "Gewissheit" zu tun, dass das - i.d.R. teure - Instrument dann auch entsprechend klingen wird. Den Mut, sich auf andere Hölzer einzulassen bei so einer Investition bringt nicht jeder auf, und ich kann das verstehen.

Zum Thema Eiche: ich habe es schon ein paar Mal benutzt und finde das Holz toll, aber es ist auch materialmordend zu einem gewissen Grad, das muss man schon sagen. D.h. jetzt nicht, das man da auf einmal alle Messer am Hobel wechseln muss und 3 neue Fräser braucht, aber mehr schärfen muss man m.E. schon und das ist nunmal Zeit und Zeit kostet.

Ein "Problem" für mich: wenn ich heimische Hölzer suche, in den Maßen die für den E-Gitarrenbau reichen, dann finde ich das nicht für alle Hölzer. Gerade Obstholz (meine Fräse, wir haben so schönes Obstholz, Birne, Apfel, Kirsche, da braucht es kein Palisander oder Cocobolo) ist schwer zu finden in solchen Größen und dann auch oft entsprechend teuer.
Manche Hölzer sind gut verfügbar, aber nicht in den Maßen, die es braucht, weil die einfach zu wenig nachgefragt werden.

Ein Serienhersteller wird es da einfacher haben, denn er kann ja den Holzhändler entsprechend instruieren, bei entsprechender Abnahmemenge.


Zum Thema Mode: in den 60er und 70er Jahren waren Mahagoni Treppen/Türen/Fenster in Mode (oder eben, was las Mahagoni verkauft wurde, u.a. Meranti und Co.). War halt billig zu haben ( so manche südamerikanische Militär Junta hat da vielleicht Holz gegen Geld für Waffen getauscht) und passte zum Geschmack der Zeit.
Heute schmeißen die Leute das weg, oder verbrennen es (kein Scherz, ich sprach mit einem Treppenbauer, ich musste eine Träne verkneifen), wenn die neue Treppe kommt. Und die Gitarristen würden sich die Finger danach lecken und würden dafür mehr zahlen, als für einheimische Hölzer, die der/die Treppenbesitzer/in nun für seine teure neue Treppe benutzt.

Das nur als kleiner Exkurs, dass auch Tropenholz in der Nachfrage fallen kann zu Gunsten der einheimischen Hölzer.


Aber es ist ein spannendes Thema, auch vor dem Hintergrund der Ressourcenschonung. Es gibt so viel tolles Holz da draußen, direkt vor unserer Tür, da muss man nichts importieren oder auf der anderen Seite der Erde schlagen lassen. Und wie ja geschrieben, auch Tropenholz gibt es zuhauf in Deutschland, alte Möbel, Treppen, Fenster und Türrahmen, die kann man meist sehr gut upcyclen.
Und klangliche Unterschiede, puh, also, ich meine, bei einer E-Gitarre, da würde ich mich zumindest nicht aus dem Fenster lehnen und behaupten, ich könne das im Blindtest heraushören. Bei akustischen Instrumenten bin ich nicht sehr geschult, da wird es denke ich anders sein. Meine Semi mit Eiche-Body klingt jedenfalls wie eine Semi eben so klingt. Wie eine Semi.

Momentan müssen ja viele Eschen gefällt werden wegen Schädlingsbefall (das betrifft ja leider ganz Europa und Nordamerika), ich meine mich zu erinnern das auch Ulmen schwer zu kämpfen haben derzeit. Das wäre auch alles super Holz zum Instrumentenbau, aber bei den Mengen, die da bewegt werden müssen, lohnt es sich wohl nicht, dass dafür zu verkaufen. Im Zweifel lieber Brennholz oder Pellets draus machen.
Das wird vielleicht auch ein Grund sein, das einheimische Hölzer vielleicht nicht in den Mindermengen verkauft wird in den Maßen, die es für den Instrumentenbau braucht, weil es sich in der Größenordnung nicht lohnt, warum dann diese Hölzer nicht so oft anzutreffen sind im Gitarrenbau.
Aber ich denke, die Komponente mit Emotion und Tradition, das ist der springende Punkt.


Ales Gute!


Jonas
 
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Wenn das so wäre, hätten wir einen viel homogeneren Markt. Stattdessen sind wir Gitarristen zu traditionsbewusst, als das wir uns unsere geliebten Holzsorten nehmen lassen würden. Nur komischer Weise ist diese Tradition rein amerikanisch und wir verwenden seit über 50 Jahren nur das was dort auch genutzt wird. Sonst würden die ganzen oben genannten heimischen Instrumente wesentlich mehr Anklang finden. Aber vielleicht kommt das noch mit Corona. Lieferengpässe, der verstärkte Blick auf den Binnenmarkt und das steigende Umweltbewusstsein einiger... Denke, das wird.
Das sehe ich genau so.
Ich hoffe die gemutmaste Trendwende zum heimischen Holz tritt ein und setzt sich durch.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Interessante Betrachtung
 
Im stromlosen Bereich - wo die verwendeten Hölzer durchaus eine gewisse Rolle spielen ... - gibt es seit ein paar Jahren immer mehr Firmen, die heimische Hölzer verwenden. Hier eine Gitarre mit Boden und Zargen aus Eiche:



Einen Hals aus Eiche habe ich allderings noch nicht gesehen.

Englischsprachige Diskussion gefällig?klick!
 
Hier eine Gitarre mit Boden und Zargen aus Eiche:

Haha, wie witzig! Genau so eine wollte ich auch gerade posten. Meine scheint aber rund 100 Jahre älter:



Wenn ich mir beide so anschaue, finde ich die derart hübsch, dass ich mir vielleicht doch eine Bohle Eiche besorge.

Im stromlosen Bereich - wo die verwendeten Hölzer durchaus eine gewisse Rolle spielen ...

Mit solchen Aussagen wäre ich allerdings vorsichtig. Ich wollte hier nicht wieder den x-ten Holzklang Thread aufmachen. Eher im Gegenteil. Solche Thesen haben in diesem Forum schon so manch interessanten Thread gesprengt. Eigentlich geht es mir eher ums Mindset, Trends, Tradition und ob es vielleicht ersichtliche Gründe für gewisse Holzarten gibt. Sonst bemerkt man Trends schließlich fast ausschließlich anhand von beliebten Möbeln. Interessant finde ich die Phase als alles schwarz sein musste. Und nein, ich meine nicht die 80er bishin in die 90er als alles an Esche schwarz gebeizt sein musste. Ich dachte eher an unser ganzes ebonisiertes Obstholz im Biedermeier für all die, die sich Ebenholz nicht leisten konnten. Vielleicht kommt daher die Lust auf exotische und vermeintlich teure Hölzer. Als Musiker auf der Bühne möchte man ja nicht nur spielerisch zeigen, was man so hat. Das ist gerade aber nur wild in den Raum hinein geraten.

Gruß,
Etna
 
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Schon klar. Eine vage Erinnerung sagt mir, dass bei Eichen relativ häufig Drehwuchs anzutreffen ist. Das, was ein Plus für die Standfestigkeit ist, ist bei einem Gitarrenhals eher nicht erwünscht.
 
Moin,

Also beim E-Gitarrenbau kann ich dir sagen, warum sie (aus Ingenieurischer Sicht) nicht für Hälse verwendet werden: Die Zugfestigkeit (und auch Druck- und Biegefestigkeit) ist nur etwa halb so groß wie beim Standard-Ahorn, also wäre ein Hals mit gleichen Abmessungen flexibler --> mehr Dissipation --> weniger Sustain. Aus genau dem Grund hätte Les Paul ja seinerzeit seinen Hals aus ner Eisenbahnschiene gebaut, wenns praktikabel gewesen wär :D

Bei Bodies seh ich das weit weniger kritisch, da wurde ja von Schaumstoff bis Zement auch schon alles gemacht - wenn man n hübsches Stück heimisches Holz da hat, sollte man das auch benutzen.

Bei akustischen Instrumenten ist das ganze dann wieder deutlich komplizierter, da spielen dann E-Modul, Faserrichtung, Konstruktion uvm. ne große Rolle, und der Energiefluss ist ja auch ganz anders als bei der Elektrischen.
 
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Hallo NeoCat,


Ich bin kein Ingenieur und daher kann ich dazu nicht so viel sagen, aber dennoch möchte ich auf diesen Link hinweisen, in dem Herr Kraushaar ein paar Hölzer entsprechend der Biegefestigkeit getestet hat (k.A., ob nach wissenschaftlichem Standard, aber ich denke, der Herr Kraushaar at durchaus Erfahrung und weiß, was er da tut):

https://www.kraushaar-gitarren.de/cms/biegefestigkeit.html

Da schneidet jetzt die Eiche nicht wirklich schlecht ab.

Der Punkt, dass sich Eiche verziehen könnte (Drehwuchs wurde glaube ich weiter oben genannt) könnte interessant sein, aber dann würde ich mal Vogelaugenahorn und Riegelahorn als Halsmaterial auch mit einem Fragezeichen versehen, denn das dreht und windet sich auch ganz gerne Mal. So sehr, dass es bei den Möbelbauern nach allem was ich gehört habe (!) nicht gerne verwendet wird.

Ich denke, wenn man ein (trockenes) Holz für einen Hals in Betracht zieht, dann hat man das eine Weile bei sich gelagert und beobachtet. Wenn sich da nix getan hat und der Hals frei von abgefahrenem Verwuchs ist, hätte ich da keine Bedenken. Und wenn doch, dann würde ich den auftrennen und verdreht mit einem kleinen Trennfurnier wieder zusammenleimen, dann wäre ich mehr als beruhigt, bin aber auch kein Fachmann.

Der Eichenhals im Eingangspost scheint ja ein paar Jahrzehnte ausgehalten zu haben, das würde ich mal als gutes Beispiel ansehen.



Alles Gute!

Jonas
 
Gitarrenhälse werden nicht mehr aus Eiche gebaut, weil es viel wichtiger ist aus Eiche gute Fässer für Single Malts und für guten Rotwein zu bauen. Das sollte doch klar sein. :engel:

Oder habt ihr schon einmal einen Whiskey aus einem Palisanderfass oder Perlholzfass getrunken?
 
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weil es viel wichtiger ist aus Eiche gute Fässer für Single Malts und für guten Rotwein zu bauen
Und genau dieses Holz kann als Tonholz für Gitarren dienen :evil:



Für den Hals der Fylde Single Malt Ariel - ähnliches Projekt - wurde tatsächlich auch Eiche verwendet, aber nicht pur: "laminated from reclaimed Oak and Oregon Pine" (klick).
 
Das muss ja nicht pur sein. Aber mit dem alten Eichenfass als Idee gibt es ja einige...

The Pechstein
Big D Whiskey Barrel Top
So'n Typ auf Reddit
The Burbon Barrel Guitar Company

Irgendwie haben die alles was Schickes. Upcycling halt. Finde ich toll.

Aber irgendwie sagen mir dann alte Fässer in runder Form als Drumset eher zu. Midmill Drums machen das schon länger so. Da gab es vom guten Boris Ritscher sogar eine schicke Doku im SWR. Auch als reiner Guitarero gut sehenswert.

Schicken Gruß,
Etna
 
Hi,

zwar keine Eiche, aber das Griffbrett meiner Gretsch Electromatic Jet ist laut Hersteller aus Walnuss.

Als Korpusholz würde ich es ja eher nicht empfehlen - ich habe als junger Kerl noch einen Precision Bass Walnut Special angespielt und kann es nur Bassisten empfehlen, die die Statur von Conan dem Barbaren mitbringen. Als Griffbrett gefällt es mir allerdings wirklich gut, obwohl ich vor dem Anspielen eher skeptisch war. Ich weiß natürlich nicht, welchen Einfluss es klanglich auf eine Strat oder Paula hätte, aber bei der Gretsch gibts in Sachen Spielgefühl, Sustain und Brillanz wirklich nix zu meckern. Die Optik ist halt gleichmäßiger als bei Palisander und es glänzt nicht so glatt und ölig, wie man es gewohnt ist. Allerdings kann man es mit Poliervlies und Griffbrettöl auch noch etwas mehr in die Richtung bringen.

Gruß, bagotrix
 
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