Was mich nun doch etwas verwirrt, ist der Verzicht auf einen Stereo-Out.
Der komplette Signalweg des Prophet-5 ist und war immer monaural. Es gibt ja keine Effekte, keine Stereosamples, keine Stereofilter, keinen Multimode. Nichts in der Kiste ist stereo. Wer das Ding im Panorama weiter links oder rechts haben wollte, hat am Mischpult zum Pan-Regler gegriffen.
Allenfalls beim Prophet-10 wäre das sinnvoll, der ja duotimbral ist.
Hmmm, ich find es jetzt nicht so spannend, wenn man altes wieder neu baut.
Guck dir mal die Gebrauchtpreise an für einen echten originalen Sequential Circuits Prophet-5 Rev. 2. Es gibt genügend Leute, die den und wirklich ganz genau den haben wollen. Und das sind nicht unbedingt alles Vintage-Sammler.
Ausser nostalgischen Gründen und der Oktave mehr, sehe ich keinen Grund von meinem Prophet 6 abzurücken.....
Ich schon. Siehe oben.
Der "neue alte" Prophet-5 ist ja nicht irgendein weiterer analoger Polysynth, sondern der folgt dem Prinzip der Korg ARP Odyssey. Es ist ein Beinahe-1:1-Klon eines begehrten klassischen Analogsynthesizers aus den 70ern und was für Leute, die wirklich exakt diesen Sound haben wollen. Also nicht so lange am Prophet-6 oder REV-2 oder Kronos oder Nord rumschrauben, bis es ungefähr so ähnlich klingt, sondern wirklich Replica-Tribute-Niveau.
Den Korgyssey kann man ja umschalten zwischen Mk. I (zweipoliges Tiefpaßfilter, siehe ABBA), Mk. II (vierpoliges Moog-Klonfilter) und Mk. III (vierpoliges ARP-Eigenbaufilter). Den neuen Prophet-5 Rev. 4 kann man umschalten zwischen Rev. 1 (SSM-Chips, in Dave Smiths Garage per Hand zusammengelötet) und Rev. 2 (SSM-Chips, industriell gefertigt – die Kultversion, die damals alle™ hatten und die man überall gehört hat, daher die hohe Nachfrage).
Anscheinend kann der Rev. 3 (Curtis-CEM-Chips) nicht mit emuliert werden, weil man dafür die komplette Klangerzeugung zweimal im Gerät bräuchte, was erstens teuer wäre, zweitens Platz brauchen würde, drittens thermische Probleme mit sich bringen würde und viertens die Signalwege und damit den Sound verändern würde. Ich meine, das Ziel dürfte doch wohl gewesen sein, den Originalsound zu mindestens 99,9% (nicht nach der Rock-Coverband-Skala, sondern nach der Replica-Tributeband-Skala) zu reproduzieren, sonst gäbe es nicht auch eine Einstellung für Bauteilalterung.
Der Prophet-10 ist ein interessanter Kandidat, der mich daran zweifeln läßt, daß beide wirklich praktisch identisch mit den Orignialen klingen. Dieser Prophet-10 ist nämlich kein Klon des Prophet-10, der letztlich in Serie ging (zwei Manuale, Curtis-Chips). Er soll vielmehr ein Klon der nie in der Verkauf gelangten Prophet-10-Prototypen sein, die Dave Smith und John Bowen noch vor der "Serien"-Produktion des Prophet-5 Rev. 1 in Daves Garage gebaut haben (also auch SSM-Chips und Handarbeit). Die Dinger, die so pickepackevoll mit Technik waren, daß sie ständig überkochten.
Wenn das wirklich ein 1:1-Klon wäre, also aus Gründen des perfekten klanglichen Realismus genauso akribisch an Originalschaltungen und Originalteile gehalten wie alle guten Roland-TB-303-Klone und das Tom Oberheim SEM Reissue, müßte er auch genauso überhitzen wie das Original. Tut er aber nicht. Also ist da drin irgendwas anders. Also wird er anders klingen. (Merke: Bei Analogsynthesizern hat auch das Gehäuse Einfluß auf den Sound, weil es Einfluß auf die thermischen Verhältnisse hat und damit auf Oszillator-Drift, Filterverhalten, Verhalten etwaiger analoger LFOs und Hüllkurven usw.)
Das ist aber auch wieder egal, denn der Prophet-10 ist so lange unnütz wie ein Kropf, wie es kein Klon des zweimanualigen Serien-Prophet-10 mit Curtis-Chips ist. Die Kiste, die er zu klonen versucht, ist nie in den Verkauf gelangt, weil sie nie auch nur in der Nähe der Serienreife war. Folglich ist sie nie auf Produktionen zu hören gewesen. Folglich gibt es gar keine Veranlassung, den Sound des Ur-Prophet-10 klonen zu wollen. Warum aber einen Klon von etwas bauen, das zu klonen sich nicht lohnt?
Aber gut, was hätten sie sonst machen können? Zusätzlich einen Prophet-5 Rev. 5 rausbringen als Rev.-3-Klon, der wieder Curtis-Chips hat? Mit einem Umschalter, mit dem die subtilen Änderungen zwischen den Unterrevisionen nachgebildet werden können? Mal ehrlich, nach dem Prophet-5 Rev. 3.x kräht kein Hahn. Auf welchen berühmten Produktionen, die alle Welt 1:1 zu replica-covern versucht, war je ein Prophet-5 Rev. 3.x zu hören? Alle replizierenswerten Songs mit Prophet-5, ob ABBA oder Phil Collins oder wer auch immer, haben einen Rev. 2!
Das heißt, wenn der Prophet-10 schaltungsmäßig so verändert ist, daß er bei identischen technischen Spezifikationen und identischen Gehäuseabmaßen nicht mehr überhitzt, dann wird auch der Prophet-5 schaltungsmäßig signifikant verändert sein. Muß er ja sowieso, wenn zwischen Rev. 1 und Rev. 2 gewechselt werden kann. Damit geht der zum Rev.-1/2-Original absolut identische Sound auch den Bach runter. Das werden wir spätestens dann in echt lernen, wenn jemand den Reissue gegen einen echten originalen Prophet-5 pittet. Und zwar nicht nur jeweils in identischen Reglerstellungen, sondern auch in Kombinationen von Extremeinstellungen, z. B. Resonanz oder LFO-Geschwindigkeit. Und beim Prophet-5 läßt sich da weniger mit "Bauteilschwankungen" und "zwei Exemplare klingen sowieso völlig unterschiedlich" argumentieren als bei der 303, die aus den Bauteilen zusammengelötet wurden, die für den Jupiter-8 nicht gut genug waren. (Andererseits klingen auch keine zwei Jupiter-8 gleich – Nick Rhodes von Duran Duran, der berühmteste aller Jupiter-8-Spieler, hat drei davon, und die klingen alle unterschiedlich. Aber ich wage zu behaupten, die Unterschiede zwischen einem Prophet-5-Reissue und einem originalen Prophet-5 Rev. 2 werden größer sein als zwischen zwei originalen Prophet-5 Rev. 2.)
Martman